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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.12.2001
Aktenzeichen: 4 Ws 523/01
Rechtsgebiete: StPO, BRAGO, ZPO
Vorschriften:
StPO § 464b | |
StPO § 464b Satz 3 | |
StPO § 473 Abs. 1 | |
BRAGO § 84 Abs. 1 | |
BRAGO § 83 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In der Strafsache
wegen Geldwäsche u.a.
hat der 4. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......und die Richter am Oberlandesgericht K..... und B......
am 10. Dezember 2001
auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Krefeld gegen den Beschluss der Rechtspflegerin der 2. Strafkammer des Landgerichts Krefeld vom 19. September 2001 - 22 StK 19/00 -
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Witwe des früheren Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt
Gründe:
I.
Der am 30. November 2000 verstorbene frühere Angeklagte wurde von der 2. Strafkammer des Landgerichts Krefeld mit Urteil vom 7. November 2000 wegen Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Hinblick auf den Vorwurf der Beihilfe zurgewerbs- und bandenmäßig Einschleusung von Ausländern hat die Strafkammer den früheren Angeklagten freigesprochen. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, hat er nach der Kostenentscheidung der Strafkammer die Kosten des Verfahrens zu tragen; soweit er freigesprochen wurde, fallen hiernach die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Auf Antrag der Verteidigerin - gestellt im Namen der Witwe des verstorbenen Verurteilten - hat die Rechtspflegerin der Strafkammer mit Beschluss vom 19. September 2001 die von der Staatskasse zu erstattenden Auslagen in Höhe von 1009,19 DM festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Krefeld.
II.
Die gem. §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat die Rechtspflegerin die von der Staatskasse zu erstattenden Auslagen mit 1009, 19 DM festgesetzt.
1. Nach der maßgeblichen Auslagenentscheidung des Urteils kann der Verurteilte - als dessen Rechtsnachfolgerin seine Witwe - die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen verlangen, soweit er freigesprochen worden ist. Im Falle des Teilfreispruchs werden die notwendigen Auslagen insbesondere die Verteidigerkosten im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 464b StPO nicht nach dem Gewicht der Taten, bezüglich derer der Freispruch erfolgte, im Verhältnis zu den "verurteilten,, Taten, sondern nach der sogenannten Differenztheorie bestimmt (vgl. BGHSt 25,109 = NJW 1973, 665 = JurBüro 1973, 512; OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, MDR 1989, 285; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45 Aufl. 2001, Rdnr. 9 zu § 465 m. w. N.; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, Rdnr. 17 vor § 83 m. w. N.). Die Differenztheorie besagt, dass der Betroffene kostenmäßig so gestellt werden soll, wie er gestanden hätte, wenn allein die verurteilten Taten Gegenstand des Strafverfahrens gewesen wären. Die in diesem Fall entstandenen Kosten hat der Betroffene allein zu tragen. Es soll jedoch von allen Mehrkosten freigestellt werden, die durch die Taten veranlasst wurden, welche zum Freispruch geführt haben (Senat, Beschluss vom 20. November 2001, 4 Ws 417/01, m. w. N.).
Lassen sich die Mehrkosten nicht eindeutig zuordnen, weil die Aufwendungen - wie hier die Gebühren eines Wahlverteidigers - das gesamte Verfahren betreffen, so müssen sie durch einen Vergleich der dem Verurteilten tatsächlich entstandenen notwendigen Auslagen mit den im Fall des beschränkten Verfahrensgegenstandes hypothetisch erwachsenden Auslagen ermittelt werden. In Bezug auf die Vergütung des Verteidigers bedeutet das, dass vom Gesamthonorar das fiktive Honorar abzuziehen ist, welches dem Verteidiger zustehen würde, wenn nur die zur Verurteilung führende Tat Gegenstand des Mandats gewesen wäre; die Differenz ist dem Verurteilten zu erstatten (BGH, a. a. 0.; OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, NStE Nr. 11 zu § 465 StPO m. w. N.; NJW 1971, 394; OLG Hamm, NJW 1999, 3726; OLG München, JurBüro 1985, 151; LG Köln, JurBüro 1997,355).
