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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.04.2000
Aktenzeichen: 4 U 64/99
Rechtsgebiete: BUZ


Vorschriften:

BUZ § 2 Abs. 1
BUZ § 4 Abs. 1
Leitsätze:

1.

Der als selbständiger Taxiunternehmer mit einem Fahrzeug tätige Versicherungsnehmer, der behauptet berufsunfähig zu sein, muss sich von denn Versicherer auf die nach Aufgabe des früheren Berufs längere Zeit ausgeübte Tätigkteit als Inhaber einer Videothek verweisen lassen, wenn der Versicherungsnehmer zur Zumutbarkeit des Verweisungsberufs nicht Stellung nimmt.

2.

Eine Diabetes-Erkrankung, die eine Insulingabe alle zwei bis drei Stunden erfordert, hat keine Berufsunfähigkeit mindestens 50 % in dem Verweisungsberuf als selbständiger Betreiber einer Videothek zur Folge.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 64/99 3 O 368/98 LG Mönchengladbach

Verkündet am 4. April 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 3. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 13.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheiten dürfen auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 01.12.1994 eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (GA 7). Nach den dem Versicherungsverhältnis zugrunde liegenden Bedingungen (GA 31) kann er bei mindestens 50 %iger Berufsunfähigkeit eine Berufsunfähigkeitsrente und die Beitragsfreiheit des Versicherungsverhältnisses beanspruchen. Diese Ansprüche macht er für die Zeit ab Dezember 1995 mit seiner Klage geltend.

Der Kläger betrieb seit Oktober 1994 (GA 3, 116; GA 54: 8'94) selbständig ein Taxiunternehmen mit einem Fahrzeug.

Im Dezember 1995 erkrankte der Kläger an einer insulinpflichtigen Diabetes. Nach dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesminister für Verkehr und beim Bundesminister für Gesundheit von November 1992 ist der Kläger aufgrund dieser Erkrankung nicht mehr geeignet, Personen gewerblich mit Taxen und/oder Mietwagen zu befördern (GA 12), weshalb er am 20. Dezember 1995 freiwillig den Verzicht auf die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung erklärte.

Mitte 1996 eröffnete er eine Videothek, die er bis heute führt. Von April 1997 bis November 1998 arbeitete der Kläger parallel dazu in einem Druckereibetrieb "B" im Drei-Schicht-Betrieb.

Er hat behauptet, durch seine Erkrankung sei er in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als selbständiger Taxiunternehmer berufsunfähig geworden. Umstrukturierungsmöglichkeiten hätten nicht bestanden. Die Tagschicht von 12 Std. habe er selbst übernommen und wechselnde Aushilfsfahrer für die Nachtschicht eingesetzt. Das Fahren habe 95 % seiner Tätigkeit ausgemacht, die Verwaltung habe lediglich 5 % seiner Arbeitskraft in Anspruch genommen. Eine Umstrukturierung dieses Betriebes sei ihm nicht möglich gewesen. Ab dem 20.12.1995 habe er auch die Tagschicht mit Aushilfsfahrern besetzt. Nach Gewinnen im Jahre 1995 in Höhe von DM 13.592,00 DM (unstreitig, GA 58) seien bedingt durch seinen Ausfall Verluste in Höhe von 8.150,00 DM entstanden (unstreitig, GA 59), was ihn zur Veräußerung der Lizenz veranlaßt habe.

