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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.03.1999
Aktenzeichen: 4 U 52/98
Rechtsgebiete: ZPO, VBIB 90
Vorschriften:
ZPO § 286 | |
VBIB 90 § 5 Nr. 1 a |
Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen versicherten Nachschlüsseldiebstahl von zahnmedizischen Gerätschaften aus eines Zahnarztpraxis während des Urlaubs des Praxisinhabers, wenn die Verwendung eines Originalschlüssels nicht unwahrscheinlich ist, weil
- die Schlüssel keine Kopierpuren aufweisen und der Schließzylinder keine atypischen Spurenbilder zeigt,
- die Schlüssel ein gesperrtes Profil haben, das nur der ausliefernden Firma eine Nachfertigung erlaubt, und es nach dem eigenen Vortrag des Versicherungsnehmers nahezu ausgeschlossen ist, daß jemand unbemerkt ein Duplikat von einem der Originalschlüssel hat herstellen lassen,
- und ungeklärt ist, wieviele Schlüssel der Versicherungsnehmer aus der Hand gegeben hat.
OLG Düsseldorf Urteil 23.03.1999 - 4 U 52/98 - 11 O 306/97 LG Düsseldorf
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S., des Richters am Oberlandesgericht Dr. W. und der Richterin am Landgericht B. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Dezember 1997 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Gründe
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer bei dieser unterhaltenen Geschäftsversicherung, die u.a. eine Einbruchdiebstahlversicherung zum Neuwert sowie eine Betriebsunterbrechungsversicherung umfaßt. In den Vertrag einbezogen sind die Bedingungen der Geschäftsversicherung für Berufe des Heilwesens.
Der Kläger betreibt eine Zahnarztpraxis. In der Nacht vom 1. auf den 2. November 1996 wurden aus dieser Praxis diverse Einrichtungsgegenstände und medizinische Gerätschaften entwendet. Ein Mitarbeiter zeigte der Polizei am 4. November 1996 gegen 8 Uhr die Entwendung an. Die Polizei fand im Praxisbereich keine Spuren eines Einbruchs. Die Einrichtung war geordnet. Die polizeilichen Ermittlungen führten weder zum Wiederauffinden der abhandengekommenen Gegenstände noch zur Ermittlung eines Täters.
Zu der Praxiseingangstür existieren sechs Schlüssel, die der Kläger zum Teil an seine Angestellten ausgegeben hatte. Alle Schlüssel waren nach der Tat noch vorhanden.
Mit Schreiben vom 24. März 1997 lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht unter gleichzeitigem Hinweis auf die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG ab. Sie berief sich auf ein von ihr eingeholtes Schlüsselgutachten, nach dem sich an dem Schließzylinder zwar Spuren eines Fremdwerkzeuges erkennen ließen, die indes nicht geeignet waren, die Sperrung zu überwinden. Spuren einer gewaltsamen Öffnung waren nicht vorhanden. An den sechs Schlüsseln fanden sich keine Kopierspuren.
Der Kläger hat behauptet, die oder der Täter seien mit einem falschen Schlüssel in seine Praxisräume eingedrungen und hätten Gegenstände sowie medizinische Gerätschaften zum Neuwert von 106.597,06 DM sowie Briefmarken, Bargeld und Gold entwendet. Weder er noch seine Mitarbeiter hätten einem Dritten Originalschlüssel zu den Praxisräumen zur Verfügung gestellt oder seien selbst in diese eingedrungen. Er habe im Anschluß an den Diebstahl die Praxis für zwei Tage schließen müssen, wodurch ihm ein nach der Betriebsunterbrechungsversicherung zu ersetzender Schaden in Höhe von 7.000 DM entstanden sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 120.008,74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. März 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Entwendung in einer versicherten Begehungsweise, insbesondere unter Benutzung eines falschen Schlüssels, bestritten und behauptet, das Türschloß sei mit einem passenden Schlüssel betätigt worden. Unter Berufung auf die gegenüber der Polizei abgegebene, wesentlich niedrigere Schadensschätzung hat sie im übrigen die Höhe des Schadens bestritten.
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe den Nachweis des behaupteten Nachschlüsseldiebstahls nicht geführt. Ein Nachschlüsseldiebstahl sei nicht wahrscheinlicher als die Öffnung der Räume mit einem Originalschlüssel.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerechten Berufung und der Begründung, es sei auszuschließen, daß einer der Originalschlüssel in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1996 benutzt worden sei. Einen Schlüssel habe er stets bei sich getragen und einen zweiten im Tresor aufbewahrt. Die weiteren, im Gewahrsam von zuverlässigen Mitarbeitern befindlichen Schlüssel seien von diesen stets vor dem Zugriff Unberechtigter gesichert worden.