2. Diese Grundsätze hat die Rechtspflegerin der Bestimmung der von der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen des Verurteilten zu Grunde gelegt. Die Festsetzung sowohl der tatsächlich entstandenen notwendigen Auslagen wie auch der hypothetisch für die "Verurteilungstat" entstandenen Auslagen ist nicht zu beanstanden.
a) Mit Schriftsatz vom 5. September 2001 hat die Verteidigerin in ihrem korrigierten Kostenfestsetzungsantrag die Auffassung vertreten, dass die für die Verurteilungstat abzuziehenden fiktiven Auslagen sich allenfalls auf 685,- DM beliefen. Hiervon abweichend hat die Rechtspflegerin das fiktive Honorar wie folgt ermittelt:
- § 84 BRAGO: 350 DM - § 83 BRAGO: 700 DM - § 27 BRAGO: 170,30 DM - § 26 BRAGO: 30 DM - zuzüglich 16% Mehrwertsteuer: 200,05 DM
insgesamt: 1.450,35 DM
Soweit die Rechtspflegerin von dem Ansatz der Wahlverteidigerin abgewichen ist, ist dies nicht zu beanstanden, da bei der Anwendung der Differenztheorie im Kostenfestsetzungsverfahren das Gericht im Rahmen der Festsetzung der fiktiven Vergütung für den lediglich durch die Verurteilung abgedeckten Tätigkeitsbereich des Verteidigers nicht an dessen Bestimmung gem. § 12 BRAGO gebunden ist (vgl. OLG Düsseldorf, 2. Strafsenats, Rpfleger 1993,41 = ZfSch 1993, 279).
Die Rechtspflegerin hat bei der Bestimmung des fiktiven Honorars die Gebühren für das vorbereitende Verfahren und für die Teilnahme an der Hauptverhandlung dem Gebührenrahmen des §§ 83 Abs. 1 Nr. 3, 84 Abs. 1 BRAGO entnommen und hierbei den Mittelwert von 700,- DM bzw. 350,- DM in Ansatz gebracht. Entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors ist diese Vorgehensweise zutreffend und angesichts der Kriterien des § 12 Abs. 1 Satz BRAGO sachgerecht und angemessen. Zu berücksichtigen sind bei der Ermittlung der anwaltlichen Rahmengebühr im Strafverfahren die Schwierigkeiten des Verfahrens sowie die Bedeutung der Angelegenheit, wobei insbesondere von Bedeutung sind die Dauer der Hauptverhandlung, der Vorbereitungsaufwand, die Inhaftierung des Mandanten, ein eventuell zu erwartender Bewährungswiderruf, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe etc.. Für die Bestimmung der fiktiven Verteidigervergütung müssen diese Kriterien des § 12 Abs. 1 BRAGO im Rahmen einer hypothetischen. Betrachtungsweise angewandt werden. Vorliegend ist demnach zu prüfen, welche Rahmengebühr gerechtfertigt wäre, wenn das Strafverfahren gegen den Angeklagten von vorne herein lediglich auf den Vorwurf der Geldwäsche, wegen deren die Verurteilung zu der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 6 Monaten erfolgte, beschränkt gewesen wäre. In diesem Fall wäre - da insgesamt nur von einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad gesprochen werden kann - der Mittelwert des Gebührenrahmens gerechtfertigt, wie dies auch die Rechtspflegerin angenommen hat. Ausschlaggebend für diese Bewertung sind folgende Umstände: der Angeklagte hatte den Tatvorwurf der Geldwäsche frühzeitig eingeräumt; einer Auseinandersetzung mit den von der Staatsanwaltschaft beigebrachten Beweismitteln hätte es nicht bedurft; des weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass gegen den Angeklagten Untersuchungshaft angeordnet worden wäre; die Vorbereitung der Hauptverhandlung und der innerhalb des vorgerichtlichen Verfahrens entstehende Aufwand hätte dementsprechend das Normalmaß nicht überschritten; schließlich ist die Bedeutung des Verfahrens für den Angeklagten angesichts der nur geringen Strafe, die der bislang unbelasteten Angeklagte zu erwarten gehabt hätte, als nicht außergewöhnlich hoch anzusehen. Auch muss angenommen werden, dass bei einer Beschränkung auf die Verurteilungstat die Anklage nicht - wie geschehen - vor der Strafkammer des Landgerichts, sondern vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - erhoben und von diesem eröffnet worden wäre. Demnach hat die Rechtspflegerin richtigerweise den Mittelwert des Gebührenrahmens des § 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO herangezogen.
