Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.12.1999
Aktenzeichen: 6 U 159/98
Rechtsgebiete: AGBG, VVG, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 13
AGBG § 9
AGBG § 16
AGBG § 13 Abs. 1
AGBG § 13 Abs. 2 Nr. 1
AGBG § 17 Nr. 3
AGBG § 5
VVG § 16 ff.
VVG § 16 Abs. 2 Satz 1
VVG § 16 Abs. 1 Satz 2
VVG § 16 Abs. 2
VVG § 16 Abs. 1
VVG § 16 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 159/98 12 O 88/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 23. Dezember 1999

G..., Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K den Richter am Oberlandesgericht Sund die Richterin am Oberlandesgericht M-M-H

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. September 1998 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehen den Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

1.

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, die nachfolgende Klausel oder dieser inhaltsgleiche Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug auf Krankenversicherungsverträge zu verwenden, ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes:

"Ich verpflichte mich, alle Heilbehandlungen (einschließlich Beratungen und Untersuchungen),... alle Veränderungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit

..., die bis zur Annahme dieses Antrages eintreten, dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen."

2.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, es zu unterlassen, sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge auf die vorstehend unter 1. aufgeführte Klausel zu berufen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer in Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die beklagte Krankenversicherung verwendet beim Abschluß von Krankenversicherungsverträgen ein Antragsformular, das in den Schlußerklärungen zu Ziff. 1 Abs. 2 unter der Überschrift "Verpflichtungen bis zur Annahme des Antrages" eine Klausel enthält, die u.a. folgenden Wortlaut hat:

"Ich verpflichte mich, alle Heilbehandlungen (einschließlich Beratungen und Untersuchungen), alle Veränderungen im Gesundheitszustand, alle Veränderungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit..., die bis zur Annahme dieses Antrages eintreten, dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen."

Gegen diese Klausel wendet sich der Kläger mit der Unterlassungsklage nach § 13 AGBG. Die Beklagte hat die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung abgelehnt.

Der Kläger ist der Auffassung, die angegriffene Klausel benachteilige den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil auch offenkundig belanglose Umstände anzuzeigen seien und zudem der Klammerzusatz in einer gegen das Transparenzgebot verstoßenden Weise unklar und mehrdeutig sei.

Der Kläger hat beantragt,

1.

Die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,

zu unterlassen,

die nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug auf Krankenversicherungsverträge zu verwenden, ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes:

"Ich verpflichte mich, alle Heilbehandlungen (einschließlich Beratungen und Untersuchungen), alle Veränderungen im Gesundheitszustand, alle Veränderungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit..., die bis zur Annahme dieses Antrages eintreten, dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen."

2.

Die Beklagte weiter zu verurteilen, es zu unterlassen, sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge auf die vorstehend aufgeführte Klausel zu berufen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr eine Aufbrauchs- und Umstellungsfrist von einem Jahr zu gewähren.

Sie hat geltend gemacht:

Die beanstandete Klausel benachteilige den Versicherungsnehmer nicht unangemessen und verstoße auch nicht gegen das Transparenzgebot. Vielmehr sei die Klausel in ihrem Kontext zusehen, stehe mit den Vorschriften der §§ 16 f VVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung in Einklang und entspreche der vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen erarbeiteten Vorgabe.

Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Formulierung "alle Heilbehandlungen (einschließlich Beratungen und Untersuchungen)" sei unklar, verstoße deshalb gegen das Transparenzgebot und sei insoweit nach § 9 AGBG unwirksam. Den Anspruch auf Gewährung einer Rufbrauchs- und Umstellungsfrist hat das Landgericht verneint.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter und hält auch ihren Hilfsantrag aufrecht. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht die Beklagte geltend:

