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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 6 W 27/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 661 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

6 W 27/02

Düsseldorf, den 23. Mai 2002

In Sachen

Tenor:

wird die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der ersten Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 18. März 2002 - 1 O 333/01 - zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der sie die Antragsgegnerin auf Zahlung von 120.000,00 DM nebst Zinsen in Anspruch nehmen will.

Anfang März 2001 ging der Antragstellerin eine Postsendung zu, welche neben einem Versandhandelskatalog der H. ein Schreiben eines vermeintlichen Notars Dr. E. enthielt. Unter der Überschrift "Offizielles Ziehungs-Protokoll" heißt es in diesem Schreiben unter anderem:

"... die offizielle Ziehung der großen Auto-Verlosung der Firma H. fand im Rahmen einer Audi A8 Gewinn-Vergabe am 05.03.2001 in unserem Notariat statt."

Als "offiziell gewinnberechtigte Person" wurde die Antragstellerin genannt.

In einer weiter beigefügten "Beurkundung" des vermeintlichen Notars heißt es auszugsweise:

"Hiermit beurkunde ich die offizielle Ziehung der Gewinn-Berechtigungs-Nummer für den Audi A8 oder 120.000,00 DM in bar in der großen Auto-Ziehung der Firma H.

Ich bestätige, dass die gewinnberechtigte Nummer AN. 712 lautet. Des weiteren bestätige ich, dass insbesondere K., Besitzer der Nr. AN 712 ist.

Die große Auto-Ziehung der Firma H. fand unter notarieller Aufsicht statt. ....

Der Gewinner erhält, falls gewünscht, den entsprechenden Geldbetrag für sein Auto (Wert: 120.000,00 DM) von uns vollständig und ohne jede Kürzung ausbezahlt.

..."

Die Antragstellerin hat behauptet, bei der H. handele es sich um eine Briefkastenfirma, hinter der die Antragsgegnerin stehe. Die Antragsgegnerin beauftrage die M. mit der Versendung der Kataloge inklusive Gewinnzusagen. So sei es auch im vorliegenden Fall gewesen.

Die Antragsgegnerin hat entgegnet, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie hat vorgetragen, bei der H. handele es sich um eine nach niederländischem Recht im Handelsregister eingetragene Firma mit Sitz in T./Niederlande, der bereits gleich gelagerte Klagen auf Auskehrung angeblich zugesagter Gewinne zugestellt worden seien. Sie, die Antragsgegnerin, übernehme seit Jahren für zahlreiche Firmen die Abwicklung diverser Dienstleistungen, so je nach Vertragsumfang zum Beispiel die Vermietung des eigenen Adressbestandes, den Versand der Warenbeilagen, die Bereitstellung eines Call-Centers, die EDV-mäßige Erfassung und/oder den Paketversand. Zu ihren Kunden habe auch die H. gezählt. Diese habe sie, die Antragsgegnerin, in Einzelfällen beauftragt, einen geeigneten "Lettershop" für den Katalogversand zu suchen. "Daher habe sie im Auftrag der H. einige Aufträge an die M. weitergegeben. Ganz überwiegend habe die H. die Versandaufträge aber entweder selbst oder über andere Firmen vergeben.

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragstellerin habe nicht die Voraussetzungen erfüllt, die die Antragsgegnerin an die Gewinnauskehr geknüpft habe, weil sie - wie unstreitig ist - das offizielle Teilnahmezertifikat nicht zurückgesandt habe.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Prozesskostenhilfeantrag weiter verfolgt, hilfsweise Prozesskostenhilfe für eine Klagesumme in Höhe von 25.000,00 € begehrt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht es abgelehnt, der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die beabsichtigte Klage bietet nicht die gemäß § 114 ZPO notwendige hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die übrigen Voraussetzungen des § 661 a BGB schlüssig dargelegt sind, wofür einiges spricht. Jedenfalls ist dem Vorbringen der Antragstellerin in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin als (Ver-)Senderin im Sinne von § 661 a BGB anzusehen ist.

Die Vorschrift des § 661 a BGB ist zu dem Zweck geschaffen worden, unlauteres Anlocken von Verbrauchern durch Mitteilungen über angebliche Gewinne zu unterbinden (BT-Drs. 14/2658 Seite 48 f.). Dieses Ziel ist nach Auffassung des Gesetzgebers am effektivsten dadurch zu erreichen, dass man den Verbraucher in die Lage versetzt, den Unternehmer beim Wort zu nehmen und den mitgeteilten Gewinn zu verlangen (BT-Drs. a.a.O.). Allein die sich aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Möglichkeiten (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 808 ff.; NJW-RR 1998, 1199 ff.; NJW-RR 2001, 1547 ff) sind nach Auffassung des Gesetzgebers zum Schutz des Verbrauchers nicht hinreichend effektiv (BT-Drs. 14/2920 Seite 15).

Die durch § 661 a BGB begründete Haftung für scheinbare Gewinnmitteilungen stellt damit einen Fall der Rechtsscheinhaftung mit stark generalpräventivem und auch wettbewerbsrechtlichem Charakter dar (vgl. Lorenz, NJW 2000, 3305 ff.). Der Gesetzgeber will mit § 661 a BGB die missbilligten Verkaufspraktiken dadurch bekämpfen, dass der Unternehmer dem Verbraucher gegenüber die Haftung "für sein täuschendes Vorgehen" übernehmen muss (BT-Drs. a.a.O.). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mithin der Unternehmer haften, der den missbilligten Rechtsschein setzt, also der Absender (vgl. hierzu Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 661 Rdnr. 2).

