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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: 6 U 4/00
Rechtsgebiete: GesO, BGB, HGB, KO, ZPO


Vorschriften:

GesO § 10
GesO § 10 I, Ziff. 2
GesO § 7
GesO § 13
GesO § 7 Abs. 5
GesO § 2 Abs. 4
GesO § 9 Abs. 3
GesO § 1 Abs. 4
BGB § 433 Abs. 2
BGB § 291
HGB § 355
HGB § 172 a
HGB § 352
KO § 55 Nr. 1
GmbHG § 32 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3
GmbHG § 32 a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 19. Oktober 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K, den Richter am Oberlandesgericht M und die Richterin am Oberlandesgericht M.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Oktober 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung von 93.000,00 DM abzuwenden, es sei denn der Kläger leistet zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe.

Tatbestand:

Der Kläger ist seit 1.10.96 Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der H.M.S. GmbH & Co KG (nachfolgend als Gemeinschuldnerin bezeichnet). Deren Komplementärin ist die H.M.B. GmbH. Kommanditisten sind die T. B. V. mit einem Anteil von 2.650.000,-- DM und einer der Geschäftsführer der Beklagten, nämlich Herr A. H., der zugleich auch Gesellschafter und neben den Herren H. und S. bis April 1996 Geschäftsführer der Komplementärin der Gemeinschuldnerin war, mit einem Anteil von 7.350.000,-- DM. Außerdem ist Herr H. neben zwei weiteren Kommanditisten, deren Anteil jeweils 25.000,-- DM ausmacht, mit einem Anteil von 450.000,-- DM Kommanditist der Beklagten und alleiniger Gesellschafter ihrer Komplementär-GmbH.

Zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten bestand u.a. ein Untermietvertrag vom 7.5.96, durch den die Beklagte der Gemeinschuldnerin Büro-, Hallen- und Außenflächen für monatlich 3.595,-- DM zuzüglich MwSt in Haan-Gruiten zur Verfügung stellte. Außerdem wurde im Rahmen einer mündlichen Zusatzvereinbarung die Nutzung der "Büroinfrastruktur" der Beklagten durch die Gemeinschuldnerin vorgesehen. Den Mietvertrag versuchte die Beklagte mit Schreiben vom 27. August 96 zu kündigen. Sie ließ von diesem Vorhaben aber nach Widerspruch des Klägers wieder ab.

Bereits im Juni 96 hatte die Gemeinschuldnerin der Beklagten für 73.100,-- DM einen BMW verkauft und übergeben. Die daraus resultierende Kaufpreisforderung der Gemeinschuldnerin ist nunmehr Gegenstand der Klage, zumindest in erster Linie.

Der Kläger hat geltend gemacht, der am 11.6.96 in Rechnung gestellte Kaufpreis sei nicht bezahlt worden, auch nicht durch Verrechnung seitens der Beklagten, denn eine solche sei nach der aufgrund des Antrages vom 19. Juli 1996 auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am selben Tage erfolgten Anordnung der Sequestration und eines allgemeinen Verfügungsverbotes nicht mehr wirksam möglich gewesen, nicht zuletzt auch deshalb nicht, weil den seitens der Beklagten der Aufrechnung zugrundegelegten Gegenforderungen Eigenkapitalersatzfunktion zugekommen sei. Im übrigen habe es auch gar keine Kontokorrentabrede gegeben.

Hilfsweise hat der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages gemäß § 10 GesO erklärt. Unter Hinweis auf die gesellschaftsrechtlichen Verknüpfungen zwischen den Beteiligten hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte sei als nahestehende Person i.S.v. § 10 I, Ziff.2 GesO anzusehen. Ihr sei nicht nur die mit dem Abschluß des Kaufvertrages verbundene Gläubigerbenachteiligung, sondern auch die dahingehende Absicht der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen. Der Kläger hat behauptet, die Gemeinschuldnerin habe bereits zuvor ihre Zahlungen eingestellt. So hätten ihre Arbeitnehmer schon im Mai 96 keine Gehälter mehr erhalten. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Unwirksamkeit des Kaufvertrages sei die Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeuges verpflichtet und schulde ihm außerdem eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 67.500,-- DM.

