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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 8 U 140/99
Rechtsgebiete: VVG, AMG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 67 Abs. 1 Satz 2
VVG § 67
VVG § 151
VVG § 151 Abs. 1
AMG § 2 Abs. 1 Nr. 3
AMG § 5
AMG § 14 Abs. 4
AMG § 19
AMG § 84
AMG § 84 Nr. 1
BGB § 254
BGB § 284
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 831
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 788
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 140/99

Verkündet am 30. November 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B, den Richter am Oberlandesgericht G und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Klägerin und des Beklagten wird das am 31. Dezember 1999 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.044.981,34 DM nebst 4 % Zinsen von 656.572,65 DM seit dem 4. November 1994, von 198.435,84 DM seit dem 22. Februar 1995, von 93.969,54 seit dem 26. August 1996 sowie von 96.003,31 DM seit dem 6. Dezember 1999 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Inanspruchnahme ihrer Versicherungsnehmerin, der Firma H, O aus dem Schadensfall O S entstanden ist und noch entsteht.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.350.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Burgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Betriebshaftpflichtversicherung der Firma H GmbH (zukünftig: H) mit Sitz in C, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Blutkonserven für Transfusionen befaßt.

Der Beklagte ist Arzt für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin. Aufgrund eines Vertrages mit H vom 1.8.1980 (Bl. 67 GA) war er Herstellungsleiter in der P G. Nach der Aufgabenbeschreibung im Vertrag oblag ihm, unter anderem die Leitung und Überwachung der Laboruntersuchungen inklusive der Blutgruppen-, und Rh-Bestimmungen nach den Richtlinien mit Informationen zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion. Seit 1984 betrieb er zusammen mit der Ärztin Dr. K in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein medizinisches Labor in W. 1985 eröffnete die Firma H eine weitere Pheresestation in B. Gegenüber der zuständigen Bezirksregierung benannte sie den Arzt Dr. S als Herstellungsleiter und den Beklagten als Kontrolleiter. Die auf den 2.1.1985 datierte und von H. und dem Beklagten unterzeichnete "Vereinbarung zur Tätigkeit als Kontrolleiter" sah als Aufgabengebiet des Beklagten die Mitüberwachung und Kontrolle der Laboruntersuchungsergebnisse einschließlich der Blutgruppen und Rh-Bestimmungen nach den jeweils gültigen Richtlinien, eine interne und externe Qualitätskontrolle betreffend die die Frischplasmakonserven, eine Überprüfung der Asepsis in der Spendestation und im Labor sowie die Festlegung der Laboruntersuchungsmethoden gemäß den Richtlinien für die Durchführung der Plasmapherese der Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit dem Herstellungsleiter vor. In einer "Ergänzung zum Vertrag vom 2.1.1985" übernahm der Beklagte neben seiner Tätigkeit als Kontrolleiter die Auswertung von Untersuchungen für die Plasmapheresestationen. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarungen wird auf Bl. 71, 70 GA Bezug genommen. Im Rahmen einer mündlichen Absprache beauftragte der Geschäftsführer der H den Beklagten, in seinem Laboratorium die bei H abgegebenen Blutspenden auf Infektionskrankheiten zu untersuchen. Das Verfahren bei den Blutspenden lief wie folgt ab: Vor der Abnahme einer Spende in der Pheresestation wurde jeder Erstspender einer Befragung und ärztlichen Untersuchung durch den Stationsarzt Dr. T unterzogen, um Risikospender auszuschließen. Der Spender mußte einen von dem Beklagten entwickelten Fragebogen (Bl. 757, 758 GA) ausfüllen. Fragen nach der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe aufgrund einer Drogenabhängigkeit oder Homosexualität wurden in diesem Bogen nicht gestellt. Erschien ein Spender aufgrund der Befragung und der ärztlichen Untersuchung durch Dr. T zur Blutabgabe geeignet, würden Proben der Erstspende wie auch der Folgespenden dem Beklagten zur Untersuchung auf etwaige Infektionskrankheiten - insbesondere HIV-Infektionen - zugeleitet. Die Blutproben waren anonymisiert und seitens der Firma H. einer bestimmten Konservennummer zugeordnet. Mit den zu prüfenden Spenden erhielt der Beklagte jeweils eine mit den zugehörigen Nummern versehene Liste, in der die jeweils vorzunehmenden Testungen rubrikmäßig aufgeführt waren; in diese Rubriken war das jeweilige Ergebnis der Laboruntersuchungen einzutragen. Die Untersuchung auf LAV-HTLV III-Antikörper war aufgrund einer vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer und dem Bundesgesundheitsamt erstellten Richtlinie ab dem 1.10.1985 bei jeder Blutspende vorzunehmen.

