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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.05.2000
Aktenzeichen: 4 U 99/99
Rechtsgebiete: VVG, ZPO, AKB


Vorschriften:

VVG § 62
VVG § 63
ZPO § 141
ZPO § 448
AKB § 12 Nr. 1 I d
Leitsatz

§§ 62, 63 VVG, §§ 141, 448 ZPO, § 12 Nr. 1 I d AKB

Dem Versicherungsnehmer, der von seinem Kaskoversicherer Ersatz von Rettungskosten mit der Behauptung begehrt, sein Wagen sei bei dem Versuch beschädigt worden, einen unmittelbar bevorstehenden Unfall mit Haarwild zu verhindern, kommen die für Kraftfahrzeugdiebstähle geltenden Beweiserleichterungen nicht zugute, so daß er den Vollbeweis führen muß.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 99/99 11 O 388/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 2. Mai 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Dr. R

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. April 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger können die hier allein in Betracht kommenden Ansprüche auf Ersatz von Rettungskosten (§ 63 VVG) nicht zugesprochen werden, weil - wie das Landgericht zutreffend entschieden hat - nicht bewiesen ist, daß der Kläger mit seinem beim Beklagten teilkaskoversicherten PKW am 2. Juni 1998 gegen 18.55 Uhr im Bereich eines Waldstücks einen Unfall erlitten hat, als er einem Reh ausgewichen ist. Richtig ist zwar, daß, wenn ein kaskoversichertes Fahrzeug Schäden erleidet, weil der Fahrer einen (versicherten, vgl. § 12 Nr. 1 I d) AKB) Wildunfall verhindern will, ein Anspruch auf Rettungskostenersatz bestehen kann (st. Rspr., vgl. BGH VersR 1991, 459). Die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 62, 63 VVG, insbesondere daß ein Unfall mit Haarwild unmittelbar bevorstand, muß der Versicherungsnehmer beweisen. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers finden für diesen Nachweis jedoch nicht die Besonderheiten Anwendung, die in Abweichung von der allgemeinen Rechtslage für Entwendungsfälle entwickelt worden sind dergestalt, daß - wenn es Zeugen nicht gibt - zum Nachweis die Angaben des Versicherungsnehmers (§ 141 ZPO) ausreichen, dessen Redlichkeit vermutet wird und dem deshalb zu glauben ist, sofern nicht diese Vermutung aufgrund konkreter und vom Versicherer nachgewiesener Umstände erschüttert ist (vgl. Nachweise bei Römer in Römer/Langheid, § 49 VVG, Rdn. 24). Gerade darin, daß das Gericht dem Versicherungsnehmer in diesen Fällen glauben muß, sofern nicht feststehende Umstände dessen Redlichkeit in Frage stellen, liegt die entscheidende Besonderheit dieser Sichtweise.

Diese Abweichung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen muß schon aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit restriktiv gehandhabt werden. Denn normalerweise kann ein Kläger im Streitfall seine Behauptungen nicht ohne weiteres mittels eigener Aussage nachweisen, sondern ist auf die herkömmlichen Beweismittel beschränkt. Für eine Besserstellung generell sämtlicher Versicherungsnehmer gibt es keinen Grund. Insbesondere sind Versicherungsnehmer nicht generell redlicher als sonstige Menschen. Die Redlichkeitsvermutung in Entwendungsfällen läßt sich daher nur als Hilfskonstruktion verstehen, um praktischen Bedürfnissen genügen zu können. Ein solches unabweisbares Bedürfnis besteht für Fälle vorliegender Art jedoch nicht.

