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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: 4 U 222/99
Rechtsgebiete: VVG, AHB


Vorschriften:

VVG § 158 Abs. 3
AHB § 9 II Nr. 2
Meldet der Versicherungsnehmer seinem Betriebshaftpflichtversicherer Schäden, für die der Versicherer die Eintrittspflicht ablehnt, und kündigt der Versicherungsnehmer nach weiteren vergeblichen Bemühungen um Regulierung den Versicherungsvertrag "mit sofortiger Wirkung wegen Nichtregulierung der Versicherungsfälle", so ist die außerordentliche Kündigung nach § 9 II Nr. 2 AHB, die der Versicherer mangels berechtigter Ansprüche zurückweist, in eine ordentliche Kündigung umzudeuten, weit es für den Versicherer auf der Hand liegt, dass der verärgerte Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis nicht länger als notwendig aufrecht erhalten will.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 21. Dezember 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S, den Richter am Oberlandesgericht Dr. R und den Richter am Landgericht St

für Recht erkannt:

Tenor:

Dem Beklagten wird wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. September 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichterin - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Das Versäumnisurteil vom 20. April 1999 bleibt insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 4.567,48 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 22. Dezember 1998 sowie 5 % Zinsen aus 2.607,50 DM vom 14. Mai 1997 bis zum 21. Dezember 1998 zu zahlen. Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %. Der Beklagte trägt auch die Kosten seiner Säumnis.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Versicherungsprämien aus einem Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherungsvertrag (Versicherungsschein vom 6. Juli 1994; GA 19/20) für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1998. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde.

Als Versicherungsprämie schuldete der Beklagte jährlich 14,80 DM pro angefangene 1.000,-- Jahreslohn und Gehaltssumme. Wegen der Einzelheiten der Prämienberechnung wird verwiesen auf die Klagebegründungsschrift vom 11. November 1998 (GA 13ff).

Im Jahre 1995 zeigte der Beklagte der Klägerin die Beschädigung eines Elektrokabels durch einen seiner Mitarbeiter an. Die Klägerin lehnte eine Eintrittspflicht ab. Der Beklagte versuchte gleichwohl noch eine Regulierung zu erreichen. Nach Erfolglosigkeit der Bemühungen kündigte er mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 den Versicherungsvertrag:

"Hiermit kündigen wir oben genannte Betriebshaftpflichtversicherung mit sofortiger Wirkung, wegen Nichtregulierung der Schadensfälle. Für eine kurze Bestätigung wären wir Ihnen dankbar."

Die Klägerin wies die Kündigung am 28. Oktober 1996 zurück mit der Begründung, dem Beklagten stehe ein Kündigungsrecht wegen Nichtregulierung des Schadens nicht zu.

Sie ist der Ansicht, die Kündigung nach § 9 II Nr. 2 AHB sei unbegründet, weil sie eine Leistung wegen der Beschädigung des Elektrokabels abgelehnt habe. Die Kündigung könne auch nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, ihr Wortlaut sei eindeutig.

Das Landgericht hat den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 20. April 1999 verurteilt, an die Klägerin 11.180,66 DM nebst 8 % Zinsen aus 2.607,50 DM seit dem 14. Mai 1997 und aus 8.493,15 DM seit dem 22. Dezember 1998 sowie 5,-- DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen. Nach dem Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil hat die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet:

Der Versicherungsvertrag sei durch seine Kündigung vom 1. Oktober 1996 spätestens zum 30. Juni 1997 beendet worden. Dem Kündigungsschreiben könne entnommen werden, daß er sich in jedem Falle von dem Versicherungsvertrag habe lösen wollen. Es sei in der Weise umzudeuten, daß neben der außerordentlichen auch eine ordentliche Kündigung gewollt sei. Er, der Beklagte, sei nämlich mit dem Versicherungsverlauf und der Abwicklung von Schäden unzufrieden gewesen. Das ergebe sich u. a. aus seinem Schreiben vom 26. März 1997, mit dem er noch einmal versucht habe, der Klägerin zu schildern, wie es zu der Beschädigung des Elektrokabels gekommen sei.

Es sei im übrigen nicht nachzuvollziehen, warum die Klägerin ihrer Prämienberechnung Jahreslohnsummen von 476.000,-- DM bzw. 349.000,-- DM zugrundegelegt habe.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten mit der Begründung, die fristlose Kündigung könne nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Die Klägerin habe der fristlosen Kündigung widersprochen, angesichts dessen habe es dem Beklagten freigestanden, sie als ordentliche Kündigung zu wiederholen.