b) Die Verteidigerin hat in ihrem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag ihren tatsächlich entstandenen Vergütungsanspruch wie folgt berechnet:
- für das vorbereitende Verfahren gemäß § 83 Abs. 1 BRAGO 620,- DM - für die Teilnahme an der Hauptverhandlung gemäß § 83 Abs. 1 1.300,- DM BRAGO - für 451 gefertigte Kopien gemäß § 27 BRAGO 170,30 DM - Pauschsatz nach § 26 BRAGO 30,- DM insgesamt 2.120,- DM + 16 % Mehrwertsteuer 329,24 DM 2.459,54 DM
Die Rechtspflegerin hat diese Berechnung der Verteidigerin bei der Ermittlung der von der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen des Verurteilten rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Bei Rahmengebühren obliegt die Bestimmung der Gebühren im Einzelfall dem Rechtsanwalt, der sie unter Berücksichtigung der in § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bezeichneten Umstände nach billigem Ermessen zu treffen hat. Ist die Gebühr jedoch von einem Dritten zu ersetzen, wie hiervon der Staatskasse, so ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung unverbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist sie, wenn sie von der Gebühr, die sich unter Berücksichtigung aller in § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO genannten Bemessungsgrundlagen ergibt, erheblich abweicht. Erheblich ist eine Abweichung von 20% und mehr (vgl. Kammergericht, JR 1981, 391). Die Verteidigerin hat im Hinblick auf die Verhandlungsgebühr gemäß § 83 Abs. 1 BRAGO die Höchstgebühr von 1.300,- DM gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO in Ansatz gebracht, obwohl diese Höchstgebühr für ein Verfahren vor dem Schöffengericht, dem Jugendschöffengericht, dem Amtsrichter oder Jugendrichter gilt und das in Rede stehende Strafverfahren gegen den Verurteilten vor der Strafkammer des Landgerichts anhängig war. Für die Hauptverhandlung vor der Strafkammer bestimmt § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO eine Höchstgebühr von 1.520,- DM. Der für das vorbereitende Verfahren gemäß § 84 Abs. 1 BRAGO (die Hälfte der Gebühren nach § 83 Abs. 1 BRAGO) von der Verteidigerin angeführte Gebührenbetrag von 620,- DM liegt noch unter dem Höchstbetrag von 650,- DM, der für ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht vom Gesetz vorgesehen ist. Damit hat sich die Verteidigerin um circa 15% bzw. 18% unter den einschlägigen gesetzlichen Höchstgebühren des § 83 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 84 Abs. 1 BRAGO gehalten. Unter Berücksichtigung der von der Verteidigerin in ihrem Schriftsatz vom 26. März 2001 angeführten Einzelumstände, die für die Bestimmung der Gebühren anhand der Bemessungsgrundlagen des § 12 Abs. 1 BRAGO von Bedeutung sind, weichen die von der Verteidigerin bestimmten Gebühren jedenfalls nicht in erheblichem Umfang, der als unbillig bezeichnet werden kann, von den angemessenen ab. Der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens und der bei der Betreuung des Mandanten von der Verteidigerin zu leistende Aufwand muss als überdurchschnittlich angesehen werden. Bei dieser Einschätzung hat der Senat insbesondere folgende Umstände berücksichtigt: dem Verurteilten ist noch bis zur Hauptverhandlung der Vorwurf gemacht worden, Beihilfe zum bandenmäßigen Menschenhandel geleistet zu haben, eine Straftat, bei deren Überführung er mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen hatte; er hat sich in der Zeit vom 19. November 1999 bis zum 04. Mai 2000 in Untersuchungshaft befunden; der Umfang der Ermittlungsakten, die von der Verteidigerin bei Übernahme der Verteidigung des sich zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten durchzuarbeiten waren, überschritt mit fast 500 Blatt den durchschnittlichen Bereich; sowohl während der Untersuchungshaft des Angeklagten als auch nach dessen Haftentlassung im Mai 2000 gab es mehrere Verteidigergespräche, die sich auch deshalb als aufwändig erwiesen, weil der frühere Angeklagte weder der deutschen noch der englischen Sprache mächtig war und demnach die Hinzuziehung eines Dolmetschers erforderlich war. Die unter dem Durchschnitt liegenden Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Verurteilten haben vor diesem Hintergrund keine entscheidende Auswirkung. Bei einer Gesamtschau aller Umstände sind angesichts der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens die Gebühren für das vorbereitende Verfahren und für die Hauptverhandlung deutlich über dem Mittelwert anzusetzen, so dass eine Bestimmung der Gebühren erheblich unter den Höchstgebühren nicht unbillig ist.
3. Die Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Auslagen des Verurteilten und den "fiktiven" - auf die Verurteilungstat beschränkten - Auslagen beträgt (2.459,54 DM - 1.450,35 DM =) 1.009,19 DM. Insgesamt hat also die Rechtspflegerin die von der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen des Verurteilten zutreffend ermittelt, so dass die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen ist:
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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