Mit der am 28.9.98 bei Gericht eingegangenen und am 6.10.98 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 73.100,-- DM nebst 5% Zinsen seit 6.10.98 (ZU) zu zahlen,

2. hilfsweise

a. die Beklagte zu verurteilen, den näher bezeichneten BMW herauszugeben und

b. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 67.500,-- DM nebst 5% Zinsen seit 6.10.98 (ZU) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin habe eine Kontokorrentabrede bestanden, in die auch die in Rede stehende Kaufpreisforderung einbezogen worden sei. Weiter hat die Beklagte geltend gemacht, die Klageforderung sei durch Aufrechnung erloschen, an der sie - die Beklagte - aus Rechtsgründen nicht gehindert sei. Vorsorglich hat die Beklagte im laufenden Verfahren nochmals die Aufrechnung mit Mietzinsforderungen aus der Zeit von Juni 96 bis März 98 bzw. nach einem Hinweis des Gerichts von Oktober 96 bis Juni 98 sowie mit Forderungen aus weiteren 7 Einzelrechnungen erklärt.

Das Landgericht hat der Klage aus dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der aus § 433 Abs.2 BGB begründete Anspruch des Klägers sei nicht durch Verrechnung entsprechend § 355 HGB untergegangen, da sich eine Kontokorrentabrede nicht feststellen lasse. Die Kaufpreisforderung sei im übrigen auch nicht, durch Aufrechnung erloschen, denn aufgrund der einschlägigen Kapitalersatzregeln sei eine solche nicht möglich.

Mit ihrer Berufung vertritt die Beklagte erneut den Standpunkt, eine Geltendmachung der Kaufpreisforderung sei dem Kläger aufgrund einer Kontokorrentabrede verwehrt. Im übrigen ist die Beklagte nach wie vor der Ansicht, sie könne gegen die Klageforderung wirksam aufrechnen. In diesem Zusammenhang bestreitet die Beklagte erstmals auch die für die Anwendung der Kapitalersatzvorschriften erforderliche Krise im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages. Vorsorglich weist die Beklagte darauf hin, daß ein möglicher Ausschluß der Aufrechnung der Höhe nach ohnehin nur insoweit gelten könne, als er durch den Kommanditanteil des Kommanditisten H. bedingt sei. Schließlich beruft sich die Beklagte noch auf ein Zurückbehaltungsrecht.

Im Hinblick auf den Hilfsantrag des Klägers macht die Beklagte geltend, eine Anfechtung des Kaufvertrages scheitere schon an der Versäumung der Anfechtungsfrist. Abgesehen davon, fehle es aber auch am erforderlichen Anfechtungsgrund.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In seiner Berufungserwiderung verteidigt der Kläger unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens die landgerichtliche Entscheidung.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist nämlich gemäß § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet, 73.100,00 DM an den Kläger zu zahlen.

I.

Die Geltendmachung der zwischen den Parteien unstreitigen Kaufpreisforderung scheitert zunächst nicht an einer Kontokorrentabrede, denn eine solche hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargetan. Zwar hat sie die von ihr behauptete dahingehende Vereinbarung in der Berufungsinstanz zeitlich näher eingegrenzt, doch fehlen nach wie vor Angaben zu den näheren Umständen des Gesprächs und seinem Inhalt, aus denen sich die rechtliche Wertung einer Absprache im Sinne des § 355 HGB und die konkrete Ausgestaltung ergeben könnte. Außerdem kommt hinzu, daß die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung nicht erkennen lassen, daß wirklich alle, also nicht nur die mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen saldiert werden sollten. Selbst wenn anläßlich des Vertragsschlusses entsprechende Abreden getroffen worden sein sollten, bezogen sich diese allein auf das konkrete Rechtsverhältnis. Eine weitergehende Geltung hätte dagegen ausdrücklich zur Sprache kommen müssen. Genau das trägt die Beklagte aber nicht einmal selbst vor. Insgesamt vermittelt der Akteninhalt vielmehr den Eindruck, daß zwar zwischen den Buchhaltungen aus Gründen der Arbeitserleichterung von Zeit zu Zeit Verrechnungen vereinbart worden sind, ohne das damit aber die typischen Kontokorrentbindungen verbunden gewesen wären.