Das Urteil ist dem Beklagten am 27. Oktober 1999 zugestellt worden, die Berufungsschrift ist jedoch erst am 8. Dezember 1999 eingegangen. Der Beklagte begehrt wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil das Paket mit der Handakte und dem Rechtsmittelauftrag der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 25. November 1999 abgesandt und, entgegen der bei der Post erteilten Auskunft, das Paket werde am darauffolgenden Tag, dem Freitag, spätestens aber am Samstag dem Empfänger zugehen, erst einen Tag nach Ablauf der Berufungsfrist, am 30. November 1999, bei dem Berufungsanwalt eingegangen sei. Rechtsanwältin G erteile regelmäßig Rechtsanwalt Dr. B Berufungsaufträge, die dieser aufgrund mehrjähriger, festgelegter Handhabung annehme.

Mit seiner Berufung vertritt der Beklagte die Ansicht, die Klägerin habe eine Schadensregulierung wegen des Elektrokabels zu Unrecht abgelehnt und ihm habe daher ein außerordentliches Kündigungsrecht zugestanden. Abgesehen davon müsse seine Kündigung vom 1. Oktober 1996 in eine ordentliche Kündigung zum Ablauf des Versicherungsjahres umgedeutet werden.

Der Beklagte beantragt,

ihm Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren und in Abänderung des Urteils vom 21. September 1999 das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Zwar hat der Beklagte die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt; ihm war auf seinen Antrag jedoch Wiedereinsetzung in die den vorigen Stand zu gewähren, da er sie ohne Verschulden nicht eingehalten hat (§ 233 ZPO).

Verzögerungen bei der Brief- und Paketbeförderung dürfen einer Prozeßpartei grundsätzlich nicht als Verschulden angerechnet werden, sie darf darauf vertrauen, daß die für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten werden (vgl. BGH, NJW 1993, 1333). Der Rechtsmittelauftrag wurde, wie glaubhaft gemacht ist, am 25. November zur Post gegeben und wäre bei Einhaltung der bei Paketaufgabe mitgeteilten, maximal zweitägigen Laufzeit spätestens am Samstag, dem 27. November, bei dem jetzigen Bevollmächtigten eingegangen. Er hätte am Montag, dem Tag des Ablaufs der Berufungsfrist, bearbeitet und die Berufungsschrift dem Oberlandesgericht zugeleitet werden können.

Der Beklagte bzw. dessen erstinstanzliche Bevollmächtigte mußten den Rechtsmittelauftrag nicht zusätzlich per Telefax versenden. Zwar kann ein Anwalt zur Benutzung eines vorhandenen Telefaxgerätes verpflichtet sein; dies gilt grundsätzlich jedoch nur dann, wenn für andere.

Übermittlungsformen keine ausreichende Zeit mehr vorhanden ist. In diesem Sinne äußert sich auch die von der Klägerin angeführte Zitatstelle bei Baumbach, ZPO, 58. Aufl., § 233 Rdnr. 164. Das Urteil des OVG Weimar, NVwZ 1996, 1139, auf das sich die Klägerin ebenfalls bezieht, besagt nichts anderes. Dort ging es nicht um ein Verschulden, sondern um einen Fall der Abwendung höherer Gewalt; in dem Urteil ist ausgeführt, daß die Sachlage bei Zugrundelegung von üblichen Verschuldensmaßstäben anders zu beurteilen sei.

Der Beklagte bzw. seine erstinstanzliche Bevollmächtigte waren nicht verpflichtet, den Eingang des Rechtsmittelauftrages beim zweitinstanzlichen Bevollmächtigten zu überprüfen. Eine Nachfragepflicht dahingehend, ob ein Schriftstück dem Empfänger zugegangen ist, besteht grundsätzlich nicht (BGH, NJW 1993, 1332). Nur wenn ein Rechtsmittelauftrag erteilt wird, ist der erstinstanzliche Bevollmächtigte solange für die Wahrung der Berufungsfrist verantwortlich, bis die Annahme des Rechtsmittelauftrages bestätigt ist (BGH, NJW 2000, 815). Da jedoch glaubhaft gemacht ist, daß hier zwischen den beteiligten Anwälten Einigkeit bestand, Mandate ausnahmslos zu übernehmen, entfiel die Überwachungspflicht der erstinstanzlichen Bevollmächtigten (vgl. BGH, a.a.O.).