Am 15.12.1986 spendete der inszwischen verstorbene Herr W U (zukünftig: U), der - damals unerkannt - zur Risikogruppe der Drogenabhängigen gehörte und HIV-infiziert war, zum wiederholten Mal Blut. Eine Probe dieser Spende mit der Konservennummer wurde dem Beklagten zur Untersuchung zugeleitet. Er vermerkte in der Spalte für die Testergebnisse der Prüfung auf HTLV III ein negatives Ergebnis und teilte dies H mit. Aus dieser Spende wurden Plasmakonserven mit den Nummern und gefertigt. Am 20.2.1987 spendete U erneut Blut, von dem dem Beklagten eine Probe mit der Konservennummer zugeleitet wurde. Er attestierte erneut ein negatives Ergebnis des HTLV III Antikörpertestes. Aus dieser Spende wurden die Blutkonserven mit den Nummern und hergestellt.

Am 18.2.1987 unterzog sich die Patientin C S in der Frauenklinik der Städtischen Kliniken D einem operativen Eingriff. In dem als "Anästhesie-Protokoll" bezeichneten Dokument in den Krankenunterlagen befindet sich unter der Rubrik "Frischplasma" die Eintragung und. In einem "Beobachtungsbogen" (Bl. 187 der Beiakte LG D) heißt es unter dem 19.2.1987: "2 Erykonz. bekommen. 2 Konserven bestellt, s. Intensivbogen." Der Intensivbogen vom gleichen Tage verzeichnet "2 Erykonz. Die Erythrozytenkonzentrate waren vom hergestellt und geliefert worden. Die Patientin wurde am 4.3.1987 entlassen. Einige Zeit später begab sie sich erneut vom 13.4. bis zum 13.5.1987 in stationäre Behandlung in die Städtischen Kliniken D, weil sie unter einer akuten Non-A-Non-B-Hepatitis litt. Im Arztbericht der Klinik vom 18.5.1987 teilten die behandelnden Ärzte dem Hausarzt der Patientin mit, daß sie in der Frauenklinik zwei Erythrozytenkonzentrate und vier Frisch-Plasmen erhalten habe; die Hepatitis sei wahrscheinlich Folge dieser Bluttransfusionen. In der Folgezeit erkrankte die Patientin an Aids; nach einer Bescheinigung des Zentrums für Innere Medizin des Universitätsklinikums E vom 30.8.1996 leidet Frau S an einer HIV-Infektion im Stadium 3 C der CDC-Klassifikation.

Am 10.3.1987 begab sich die Patientin M S in die stationäre Behandlung der Frauen- und Poliklinik der Technischen Universität M, und unterzog sich dort am 17.3.1987 einer Operation. Nach einem Schreiben der behandelnden Ärzte vom 7.4.1989 (Anlage 2 in LG M) an den Hausarzt der Patientin wurden Frau S wahrend ihres Klinikaufenthaltes 2 Konserven mit Frisch-Plasma transfundiert. Am 12.9.1989 erhielt die Patientin einen Brief von Dr. S in dem unter Bezugnahme auf die Bluttransfusionen mitgeteilt wurde, man wolle sie in Nachuntersuchungen einbeziehen. Frau S wurde gebeten, sich eine Blutprobe entnehmen zu lassen. Auf Nachfragen des Hausarztes der Patientin teilte Dr. S ihm am 12.11.1989 mit, daß aufgrund einer von Amts wegen seitens der Bezirksregierung B veranlaßten Untersuchung des Blutes der Patientin davon auszugehen sei, daß diese HIV-positiv sei.

Dies wurde am 14.2.1990 durch das Staatliche Medizinaluntersuchungsamt B bestätigt. In einem weiteren Schreiben vom 15.3.1990 teilte die Bezirksregierung B dem Anwalt der Patientin mit, daß insgesamt 7 Personen - darunter seine Mandantin - Plasma eines namentlich bekannten Spenders erhalten habe, der am 10.7.1987 eines unnatürlichen Todes gestorben sei. Wie sich später herausgestellt habe, sei dieser Spender vor Jahren drogenabhängig gewesen. Bei Frau S entwickelte sich das Vollbild Aids; sie verstarb am 6.8.1996.