II.

Die in Rede stehende Kaufpreisforderung ist auch nicht durch Aufrechnung erloschen, wobei sich deren Unzulässigkeit für die einzelnen vorliegend relevanten Zeiträume nicht nur aus darauf bezogenen speziellen Erwägungen, sondern auch insgesamt nach den Grundsätzen der Kapitalersatzregeln ergibt.

1.

Soweit es um Forderungen aus der Zeit nach der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 1. Oktober 1996 geht, scheitert eine wirksame Aufrechnung mit Gesamtvollstreckungsforderungen zunächst an § 7 GesO. Soweit die Beklagte im übrigen auch Forderungen aus dem Untermietverhältnis zur Aufrechnung gestellt hat, bei denen es sich um Masseansprüche handelt, für die im Anwendungsbereich der Konkursordnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH ZIP 95, 1204 ff. (1208/1209)) über eine entsprechende Anwendung des § 55 Nr. 1 KO bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit, die hier frühestens im März 1999 erfolgt ist, eine Aufrechnungsmöglichkeit angenommen wird, ergibt sich die Unzulässigkeit der Aufrechnung aus § 13 GesO. Mit Rücksicht auf das darin vorgesehene Zustimmungserfordernis steht der Senat auf dem Standpunkt, daß im Anwendungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung eine Aufrechnung auch mit Masseforderungen nicht in Betracht kommt (so auch Hess/Binz/Wienberg, Kommentar zur Gesamtvollstreckungsordnung, Anm. 91 b zu § 7).

2.

Ohne Erfolg bleibt auch die Aufrechnung der Beklagten mit Forderungen aus der Zeit zwischen Antragstellung und Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Zwar läßt das Gesamtvollstreckungsverfahren nach § 7 Abs. 5 GesO die Aufrechnungsbefugnis des Gläubigers unberührt, wenn die Aufrechnungslage bereits im Eröffnungszeitpunkt bestand, doch hat die Rechtsprechung weitergehende Einschränkungen vorgenommen, die auch vorliegend zu einer Unzulässigkeit der Aufrechnung zumindest mit Gesamtvollstreckungsforderungen führen. In seiner Entscheidung vom 13. Juni 1995 (BGH ZIP 95, 1200 ff.) hat der BGH ausdrücklich festgestellt, daß gegen Forderungen des Schuldners, die nach Eingang eines zulässigen Antrages auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung bei Gericht begründet werden, jedenfalls dann nicht mit Gesamtvollstreckungsforderungen wirksam aufgerechnet werden kann, wenn ein Verfügungs- und ein Vollstreckungsverbot erlassen worden sind und das Verfahren später eröffnet worden ist. Mag die vorliegende Konstellation auch insoweit Unterschiede aufweisen, als die fragliche Kaufpreisforderung bereits Anfang Juni 1996 und damit lange vor der Antragstellung entstanden ist, während die Gegenforderung, also die des Gesamtvollstreckungsgläubigers, erst im Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung des Verfahrens begründet wurde, führt die vom Bundesgerichtshof für seine Entscheidung herangezogene Argumentation aus Sicht des Senats aber doch zwingend zu dem Ergebnis, daß auch in solchen Fällen von einer Ausweitung des Aufrechnungsverbots auf den Zeitpunkt ab Antragstellung auszugehen ist. Auch hier richtet sich die Aufrechnung nämlich gegen eine "der Pfändung nicht unterworfene" Forderung, da durch die zwischenzeitliche Sequestration die für die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu § 2 Abs. 4 GesO relevante Situation eingetreten ist. Zweifelhaft erscheint dabei allerdings, ob diese Argumentation auch dann als tragfähig angesehen werden kann, wenn es sich bei den zur Aufrechnung gestellten Ansprüchen um Masseforderungen handelt, für die die Rechtsprechung "aufrechnungsmäßig" Sonderregelungen aufgestellt hat, die möglicherweise auch für die vorliegende Konstellation von Bedeutung sein könnten. Letztlich kann die Frage aber deshalb dahinstehen, weil insoweit erneut die Besonderheiten des § 13 GesO zu beachten sind, die es aus den bereits genannten Gründen rechtfertigen, die Aufrechnung auch bereits zwischen Antragstellung und Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens auszuschließen. Folglich konnte die Beklagte auch in diesem Zeitraum weder mit Gesamtvollstreckungsansprüchen noch mit Masseansprüchen wirksam die Aufrechnung gegenüber der Kaufpreisforderung des Klägers erklären.