II.

Die Berufung ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten lediglich ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Versicherungsprämien in Höhe von 4.567,48 DM für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 1. Juni 1997 zu.

1.

Der Beklagte hat den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 gekündigt. Es kann offenbleiben, ob diese Kündigung als außerordentliche Kündigung im Sinne von § 9 II Nr. 2 AHB den Vertrag sofort beendet hat. Auch dann wäre nämlich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Versicherungsprämie zunächst bestehen geblieben: In § 8 IV AHB ist - entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 158 Abs. 3 VVG - vorgesehen, daß der Klägerin noch bis zum Ablauf der laufenden Versicherungsperiode die Prämie gebührt. Die Versicherungsperiode dauerte jeweils ein Jahr (vgl. § 9 VVG), beginnend mit dem 1. Juni eines jeden Jahres. Es ist auf die Versicherungsperiode abzustellen, die zum Zeitpunkt der Kündigung lief (vgl. Späte, Haftpflichtversicherung, § 8 Rdnr. 37). Dementsprechend stünde der Klägerin nach der Kündigung vom 1. Oktober 1996 noch ein Prämienanspruch bis zum 1. Juni 1997 zu.

Wenn die Kündigungserklärung vom 1. Oktober 1996 als außerordentliche Kündigung unwirksam gewesen sein sollte, so wäre sie in eine ordentliche Kündigung umzudeuten, was nachfolgend noch ausgeführt wird. Auch dann stünde der Klägerin ein Prämienanspruch bis zum 1. Juni 1997 zu. Die ordentliche Kündigung würde nämlich zum Ablauf der Versicherungsperiode wirksam, da sie länger als drei Monate vor deren Ablauf erklärt war (§ 91 AHB).

Ein über den 1. Juni 1997 hinausgehender Prämienanspruch ergibt sich nicht aus dem Schreiben des Beklagten vom 16. März 1998. Dort erkennt er zwar einen Prämienanspruch bis zum 30. Juni 1997 an. Der Beklagte wollte seine Leistungspflicht aber ersichtlich nur bis zum Wirksamwerden der Kündigung zugestehen. In dem Schreiben heißt es nämlich weiter, er habe zum 30. Juni 1997 gekündigt, tatsächlich gibt es eine solche Kündigung zu diesem Termin jedoch nicht. Angesichts dessen kann mit der Angabe des Datums "30. Juni 1997" nur der Ablauf der Versicherungsperiode gemeint sein, die - wie ausgeführt - am 1. Juni 1997 endete. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum der Beklagte über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung hinaus eine Prämienzahlungspflicht anerkennen sollte. Im Gegenteil, in seinem Schreiben vom 27. Januar 1998 ist nur ein Anerkenntnis bis zum 1. Juni 1997 enthalten, das Anerkenntnis bis zu 30. Juni 1997 im Schreiben vom 16. März 1998 erscheint angesichts dessen als Irrtum.

2.

Die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich möglich; Voraussetzung ist jedoch, daß der Wille, den Vertrag in jedem Falle beenden zu wollen, für den Vertragspartner bei Abgabe der Kündigungserklärung zweifelsfrei erkennbar ist (vgl. nur BGH, NJW 1981, 977 und Staudinger, BGB, 13. Bearb., § 140 Rdnr. 44). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Beklagte hat mit seinem Schreiben vom 1. Oktober 1996 eine außerordentliche Kündigung gem. § 9 II Nr. 2 AHB erklärt, indem er sich auf das seiner Ansicht nach unbefriedigende Regulierungsverhalten der Klägerin berief. Für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist Voraussetzung, daß die Klägerin eine Entschädigung zu Unrecht verweigert hat. Durch die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechtes für solche Fälle - entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 158 VVG - wird zum Ausdruck gebracht, die unberechtigte Leistungsverweigerung stelle eine so schwere Störung des Vertrauensverhältnisses dar, daß sich der Versicherungsnehmer vom Vertrag soll lösen können (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 158 Rdnr. 3). Damit ist die Kündigung nach § 9 II Nr. 2 AHB einer Kündigung aus wichtigem Grund vergleichbar, die bei schweren Vertragsstörungen eine vorzeitige Beendigung von Dauerschuldverhältnissen auch ohne "besondere Vereinbarung ermöglicht. Wenn aber ein Vertragspartner nach einer schweren Vertragsstörung zum Mittel der Kündigung greift, dann bringt er damit zum Ausdruck, er wolle den Vertrag in jedem Falle beenden. Für diesen Willen des Kündigenden kommt es nicht auf das tatsächliche Bestehen eines Kündigungsgrundes an, es reicht vielmehr der Glaube, die Vertragsstörung sei so schwer, daß ein Festhalten am Vertrag unzumutbar sei; der Wille des Kündigenden hängt nämlich nicht vom Bestehen des Kündigungsgrundes ab. Wenn der Kündigende den Vertrag schon nicht sofort beenden kann, dann wird er dies in der Regel schnellstmöglich innerhalb der ordentlichen Kündigungsfrist erreichen wollen; ansonsten hätte er nicht zu der schwieriger durchzusetzenden außerordentlichen Kündigung gegriffen.

