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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: 4 U 73/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1004
Der Grundstückseigentümer ist seinem Nachbarn auch ohne Verschulden analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Schadloshaltung verpflichtet, wenn ein Baum infolge eines Sturms der Stärke 7-8, dem ein gesunder Baum standgehalten hätte, auf das Nachbargrundstück fällt und dort Schaden anrichtet.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 73/01

Verkündet am 15. Januar 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Dr. R

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 5. Februar 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.506,02 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger einen angemessenen Ausgleich in Geld für die Schäden zu gewähren, die am 10. Mai 2000 an dessen Lagerhalle entstanden sind, als der Stamm der auf ihrem Grundstück in Grenznähe stehenden Silberweide bei Sturm in 3 bis 3,5 m Höhe abbrach und die Krone auf das Gebäude stürzte.

Ob die Beklagte dafür auch aufgrund der von der Berufung neu geltend gemachten Umstände unter deliktischem Aspekt haftbar ist, kann unentschieden bleiben. Anders als das Landgericht entschieden hat, trifft die Beklagte jedenfalls eine Pflicht zur Schadloshaltung gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese Verpflichtung knüpft daran an, dass der Eigentümer des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht (= Beklagte), als Störer i.S. des § 1004 BGB zu qualifizieren war und die Störung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vor ihrem Umschlagen in einen Schaden nicht beseitigt werden konnte (vgl. Palandt/Bassenge, 60. Aufl., § 906 BGB Rn. 42 m.w.N.). Die vom Bundesgerichtshof in der vom Landgericht angeführten Entscheidung BGHZ 122, 283/285 noch offengelassene Frage, ob den Grundstückseigentümer die Verantwortlichkeit im Rahmen des § 1004 BGB trifft, wenn von ihm unterhaltene Bäume infolge Krankheit oder Überalterung ihre Widerstandskraft eingebüßt haben, ist auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichend vom Landgericht zu bejahen.

Auch wenn die Eigentümerstellung als solche nicht schon ausreicht, eine Verantwortlichkeit für jedwede vom Grundstück ausgehende Gefahrenquelle zu begründen, so ist doch nach der Entscheidung BGH NJW 1999, 2896. die Verantwortlichkeit in der Sphäre des Eigentümers erwachsen, wenn ein ursprünglich nicht gefahrenträchtiger Zustand infolge natürlicher Entwicklung, etwa durch Alter oder Verschleiß, zu einer Gefahr wird, auf die der Eigentümer hätte Einfluss nehmen können. Dann steht der Eigentümer des Grundstücks, von dem die Gefahr ausgeht, dem Schaden aus Sachgründen näher als der Betroffene. In der vorgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof in einer vergleichbaren Situation eine Verpflichtung zur Schadloshaltung anerkannt, nämlich dem Geschädigten einen Ausgleichsanspruch zugesprochen, der von einem Brand betroffen worden war, der seinen Ausgang in einem technischen Defekt an elektrischen Leitungen des benachbarten Hausgrundstücks genommen hatte. Hier wie auch im vorliegenden Fall hat sich nicht ein allgemeines Risiko verwirklicht, das willkürlich jedermann treffen kann (so der Wollläuse-Fall BGH NJW 1995, 2533), sondern ein im Grundstück angelegtes Gefahrenpotential ("Zahn der Zeit").

Ein gesunder Baum wurde einem Sturm der Stärke 7 bis 8 Beaufort (GA 24/37), wie er hier geherrscht hat, standgehalten haben. Es handelte sich nicht - anders als im Fall BGHZ 122, 283 - um einen Katastrophen-Orkan. Dies rechtfertigt es, die auch von Billigkeitsgesichtspunkten geprägte analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB im vorliegenden Fall Platz greifen zu lassen.

Der Höhe nach ist die Klageforderung weitgehend unbestritten. Von Gewicht ist nur das Bestreiten der Berechtigung des Klägers, Mehrwertsteuer in Ansatz zu bringen (GA 36). Dazu trägt der Kläger unwiderlegt vor, dass das Grundstück in seinem Privatvermögen steht und Grundstück samt Gebäude an die Stahl- und Metallbau GmbH, die dort ihren Betrieb führt, verpachtet worden sind. Für den klagenden Eigentümer besteht deshalb keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284, 288 Abs. 1 S. 1 BGB a.F., §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 7.506,02 Euro.

Ende der Entscheidung

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