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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.06.2000
Aktenzeichen: 6 U 150/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 738
BGB § 738 Abs. 1 Satz 2
BGB § 2313
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Wertzuwächse, die einer Gesellschaft aus der Wiedervereinigung entstehen, rechtfertigen es regelmäßig nicht, eine bereits gezahlte Abfindung für den ausgeschiedenen Gesellschafter nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 150/99

Verkündet am 15. Juni 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K, den Richter am Oberlandesgericht S und die Richterin am Oberlandesgericht M-M-H

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Juni 1999 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abzuwenden, es sei denn die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

Die Beklagte geht auf eine im Mai 1871 gegründete Handelsgesellschaft zurück, die heute als Kommanditgesellschaft mit ungefähr 250 Kommanditisten geführt wird. Sie ist über zahlreiche Tochter- und Beteiligungsgesellschaften u.a. in den Unternehmensbereichen Baustoffe, Industrie sowie Finanzdienstleistungen tätig und erzielte bei einer auf den Konzern bezogenen Bilanzsumme von ca. 8,2 Milliarden DM in 1997 Umsatzerlöse von ungefähr 3,7 Milliarden DM.

Der Kläger war Kommanditist der Beklagten. Er schied nach Kündigung seiner Gesellschaftsbeteiligung neben drei weiteren Kommanditisten zum 31. Dezember 1976 aus der Beklagten aus. Für den Fall des Ausscheidens sah § 19 des Gesellschaftsvertrages als Abfindung einen Betrag vor, der sich nach der für den Zeitpunkt des Ausscheidens aufzustellenden Auseinandersetzungsbilanz als wert der Beteiligung des Gesellschafters abzüglich einer etwaigen Schuld auf dem Privatkonto dieses Gesellschafters ergab. Außerdem waren bei der Aufstellung der Auseinandersetzungsbilanz der Substanzwert und der den Firmenwert einschließende Ertragswert in angemessenem Verhältnis zu berücksichtigen.

Die Beklagte war und ist über eine ihrer Tochtergesellschaften Eigentümerin von Feldern, auf denen Braunkohle gewonnen wird (Braunkohle-Mutungsfelder). Diese bereiteten bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens deshalb erhebliche Schwierigkeiten, weil sich die beauftragten Sachverständigen nicht in der Lage sahen, den Vermögenswert der Mutungsfelder verbindlich festzusetzen. Dennoch einigten sich der Kläger und die drei anderen ausgeschiedenen Gesellschafter schließlich im Mai 1979 mit der Beklagten in Form einer schriftlichen Vereinbarung vom 25. Mai 1979, die seitens des Klägers am 6. Juni 1979 unterzeichnet wurde und aufgrund derer er eine Abfindung von 4.905.288,02 DM erhielt. Während die jeweiligen Abfindungen unter I. 2 der Vereinbarung festgelegt waren, sah Ziffer I. 1 eine Sonderregelung für die Mutungsfelder vor, die darauf zielte, die ausgeschiedenen Gesellschafter an der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Felder bis zu ihrer Veräußerung beziehungsweise, sollte es dazu nicht kommen, zumindest bis zum 31. Dezember 2028 zu beteiligen. In Ziffer I. 3 der Abfindungsvereinbarung hieß es schließlich:

"Die ausgeschiedenen Gesellschafter erklären, daß sie wegen der Beteiligungen, mit denen sie aus der Firma W W ausgeschieden sind, keinerlei irgendwie geartete Ansprüche mehr gegen die Firma W W oder die übrigen Gesellschafter haben, soweit diese über die in Ziffer 1 oder Ziffer 2 vorgesehenen Ansprüche hinausgehen.

Da die Abfindung nach dem wirtschaftlichen Wert, nicht nach dem Buchwert, festgelegt worden ist, haben Veränderungen der Bilanzen für die Vergangenheit keinen Einfluß auf die Höhe der Abfindung. Die ausgeschiedenen Gesellschafter können also, auch wenn sich die Gewinne der zurückliegenden Jahr durch abweichende Veranlagungen oder finanzamtliche Außenprüfungen verändern sollten, keine weiteren Zahlungen bezüglich der Anteilsquoten, mit denen sie ausgeschieden sind, verlangen."