Ein solcher Wille des Beklagten ist schon dem Kündigungsgrund zu entnehmen, den er in seinem Kündigungsschreiben angegeben hat: Wenn ein Versicherungsnehmer einen Versicherungsvertrag deswegen vorzeitig beenden will, weil der Versicherer einen Schaden nicht reguliert hat, dann liegt der tiefere Grund hierfür darin, daß er befürchtet, auch in Zukunft wegen berechtigter Ansprüche nicht oder jedenfalls nicht ohne Auseinandersetzung die vereinbarte Leistung zu erhalten. Aufgrund der erkennbaren Verärgerung des Beklagten über das Verhalten der Klägerin in mehreren Schadensfällen lag es auch für sie auf der Hand, daß der Beklagte den Vertrag nicht länger als notwendig aufrechterhalten wollte, wenn die Vertragsbeendigung nicht sofort möglich war. Trotz der Zurückweisung der Kündigung hat der Beklagte im übrigen weiter an der Vertragsbeendigung festgehalten, so in seinen Schreiben vom 5. Juni 1997, 27. Januar 1998 und 16. März 1998.

Dementsprechend wird nach verbreiteter Ansicht im Versicherungsvertragsrecht eine unzulässige außerordentliche Kündigung regelmäßig in eine ordentliche Kündigung umgedeutet (Prölss/Martin, a.a.O., § 8 Rdnr. 10; Staudinger, a.a.O.). Dabei spielt es keine Rolle, daß die Beklagte die Kündigung zurückgewiesen hat; eine ausdrückliche ordentliche Kündigung ist auch dann nicht erforderlich (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 8 Rdnr. 10). Eine Kündigung entfaltet ihre Gestaltungswirkung sofort und unabhängig von einer späteren Auslegung ihres Erklärungsinhaltes. Diese Gestaltungswirkung kann ihr nicht durch eine Erklärung des Kündigungsgegners genommen werden.

3.

Für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 1. Juni 1996 steht der Klägerin eine Restversicherungsprämie in Höhe von 553,-- DM und für die Versicherungsperiode vom 1. Juni 1996 bis zum 1. Juni 1997 eine Restversicherungsprämie von 4.014,48 DM zu. Grundlage der Prämienberechnung ist ausweislich des Versicherungsantrages die Jahreslohn- und Gehaltssumme. Pro angefangene 1.000,-- DM sind 14,80 DM Nettoprämie zu zahlen, also 1,48 % der auf volle 1.000,-- DM aufgerundeten. Jahreslohn- und Gehaltssumme. Nach § 8 I AHB ist die Prämie fällig nach Bekanntgabe an den Versicherungsnehmer und nach § 8 II Nr. 2 ändert sich die Prämienhöhe mit und zum Zeitpunkt einer Veränderung der Jahreslohn- und Gehaltssumme.

a.

Hiervon ausgehend ist der Berechnung der Versicherungsprämie für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis zum 1. Juni 1996 eine Jahreslohn- und Gehaltssumme von 475.654,85 DM zugrunde zu legen. Zwar hatte der Beklagte in einem Meldebogen, der der Klägerin am 12. September 1996 zugegangen ist, eine Jahreslohn- und Gehaltssumme für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 1. Juni 1996 von 213.303,21 DM angegeben. Dieser Betrag ist jedoch durch einen späteren, ebenfalls von ihm genannten Betrag hinfällig geworden. Unter dem 24. September 1996 hat er nämlich die Lohn- und Gehaltssumme für jeden Monat des eben genannten Zeitraumes mitgeteilt, woraus sich der erwähnte Betrag von 475.654,85 DM errechnet. Durch diese späteren Zahlen sind die früheren Angaben überholt. Die gegenteilige pauschale Behauptung in der Berufungsbegründung ist unsubstantiiert. Da beide Zahlenangaben auf Informationen des Beklagten beruhen, wäre es ihm zuzumuten darzulegen, wie die unterschiedlichen Angaben zustande gekommen sind und woraus sich die Richtigkeit der niedrigeren Lohn- und Gehaltssumme ergibt.