Auch die Videothek habe nur Verluste eingetragen. Ihm sei es auch aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, die erforderlichen 12 bis 15 Std. am Tag in der Videothek zu verbringen. Das Arbeitsverhältnis bei der Firma B habe durch Auflösungsvertrag vom 09.11.1998 (GA 61) aufgelöst werden müssen, weil er durch seine Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, die arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Er habe regelmäßig und häufig den Arzt aufsuchen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 1995 bis Juli 1998 eine rückständige Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 46.500,00 DM zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, beginnend ab dem 01.08.1998 jeweils zum 1. eines jeden Monats im voraus 1.500,00 DM zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.786,40 DM zu zahlen (auf überzahlte Versicherungsprämien),

4. festzustellen, daß beginnend ab dem 01.08.1998 der Versicherungsvertrag Nr.:, geführt bei der Beklagten, prämienfrei fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, den Angaben des Klägers lasse sich nicht hinreichend entnehmen, ob er seinen Betrieb nicht so habe umorganisieren können, daß ihm trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung Betätigungsmöglichkeiten verblieben wären. Zudem sei, die Frage offen geblieben, ob der Kläger aus gesundheitlichen Gründen auch den Beruf als Betreiber einer Videothek oder einen anderen Vergleichsberuf nicht ausüben könne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers nicht vorliege. Er müsse sich auf die Tätigkeit als Betreiber einer Videothek oder Arbeiter einer Druckerei verweisen lassen. Es habe ihm oblegen, von Anfang an vorzutragen, daß und warum er diese Tätigkeiten aufgrund seiner vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht habe ausüben können. Darüber hinaus ergebe sein Vortrag auch nicht, daß er aus gesundheitlichen Gründen auch hinsichtlich dieser Berufe als berufsunfähig anzusehen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner zulässigen Berufung.

Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz und rügt, dem Versicherer obliege die "Aufzeigelast", einen oder mehrere Verweisungsberufe mit ihren prägenden Merkmalen zu benennen. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen. Auch im Hinblick auf die ausgeübten Berufe sei näherer Vortrag von ihm nicht zu erwarten gewesen, da die Beklagte ihn auf diese Berufe überhaupt nicht verwiesen habe.

Außerdem habe er hinreichend ausgeführt, daß er die Tätigkeit in der Druckerei als Arbeiter im Drei-Schicht-System aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht weiter habe ausführen können und seine Berufsunfähigkeit auch unter Beweis gestellt. Dies gelte auch hinsichtlich des Betriebs der Videothek. Er müsse jeweils nach Bestimmung des Blutzuckerwertes 6 x täglich alle zwei bis drei Stunden Insulin spritzen und ggf. eine Mahlzeit zu sich nehmen. Dies erfordere Pausen von 15 bis 30 Minuten und vertrage sich mit seiner Tätigkeit nicht. Insoweit beruft er sich auf ein Attest seines Arztes Dr. J (GA 147).

Aus wirtschaftlichen Zwängen heraus betreibe er Raubbau mit seiner Gesundheit. Seit über einem Jahr stehe ein stationärer Aufenthalt an, damit er auf seine Diabetes eingestellt werden könne, was bereits das B-Krankenhaus halbjährlich empfohlen habe. Während der Öffnungszeiten der Videothek täglich von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr sei er aber unabkömmlich, eine Ersatzkraft stehe ihm nicht zur Verfügung.

Es sei auch zu berücksichtigen, daß er besser stehen würde, hätte er sich auf die Dauer von 6 Monaten, § 2 Abs. 1 BUZ, passiv verhalten. Eine Verweisung auf den heute ausgeübten Beruf wäre dann nicht mehr möglich gewesen.

Er beantragt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Dezember 1995 bis Juli 1998 eine rückständige Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von DM 46.500,00 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, beginnend ab dem 01.08.1998 jeweils zum 1. eines jeden Monats im voraus 1.500,00 DM zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.786,40 DM zu zahlen (überzahlte Versicherungsprämien),

4. festzustellen, daß beginnend ab dem 01.08.1998 der Versicherungsvertrag Nr.:, geführt bei der Beklagten, prämienfrei fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, von einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Eine Verweisung müsse sich der Kläger gefallen lassen, insbesondere auf den tatsächlich ausgeübten Beruf als selbständiger Betreiber einer Videothek, aber auch auf andere Berufe. Er habe nach wie vor nicht hinreichend dargelegt, daß er auch zur Ausübung der Vergleichsberufe außer Stande sei. Eine Ersatzkraft sei im Rahmen des Betriebs einer Videothek problemlos zu finden. Gegen die Berufsunfähigkeit auch in diesem Beruf spreche im übrigen, daß es dem Kläger möglich gewesen sei, parallel zu dieser Tätigkeit bei der Firma B im Schichtbetrieb zu arbeiten.