In der Zeit vom 5. bis zum 12.3.1987 befand sich der Spender U. in stationärer Behandlung im Krankenhaus St. V in B wo im Rahmen der Anamnese seine Zugehörigkeit zur HIV-Risikogruppe festgestellt wurde. Da U angegeben hatte, sich an Blutspendeaktionen beteiligt zu haben, nahm der damals behandelnde Arzt Kontakt zu dem Stationsarzt Dr. T der H auf und berichtete diesem von der Zugehörigkeit des U zu einer Risikogruppe. Nach einem späteren Schreiben des Krankenhauses St. V vom 3.4.1987 teilte Dr. T daraufhin mit, ein vor kurzem durchgeführter HIV-Test des Blutes des Spenders sei negativ verlaufen.

Am 25.3.1987 erlitt der Polizeibeamte F M einen Autounfall und wurde mit schweren Verletzungen in die Städtischen Kliniken D eingeliefert. Nach seiner Aufnahme als Notfall wurden vom Labor der Klinik Blutkonserven für den Patienten angefordert. Im Original der schriftlichen "Anforderung von Blut- und Plasmakonserven" ist im unteren, nur von dem die Konserven liefernden Blutdepot auszufüllenden Teil unter der Rubrik für Plasmakonserven unter anderem die von H. hergestellte Konserve mit der Nummer eingetragen. Der Patient erhielt wahrend seiner Behandlung in den Städtischen Kliniken D eine Vielzahl von Transfusionen. Bei einer im Juni 1989 durchgeführten Untersuchung waren in seinem Blut Antikörper gegen HIV nachweisbar. Nach einem Bericht des St. B in D hatte sich bis zum Mai 1991 eine HIV-Infektion im Stadium CDC IV/A/B/C 1/C 2 entwickelt; der Patient verstarb am 11.6.1991.

H wurde von den genannten drei Patienten sowie dem Land als Arbeitgeber des Polizeibeamten M auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden gerichtlich in Anspruch genommen. Die Verfahren M ./. H - LG D -, Land ./. H - LG D - und S ./. H - LG M - endeten durch gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche. H verpflichtete sich, an die Rechtsnachfolger des Herrn M 200.000 DM und an seinen Arbeitgeber 360.000 DM sowie an Frau S 50.000 DM zu zahlen. Die Patientin S nahm in ihrem Verfahren - LG D - neben H auch die Städtischen Kliniken D den Arzt Dr. F - der sie damals dort behandelt hatte -, den Landesverband W und am 6.10.94, kurz vor dem Prozeßende, ebenfalls den Beklagten in Anspruch. Dieses Verfahren endete durch einen Prozeßvergleich, in dem sich H verpflichtete, an die Patientin 250.000 DM zu zahlen; hiervon hatten die Städtischen Kliniken D und Dr. F als Gesamtschuldner 75.000 DM an H zu erstatten. Die damalige Klägerin verzichtete auf weitere - in ihrer Verfügungsmacht stehende - Ansprüche und auf die Erhebung weiterer Klagen gegen von dem damaligen Prozeß noch nicht betroffene Dritte. Die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs wurden nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien durch Beschluß des Landgerichts gegeneinander aufgehoben. Die jetzige Klägerin zahlte an die Patientin und das Land die Vergleichssummen. Während des hier zugrunde liegenden Verfahrens machte die Krankenversicherung der Patientin S die (zukünftig:) Ersatzansprüche wegen entstandener Heilbehandlungs- und Pflegekosten bei der Klägerin geltend.

Die Klägerin hat die Erstattung der Vergleichsbeträge sowie der Verfahrens- und Vollstreckungskosten und einer Zahlung an die in Höhe von 93.969,54 DM, insgesamt 970.746,40 DM, begehrt.

