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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.02.2002
Aktenzeichen: 4 U 83/01
Rechtsgebiete: AFB 87


Vorschriften:

AFB 87 § 2 Nr. 3
AFB 87 § 5 Nr. 1 a
AFB 87 § 11 Nr. 1 a
AFB 87 § 11 Nr. 1 b
AFB 87 § 11 Nr. 5 Abs. 2 Satz 2
1.

Haben die Vertragsparteien einen ortsfesten Verkaufsanhänger mit einem Verkaufsstand für Fisch als "Gebäude" eingestuft und ausdrücklich eine Gebäudeversicherung vereinbart, so sind die Regelungen für versicherte Gebäude und nicht die Beschränkungen anzuwenden, die § 2 Nr. 3 AFB 87 für die Versicherung beweglicher Sachen vorsieht.

2.

Der Anspruch auf Versicherungsentschädigung in Form der notwendigen Reparaturkosten nach § 11 Nr. 1 b) AFB besteht bis zur Höhe des Versicherungswerts, d. h. bei Gebäuden nach § 5 Nr. 1 a) AFB 87 bis zur Höhe des Neuwerts, und ist deshalb nicht auf den Zeitwert beschränkt.

3.

Die Entschädigung auf Reparaturkostenbasis wird durch § 11 Nr. 5 AFB 87 nicht an die Sicherung der Wiederherstellung als Anspruchsvoraussetzung für den Entschädigungsteil gebunden, der den Zeitwert übersteigt ("Neuwertspitze")


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 83/01

Verkündet am 05. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. W und der Richterin am Landgericht F

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Februar 2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.417,67 Euro (= 6.684,38 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Oktober 2000 zu zahlen, und zwar auf das Konto des Klägers Nr. bei der Volksbank K eG (BLZ: ).

Im übrigen bleibt es bei der Abweisung der Klage.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 3/5, der Beklagten zu 2/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

Der Kläger kann wegen des Brandschadens vom 12. Mai 2000 an dem versicherten mobilen Fischverkaufsstand weitere Entschädigungsleistungen aus der bei der Beklagten unterhaltenen Geschäftsgebäudeversicherung (AFB 87) beanspruchen.

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommen die Beschränkungen, die § 2 Nr. 3 AFB 87 (GA 37) für die Versicherung beweglicher Sachen vorsieht, von vornherein nicht zum Zuge. Die Parteien haben das versicherte Objekt - einen ortsfest betriebenen Verkaufsstand für Fischprodukte, installiert auf einem Verkaufsanhänger - seiner Nutzungsart entsprechend als "Gebäude" eingestuft und ausdrücklich eine Gebäudeversicherung vereinbart (Police GA 34: "Art des Gebäudes: Verkaufswagen"). Damit ist dem maßgeblichen Parteiwillen entsprechend (Prölss/Kollhosser, 26. Aufl., § 97 VVG Rn. 1) festgelegt, dass auf das Versicherungsobjekt die Regelungen anzuwenden sind, die für versicherte Gebäude gelten.

2.

Dem Kläger steht entgegen dem angefochtenen Urteil der Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten zu, ohne dass die Verwendung des die bereits erbrachte Zahlung von 38.500 DM (Zeitwert) übersteigenden Entschädigungsbetrags zur Wiederherstellung gesichert sein müsste.

a) Der Anspruch auf Versicherungsentschädigung in Form der Reparaturkosten ist nicht auf den Zeitwert beschränkt. Nach § 11 Nr. 1 b) AFB 87 sind im Regelfall, der hier vorliegt, die notwendigen Reparaturkosten bis zur Höhe des Versicherungswerts unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls zu ersetzen. Versicherungswert von "Gebäuden" ist gem. § 5 Nr. 1 a) AFB 87 der Neuwert. Bis zur Höhe des Neuwerts und nicht etwa auf den Zeitwert beschränkt ist also Ersatz der Reparaturkosten geschuldet. Daraus folgt zugleich, dass, soweit § 11 Nr. 1 a) AFB 87 Neuwertentschädigung für "zerstörte" Sachen zusagt, damit erst der Fall gemeint ist, in dem die Reparaturkosten den Neuwert erreichen. Unstreitig belaufen sich die Reparaturkosten auf 50.500 DM netto. Auf die Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer ist wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers abzustellen. Der Neuwert zur Zeit des Versicherungsfalls war nach Behauptung des Klägers auf 69.870 DM netto (GA 102), nach Behauptung der Beklagten auf 86.600 DM netto (GA 44, 135) zu veranschlagen. Die Instandsetzungskosten bleiben demnach auf Grundlage der Behauptungen beider Parteien unter dem seinerzeitigen Neuwert.