1,48 % der Jahreslohn- und Gehaltssumme von 476.000,-- DM entspricht einer Jahresnettoprämie von 7.044,80 DM. Der Klägerin steht für die Zeit vom 1. Januar bis zum 1. Juni 1996 nur 5/12 hiervon zu, also 2.935,33 DM. Da sie ausweislich der insoweit unbestrittenen Angaben in der Klagebegründung die Jahresnettoprämie ursprünglich lediglich mit 3.500,-- DM berechnet hat - für die ersten fünf Monate des Jahres 1996 also nur 5/12 (1.458,33 DM) -, steht noch eine Differenz von 1.477,-- DM offen. Das stimmt mit der Berechnung in der Klagebegründung überein.

Auf die Nettoprämie hat der Beklagte einen Ratenzahlungszuschlag von 3 % zu zahlen. Dieser Zuschlag ist ausweislich des Versicherungsantrages vereinbart bei einer halbjährlichen Zahlung. Da die Versicherungsprämien halbjährlich erhoben wurden, ist der Zuschlag zu zahlen, auch wenn die Klägerin ihn in der Vergangenheit nicht gefordert hat. Dieses tatsächliche Verhalten hat keinen Einfluß auf den Vertragsinhalt. 3 % von 1.477,-- DM entsprechen einem Betrag von 44,30 DM. Hinzu kommt noch die Versicherungssteuer von 15 % (228,20 DM) auf die Nettoprämie und den Ratenzahlungszuschlag (vgl. Berliner Kommentar zum VVG, § 35 Rdnr. 9/10). Die ausstehende Prämie für die ersten fünf Monate des Jahres 1996 beträgt also insgesamt 1.749,50 DM. Hiervon ist entsprechend den Ausführungen in der Klagebegründung noch ein Guthaben von 1.196,50 DM abzuziehen, so daß eine vom Beklagten zu zahlende Prämie von 553,-- DM verbleibt.

b.

Grundlage der Prämienberechnung für die Versicherungsperiode vom 1. Juni 1996 bis zum 1. Juni 1997 ist eine Jahreslohn- und Gehaltssumme für diesen Zeitraum von 348.588,-- DM. Den Betrag hatte der Beklagte im Meldebogen vom 8. Dezember 1997 mitgeteilt. Wegen der späten Mitteilung konnte er bei der ursprünglichen Berechnung der Prämie nicht berücksichtigt werden. 1,48 % von 349.000,-- DM ergibt eine Jahresnettoprämie von 5.165,20 DM. Hinzuzurechnen sind 154,96 DM Ratenzahlungszuschlag und 798,02 DM Versicherungssteuer. Die Jahresprämie beträgt damit 6.118,18 DM. Abzüglich der in der Klagebegründung erwähnten 2.103,70 DM verbleibt ein Rest von 4.014,48 DM zugunsten der Klägerin.

4.

Die Zinsforderung ist als Rechtshängigkeitszins berechtigt gemäß §§ 284, 288 BGB. In Höhe von 2.607,50 DM ist die Klageforderung mit Zustellung des Mahnbescheides am 14. Mai 1997 rechtshängig geworden, in Höhe des Restes mit Zustellung der Klagebegründung am 22. Dezember 1998. Der Klägerin stehen nur die gesetzlichen Zinsen gem. § 352 HGB a.F. in Höhe von 5 % zu, da ein höherer Zinssatz nicht substantiiert dargelegt ist. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, durch welche Anlageform sie den von ihr behaupteten Zinssatz von 8 % erzielen kann; die angekündigten Unterlagen hat sie nicht vorgelegt. Auch die geltend gemachten Mahnkosten in Höhe von 5,-- DM konnten nicht zugesprochen werden, da jegliche Angaben dazu fehlen, wofür die Kosten angefallen sind.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 546 ZPO) lagen nicht vor.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 11.180,66 DM.

Beschwer des Beklagten: 4.567,48 DM,

Beschwer der Klägerin: 6.613,18 DM.

Ende der Entscheidung

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