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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: 8 U 12/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 12/00 3 O 494/97 LG Duisburg

Verkündet am 21. September 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 24. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B den Richter an Oberlandesgericht S und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen, das am 13. Dezember 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die am 7. September 1937 geborene Klägerin unterzog sich am 25. Januar 1995 wegen einer chronischen Analfissur im St. J in D, dessen Träger der Beklagte ist, einer Fissurektomie. Die zu diesem Eingriff durchgeführte Allgemeinanästhesie dauerte ausweislich des Anästhesieprotokolls von 10.00 Uhr bis 10.20 Uhr. Um 10.50 Uhr wurde die Klägerin aus dem Aufwachraum auf die Krankenstation verbracht, wo sie in ihrem Bett verblieb. Gegen Mittag des Operationstages suchte die Klägerin die Toilette auf, wo sie kollabierte und zu Boden stürzte. Nach der ärztlich vorgenommenen Erstversorgung klagte die Klägerin über Kopfschmerzen und Übelkeit. Am Folgetag wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen.

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, der Sturz sei durch das Krankenhauspersonal fahrlässig herbeigeführt worden. Nach ihrem Aufwachen aus der Narkose habe sie die zuständige Krankenschwester um eine Bettpfanne gebeten. Diese habe erwidert, sie könne zur Toilette gehen. Die Krankenschwester habe sie - die Klägerin - zwar zur Toilette begleitet, dort aber - entgegen der zu treffenden Vorsichtsmaßnahmen - alleine gelassen. Aufgrund des Sturzes habe sie eine schwere Gehirnerschütterung, eine Stauchung der Halswirbelsäule sowie eine Ruptur der Rotatorenmanschette in der rechten Schulter davongetragen. Seit dem Sturz leide sie unter fast unerträglichen Schmerzen im Bereich des Kopfes und der Schulter. Hierwegen seien zwischenzeitlich operative Eingriffe erforderlich geworden.

Die Klägerin hat den ihrer Darstellung zufolge auf die eingetretenen Verletzung zurückzuführenden materiellen Schäden (Brille, Verdienstausfall, Haushaltshilfe, Behandlungskosten, Fahrtkosten und Eigenanteil der Krankenversicherung) auf insgesamt 32.878,30 DM beziffert. Darüber hinaus hat sie neben der Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten die Zahlung eines angemessenen - mindestens 15.000 DM betragenden - Schmerzensgeldes verlangt. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hat vorprozessual einen Betrag von 4.000 DM an die Klägerin gezahlt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 32.878,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24. April 1998 zu zahlen;

den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie einen der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld abzüglich bereits gezahlter 4.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24. April 1998 zu zahlen;

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen zukünftige materiellen und immateriellen Schaden zu erstatten, soweit dieser nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat ein haftungsbegründendes Fehlverhalten der behandelnden Ärzte und des Pflegepersonals bestritten. Er hat behauptet, die Klägerin habe entgegen der Weisung der Krankenschwester, sich bei ihr zu melden, selbständig das Bett verlassen und sei alleine zur Toilette gegangen. Erst als die auf der Toilette befindliche Klingel geläutet habe die zuständige Krankenschwester (Zeugin H) gesehen, daß sich die Klägerin nicht mehr im Bett befand. Sie habe die Klägerin auf dem Boden liegend in der Toilette vorgefunden. Im übrigen hat der Beklagte unter Bezugnahme auf das von seinem Haftpflichtversicherer vorprozessual eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. K eine Stellungnahme von Prof. Dr. H ursächlichen Zusammenhang der von der Klägerin geklagten Beschwerden mit dem seinerzeitigen Sturz bestritten. Außerdem ist der Beklagte der Schadensberechnung der Klägerin entgegengetreten.

Der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen B H und M R sowie durch Einholung eines Anasthesiologischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. B. Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage sodann abgewiesen.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts, es sei bewiesen, daß der damalige Sturz nicht auf Fehler des zuständigen Pflegepersonals zurückzuführen ist. Sie ist weiterhin der Auffassung, daß in jedem Fall - auch im Hinblick darauf, daß sie unter niedrigem Blutdruck leidet - mit einem solchen Sturz hätte gerechnet werden müssen. Zumindest hätte die Zeugin H vor der Toilettentür warten müssen. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre Ausführungen zur Ursächlichkeit und zum Umfang der durch den Sturz davongetragenen Schäden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 32.878,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24. April 1998 sowie ein in das Ermessen des Senats gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 24. April 1998 zu zahlen, abzüglich bereits gezahlter 4.000 DM;

sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf ihre unsachgemäße Behandlung nach der Operation vom 25. Januar 1995 zurückzuführen ist, soweit Ausgleichsansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte im Wege des gesetzlichen Förderungsübergangs übergehen oder übergegangen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte erachtet das Vorbringen der Klägerin, soweit sie hiermit eine Anhörung des Sachverständigen erstrebt, für verspätet. Im übrigen tritt der Beklagte dem Berufungsvorbringen unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B entgegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie die beigezogenen Behandlungsunterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1.