Sie hat vorgetragen, der Beklagte sei seinen Verpflichtungen gegenüber H zur Untersuchung der Blutproben nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Das Blut des Spenders U sei von ihm nie untersucht worden; andernfalls hätte er die HIV-Infektion feststellen müssen, da bereits die Rückstellprobe von der Erstspende des U HIV-Antikörper aufgewiesen habe. Mangels Untersuchung der Blutproben dieses Spenders hätte er die Proben keinesfalls freigeben dürfen. Der Patientin S seien die Konserven und transfundiert worden; hierdurch habe sie sich infiziert. Die weiteren Blutprodukte, die sie erhalten habe, seien frei von HIV-Viren gewesen. Dem Polizeibeamten M sei das Frisch-Plasma mit der Nr. übertragen worden, das zu einer Ansteckung mit dem Virus geführt habe. Sämtliche übrigen, für diesen Patienten gelieferten Blutprodukte seien nicht infiziert gewesen. Die Aids-Erkrankung der Patientin S sei dadurch verursacht worden, daß ihr das Blut des Spenders U mit der Konservennummer transfundiert worden sei. Von der Zugehörigkeit des U zu einer Risikogruppe habe der Geschäftsführer G der H vor den bei den Patienten S, M und S vorgenommenen Transfusionen nichts gewußt. Die Befragung und Untersuchung in der Pheresestation in B sei ordnungsgemäß und ausreichend gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 970.746,40 DM nebst 4 % Zinsen von 656.572,65 DM seit dem 3.11.1994, von 175.000 DM seit Klagezustellung, von 25.685,84 DM seit Zustellung des Schriftsatzes vom 8.2.1995, von 19.518,37 DM seit Zustellung des Schriftsatzes vom 13.5.1996 sowie von 93.969,54 DM seit Zustellung des Schriftsatzes vom 31.7.l996 zu zahlen;

sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Inanspruchnahme ihrer Versicherungsnehmerin Firma H GmbH, O daraus entstanden seien und noch entstehen, daß die Firma H GmbH von dem Beklagten als HIV-negativ gekennzeichnete, in Wahrheit HIV-positive Blutpräparate in den Verkehr gebracht habe.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er sei nicht Kontrolleiter der Pheresestation in E gewesen; außer bei der Einweihungsfeier habe er diese nie aufgesucht und vereinbarungsgemäß nicht erscheinen müssen. Er sei seit 1984 durchgängig und ausnahmslos in A und in W in seiner Funktion als Laborarzt tätig gewesen. Da er von dort aus eine Tätigkeit als Kontrolleiter nicht habe ausüben können, seien die Vereinbarungen vom 2.1.1985 und 15.8.1986 - die er erst im Oktober 1986 unterzeichnet habe - so formuliert Worden, daß er lediglich eine eingeschränkte Funktion der "Mitüberwachung" und der Festlegung der Laboruntersuchungsmethoden "in Zusammenarbeit mit dem Herstellungsleiter" gehabt habe. Mit der Durchführung von Blutuntersuchungen auf Infektionskrankheiten sei er als Inhaber des Labors in A beauftragt worden. Hilfsweise - für die Annahme einer Stellung als Kontrolleiter - hat der Beklagte sich darauf berufen, daß er von der Klägerin als Haftpflichtversicherung der H wegen des Regreßverbotes in § 67 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht in Anspruch genommen werden könne, da er dann mitversichert gewesen sei. Zur Beprobungspraxis hat der Beklagte vorgebracht, dem Geschäftsführer der Firma H sei bekannt gewesen, daß eine vollständige Untersuchung aller Spenden ausgeschlossen gewesen sei, da das Entgelt hierfür noch unterhalb der Beprobungskosten gelegen habe. Untersucht worden seien alle Erstspenden; Folgespenden seien nur stichprobenartig getestet worden. Soweit er auf den Listen ein bestimmtes Untersuchungsergebnis attestiert habe, sei eine entsprechende Beprobung in seinem Labor oder bei ihm zuhause erfolgt. Er hat die Transfusion von Blut des Spenders U auf die Patienten S M und S sowie eine Verursachung ihrer Aids-Erkrankung hierdurch bestritten. Darüber hinaus hat er geltend gemacht, den Geschäftsführer der H treffe jedenfalls ein Mitverschulden, weil er in der Zeit vom 5. bis 12.3.1997 wahrend des Krankenhausaufenthaltes des Spenders U von dem diesen behandelnden Arzt darauf hingewiesen worden sei, daß der Spender der Risikogruppe der Drogensüchtigen angehöre. Auch der Stationsarzt Dr. T sei darüber informiert worden. Der Geschäftsführer der H habe Dr. T angewiesen, weder Herrn Dr. S noch ihn, den Beklagten, hiervon zu benachrichtigen. Hierdurch habe Herr G einen Ausschluß des U als Spender sowie einen Rückruf der aus seinem Blut hergestellten Produkte verhindert.