3.

Abgesehen von den bereits dargestellten Aufrechnungsausschlüssen ergibt sich eine Unzulässigkeit der Aufrechnung für alle von der Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche aus der Anwendung der Kapitalersatzregeln. Dabei bleibt zunächst festzustellen, daß das Mietverhältnis entgegen den Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung nach dem Widerspruch des Sequesters gegen die Kündigung nicht etwa neu begründet worden ist, sondern entsprechend § 9 Abs. 3 GesO lediglich seine Fortsetzung gefunden hat. Für einen Neuabschluß im September 1996, wie ihn die Beklagte geltend machen will, spricht nichts. Folglich scheitert die Anwendung der Kapitalersatzregeln nicht etwa schon an diesem Umstand.

a)

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß der hier einschlägige § 32 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GmbHG über § 172 a HGB für die Beklagte entsprechend gilt und nach § 1 Abs. 4 GesO auch im Gesamtvollstreckungsverfahren zur Anwendung kommt, und das auch schon mit Anordnung der Sequestration (Scholz, GmbHG, Anm. 59 zu § 32 a).

b)

Ebenso zutreffend hat das Landgericht festgestellt, daß eine Gebrauchsüberlassung grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 32 a GmbHG unterfallen kann (BGHZ 109, 55 ff.). Erforderlich ist dafür zunächst, daß die Gebrauchsüberlassung in der Krise erfolgt oder aber trotz Eintritts der Krise fortgesetzt worden ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der K. G. W. GmbH vom 26. September 1996 ergibt sich nämlich per 31. Mai 1995 eine bilanzielle Überschuldung der Gemeinschuldnerin in Höhe von über 5 Mio. DM, eine Feststellung, die die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung erstmals und lediglich mit dem Hinweis darauf, es habe weder eine Sanierungs- noch eine Kredit- oder Überlassungsunwürdigkeit vorgelegen, in Abrede stellt. Diese substanzlosen Ausführungen sind nicht geeignet, das von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte Ergebnis in erheblicher Weise zu bestreiten. Dabei ist auch ohne Belang, daß dort von einer "bilanziellen" Überschuldung die Rede ist, denn mangels irgendwelcher Anhaltspunkte dafür, daß ein Überschuldungsstatus zu einem anderen Ergebnis führen würde, folgt daraus zugleich auch die erforderliche rechtliche Überschuldung. Da zudem jeder Hinweis auf eine Besserung der Situation bis zum 7. Mai 1996 fehlt, steht die Krise der Gemeinschuldnerin zum fraglichen Zeitpunkt fest. Unter den gegebenen Umständen kann auch nicht zweifelhaft sein, daß die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zusätzlich geforderte Überlassungsunwürdigkeit gegeben war, denn bei Kenntnis der finanziellen Situation der Gemeinschuldnerin hätte ein wirtschaftlich handelnder Dritter nicht mehr seine Immobilien mietweise zur Verfügung gestellt. Gerade die Argumentation der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung belegt, was ein vernünftiger Dritter getan hätte, er hätte nämlich gar nicht mehr an die Gemeinschuldnerin vermietet, sondern sich allein darauf beschränkt, zur Sicherung der Betriebsstätte aus dem bisherigen Untermietverhältnis einen Hauptmietvertrag zu machen.