Tragender Grund für die Zubilligung der Beweiserleichterung in Entwendungsfällen ist die ursprünglich mit Blick auf Kraftfahrzeug-Diebstähle entwickelte Überlegung, daß der Versicherungsnehmer nahezu ausnahmslos in extremer Beweisnot ist, weil ein solcher Diebstahl meist unbeobachtet geschieht, typischerweise keine Spuren verbleiben und das entwendete Fahrzeug später nur selten wieder aufgefunden wird. In abgeschwächter Form mögen diese Erwägungen auch in sonstigen Entsendungsfällen bis hin zum Raub (vgl. OLG Hamburg r + s 2000, 99) ihre Berechtigung haben. Der Fahrer, der einem Stück Wild ausweicht, ist demgegenüber nicht zwangsläufig in Beweisnot (so auch OLG Jena r + s 1999, 403). Nicht selten wird er einen Mitfahrer als Zeugen aufbieten können, bisweilen kommen nachfolgende oder entgegenkommende Autofahrer als Zeugen in Betracht oder die Umstände lassen die Angaben des Fahrers glaubhaft erscheinen. Dem letztgenannten Gesichtspunkt mag dabei durchaus hervorgehobene Bedeutung beigemessen werden Beschränkt man nämlich den Anwendungsbereich der vorbeschriebenen Redlichkeitsvermutung auch im Interesse klarer Abgrenzungen auf Entwendungsfälle, ist damit nicht gesagt, daß der Beweis der Rettungsmaßnahme nicht auch ohne förmliche Beweismittel geführt werden kann. Gemäß § 286 ZPO kann das Gericht seine Überzeugung auch ohne förmliche Beweisaufnahme gewinnen. In diesem Rahmen sind auch die Darstellungen der Parteien von Bedeutung. Allerdings kann - anders als beim Eingreifen der Redlichkeitsvermutung - die bloße Angabe der Beweispflichtigen nicht schon ohne weiteres Beweis erbringen. Es bedarf vielmehr dafür zusätzlicher stützender Umstände (vgl. OLG Jena a.a.O.).

Solche hinreichenden Umstände, die für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers sprechen, lassen sich hier nicht feststellen, auch nicht auf Grund der Angaben des Klägers im Senatstermin, wo ihm Gelegenheit zur Darlegung des Unfallgeschehens gegeben war. Es ist nicht einmal gesichert, daß der Wagen im angegebenen Waldstück verunfallt ist. Denn der Kläger behauptet, Fremdschäden - insbesondere an dem Begrenzungspfosten, vor dessen Sockel der Wagen geprallt sei (GA 2) - seien nicht erkennbar gewesen (GA 120). Erstmals nach Schluß der mündlichen Verhandlung, die wiederzueröffnen kein Anlaß besteht, ist von Brems- und Schleuderspuren die Rede (GA 129). Die Insassen eines zufällig vorbeikommenden Kleinbusses, die ihm beim Herausziehen des Wagens aus dem Graben geholfen hätten - was erstmals im Berufungsrechtszug geschildert wird (GA 120) - kann er nicht namhaft machen. Auch ist er seinen eigenen Angaben zufolge nicht von der Unfallstelle, sondern von einer Telefonzelle aus abgeschleppt worden. Der Fahrer des Abschleppwagens kann deshalb zu Spuren an der Unfallstelle keinerlei Angaben machen. Alleine eine telefonische Mitteilung an die Polizei (GA 106) erhärtet das Vorbringen des Klägers nicht in ausreichendem Maße, zumal gar nicht ersichtlich ist, warum der Kläger dort die Möglichkeit eines verletzten Stücks Wild erwähnt haben will, wenn er mit dem Reh nicht kollidiert ist. Schließlich läßt es den Kläger, der sich erstinstanzlich zunächst nur einen Restwert seines Wagens von 2.500 DM anrechnen lassen wollte, nicht vertrauenswürdiger erscheinen, daß er die Frage des Beklagten (GA 115), an wen er das total beschädigte Fahrzeug veräußert hat, ausweichend beantwortet (GA 121). Dies erweckt den Verdacht, daß er das vom Beklagten aufgezeigte Restwertangebot (GA 35) von 3.000 DM wahrgenommen und wahrheitswidrig bestritten hat (GA 48), das diesbezügliche Schreiben des Beklagten erhalten zu haben.

Nach alledem fehlt es am erforderlichen Anfangsbeweis für die beantragte Vernehmung des Klägers als Partei (§ 448 ZPO).

Das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 6. April 2000 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlaß.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers: 10.000 DM.

Ende der Entscheidung

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