Die Beklagte besaß zum damaligen Zeitpunkt in der ehemaligen DDR belegenes Vermögen, das die Beteiligten zum Ausscheidungsstichtag als wertlos betrachteten. Es war demgemäß in der Vergangenheit auch überhaupt nicht mehr bilanziert worden. Außerdem war ein weiterer Teil des ursprünglichen Vermögens in der ehemaligen DDR nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet worden.

Mit seiner Stufenklage begehrt der Kläger nunmehr eine Anpassung seiner Abfindung. Er beansprucht eine Beteiligung an den Wertzuwächsen, die die Beklagte nach der Wende dadurch erhalten hat oder noch erhalten wird, daß ihr enteignete Vermögenswerte entweder zurückgegeben worden sind bzw. werden oder Entschädigungszahlungen geleistet worden sind oder noch zu erwarten stehen. Der Kläger hat geltend gemacht, ein Anspruch auf Anpassung der Abfindung ergebe sich nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Das in der ehemaligen DDR belegene Vermögen sei nur deshalb nicht in die Ermittlung der Abfindung einbezogen worden, weil an eine Wiedervereinigung damals nicht gedacht worden sei. Andernfalls wäre die für die Mutungsfelder getroffene Regelung in vergleichbarer Art und Weise auf das DDR-Vermögen ausgedehnt worden. Einer Korrektur der Abfindungsvereinbarung stehe auch nicht etwa ihre vollständige Erfüllung entgegen, denn diese dauere im Hinblick auf die Sonderregelung bezüglich der Mutungsfelder immer noch an.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1.

ihm Auskunft darüber zu erteilen, ob und in welchem Umfang die Beklagte und/oder ihr am 31.12.1976 zu mindestens 20 Prozent - hilfsweise: zu 50 Prozent und mehr; hilfsweise: zu mehr als 50 Prozent; hilfsweise zu 100 Prozent - gehörende Beteiligungsgesellschaften

Leistungen zur Entschädigung für auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelegene und enteignete oder ohne Enteignung verloren gegangene Vermögenswerte seit 1990 erhalten haben;

auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelegene und enteignete oder ohne Enteignung verloren gegangene Vermögenswerte seit 1990 zurück erhalten haben, bejahendenfalls, um welche Vermögenswerte es sich dabei gehandelt hat (bei Grundstücken: Angabe von Flurnummer und Grundbuchbezeichnung, bei Gesellschaften: Angaben des Sitzes und der Handelsregisternummer);

Zahlungen und/oder Rückerstattungen beantragt haben, um Entschädigungsleistungen oder Rückgewähr von Vermögenswerten nach den vorstehenden Anträgen zu erhalten und bejahendenfalls worauf sich der Antrag konkret bezieht;

2.

erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft an Eides statt zu versichern;

3.

an den Kläger einen Betrag in Höhe von 0,81 % des erst nach der Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Wertes nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Abgesehen davon, daß die Beklagte behauptet hat, die in Rede stehenden Vermögensgegenstände und die Restitutionszahlungen seien im Verhältnis zu ihrem sonstigen Vermögen unbedeutend, hat die Beklagte auch die Auffassung vertreten, die vom Kläger begehrte Anpassung sei durch die Abfindungsvereinbarung ausgeschlossen. Wertsteigerungen, die nach der Wiedervereinigung aufgetreten seien, könnten bei einem beiderseits erfüllten Vertrag, wie er hier gegeben sei, auch über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht zu einer nachträglichen Korrektur führen. Ein dahingehender Anspruch des Klägers bestehe auch deshalb nicht, weil die Abfindung stichtagsbezogen zu ermitteln und das damalige Ostvermögen zum fraglichen Zeitpunkt wertlos gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Wertlosigkeit des in der ehemaligen DDR belegenen Vermögens sei nicht Geschäftsgrundlage des Abfindungsvertrages gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Sonderregelung für die Mutungsfelder, die eine Vertragsanpassung hinsichtlich des Ostvermögens allenfalls bei einer Vergleichbarkeit der jeweils zugrundeliegenden Ausgangssituation als geboten erscheinen lasse, an der es jedoch fehle. Schließlich lasse sich unter den hier gegebenen Umständen auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Folgen der Wiedervereinigung keine Anpassungspflicht ableiten.