Grundsätzlich seien Diabetiker in der Ausübung eines Berufes nicht beeinträchtigt. Die Blutzuckerkontrolle/-korrektur erfordere nur geringen Zeitaufwand.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I.

Der Beklagte ist nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG in Verbindung mit den vereinbarten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) verpflichtet, dem Kläger die von ihm beanspruchte Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen. Ebensowenig ist das Versicherungsverhältnis infolge einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit beitragsfrei geworden, so daß weder dem Freistellungsbegehren noch der Rückforderung überzahlter Versicherungsprämien Erfolg beschieden sein kann.

Wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hat der Kläger den ihm obliegenden Beweis einer mindestens 50 %igen Berufsunfähigkeit nicht geführt.

1.

Zwar ist der Kläger in dem vor der Erkrankung zuletzt ausgeübten Beruf des selbständigen Taxiunternehmers berufsunfähig geworden.

Denn aufgrund des Verlustes des Personenbeförderungsscheins ist dem Kläger der Betrieb eines Taxiunternehmens mit nur einem Fahrzeug, das hauptberuflich von ihm gefahren wurde, nicht mehr möglich gewesen. Auch eine zumutbare Umorganisation des Betriebes kam nicht in Betracht.

Erbrachte der Betrieb des Klägers im konkret vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bestehenden Zuschnitt pro Jahr lediglich einen Gewinn von 13.592,00 DM (GA 58) und ergab sich nach Einstellung von Aushilfsfahrern für das Jahr 1996 ein Verlust von 8.150,00 DM, liegt auf der Hand, daß eine wirtschaftlich sinnvolle Umorganisation ausschied und dem Kläger lediglich die Möglichkeit verblieb, die Lizenz zu verkaufen.

2.

Der Kläger kann aber jedenfalls auf seine seit Mitte 1996 ausgeübte selbständige Tätigkeit als Inhaber einer Videothek verwiesen werden. Ihm steht damit eine Tätigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 BUZ offen, die er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

a) Grundsätzlich ist es Sache des Versicherers, einen nach seinen Versicherungsbedingungen in Betracht kommenden Vergleichsberuf aufzuzeigen, dessen Nichtausführbarkeit der Versicherungsnehmer beweisen müßte (BGH VersR 1994, 1095, 1096). Diese Negativbeweise kann er jedoch nur dann ordnungsgemäß antreten, wenn der Versicherer, den von ihm beanspruchten Vergleich/Verweisungsberuf bezüglich der ihn jeweils prägenden Merkmale (insbesondere erforderlicher Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen, z. B. Arbeitsplatzverhältnisse, Arbeitszeiten, übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeit oder körperliche Kräfte, einsatztechnische Hilfsmittel) näher konkretisiert (BGH a.a.O.).

b) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier der Kläger - einen anderen Beruf nach Aufgabe des alten Berufes längere Zeit ausgeübt hat. Will der Versicherte eine tatsächlich von ihm ausgeübte und von seinem Versicherer als Verweisungsberuf in Anspruch genommene Tätigkeit nicht gelten lassen, obliegt es ihm, von Anfang an vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, daß und warum er dieser Tätigkeit aufgrund seiner bei der Tätigkeitsaufnahme vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht gewachsen war, sie demnach nicht sachgerecht und anforderungsgemäß ausüben konnte (BGH NVersZ 1999, 515, 516). Gleichermaßen steht es zu seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend machen will, die Tätigkeit sei aus anderen Gründen (etwa wegen eines geringeren Einkommens) mit seinem zuvor ausgeübten Beruf nicht vergleichbar. In diesem Ausnahmefall hat der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Zumutbarkeit dieses Vergleichsberufs ausnahmsweise einen Wissensvorsprung vor dem Versicherer, der ihn in den Stand versetzt, von vorne herein konkret zu dem Verweisungsberuf Stellung zu nehmen (BGH VersR 1995, 159, 160).