c)

Mit im wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landgericht schließlich auch eine einem Gesellschafter vergleichbare Stellung der Beklagten bejaht, wobei die Aufgabe der Geschäftsführerstellung durch Herrn H. bei der Komplementär GmbH der Gemeinschuldnerin im April 1996 in diesem Zusammenhang schon deshalb keine ausschlaggebende Rolle spielt, weil es für die Frage der Gebrauchsüberlassung in der Krise auf den Kenntnisstand und vor allen Dingen die Entscheidungsmöglichkeiten der Beklagten, nicht aber die der Gemeinschuldnerin ankam. Dort war Herr H. aber nach wie vor Mitgeschäftsführer. Er hätte die Gebrauchsüberlassung an die Gemeinschuldnerin in dieser Eigenschaft also jederzeit verhindern können.

Wie das OLG Köln (ZIP 86, 1585 ff.) unter Hinweis auf die Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs festgestellt hat, bestimmt sich der Personenkreis, der wie ein Gesellschafter zu behandeln ist, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, d. h. es kommt entscheidend darauf an, ob die in Rede stehende Leistung wirtschaftlich derjenigen eines Gesellschafters gleichzusetzen ist. Daran kann vorliegend kein ernsthafter Zweifel bestehen, denn aufgrund der personellen Verknüpfungen über den Gesellschafter und Geschäftsführer H. stellt sich die Gebrauchsüberlassung an die Gemeinschuldnerin letztlich als Maßnahme eines Gesellschafters dar, der seiner GmbH & Co. KG Kapital zuführt, wobei sich der Gesellschafter H. zu diesem Zweck der Beklagten, die er über seinen 90%igen Kommanditanteil und als Alleingesellschafter der Komplementär GmbH völlig beherrschte, bedient hat. Diese Zwischenschaltung der Beklagten, die ihrerseits die eigentliche Leistung an die Gemeinschuldnerin, in der Herr H. aufgrund seiner Kommanditbeteiligung und seiner Gesellschafterstellung in der Komplementär GmbH wiederum das Sagen hatte, erbracht hat, rechtfertigt folglich ihre Aufnahme in den Normadressatenkreis des § 32 a Abs. 3 GmbHG. Aufgrund der Stellung des Herrn H. als Geschäftsführer sowohl der Gemeinschuldnerin bis April 1996 als auch als Geschäftsführer der Beklagten unterliegt es auch keinem Zweifel, daß die subjektiven Voraussetzungen für die Anwendung der Kapitalersatzregeln vorlagen. Erforderlich ist dazu nämlich nur, daß der Gesellschafter bzw. der ihm gleichgestellte Dritte die Möglichkeit gehabt hätte, die Krise der Gesellschaft bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft zu erkennen, um darauf entsprechend reagieren zu können. In Anbetracht der deutlichen Überschuldung der Gemeinschuldnerin bereits im Mai 1995 war die Situation erst recht im April 1996 erkennbar, so daß die Niederlegung der Geschäftsführung durch Herrn H. zum damaligen Zeitpunkt insoweit ohne Bedeutung bleibt.

d)

Als Folge ergibt sich, daß die Beklagte weder mit vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens fällig gewordenen Mietzinsforderungen noch mit solchen, die erst nach diesem Zeitpunkt fällig geworden sind, aufrechnen kann (vgl. BGHZ 109, 55 ff. (66); ZIP 94, 1441 ff. (1446)). Soweit die Beklagte schließlich eine Beschränkung auf den Anteil des Herrn H. anstrebt, ist die von ihr insoweit zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH ZIP 97, 1375 ff.) nicht einschlägig. Anders als in dem dort entschiedenen Fall wird die Beklagte vorliegend in ihrer Gesamtheit wie ein Gesellschafter behandelt, so daß für eine Differenzierung kein Raum bleibt.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 291 BGB, 352 HGB.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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