Zu Unrecht habe das Landgericht die beanstandete Klausel wegen Verletzung des Transparenzgebotes für unwirksam gehalten. Ein aufmerksamer Leser, auf den abzustellen sei, könne die Klausel wegen der Verwendung des Wortes "einschließlich" im Klammerzusatz nur dahin verstehen, daß nur Beratungen und/oder Untersuchungen im Rahmen von Heilbehandlungen anzeigepflichtig seien. Der Klammerzusatz hinter "Heilbehandlung" erzeuge somit keine Mißverständnisse, sondern verhindere diese sogar. In der Krankenversicherung sei der zentrale Begriff zur Bestimmung des Versicherungsfalles die Inanspruchnahme von Heilbehandlungen. Die Reichweite dieses Zentralbegriffes, der im versicherungsrechtlichen Sinne nicht nur therapeutische sondern auch alle diagnostischen Maßnahmen umfasse, solle den Versicherungsnehmern klargemacht werden. Durch die Fassung der Klausel werde vermieden, daß der Versicherungsnehmer annehme, eine Heilbehandlung liege nur dann vor, wenn therapeutische Maßnahmen stattfänden. Zudem gehe die verwendete Formulierung auf einen "Rundschreibenentwurf" des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV) aus dem Jahre 1982 zurück. Im Juni 1984 habe sie dem BAV einen überarbeiteten Krankenversicherungs-Antragsvordruck u.a. mit der beanstandeten Klausel zur Genehmigung vorgelegt, die auch erteilt worden sei.

Da die Bedenken des Landgerichts nur im Hinblick auf die Formulierung betreffend "Heilbehandlungen" bestünden, habe allenfalls dieser Teil der Klausel für unwirksam erklärt werden dürfen. Denn die davon inhaltlich trennbaren, aus sich heraus verständlichen Regelungen betreffend die Anzeigeverpflichtung wegen Veränderungen im Gesundheitszustand sowie der beruflichen Tätigkeit seien nicht zu beanstanden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr eine Aufbrauchs- und Umstellungsfrist von einem Jahr zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin geltend, die Klausel sei auch wegen der zur weiten Fassung des gesamtes Textes, insbesondere im Hinblick auf die Anzeigepflicht betreffend "alle Veränderungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit" unwirksam.

Der Senat hat gemäß § 16 AGBG dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In seiner Stellungnahme vom 20.05.1999 vertritt das BAV die Auffassung, der vom Landgericht angenommene Verstoß gegen das Transparenzgebot sei nicht gegeben (134, 135 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt und die überreichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe: Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch nur in geringfügigem Umfange Erfolg.

Die beanstandete Klausel ist unwirksam, soweit sie den Versicherungsnehmer verpflichtet, "alle Heilbehandlungen (einschließlich Beratungen und Untersuchungen)" sowie "alle Veränderungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit", die bis zur Annahme des Antrages auf Abschluß eines Krankenversicherungsvertrages eintreten, dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Insoweit kann der Kläger somit nach § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AGBG verlangen,, daß die Beklagte die Verwendung der Klausel unterläßt, hat also die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

Die streitgegenständliche Klausel ist jedoch nicht zu beanstanden, soweit sie den Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, "alle Veränderungen im Gesundheitszustand" anzuzeigen. Dieser Teil der Klausel stellt eine inhaltlich von dem übrigen Klauselinhalt trennbare, aus sich heraus verständliche und sinnvolle Regelung dar, die von den übrigen - unwirksamen - Klauselteilen nicht erfaßt wird (vgl. BGH NJW 1989, 3215, 3216 m.w.N.). Insoweit hat also die Berufung der Beklagten - in geringem Umfange - Erfolg, ohne daß sich dies allerdings bei der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten auswirkt.

I.

Soweit die Klausel den Versicherungsnehmer verpflichtet, "alle Heilbehandlungen (einschließlich Beratungen und Untersuchungen)", die bis zur Annahme des Antrages eintreten, schriftlich anzuzeigen, hat das Landgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Transparenzgebot, also eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 9 AGBG angenommen.