In seiner Berufung beanstandet der Kläger zunächst die Auffassung des Landgerichts, es lasse sich schon keine Geschäftsgrundlage feststellen, die durch die Wiedervereinigung entfallen wäre. Weiter macht der Kläger geltend, der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage stehe das Stichtagsprinzip des § 738 BGB ebensowenig entgegen wie eine vollständige Erfüllung der insoweit betroffenen Vereinbarung, von der vorliegend ohnehin nicht ausgegangen werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen,

1.

ihm Auskunft darüber zu erteilen, ob und in welchem Umfang die Beklagte und/oder ihr am 31.12.1976 zu mindestens 20 - hilfsweise: zu SO % oder mehr; hilfsweise zu 100 % - gehörende Beteiligungsgesellschaften

- Leistungen zur Entschädigung für auf dem Gebiet der ehemaligen "DDR" gelegene und enteignete oder ohne Enteignung verlorengegangene Vermögenswertte seit 1990 erhalten haben;

- auf dem Gebiet der ehemaligen "DDR" gelegene und enteignete oder ohne Enteignung verlorengegangene Vermögenswerte seit 1990 zurückerhalten haben, bejahendenfalls, um welche Vermögenswerte es sich dabei gehandelt hat (bei Grundstücken: Angaben von Flurnummer und Grundbuchbezeichnung, bei Gesellschaften: Angabe des Sitzes und der Handelsregisternummer);

- Zahlungen und/oder Rückerstattungen beantragt haben, um Entschädigungsleistungen oder Rückgewähr von Vermögenswerten nach den vorstehenden Anträgen zu erhalten, und, bejahendenfalls, worauf sich der Antrag konkret bezieht;

hilfsweise:

vorgenannte Auskunft Zug um Zug gegen Erstattung der hierfür anfallenden Kosten zu erteilen;

2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft an Eides statt zu versichern;

3. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 0,81 % des erst nach der Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Wertes nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In ihrer Berufungserwiderung verteidigt die Beklagte die Entscheidung des Landgerichts. Unter Hinweis auf den Wortlaut von § 19 des Gesellschaftsvertrages vertritt die Beklagte die Auffassung, dem Begehren des Klägers fehle jede rechtliche Grundlage für eine Beteiligung an Wertzuwächsen, die erst nach seinem Ausscheiden eingetreten seien. Eine solche ergebe sich auch nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, denn diese seien hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es an dem dazu erforderlichen schuldrechtlichen Vertrag fehle. Die Höhe der Abfindung sei nämlich nicht vereinbart, sondern auf der Grundlage der gesellschaftsvertraglichen Regelungen durch Sachverständige "bestimmt" worden. Die abschließende Erklärung des Klägers stelle lediglich ein negatives Schuldanerkenntnis dar.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Korrektur der an ihn gezahlten Abfindung nicht zu. Folglich ist ihm die Beklagte auch nicht zur Erteilung der begehrten Auskunft verpflichtet.

Zu Recht geht der Kläger selbst davon aus, daß seine Klage nur über die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage Erfolg haben kann. Allein diese Grundsätze eröffnen überhaupt die Möglichkeit, sowohl die Wirkungen der Ausgleichsklausel in Ziffer I. 3 der Vereinbarung vom 25. Mai 1979 als auch den ohnehin abschließenden Charakter der nach den in Ziff. 19 des Gesellschaftsvertrages festgelegten Kriterien ermittelten Abfindung zu beseitigen. Die dazu erforderlichen Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.