Erfolgt - wie hier - keinerlei Stellungnahme des Klägers, was im übrigen seine vertraglichen Verpflichtungen aus § 4 Abs. 1 lit. d) BUZ verletzt, muß er sich grundsätzlich auf den ausgeübten Beruf verweisen lassen. Jedenfalls zweitinstanzlich hat sich die Beklagte auch ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, die Tätigkeit als selbständiger Inhaber einer Videothek rechtfertige die Verweisung.

Der Betrieb der Videothek durch den Kläger seit Mitte 1996 spricht im übrigen dafür, daß er dazu aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist und daß dieser Betrieb ihm mindestens den Jahresgewinn aus dem Taxigeschäft einbringt, der 1995 nur 13.592,00 DM betrug.

Auf die Frage, ob dem Kläger auch andere von der Beklagten zweitinstanzlich in Bezug genommene Verweisungsberufe zumutbar wären, kommt es danach nicht an.

c) Der Kläger hat nicht in hinreichender Weise vorgetragen, aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung zu mindestens 50 % berufsunfähig auch in dem Verweisungsberuf zu sein.

Es erschließt sich nicht, daß sich die aufgetretene Erkrankung auf den Verweisungsberuf überhaupt in einer Art und Weise auswirkt, daß er in diesem Beruf zumindest zu 50 % - und damit bedingungsgemäß - berufsunfähig ist. Es fehlt schon an einer konkreten Arbeitsbeschreibung nach Art, Umfang und Häufigkeit der anfallenden Tätigkeiten. Nur in Bezug auf diese könnte eine krankheitsbedingte Berufsunfähigkeit festgestellt werden. Darüber hinaus fehlt es auch an Sachvortrag, der zu dem Schluß zwänge, die Krankheit lasse das Betreiben einer Videothek nicht zu. Reicht es für die Annahme der Berufsunfähigkeit im angestammten Beruf aus, daß der Kläger aufgrund der eingetretenen Erkrankung seinen Personenbeförderungsschein verlor, was ihm die weitere Ausübung unmöglich macht, gilt dies im Hinblick auf den Verweisungsberuf nicht.

Grundsätzlich hindert eine Diabetes die Aufnahme/Fortführung einer normalen Berufstätigkeit nicht. Es ist nicht ersichtlich, daß dies im Falle des Klägers anders sein könnte. Dies ergibt sich auch aus dem Attest Dr. J (GA 147) nicht. Eine Blutzuckermessung ist senatsbekannt mit handelsüblichen Glucometern unauffällig in kürzester Zeit möglich und kann ohne weiteres während der Öffnungszeiten der Videothek im Ladenlokal erfolgen. Während der auch in einer Videothek immer wieder vorkommenden Zeiten geringer Kundenfrequenz ist der Kläger auch in der Lage, sich eine Insulinspritze zu setzen, wofür der geschulte (GA 147) Diabetiker ebenfalls nur sehr wenig Zeit benötigt, jedenfalls nicht mehr, als ein normaler Toilettenbesuch erfordert. Am Betrieb der Videothek hindert ihn dies nicht, zumal die Insulingabe alle "2 - 3 Stunden" (GA 147), also mit einer gewissen Karenzzeit erfolgen und so an ruhigere Geschäftszeiten angepaßt werden kann.

Die etwa erforderlich werdende Einnahme einer Mahlzeit kann schließlich wieder im Ladenlokal erfolgen, ohne daß die Arbeitstätigkeit darunter leiden muß.

Es kommt hinzu, daß mindestens eine Insulingabe vor 10 Uhr, d.h. außerhalb der Öffnungszeiten der Videothek erfolgt, da das Insulin alle 2 - 3 Stunden nach der morgendlichen Bolus-/Basisgabe gespritzt wird.