Die Rechte und Pflichten des Vertragspartners müssen in AGB durch entsprechende Ausgestaltung und geeignete Formulierung der Vertragsbedingungen durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar dargestellt werden. Insbesondere sind die AGB so zu gestalten, daß der rechtsunkundige Durchschnittskunde in der Lage ist, die ihn benachteiligende Wirkung einer Klausel ohne Einholung von Rechtsrat zu erkennen. Sind Klauseln unklar, obwohl Klarheit möglich und zur Wahrung der Rechte des Kunden nötig ist, belasten sie den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 9 AGBG. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die die Gefahr begründen, daß der Kunde von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Intransparenz ist also ein selbständiges Merkmal unangemessener Vertragsgestaltung (vgl. BGHZ 106, 42, 49; BGHZ 104, 82, 83; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 8. Aufl. Rdn. 87 und 89). Auch bei der Auslegung von AGB nach § 5 AGB-Gesetz ist das Transparenzgebot zu beachten und führt dazu, daß jedenfalls im Verbandsprozeß eine zur Prüfung anstehende Klausel in der "kundenfeindlichsten" Bedeutung der Inhaltskontrolle unterzogen wird (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 5 Rdn. 21 und § 9 Rdn. 88). Bei der Prüfung hinreichender Transparenz ist auf den Verständnishorizont und die Erwartungen eines typischerweise bei der betreffenden Vertragsart zu erwartenden Durchschnittskunden abzustellen (BGHZ 112, 115 = NJW 90, 2383; BGHZ 116, 1, 7 = NJW 92, 179; Ulmer/Brander/Hensen, a.a.O., § 9 Rdn. 106). Schließlich nehmen auch behördlich kontrollierte AGB, erst recht nicht solche, die nur auf eine Empfehlung einer Aufsichtsbehörde - im vorliegenden Falle auf Empfehlung des BAV - zurückgehen, keine Sonderstellung bei der Anwendung des § 9 AGBG ein (vgl. Ulmer/Brander/Hensen, a.a.O., § 9 Rdn. 17 und 128).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Formulierung der beanstandeten Klausel, soweit sie die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers im Hinblick auf "alle Heilbehandlungen" betrifft, mehrdeutig und deshalb unklar, so daß das Transparenzgebot verletzt ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Klammerzusatz und dem darin verwendeten Wort "einschließlich" nicht mit der erforderlichen Klarheit, daß nur Beratungen und/oder Untersuchungen anzuzeigen sind, die im Rahmen einer Heilbehandlung stattfinden. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der im übrigen bei der Lektüre der AGB keinen Duden zur Hand nimmt, kann die beanstandete Formulierung in mehrfacher Hinsicht verstehen, nämlich zum einen dahin, daß jede Beratung und jede Untersuchung anzeigepflichtig ist, unabhängig davon, ob mit der Beratung/Untersuchung zugleich eine Heilbehandlung erfolgte oder ob die Beratung/Untersuchung mit einer Heilbehandlung in Zusammenhang stand oder nicht. Darüber hinaus kann er die Formulierung allerdings auch in dem von der Beklagten geltend gemachten Sinne verstehen, daß nur solche Beratungen und Untersuchungen anzeigepflichtig sind, die mit einer Heilbehandlung in Zusammenhang stehen. Schließlich kann er jedoch auch zu dem Ergebnis kommen, daß der Verwender der Klausel den Begriff der Heilbehandlung in der Weise definieren will, daß eine Beratung oder eine Untersuchung als eine Heilbehandlung gilt, unabhängig davon, ob bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Beratung und eine Untersuchung unter den Begriff der Heilbehandlung fällt. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Beklagten, der Klammerzusatz hinter Heilbehandlung verhindere Mißverständnisse und mache dem Versicherungsnehmer klar, daß der Begriff der Heilbehandlung im versicherungsrechtlichen Sinne weitgefaßt sei und nicht nur therapeutische sondern auch alle diagnostischen Maßnahmen umfasse. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird den Begriff der Heilbehandlung nicht in diesem - versicherungsrechtlich weit gefaßten Sinne - verstehen. Ein derartiges Verständnis ist nur bei Fachleuten der Versicherungsbranche zu erwarten.

