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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.08.2002
Aktenzeichen: 4 U 223/01
Rechtsgebiete: VVG, UTZ


Vorschriften:

VVG § 180 a
UTZ § 2 Nr. 3 d)
Auch ohne ein ersichtliches Motiv ist von einer Selbsttötung und nicht von einem versicherten Unfalltod auszugehen, wenn ein als Segler mit Seilen und Knoten vertrauter Freiberufler, der an einem Samstagmorgen sein Büro aufgesucht hat, um nach der Post zu sehen, dort stranguliert auf dem Boden des Treppenhauses aufgefunden wird, ein im oberen Stockwerk befestigtes Seil ohne Knoten frei herunterhängt und Dritteinwirkung oder eine - nicht versicherte - autoerotische Handlung ausscheidet.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 223/01

Verkündet am 27. August 2002

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. W sowie des Richters am Landgericht H

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Oktober 2001 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht als Bezugsberechtigte den Erhöhungsbetrag aus einer Unfalltod-Zusatzversicherung ihres am 22. Mai 1999 verstorbenen Ehemanns (Vers.-Schein GA 15).

Die Parteien streiten darüber, ob der Ehemann der Klägerin infolge eines Unfalls oder durch Suizid ums Leben gekommen ist. Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen setzt die Leistungsverpflichtung aus der Zusatzversicherung zum einen einen (tödlichen) Unfall und damit eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung voraus (§ 2 Nr. 1 UTZ, GA 24), zum anderen fällt gem. § 2 Nr. 3 d) UTZ eine Selbsttötung nicht unter den Versicherungsschutz. Die Klägerin fand ihren Mann am 22. Mai 1999, einem Samstag, in seinem Steuerberater-Büro tot vor. Am Hals war eine Strangulationsfurche ausgebildet, vom ersten Obergeschoss hing ein Seil bis in das Erdgeschoss hinunter, in dem der Tote lag. Das Seil hing glatt herab, wies also an seinem unteren Ende eine Schlinge nicht auf (vgl. GA 40 u. GA 41).

Die Beklagte verweigerte Leistungen aus der Zusatzversicherung wegen Selbsttötung (GA 103).

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann sei einem Unfall zum Opfer gefallen.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 56.583,00 DM riebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juni 2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Selbsttötung sei bewiesen. Der Tod sei durch eine Strangulation eingetreten (vgl. Obduktionsbericht GA 89), eine Beteiligung Dritter sei auszuschließen. Ebenso sei eine unbeabsichtigte Selbsttötung auszuschließen. Deshalb bleibe, auch wenn kein nachvollziehbarer Anlass für eine Suizid habe aufgedeckt werden können, keine andere Erklärung für das Geschehen als die, dass der Ehemann aus unerklärlichen Gründen freiwillig aus dem Leben geschieden sei.

Mit ihrer Berufung greift die Klägerin die Würdigung des Landgerichts an.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 28.981,56 Euro (früher: 56.583,00 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Klägerin stehen Leistungen aus der Unfalltod-Zusatzversicherung nicht zu. Die Beklagte hat - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt - bewiesen, dass der Ehemann der Klägerin seinem Leben freiwillig ein Ende gesetzt hat. Die Vermutung des § 180 a VVG ist widerlegt, zudem greift der Ausschluss des § 2 Nr. 3 d) UTZ durch.