Vor 10 Uhr morgens kann der Kläger auch erforderliche Arztbesuche abwickeln.

Zudem ist nicht ersichtlich, wieso gerade der Kläger nicht in der Lage sein sollte, eine Ersatzkraft (und sei es einen Familienangehörigen) zu finden, die ihn für Arztbesuche freistellt, zumal kaum eine Videothek aufgrund der langen Öffnungszeiten, ohne Ersatzkräfte auskommen dürfte. Danach muß davon ausgegangen werden, daß es dem Kläger ohne weiteres möglich ist, seinen Betrieb so zu organisieren, daß die sicherlich zur Meidung schwerer gesundheitlicher Schäden erforderliche medizinische. Betreuung gewährleistet ist. Dies gilt auch für die von ihm behauptete notwendige Einstellung des Blutzuckerwertes in stationärer Behandlung. Unterstellt man - was nicht dem normalen Ablauf einer Diabetes-Erkrankung entspricht - von Zeit zu Zeit müsse sich der Kläger in stationäre Behandlung begeben, würde es sich dabei aber jedenfalls um kurzfristige Aufenthalte handeln, die durch Aushilfskräfte aufgefangen oder in der Urlaubszeit abgewickelt werden könnten. Im übrigen ergibt sich aus der in Bezug genommenen Bescheinigung des Krankenhauses B nicht, daß stationäre Aufenthalte zur Einstellung des Blutzuckerspiegels erforderlich sind. Nur der Augenhintergrund soll nach der Empfehlung des Krankenhauses regelmäßig kontrolliert werden (GA 123). Fehlt es an konkreten Darlegungen, welche Auswirkungen seine Erkrankung auf den derzeit ausgeübten Beruf hat, kommt nicht ansatzweise die Annahme in Betracht, der Kläger mute sich Unzumutbares zu, er betreibe Raubbau an seiner Gesundheit.

Dies läßt sich auch der ärztlichen Bescheinigung (GA 147) nicht entnehmen, die lediglich ausführt, es sei zu Blutzuckerentgleisungen, also überhöhten Werten gekommen, was aber lediglich auf mangelnde Sorgfalt bei der Blutzuckerkontrolle hindeutet und mit der Berufstätigkeit nicht in Zusammenhang zu bringen ist. Einen solchen kausalen Zusammenhang legt nämlich auch das Attest nicht dar, worauf der Beklagtenvertreter zutreffend hinweist.

3.

Da der Kläger eine als Verweisungstätigkeit geeignete Ersatztätigkeit ausgeübt hat, muß er sich auch darauf verweisen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn diese Möglichkeit von der Beklagten nicht hätte geltend gemacht werden können, hätte der Kläger die Tätigkeit nicht mitgeteilt. Zwar mag darin (vgl. insoweit OLG Koblenz VersR 1997, 688) eine gewisse Härte liegen, - jedenfalls für den besonders "arbeitswilligen und ehrlichen" Versicherungsnehmer -. Dies kann aber nicht dazu führen, daß er trotz Aufnahme einer Vergleichstätigkeit quasi als Belohnung die Rente, die für diesen Fall gerade nicht vorgesehen ist, zusätzlich erhält.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III. Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer des Klägers: DM 128.830,08 (wie GA 92).

Davon entfallen auf

den Antrag zu 1 46.500,00 DM,

den Antrag zu 2 63.000,00 DM,

den Antrag zu 3 8.786,40 DM,

den Antrag zu 4 10.543,68 DM.

Bei der Wertfestsetzung hinsichtlich der Anträge zu 2 und 4 hat der Senat gemäß § 9 ZPO den 3,5-fachen Jahresbetrag der beanspruchten Rente bzw. der Beitragsleistung zugrundegelegt. Davon ist bei dem Antrag zu 4 ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, da es sich um einen Feststellungsantrag handelt.

Ende der Entscheidung

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