Das Landgericht hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben und den Beklagten zur Zahlung von 287.905 DM nebst Zinsen - betreffend den Fall der Patientin S - verurteilt und die künftige Ersatzpflicht des Beklagten für sämtliche weitere Schäden festgestellt, die der Klägerin aus der Inanspruchnahme ihrer Versicherungsnehmerin H. aus dem Schadensfall S entstanden sind und noch entstehen werden. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die Kammer hat es für erwiesen erachtet, daß der Patientin S infiziertes Blut des Spenders U transfundiert und hierdurch die Aids-Erkrankung verursacht worden ist. In den Fällen der Patientin M und S konnte das Landgericht sich hiervon nicht überzeugen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien.

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet erneut, den Patienten M und S sei HIV-infiziertes Blut des Spenders U übertragen worden. Die Kammer habe bei ihrer Beweiswürdigung das Schreiben der Städtischen Kliniken D vom 18.2.1994, in dem ausgeführt worden sei, daß die Plasma-Spenden mit den Nummern und an die Patienten S und M verabreicht worden seien, nicht beachtet. Für eine Transfusion an den Polizeibeamten M spreche überdies die Tatsache, daß die Konserve bereits bei dessen Einlieferung in der Klinik für die bevorstehende Operation angefordert worden sei und diese Anforderungen üblicherweise nur in den zum jeweiligen Zeitpunkt mutmaßlich erforderlichen Mengen erfolgten. Hinsichtlich der Patientin S ergebe sich aus den sie betreffenden Behandlungsunterlagen des Klinikums in M daß ihr Blut mit den Konserven Nr. und zugeführt worden sei. Dies sei auch in dem gegen den Beklagten gerichteten Strafurteil des Landgerichts G, dessen Ausführungen sie, die Klägerin, sich zu eigen mache, festgestellt worden. Zwischenzeitlich sei sie von der B (zukünftig:) auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch genommen, die die aus Anlaß der Erwerbsunfähigkeit der Patientin S aufgrund ihrer Aids-Erkrankung in Höhe von 96.003,31 DM erbracht habe. Der Beklagte sei auch zur Erstattung dieses Betrages verpflichtet.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten diesen zu verurteilen, an sie über den bereits titulierten Betrag hinaus weitere 778.844,33 DM nebst 4 % Zinsen von 656.572,65 DM seit dem 3.11.1994, von 6.750 DM seit dem 22.2.1995, von 19.518,37 DM seit Zustellung ihres Schriftsatzes vom 13.5.1986 sowie von 96.003,31 DM seit Zustellung ihres Schriftsatzes vom 25.11.1999 zu zahlen.

Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung der Klägerin und beantragt im Rahmen seines Rechtsmittels,

die Klage abzuweisen.

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt, das Landgericht habe es unterlassen, die versicherungsrechtlichen Aspekte zu prüfen. Als gemäß § 19 AMG zuständiger Kontrolleiter habe er eine leitende und aufsichtsführende Funktion im Betrieb der H eingenommen und sei - auch als freier Mitarbeiter - als Betriebsangehöriger mitversichert gewesen. Überdies stehe H deswegen kein Anspruch ihm gegenüber zu, weil durch den Prozeßvergleich im Verfahren der Patientin S eine "Gesamtbereinigung" der Parteibeziehungen stattgefunden habe; H habe auf Schadensersatzforderungen ihm gegenüber verzichtet. Der Beklagte bestreitet weiterhin eine Transfusion von Blut des Spenders U auf die Patienten S M und S und trägt vor, die letztgenannten beiden Patienten seien aufgrund ihrer Berufe als Polizeibeamter und Krankenschwester einem erhöhtem HIV-Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Bezüglich des Falles S behauptet er, bei dem mit "Anästhesie-Protokoll" bezeichneten Schriftstück aus den Krankenunterlagen der Patientin handele es sich mangels eingezeichneter Zeitachsen nicht um eine Narkoseprotokoll; auch seien die Eintragungen der Konservennummern in den Unterlagen unrichtig; die Patientin habe andere Blutprodukte erhalten. Des weiteren macht er geltend, es fehle an einem haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen einem Pflichtenverstoß seinerseits und der Schadensentstehung durch den Abschluß der Vergleiche. Nach der damaligen Sach- und Rechtslage hatten keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten seinerseits und für eine Schadensersatzverpflichtung der H vorgelegen.

Schließlich bestreitet der Beklagte eine Zahlung der Klägerin an die in Höhe von 93.969,45 DM.

Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen Dr. M Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30. Oktober 2000 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen verwiesen.

Die Akten des Landgerichts D sowie die Akten des Landgerichts M und das Urteil der 6. Großen Strafkammer (Schwurgericht) des Landgerichts G vom 23.6.1997 - StA G - lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet; das Rechtsmittel des Beklagten hat hingegen nur hinsichtlich der Schadensberechnung geringen Erfolg.