Anders als die Beklagte meint, steht der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zwar nicht etwa schon die Rechtsnatur der Ausgleichsklausel entgegen. Abgesehen davon, daß die in Rede stehenden Grundsätze mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BGH zum Schuldversprechen (BGH DB 77, 301) auch auf ein Schuldanerkenntnis anwendbar sind, gilt dies bei Konstellationen der vorliegenden Art nämlich insbesondere auch deshalb, weil jede Ausgleichszahlung immer auch ein. Stück schuldrechtliche Einigung über die Bewertung der sie bestimmenden Faktoren, mögen diese auch durch den Gesellschaftsvertrag im einzelnen vorgegeben und mit sachverständiger Hilfe ermittelt worden sein, enthält. Die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheitert aber daran, daß die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung in ihrem für die jetzige Frage relevanten Teil längst abgewickelt worden ist. Wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, steht eine beiderseitige Erfüllung der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zwar nicht ausnahmslos, aber doch im Regelfall von vornherein entgegen (BGH NJW 96, 990 ff.; einschränkend BGH NJW 97, 653 f.). Mag es sich vorliegend auch nicht um einen klassischen Austauschvertrag handeln, so ist die diesbezügliche Argumentation des Bundesgerichtshofs wegen der Vergleichbarkeit der vorliegend gegebenen Situation durchaus übertragbar. Nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten sollte ihn deren Schicksal nichts mehr angehen und deshalb das Risiko der künftigen Wertentwicklung des Anteils auch allein bei der Beklagten verbleiben. Folglich war eine irgendwie geartete Beteiligung des Klägers an der weiteren Entwicklung, sei sie positiv oder negativ, nicht gewollt und vermag deshalb auch eine Anpassung der Abfindung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zu begründen. Einer solchen Betrachtungsweise stehen auch die die Mutungsfelder betreffenden Sonderbestimmungen nicht entgegen, denn sie haben die Abfindungsvereinbarung der Parteien nicht etwa insgesamt "in der Schwebe" gehalten, sondern sie zielten vielmehr allein auf die Lösung eines Einzelproblems. Die einschlägigen Abreden betreffen nämlich einen ganz anderen, in sich abgeschlossenen Bereich, der mit der nunmehr anstehenden Problematik absolut nichts zu tun hat und sie daher auch völlig unberührt läßt. In Anbetracht dessen ist es nicht gerechtfertigt, diesen eher zufälligen Umstand als eine Art "Öffnungsklausel" für eine Vertragsanpassung heranzuziehen, die bei isolierter Betrachtungsweise, die aus den genannten Gründen allein sachgerecht ist, gerade nicht mehr möglich wäre. Unter den hier gegeben Umständen hält der Senat es nicht zuletzt mit Blick auf den Zeitablauf zumindest für geboten, die restriktive Rechtsprechung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei beiderseitig erfüllten Verträgen wegen der durchaus vergleichbaren Sachlage entsprechend anzuwenden. Folglich scheidet eine Vertragsanpassung vorliegend aus, da weder einer der Sonderfälle, in denen trotz erfüllten Vertrages eine Anpassung erfolgen kann, noch eine ähnlich gelagerte Situation gegeben ist. Gerade auch der Sinn und Zweck einer gesellschaftsrechtlichen Abfindungsregelung spricht eher gegen als für eine solche Möglichkeit.

Unabhängig davon, hätte die Klage aber auch dann keinen Erfolg, wenn man die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht schon an der beiderseitigen Vertragserfüllung bzw. der entsprechenden Anwendung der dazu entwickelten Grundsätze scheitern lassen wollte. Auch die Prüfung anhand der insoweit einschlägigen "sachlichen" Kriterien führt nämlich zu keinem anderen Ergebnis.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Geschäftsgrundlage eines Vertrages gebildet durch die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber beim Vertragsschluß zu Tage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und nicht von ihm beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder durch entsprechende gemeinsame Vorstellung beider Vertragspartner, auf denen der Geschäftswille aufbaut. Gerade mit Blick auf den Bestand der BRD in ihren alten Grenzen und dem entsprechend den Fortbestand der DDR kommt es dabei nicht darauf an, ob sich die Vertragsparteien bewußte Vorstellungen über den Fortbestand der DDR gemacht haben, es genügt vielmehr, daß dieser für sie selbstverständlich war (BGH NJW 97, 320 ff.). Vor diesem Hintergrund wird man auch im hier zur Entscheidung anstehenden Fall zwar annehmen müssen, daß diese Umstände und die daran anknüpfenden Folgen für die Werthaltigkeit des Vermögens in der ehemaligen DDR Geschäftsgrundlage der ermittelten und dann akzeptierten Abfindung gewesen sind, die nachträglich weggefallen ist, doch sind die weiteren Voraussetzungen für eine daraus resultierende Vertragsanpassung nicht erfüllt. Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht vereinbarer und damit der Vertragspartei nicht zumutbarer Folgen unabweisbar erscheint. Die Prüfung dieser Voraussetzungen erfordert eine umfassende Interessenabwägung, in deren Rahmen nach der Rechtsprechung zum hier interessierenden Problemkreis die Frage nach dem Fortbestand der vertraglichen Bindung trotz der veränderten politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden muß. Die danach erforderliche fallbezogene Interessenabwägung läßt eine Vertragsanpassung vorliegend jedoch nicht zu.