Die aufgezeigten Unklarheiten können dazu führen, daß der Versicherungsnehmer davon abgehalten wird, seine Rechte mit Erfolg durchzusetzen. Wenn der durchschnittliche Versicherungsnehmer die naheliegende Auffassung vertritt, Beratungen und Untersuchungen, die nicht im Rahmen einer Heilbehandlung stattfinden und auch keinen krankhaften Befund zum Gegenstand haben, seien nicht anzeigepflichtig, könnte der Versicherer dennoch nach Eintritt des Versicherungsfalles die Auffassung vertreten, jede Beratung und/oder Untersuchung, auch soweit sie nicht mit einer Heilbehandlung in Zusammenhang steht, sei anzeigepflichtig und der Versicherungsnehmer habe gegen diese Anzeigepflicht verstoßen mit der Folge, daß der Versicherer gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG vom Versicherungsvertrag zurücktreten könne. Mit Rücksicht auf die unklare Formulierung der Klausel besteht die Gefahr, daß der Versicherungsnehmer dies hinnimmt, weil er das Risiko und die Kosten eines Rechtsstreits scheut.

Darüber hinaus benachteiligt die beanstandete Klausel den Versicherungsnehmer auch deshalb unangemessen, weil sie bei kundenfeindlichster Auslegung dahin verstanden werden kann, daß der Versicherungsnehmer auch belanglose Beratungen und/oder Untersuchungen - etwa Vorsorgeuntersuchungen ohne jeden krankhaften Befund - anzuzeigen hat. Hinzu kommt, daß der Begriff "Heilbehandlungen" nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht nur als ärztliche Behandlung oder Behandlung eines Heilpraktikers aufgefaßt werden kann, sondern auch die etwa von einem Krankengymnasten, einem medizinischen Bademeister oder einem Masseur vorgenommenen Behandlungen darunter fallen. Die Pflicht, alle Heilbehandlungen, auch soweit sie nicht von Ärzten oder Heilpraktikern durchgeführt werden, anzuzeigen, unabhängig davon, ob diese ihrer Beschaffenheit nach überhaupt für den Entschluß des Versicherers, den Vertrag abzuschließen, erheblich sein können, ist mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren und deshalb unangemessen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 VVG hat der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr durch den Versicherer erheblich sind, diesem anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag Überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluß auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich. Hat also der Versicherer nach jeder Heilbehandlung gefragt, ohne diesen Begriff näher einzugrenzen, besteht für den Versicherungsnehmer die Gefahr, daß sich der Versicherer gemäß § 16 Abs. 2 VVG auf sein Rücktrittsrecht beruft, wenn der Versicherungsnehmer es unterlassen hat, auch völlig belanglose Behandlungen sowie Beratungen und/oder Untersuchungen anzuzeigen.

II.