Er beantragt,
unter Abänderung des am 16. Dezember 1997 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf die Beklagte zu verurteilen, an ihn 120.008,74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. März 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, der Täter des Einbruchdiebstahls befinde sich unter den Schlüsselinhabern. Er habe die Urlaubsabwesenheit des Klägers ausgenutzt und das Gesuchte gezielt entnommen. Ein Schaden durch die Betriebsunterbrechung sei dem Kläger nicht entstanden, da er alle Patienten, denen er während der Unterbrechung habe absagen müssen, später behandelt habe.
Unter Berufung auf ein ergänzendes Schlüsselgutachten behauptet sie, ein Nachschlüssel habe durch seine scharfkantige Form im Schloß unregelmäßigere Spurenbilder hinterlassen als sie aufgefunden worden seien. Lediglich die ausliefernde Firma sei in der Lage, Nachschlüssel ohne Spuren herzustellen, da es sich - wie unstreitig ist - um ein gesperrtes Profil handele.
Wegen des weiteren Vortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Ihm steht gegenüber der Beklagten aus der bei ihr unterhaltenen Geschäftsversicherung weder ein Anspruch auf Entschädigung für die ihm aus der Praxis entwendeten Gegenstände noch ein Anspruch aus der Betriebsunterbrechungsversicherung zu.
Der Kläger hat das äußere Bild eines versicherten Diebstahls nicht bewiesen. In Frage kommt hier nur ein Einbruchdiebstahl mittels falscher Schlüssel im Sinne von § 5 Nr. 1 a der Allgemeinen Bedingungen für die Inhaltsversicherung von Geschäften und Betrieben (VBIB 90, s. GA 15). Danach liegt ein Einbruchdiebstahl (u.a.) vor, "wenn der Dieb
a) in einen Raum eines Gebäudes ... mittels falscher Schlüssel oder anderer Werkzeuge eindringt; ein Schlüssel ist falsch, wenn die Anfertigung desselben für das Schloß nicht von einer dazu berechtigten Person veranlaßt oder gebilligt worden ist; der Gebrauch eines falschen Schlüssels ist nicht schon dann bewiesen, wenn feststeht, daß versicherte Sachen abhanden gekommen sind."
Zwar muß der Versicherungsnehmer, um den Versicherungsschutz im Falle eines Diebstahls nicht zu entwerten, grundsätzlich nicht den Vollbeweis einer versicherten Entwendung erbringen. Die Beweiserleichterungen, die die Rechtsprechung für den Diebstahl von Kraftfahrzeugen entwickelt hat, gelten ebenso für die Diebstahlversicherung (vgl. Römer, Der Kraftfahrzeugdiebstahl als Versicherungsfall, NJW 1996, 2329 (2330) in Fn. 14 m. w. N.). Es genügt der Beweis eines äußeren Bildes, d.h. eines Mindestmaßes an Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Diebstahl in versicherter Art und Weise geschlossen werden kann (BGH VersR 1994, 215). Zu diesem äußeren Bild gehört, daß als gestohlen gemeldete Sachen vor dem geltend gemachten Diebstahl vorhanden waren und - sofern ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht kommt - der Versicherungsnehmer konkrete Umstände nachweist, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, daß ein Nachschlüssel benutzt wurde (BGH NJW-RR 1990, 607; VersR 1991, 543). Ausreichend ist dagegen nicht das ungeklärte Abhandenkommen von versicherten Sachen aus verschlossenen Räumen (BGH NJW-RR a.a.O.; VersR 1991, 543 (544)). Der Versicherungsnehmer muß vielmehr - wenn er nicht beweisen kann, daß für die Tat ein Nachschlüssel verwendet worden ist - Umstände beweisen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, daß der Täter sich den Zugriff zu den verschlossenen Räumen nur mittels eines Nachschlüssels verschaffen konnte. Dieser Schluß läßt sich ziehen, wenn Beweisanzeichen die Verwendung der vorhandenen Original- oder richtigen Schlüssel unwahrscheinlich machen (BGH NJW-RR a.a.O.).