b) Nur für die Entschädigung des Neuwerts sieht § 11 Nr. 5 AFB 87 die Sicherung der Wiederherstellung als Anspruchsvoraussetzung für den Entschädigungsteil vor, der den Zeitwert übersteigt ("Neuwertspitze"). Die Entschädigung auf Reparaturkostenbasis ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht an diese Voraussetzung geknüpft. Insoweit enthalten die Vertragsbedingungen in § 11 Nr. 1 b) AFB 87 (vgl. auch § 11 Nr. 5 Abs. 2 S. 2 AFB 87) eine spezielle Regelung dergestalt, dass die Entschädigung (nur) um eine etwaige Wertverbesserung (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., R IV: "Die Neuwertspanne besteht in der etwaigen Zunahme des Zeitwerts durch die Reparatur") gekürzt wird. In den Versicherungsbedingungen ist dies dahingehend formuliert, die Reparaturkosten würden gekürzt, soweit durch die Reparatur der Versicherungswert der Sache gegenüber dem Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls erhöht wird. Damit ist die Neuwertspitze abgeschöpft. Für eine solche Verbesserung durch eine Reparatur ist hier nichts vorgetragen oder ersichtlich. Häufig bleibt auch bei fachgerechter Instandsetzung großer Schaden mit Neuteilen eher noch ein (merkantiler) Minderwert.

3.

Die von der Beklagten zu leistende Entschädigung ist allerdings um die Unterversicherungsquote zu kürzen (§ 11 Nr. 3 AFB 87), und zwar nach der Formel

Versicherungssumme x Schaden = Entschädigung ./. Versicherungswert

Versicherungssumme (70.000 DM) und Schaden (50.500 DM) stehen fest. Umstritten sind die Kosten einer Neubeschaffung am Schadenstag = Versicherungswert gem. § 5 Nr. 1 a) AFB 87. Die Beklagte geht auf der Grundlage der Auskünfte des Herstellerbetriebs per 5. Mai 2000 von 86.600 DM aus (GA 147), während der Kläger ebenfalls basierend auf einer Auskunft des Herstellers zum Preisstandard etwa ein Jahr nach dem Schaden (Mai 2001, GA 110) Neuanschaffungskosten von 69.870 DM errechnet. Eine Aufklärung der Differenzen würde eine weitere umfängliche Beweisaufnahme erfordern und dadurch auch erhebliche weitere Kosten auslösen. Der Senat legt deshalb im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) als Neuwert am Schadenstag den Mittelwert der von den Parteien genannten Neubeschaffungskosten zugrunde (= 78.235 DM). Dann ermittelt sich der unter Berücksichtigung der Unterversicherung verbleibende Entschädigungsbetrag nach der Verhältnisrechnung

70.000 DM x 50.500 DM = 45.184,38 DM. ./. 78.235 DM

Abzüglich schon gezahlter 38.500 DM stehen zugunsten des Klägers noch 6.684,38 DM = 3.417,67 Euro offen, die antragsgemäß (GA 162) auf das Konto des Klägers bei der Volksbank K (vgl. GA 157) zu zahlen sind.

Die verlangten Zinsen sind als gesetzliche Zinsen ab Rechtshängigkeit gerechtfertigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert: 17.760 DM = 9.080,54 Euro,

Beschwer des Klägers: 5.662,87 Euro,

Beschwer der Beklagten: 3.417,67 Euro.

Ende der Entscheidung

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