Als Anknüpfungspunkt kommt insoweit zunächst das im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Stichtagsprinzip, wie es auch in § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB verankert ist, in Betracht. Dadurch soll in erster Linie sichergestellt werden, daß der Gesellschafter am wirtschaftlichen Erfolg oder Mißerfolg der Gesellschaft nur während der Zeit seiner Mitgliedschaft teilnimmt, wobei zu Recht angenommen wird, daß dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn ein späterer Wertzuwachs nicht auf erwirtschafteten Werten, sondern auf einer bloßen Veränderung des Marktwertes vorhandenen Gesellschaftsvermögens beruht (vgl. etwa Drexl, Die politische und wirtschaftliche Wende in der DDR - ein Fall für den Wegfall der Geschäftsgrundlage?, DtZ 93, 194 ff. (198)). Gerade darin dokumentiert sich eine weitere Zielrichtung des Stichtagsprinzips, das zugleich auch einen in der Regel endgültigen Schlußstrich bewirken soll, der folgerichtig u.a. dazu führen muß, daß etwaige Vermögenszuwächse, worauf auch immer sie zurückzuführen sein mögen, keine Berücksichtigung bei der Auseinandersetzung der Gesellschafter mehr finden können. Dies hat seinen guten Grund, denn andernfalls würde die Gesellschaft mit nicht mehr kalkulierbaren Unwägbarkeiten belastet, deren Folgen u. U. nicht nur zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Situation führen könnten, sondern die in aller Regel auch nicht etwa mit berechtigten Interessen des ausscheidenden Gesellschafters begründbar sind. Vor diesem Hintergrund bedarf es deshalb schon einer außergewöhnlichen Interessenlage auf Seiten eines ausgeschiedenen Gesellschafters, um über den Weg des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einer Korrektur einer Abfindung zu kommen. Eine solche Situation ist vorliegend jedoch nicht zu erkennen, wobei insbesondere berücksichtigt werden muß, daß es nicht darum geht, gemeinsame Fehlvorstellungen der Parteien über die Werthaltigkeit einzelner Vermögensgegenstände der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens zu korrigieren, sondern daß die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage dazu dienen soll, Fehlvorstellungen der Parteien über durch zukünftige und völlig ungewisse Ereignisse bedingte Wertveränderungen auszugleichen. Zwischen den Beteiligten bestanden weder besondere persönliche Bindungen - bei ungefähr 250 Kommanditisten und sonstigen Strukturen, in die die Beklagte eingebunden ist, kann etwa von einer "Familiengesellschaft" keine Rede sein, es steht vielmehr das Kapital im Vordergrund, die es als nicht hinnehmbar erscheinen lassen könnten, wenn der Kläger am plötzlichen und von ihm ebensowenig wie von der Beklagten selbst beeinflußten Reichtum der Beklagten nicht partizipiert, noch zwingt die besonders ausgeprägte Unvorhersehbarkeit der Entwicklung zu einem solchen Ergebnis. Die Entwicklung hat unter den hier gegebenen Umständen etwas Schicksalhaftes, das von beiden Seiten hinzunehmen ist, weil damit Ungerechtigkeiten nicht verbunden sind.