Fehler in der ärztlichen Betreuung der Klägerin während und nach der am 25. Januar 1995 im St. J durchgeführten Operation sind nicht feststellbar: Prof. Dr. B hat in seinem erstinstanzlich eingeholten Gutachten überzeugend dargestellt, daß die Narkose bei der Klägerin in jeder Hinsicht sachgerecht durchgeführt und daß auch nach dem Aufwachen der Klägerin die erforderliche Sorgfalt beachtet worden ist. Dabei ist nach dem Inhalt der Behandlungsunterlagen davon auszugehen, daß die Anästhesie selbst von 10.00 Uhr bis 10.20 Uhr andauerte. Danach verblieb die Klägerin bis 10.50 Uhr im Aufwachraum und wurde sodann von der Zeugin H auf die Krankenstation verbracht, wo der Blutdruck gemessen wurde (120/80 RR; Puls: 80/m). Prof. Dr. B schließt aus, daß der sich etwa um 13.00 Uhr ereignende Sturz auf die zuvor durchgeführten Allgemeinanästhesie zurückzuführen ist, weil - wie auch die unauffälligen Ergebnisse der Messung von Blutdruck und Herzfrequenz zeigten - zu diesem Zeitpunkt die Wirkung der Narkose vollständig ausgeklungen war.

Zu Recht hat das Landgericht auch pflegerische Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Aufsuchen der Toilette durch die Klägerin verneint. Die auch insoweit beweisbelastete Klägerin hat nicht den Nachweis eines entsprechenden Fehlverhaltens zu erbringen vermocht; das Ergebnis der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme sowie die ausweislich der Behandlungsunterlagen bei der Klägerin seinerzeit erhobenen Befunde rechtfertigen vielmehr die Schlußfolgerung, daß keine Bedenken aufkommen mußten, sie in Begleitung einer Krankenschwester zur Toilette gehen und dort alleine zurückzulassen: Hinweise auf eine akute Instabilität der Kreislaufsituation gab es nicht. Der bei der Klägerin um 10.50 Uhr gemessene Blutdruck (120/ß0 RR) lag im Normalbereich. Wie sich aus der Darstellung der die Klägerin seinerzeit als Stationsschwester betreuenden Zeugin H ergibt, war es der Klägerin auch ohne Probleme sich mit ihrer - der Zeugin - Hilfe aufzurichten und, nachdem sie einige Zeit auf der Bettkante sitzengeblieben war, in Begleitung der Zeugin selbständig zur Toilette zu gehen. Unter diesen Umständen durfte die Zeugin H davon ausgehen, daß die Klägerin auf der Toilette alleine zurecht kam und imstande war, sich beim Auftreten von Problemen über die dort vorhandene Klingel zu melden. Auch Prof. Dr. B kommt bei der Bewertung dieses Vorgehens aus medizinischer Sicht zu dem Ergebnis, daß die pflegerischen Standards hinsichtlich der Begleitung der Klägerin zur Toilette ausreichend beachtet worden sind.

Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwände der Klägerin sind unberechtigt. Es ist nicht entscheidend, daß unmittelbar vor dem Ereignis keine Blutdruckmessung durchgeführt - jedenfalls nicht dokumentiert - worden ist. Um 10.50 Uhr wies die Messung einen normalen Blutdruck auf. Die Zeugin H hat beschrieben, daß es der Klägerin weiterhin gut ging, so daß keine Veranlassung zu der Annahme bestand, der Blutdruck habe sich entscheidend verändert. Auch der Umstand, daß die Klägerin seit dem Vorabend nüchtern war, rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar spricht auch Prof. Dr. B die Möglichkeit eines Flüssigkeitsmangels als Ursache für die Ohnmacht der Klägerin an. Die Klägerin hatte allerdings bereits intraoperativ 500 ml sowie im Aufwachraum zusätzlich 250 ml an intravenöser Elektrolytlösung erhalten. Aus dem Vortrag der Klägerin selbst (GA 51) ergibt sich im übrigen, daß sie auch nach der Verlegung auf die Station an einen Tropf angeschlossen war. Unter diesen Umständen läßt sich nicht feststellen, daß die Zeugin H angesichts des Zeitraumes seit der Beendigung der Narkose (rund 2 Stunden) sowie dem festgestellten unauffälligen Befinden der Klägerin mit einer Ohnmacht hätte rechnen müssen.

Auch der Vorwurf der Klägerin, die Zeugin H habe jedenfalls unmittelbar vor der Toilettentür auf sie warten müssen, um ihr im Notfall schneller zu Hilfe kommen zu können, ist unberechtigt. Weil es bei der Klägerin keinerlei Anzeichen für die Gefahr einer Ohnmacht gab, durfte die Zeugin davon ausgehen, daß sie alleine zu Recht kam und im Falle eines Unwohlseins rechtzeitig die Klingel in der Toilette betätigen würde. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, daß sich die Zeugin während des Toilettenaufenthaltes der Klägerin zu dem wenige Meter außerhalb des Patientenzimmers auf dem Flur gelegenen Stationsschreibtisch ("Insel") begab, um sich dort anderen Aufgaben zu widmen.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin liegt unter 60.000 DM.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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