Nach den Umständen ist auszuschließen, dass der Ehemann einem kaschierten Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Das hält auch die Klägerin nicht für möglich (vgl. GA 13). Ferner ist unstreitig, jedenfalls durch den Obduktionsbericht (Beiakten 9 UJs 349/99 StA Mönchengladbach Bl. 50/61) bewiesen, dass der Ehemann infolge einer Strangulation zu Tode gekommen ist. Damit steht zugleich zur Überzeugung des Senats fest, dass die Strangulation mittels des vorgefundenen Seils erfolgt ist. Da das Seil an seinem freien Ende keine Schlinge aufwies, als der Tote entdeckt wurde, muss sich die Schlinge, die die Luftzufuhr abgeschnürt hatte, von selbst gelöst haben. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass es Möglichkeiten gibt, einen solchen selbstlösenden Knoten zu legen. Der Ehemann der Klägerin war als passionierter Segler mit Seilen und Knoten vertraut. Angesichts des übereinstimmenden Parteivorbringens hat der Senat keinen Anlass und keine Möglichkeit, dieser Frage nachzugehen. Abgesehen davon müßte sich der Knoten auch von selbst gelöst haben, wenn ein Unglücksfall Todesursache war. Dritteinwirkungen scheiden - wie bereits erwähnt - auf der Grundlage des Parteivortrags aus.

Bei dieser Ausgangssituation kommen als Todesursache von vornherein nur ein Suizid oder ein irgendwie gearteter Unglücksfall in Betracht. Die Annahme, dass der Ehemann an einem Samstagmorgen im Büro, wo er nach der Post sehen wollte, ein Seil oder einen Knoten habe testen wollen, sich zu Testzwecken das zuvor im oberen Stockwerk befestigte Seil um den Hals geschlungen haben könnte und sich dann aus einer selbstlösend gelegten, aber unvermittelt zu stark zuziehenden Schlinge nicht zu befreien in der Lage gewesen sein sollte, liegt fernab jeglicher Realität. Wie sich der Ehemann unbeabsichtigt mit dem Hals in dem Seil so hätte verfangen können (vgl. Klägervorbringen GA 134), dass er erwürgt werden konnte, ist schon rein theoretisch kaum nachvollziehbar. Das Seil reichte fast bis zum Fußboden (vgl. Foto Beiakten Bl. 10). Im Rahmen eines Knotentests hätte der Ehemann die Schlinge kaum so geknüpft, dass er dabei keinen Kontakt mit den Füßen zum Boden gehabt hätte.

Wenn überhaupt an eine unfreiwillige Todesursache gedacht werden kann, dann an ein aus dem Ruder gelaufenes autoerotisches Geschehen. Dieser Spekulation war die Klägerin erstinstanzlich noch ausdrücklich entgegengetreten (GA 136). Tatsächlich fehlt es auch dafür an hinreichenden Anknüpfungspunkten. Letztlich kommt es darauf nicht entscheidend an. Denn eine Gesundheitsschädigung durch Eingriffe, die die versicherte Person an ihrem Körper selbst vornimmt - das wäre auch bei freiwilliger Strangulation zu autoerotischen Zwecken der Fall -, sind vom Versicherungsschutz gemäß § 3 Nr. 1 c) UTZ ausgeschlossen (vgl. BGH VersR 2001, 227).

Der Senat verkennt nicht, dass für einen Suizid keinerlei Motiv ersichtlich ist, weder wirtschaftlicher, familiärer oder gesundheitlicher Natur. Auch war der Tag, bis der Ehemann an seinem Todestag das Haus verlassen hat, gänzlich unauffällig verlaufen. Ein Abschiedsbrief existiert nicht, und auch der technische Ablauf, wie der Ehemann zu Tode gekommen ist, erscheint nicht gänzlich geklärt. Gleichwohl scheidet jede andere versicherte Todesursache als geradezu unvorstellbar aus. Der Beweisantritt der Berufung, durch psychiatrisches oder kriminaltechnisches Gutachten klären zu lassen, dass eine Selbsttötung unter den hier gegebenen Umständen auszuschließen sei (GA 166), ist untauglich. Etwas anderes als ein Suizid liegt hier außerhalb jeglicher realistisch in Betracht zu ziehenden Möglichkeit. Wenn aber andere Todesursachen auszuschließen sind, der Ehemann jedoch tot ist, muss der Tod durch die dann noch - allein übrigbleibende Möglichkeit, den Suizid, eingetreten sein.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§ 543 ZPO n.F.).

Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin: 28.981,56 Euro (= 56.683,-- DM).

Ende der Entscheidung

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