Soweit der Kläger mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 1993 argumentiert (BGHZ 123, 76 ff.), überzeugen seine Ausführungen schon deshalb nicht, weil für den Bereich des Gesellschaftsrechts eine dem § 2313 BGB vergleichbare Regelung nicht existiert, ein Umstand, der eher gegen als für eine Vertragsanpassung auch in Fällen der vorliegenden Art spricht. Bei § 2313 BGB handelt es sich um eine erbrechtliche Sonderregelung, die in erster Linie den dort üblicherweise existierenden besonderen persönlichen Bindungen der Beteiligten Rechnung tragen soll. Zudem behandelt die Entscheidung bei genauer Betrachtungsweise in erster Linie auch gar nicht einen Anwendungsfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, sondern es geht lediglich um eine bestimmte Fälle erfassende gesetzliche Ausnahmeregelung. Soweit in der genannten Entscheidung auch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Rolle spielen, dienen sie lediglich dazu, die dortige Abgeltungsklausel in ihren Wirkungen zu beschränken, werden aber nicht zur "Überwindung" des Stichtagsprinzips herangezogen. Bei der vorliegend zur Entscheidung anstehenden Konstellation würde die dortige Argumentation also allenfalls dazu führen, die Wirkungen der Ausgleichsklausel hinsichtlich des Ostvermögens zu beseitigen. Für die eigentliche Interessenabwägung hilft sie dem Kläger dagegen gerade nicht weiter.

Gegen eine Anpassung der Abfindung spricht desweiteren der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Wie sich dem vorgelegten Handelsregister-Auszug entnehmen läßt, ist es in der Vergangenheit häufiger zu Veränderungen im Gesellschafterbestand gekommen, die gegebenenfalls alle oder zumindest in weiten Teilen einer Neubewertung unterzogen werden müßten, wollte man eine Korrektur nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlage zulassen. Gerade weil dafür vorliegend kein unabweisbares Bedürfnis besteht, kommt diesem Gesichtspunkt ganz besondere Bedeutung zu, denn es scheint völlig unangemessen und damit der Beklagten auch nicht zumutbar, bei einer solchen Sachlage mit großem Aufwand lang zurückliegende Vorgänge neu zu verhandeln, deren ursprüngliches Ergebnis unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten durchaus hinnehmbar erscheint.

Soweit der Kläger schließlich mit der Sonderregelung für die Mutungsfelder argumentiert und dabei geltend macht, wenn man die Wiedervereinigung damals bedacht hätte, wäre es zu einer vergleichbaren Regelung gekommen, bestehen nicht nur erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung - die politischen Veränderungen lagen 1979 so weit außerhalb der vorstellungskraft aller Beteiligten, daß man Entsprechendes kaum für erforderlich gehalten haben dürfte, sondern die Überlegungen führen vor allen Dingen auch deshalb nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis, weil die Beklagte sich damals auf ein solches Ansinnen gar nicht hätte einlassen müssen. Anders als bei den Mutungsfeldern, denen unzweifelhaft ein wert zukam und die dementsprechend auch bilanziert waren und bei der Berechnung folgerichtig Berücksichtigung finden mußten, stand beim Ostvermögen ebenso unzweifelhaft dessen Wertlosigkeit zum damaligen Zeitpunkt fest, ohne daß es den geringsten Anhaltspunkt dafür gab, daß sich daran etwas ändern würde. Unter diesen Umständen wäre die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, sich auf eine irgendwie geartete "Öffnungsklausel" einzulassen, die eine Beteiligung des Klägers an durch völlig ungewisse Ereignisse geknüpfte und daher überhaupt nicht abwägbare Wertveränderungen sicherstellen sollte. Wollte er daran partizipieren, hätte er nicht aus der Gesellschaft ausscheiden dürfen, sondern sich weiterhin dem wirtschaftlichen Risiko seiner Beteiligung aussetzen müssen. Zn diesem Zusammenhang vermag sich der Senat auch der Argumentation von Drexl (a.a.O. Seite 198/199), der eine Beteiligung des ausgeschiedenen Gesellschafters für immerhin möglich hält und zur Begründung auf die Situation im Falle einer Liquidation der Gesellschaft statt eines Ausscheidens von Gesellschaftern verweist, nicht anzuschließen. Die strukturellen Unterschiede, die in den wirtschaftlichen Risiken und Chancen, die die verbleibenden Gesellschafter anders als bei einer Abwicklung der Gesellschaft allein zu tragen haben, gebieten eine Gleichbehandlung gerade nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert und Beschwer: 80.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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