Diesen Beweisanforderungen hat der Kläger nicht genügt. Nach seinem eigenen Vortrag erscheint es nahezu ausgeschlossen, daß jemand unbemerkt ein Duplikat von einem der Originalschlüssel hergestellt hat. Er hat vorgetragen, er selbst habe einen Schlüssel im Tresor verwahrt und den anderen ständig bei sich getragen. Auch die vier Mitarbeiter, die über weitere Schlüssel verfügten, hätten diese stets so aufbewahrt, daß sich ein Dritter Zugang zu diesen nicht hätte verschaffen können. Sie hätten die Schlüssel auch zu keiner Zeit anderen Personen ausgehändigt, sondern sie vielmehr stets vor dem Zugriff Unberechtigter gesichert.
Gegen die Duplizierung eines Schlüssels spricht ferner, daß sämtliche Schlüssel keine Kopierspuren aufweisen. Zwar erscheint es wegen der mittlerweile gegebenen technischen Möglichkeiten grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß ein Schlüssel kopiert werden kann, ohne daß Spuren an ihm hinterlassen werden. Davon ist im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen, da es sich bei dem untersuchten Schlüssel um ein gesperrtes Profil handelt, das nur der ausliefernden Firma die Nachfertigung erlaubt.
Hinzu kommt nach den Feststellungen des Sachverständigen, daß die Benutzung eines Nachschlüssels wegen seiner scharfkantigen Form abweichende atypische Spurenbilder in dem Schließzylinder hinterlassen hätte. Solche Spurenbilder hat er indes nicht festgestellt.
Der Senat hat keine Bedenken, die Feststellungen des Gutachters zu verwerten, auch wenn es sich um ein Parteigutachten handelt. Der Sachverständige ist dem Senat bekannt. An seiner Sachkunde bestehen keine Zweifel. Seine Ausführungen sind überzeugend und nachvollziehbar und werden von dem Kläger auch nicht in Zweifel gezogen.
Auch liegen im vorliegenden Fall keine Anzeichen vor, die die Verwendung des Originalschlüssels unwahrscheinlich machen (vgl. dazu Senat r + s 1996, 318). Mehrere Personen besaßen einen Schlüssel zur Eingangstür. Ungeklärt geblieben ist allerdings, wieviele Schlüssel der Kläger aus der Hand gegeben hat. Im Rechtsstreit hat er vorgetragen, er habe vier Mitarbeitern einen Schlüssel ausgehändigt und zwei Schlüssel in eigener Verwahrung gehabt. Unwidersprochen hat die Beklagte allerdings dargelegt (GA 82), vorprozessual habe der Kläger vorgetragen, fünf Schlüssel an seine Mitarbeiter ausgegeben zu haben. Auffällig ist, daß an den selbständigen Zahntechnikermeister T. keiner der vier Schlüssel ausgehändigt worden sein soll, obwohl er in der klägerischen Praxis einen zahntechnischen Arbeitsplatz gemietet hatte (vgl. Bl. 22 der Beiakten 312 Js 1227/96 StA Düsseldorf). Es erscheint ungewöhnlich, daß ihm kein Schlüssel zur Verfügung gestanden haben sollte, so daß insoweit Unsicherheiten über die tatsächliche Anzahl der Schlüsselinhaber verbleiben.
Auffallend ist auch, daß in der Praxis Gegenstände entnommen wurden, die nur für einen Zahnarzt einen Wert darstellen. Einen Schwarzmarkt für solche Geräte dürfte es nicht geben. Auch wurden die Gegenstände ganz gezielt entnommen, ohne daß der oder die Täter Spuren hinterlassen hätten, die auf eine längere Suche hingedeutet hätten. Zudem wurde offensichtlich die Urlaubsabwesenheit des Klägers ausgenutzt, die allen Schlüsselinhabern bekannt war. Wenn auch Patienten ebenfalls von dieser Urlaubsabwesenheit Kenntnis haben konnten, so ist doch nicht erklärlich, wie einer der Patienten die Möglichkeit gehabt haben könnte, einen Nachschlüssel fertigen zu lassen.
Angesichts dieser Umstände fehlt es an Beweisanzeichen, die die Verwendung der vorhandenen Original- oder richtigen Schlüssel unwahrscheinlich machen.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, möglicherweise habe jemand mittels der Schlüsselkombination einen Schlüssel von dem Hersteller nachfertigen lassen, ist dieser rein theoretischen Möglichkeit nicht nachzugehen. Der Kläger hat nicht dargetan, wie es jemandem hätte gelingen können, die Schlüsselnummer in Erfahrung zu bringen. Im übrigen wäre es ihm möglich gewesen, durch eine Nachfrage bei dem Schlüsselhersteller diese Behauptung zu verifizieren. Diese Nachforschung wäre für ihn als beweisbelastete Partei nicht unzumutbar gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert und Beschwer des Klägers: 120.008,74 DM.
Ende der Entscheidung
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