Dies ist nach Auffassung des Senats derjenige, der nach außen als Versender in Erscheinung tritt. Nur er gibt ein täuschendes Versprechen ab, an dem er sich nach dem Willen des Gesetzgebers festhalten lassen muss. Nur er setzt den haftungsbegründenden Rechtsschein. Eine Rechtsscheinhaftung kann daher nur ihn treffen.

Angesichts der deutlichen generalpräventiven und wettbewerbsrechtlichen Elemente der Regelung und des damit einhergehenden strafähnlichen Charakters der durch § 661 a BGB begründeten Haftung des Versenders ist eine enge Auslegung der Vorschrift geboten. Eine Auslegung, die neben einer Haftung des Versenders zu einer zusätzlichen Haftung von Personen führt, die den Verbrauchern gegenüber nicht täuschend in Erscheinung getreten sind und keinen Rechtsschein gesetzt haben, kommt nicht in Betracht. Der Senat verkennt nicht, dass bei der von ihm vertretenen Auslegung Umgehungen nicht zuverlässig ausgeschlossen werden können. Dies ändert aber nichts daran, dass er angesichts des strafähnlichen Charakters der Haftung des § 661 a BGB eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals senden nicht für zutreffend erachtet, zumal der Verbraucher ein Vertrauen nur gegenüber demjenigen entwickeln kann, der ihm gegenüber in Erscheinung getreten ist.

Die H. hat die hier in Rede stehende Gewinnmitteilung in dem dargelegten Sinn versandt, nicht aber die Antragsgegnerin. Auch die Antragstellerin behauptet nicht, dass nach außen die Antragsgegnerin als Versenderin in Erscheinung getreten ist. Sie zieht aus verschiedenen Indizien lediglich den Schluss, dass die Antragsgegnerin mit der H. gleichzustellen sei. Dies wäre aber allenfalls dann gerechtfertigt, wenn es sich bei der H. um ein fiktives Gebilde handelt. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn die Antragsgegnerin behauptet, es handele sich bei der H. um eine selbständig existierende, im Handelsregister eingetragene Firma, gemeint ist offensichtlich ein Rechtssubjekt, mit Sitz in T./Niederlande. Dem hat die Antragstellerin nichts Konkretes entgegengesetzt. Allein mit ihrem vorangehenden Vorbringen, bei der H. handele sich es um eine Briefkastenfirma, hinter der die Antragsgegnerin stehe, ist nicht dargelegt, dass die nach außen in Erscheinung getretene Versenderin entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin nicht existiert. Dies gilt hier umso mehr, als der Vortrag der Antragsgegnerin, gleich gelagerte Klagen auf Auskehrung angeblich zugesagter Gewinne seien der H. in den Rechtsstreitigkeiten 15 O 106/01, LG Münster, und 2 O 224/01, LG Bielefeld, zugestellt worden, unwidersprochen geblieben ist.

Ist die Antragsgegnerin nicht Versenderin im Sinne von § 661 a BGB, kann dahingestellt bleiben, ob - was im Übrigen ebenfalls nicht konkretisiert ist - die H. in ein Konzerngeflecht eingebunden ist, an dessen Spitze die Antragsgegnerin steht. Eine solche Stellung der Antragsgegnerin mag im Rahmen einer deliktsrechtlichen Bewertung (vgl. hierzu auch BGH, NJW-RR 2001, 1547, 1549) und Haftung Bedeutung erlangen. Um eine deliktsrechtliche Haftung der Antragsgegnerin und einen entsprechenden Schadensersatzanspruch der Antragstellerin aus unerlaubter Handlung geht es im vorliegenden Fall, in dem die Antragstellerin einen Erfüllungsanspruch aus der Rechtsscheinhaftung des § 661 a BGB verfolgt, jedoch nicht.

Bietet die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, kommt es nicht darauf an, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin mutwillig ist. Hiergegen spricht im Übrigen, dass in gleich gelagerten Fällen nicht hilfsbedürftige Verbraucher Prozesse gegen die Antragsgegnerin führen. Außerdem kann eine Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin hinsichtlich des in Rede stehenden Anspruchs und eine daraus folgende wirtschaftliche Sinnlosigkeit der beabsichtigten Klage nicht schon aus dem Verhältnis der vom Landgericht genannten Gesamtklageforderungen in Höhe von rund 5 Mio. € zu der relativ geringen Einlage der Kommanditistin in Höhe von rund 92.000,00 € abgeleitet werden.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Vorschrift des § 661 a BGB ist erst Ende Juni 2000 in Kraft getreten. Obergerichtliche Rechtsprechung zum Kreis der nach dieser Vorschrift Haftenden existiert - soweit ersichtlich - bislang nicht. Die hier in Rede stehende Inanspruchnahme eines Dritten, der - möglicherweise - hinter dem nach außen in Erscheinung tretenden Unternehmer steht, gibt Veranlassung, Grundsätze für die Auslegung des § 661 a BGB zu entwickeln, hier speziell zu der Frage, wer als (Ver-)Sender der Gewinnzusage anzusehen ist. Angesichts der von Versandhandelsunternehmen auch nach In-Kraft-Treten des § 661 a BGB fortgeführten Werbepraxis und der mit der Inanspruchnahme von Unternehmern aus § 661 a BGB verbundenen Publizität erscheint es zudem geboten, eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern.

Ende der Entscheidung

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