Die streitgegenständliche Klausel belastet den Versicherungsnehmer auch insoweit im Sinne des § 9 AGBG unangemessen, als er verpflichtet wird, "alle Veränderungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit" anzuzeigen. Diese Formulierung erfaßt auch völlig belanglose, für die Entscheidung des Versicherers, ob er das Versicherungsrisiko übernehmen soll, unerhebliche "Veränderungen". Wird etwa ein Beamter versetzt, ohne daß sich seine Tätigkeit und seine Bezüge wesentlich verändern, liegt eine völlig belanglose Veränderung hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit vor. Entsprechendes gilt für einen Arbeitnehmer, der innerhalb eines größeren Betriebes versetzt wird. Die Beklagte macht geltend, der Hinweis auf die Anzeigepflicht betreffend die beruflichen Veränderungen stehe im Zusammenhang mit den Fragen, die im Antragsformular zur Krankentagegeldversicherung vorgesehen sind. Im Hinblick auf die Absicherung des krankheits- und unfallbedingten Verdienstausfalles seien Fragen zu beruflichen Veränderungen für die Einschätzung des Versicherungsrisikos erheblich. Zudem versichert die Beklagte nach ihren "Annahmegrundsätzen" bestimmte Berufsgruppen grundsätzlich nicht, etwa Prostituierte und Rennfahrer (vgl. Anlage H 6 = 158 GA). Das berechtigte Interesse der Beklagten an der Mitteilung beruflicher Veränderungen des Versicherungsnehmers ist also entsprechend einzugrenzen. Es betrifft zum einen Veränderungen der beruflichen Tätigkeit, die das Krankheits- und Unfallrisiko erhöhen. Zum anderen betrifft es Veränderungen im Hinblick auf den ausgeübten Beruf insoweit, als abweichend von der Berufsangabe des Versicherungsnehmers, der seinen derzeitigen Beruf mit genauer Bezeichnung anzugeben hat, der Versicherungsnehmer in der Zeit von der Antragstellung bis zur Annahme des Antrages seinen Beruf wechselt, der möglicherweise zu einer Berufsgruppe gehört, welche die Beklagte grundsätzlich nicht versichert. Die insoweit erforderlichen Angaben des Versicherungsnehmers lassen sich durch eine entsprechende Formulierung der AGB eingrenzen. Die weitgefaßte Formulierung, daß alle Veränderungen der beruflichen Tätigkeit anzuzeigen sind, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 16 VVG nicht zu vereinbaren und stellt deshalb gemäß 9 Abs. 2 eine unangemessene Benachteiligung dar. Nach § 16 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer (nur) alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen, wobei nur solche Gefahrumstände erheblich sind, die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, das Versicherungsrisiko zu übernehmen, einen Einfluß auszuüben. Die beanstandete weite Klauselfassung geht darüber weit hinaus. Es besteht die Gefahr, daß der Versicherer sich mit Rücksicht auf die zu weite Fassung der Klausel auf den Standpunkt stellt, er habe auch nach solchen beruflichen Änderungen gefragt, die aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers unwesentlich sind, und sich der Versicherer ferner auf § 16 Abs. 1 Satz 3 beruft, wonach ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel als erheblich gilt. Wenn sich der Versicherer aus diesem Grunde dann auf das Rücktrittsrecht nach § 16 Abs. 2 VVG beruft, besteht die Gefahr, daß der Versicherungsnehmer dies hinnimmt, weil er das Risiko und die Kosten eines Rechtsstreits scheut.

Zudem verstößt die weite Fassung auch gegen das Transparenzgebot. Denn es ist nicht klar, was mit "Veränderungen der beruflichen Tätigkeit" gemeint ist. Unklar bleibt, ob damit nur ein Wechsel des Berufs oder auch eine Änderung der innerhalb desselben Berufs ausgeübten Tätigkeit gemeint ist. Diese Unklarheit folgt insbesondere auch daraus, daß im Antragsformular (nur) nach dem Beruf, nicht aber nach der beruflichen Tätigkeit gefragt ist. Aus diesen Gründen ist auch die zu weite Fassung im Hinblick auf die Anzeigepflicht aller beruflichen Veränderungen unangemessen im Sinne des § 9 AGBG.

III.

Nicht zu beanstanden ist die Klausel, soweit der Versicherungsnehmer alle Veränderungen seines Gesundheitszustandes vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Annahme des Antrages durch den Versicherer anzuzeigen hat. Insoweit wird der Versicherungsnehmer nicht unangemessen belastet. Vielmehr ist dieser Teil der Klausel mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 16 VVG zu vereinbaren.

Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sind Veränderungen seines Gesundheitszustandes Umstände, die im Sinne des § 16 Abs. 1 VVG für den Versicherer erheblich, nämlich geeignet sind, seinen Entschluß zu beeinflussen, den Vertrag überhaupt nicht öder jedenfalls nicht zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. Der Versicherer hat ein anzuerkennendes, berechtigtes Interesse daran, daß ihm alle gesundheitlichen Veränderungen angezeigt werden, auch, soweit der Versicherungsnehmer sie nicht für bedeutsam hält. Denn häufig kann der Versicherungsnehmer mangels ausreichender medizinischer Kenntnisse selbst nicht beurteilen, welche gesundheitlichen Veränderungen für den Versicherer risikoerhöhend sind.

Nach der Rechtsprechung des BGH zieht eine in einer AGB-Bestimmung enthaltene unwirksame Regelung nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit einer in derselben Bestimmung enthaltenen anderen Regelung, gegen deren Wirksamkeit - für sich gesehen - keine Bedenken bestehen, nach sich. Inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in einer AGB-Bestimmung können Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, auch wenn sie in einem sprachlichen Zusammenhang mit anderen, unwirksamen Regelungen stehen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der als unwirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere wenn der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, daß von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muß. Nur in einem derartigen Fall ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (vgl. BGH NJW 1989, 3215, 3216 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läßt sich die - für sich gesehen - nicht zu beanstandende Teilklausel betreffend die Anzeigepflicht im Hinblick auf alle Veränderungen des Gesundheitszustandes aufrechterhalten. Diese Teilklausel ist von dem unwirksamen Teil der Klausel trennbar und enthält eine aus sich heraus verständliche Regelung, die auch ohne den unwirksamen Klauselteil sinnvoll ist.

Somit war dem Unterlassungsbegehren des Klägers im wesentlichen zu entsprechen. Die Untersagung einer Verwendung von inhaltsgleichen Bestimmungen anstelle dem unwirksamen Teil der streitgegenständlichen Klausel beruht auf § 17 Nr. 3 AGBG.

Wie bereits das Landgericht zutreffend - insoweit mit der Berufung auch nicht angegriffen - ausgeführt hat, darf sich die Beklagte auch bei der Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge nicht mehr auf die streitgegenständliche Klausel berufe, soweit sie nach den vorstehenden Ausführungen unwirksam ist (vgl. BGH NJW 1981, 1511, 1512).

Die von der Beklagten hilfsweise begehrte Gewährung einer Aufbrauchs- und Umstellungsfrist von einem Jahr steht der Beklagten nicht zu. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt dies bereits daraus, daß sich die Beklagte auch bei der Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge nicht mehr auf den unwirksamen Klauselteil berufen darf. Zudem widerspricht die Gewährung einer Aufbrauchs- und Umstellungsfrist dem Zweck des AGB-Gesetzes, den Rechtsverkehr von unwirksamen Klauseln freizuhalten (vgl. BGH NJW 1983, 1322, 1326). Eine in Wettbewerbsprozessen vom Gericht teilweise zugebilligte Frist, vorhandenes Material noch eine Zeit lang zu verwenden, ist schon vom Schutzobjekt der abstrakten Unterlassungsklage her Fehl am Platz. Das gesetzliche Gebot, den Rechtsverkehr von unzulässigen Klauseln freizuhalten, verträgt keine Befristung (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 17 Rdn. 16). Zudem stand der Beklagten, nachdem sie der Kläger mit Schreiben vom 08.12.1997 auf die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel hingewiesen hatte, de facto bis zur Verkündung des Senatsurteils bereits eine Umstellungsfrist von mehr als einem Jahr zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers im Hinblick auf die Anzeigepflicht betreffend die Veränderungen des Gesundheitszustandes war verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistungen beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Berufungsstreitwert beträgt 20.000,-- DM.

Der Wert der Beschwer der Beklagten liegt über 60.000,-- DM (vgl. dazu BGH NJW 1994, 785).

Ende der Entscheidung

Zurück