Der Klägerin als Betriebshaftpflichtversicherung der Firma H, steht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.044.981,34 DM zu.

I.

Gemäß § 67 VVG geht eine Ersatzforderung des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer - im Umfang seiner Schadensregulierung - über Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist grundsätzlich jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter ist. Dies trifft auf den Beklagten zu; er war entgegen seiner Auffassung nicht aufgrund seines Status als Betriebsangehöriger bei der Klägerin mitversichert:

Eine Betriebshaftpflichtversicherung wird zum einen für den Versicherungsnehmer genommen; darüber hinaus ist sie zugleich eine Versicherung für fremde Rechnung (§ 74 VVG); sie erstreckt sich gemäß § 151 VVG auf den Vertreter des Versicherungsnehmers und auf die im Betrieb zur Leitung angestellten Personen. Im Streitfall umfaßte sie aufgrund der zwischen der Klägerin und der Firma H vereinbarten Versicherungsbedingungen sämtliche Betriebsangehörigen der H. Ob der Beklagte als Herstellungsleiter gemäß dem Vertrag vom 8.1.1980 oder als späterer Kontrolleiter gemäß Vertrag vom 2.1.1995 im Sinne des § 151 Abs. 1 VVG als leitender Angestellter in den Betrieb der H eingegliedert war, ist angesichts der Tatsache, daß er weder feste Arbeitszeiten hatte noch weisungsgebunden war und nach seinem Vortrag als freier Mitarbeiter tätig wurde, zweifelhaft, mag aber dahinstehen. Die Tätigkeit als Herstellungs- oder Kontrolleiter ist in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht maßgeblich. Der Vorwurf gegenüber dem Beklagten geht dahin, sich bei der Prüfung der Ausgangsstoffe für die Blutkonserven nicht ordnungsgemäß verhalten zu haben. Diese Prüfungstätigkeit ist in den genannten Verträgen nicht geregelt; der Beklagte hat sie vielmehr aufgrund einer mündlichen Absprache mit dem Geschäftsführer der H als Mitinhaber eines serologischen Labors, das er in Form einer Gesellschaft zusammen mit der Ärztin Dr. K betrieb, übernommen und sich demgemäß selbst unternehmerisch betätigt, wie dies § 14 Abs. 4 AMG ausdrücklich erlaubt. Eine solche Tätigkeit als Selbständiger fällt nicht mehr unter die Mitversicherung der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl. Baumann, VVG, § 151 Rdn. 12).

II.

Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beklagte der Firma H. aus dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet war:

1.

Die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen H und dem Beklagten, das die Untersuchung des Spenderblutes auf Infektionskrankheiten zum Inhalt hatte, als Dienstvertrag einzuordnen oder aber wegen der Erfolgsbezogenheit der Prüfungstätigkeit des Beklagten - die derjenigen bei der Erstellung eines Gutachtens ähnelt - als Werkvertrag zu qualifizieren ist, bedarf mit Blick darauf, daß die Klägerin Ersatz "reiner" Mangelfolgeschäden begehrt, keiner Entscheidung.

2.

Unstreitig war es Aufgabe des Beklagten, das Spenderblut auf HIV-Antikörper zu untersuchen, den Test zu bewerten und das Ergebnis - wahrheitsgemäß - seiner Auftraggeberin, der Firma H mitzuteilen. Nach der gegebenen Rechtslage hatte der Beklagte auch sämtliche ihm zugeleiteten Blutproben zu überprüfen und durfte sich auch bei Proben von Folgespenden nicht nur auf stichprobenartige Überprüfungen beschränken. Selbst wenn man entsprechend dem Vorbringen des Beklagten von der Zulässigkeit von Stichproben ausginge, wäre es jedenfalls seine Pflicht gewesen, bei der Mitteilung der Ergebnisse seiner Untersuchungen an H zu kennzeichnen, welche Blutproben einem Test auf Infektionskrankheiten unterzogen wurden und welche Blutproben ungeprüft geblieben waren. Ein negatives Ergebnis bezüglich der Frage, ob HIV-Antikörper in den Proben vorhanden waren, durfte nur bei einer tatsächlich durchgeführten Untersuchung attestiert werden.

3.

Der Beklagte ist diesen Anforderungen an die Durchführung des ihm erteilten Auftrages nicht gerecht geworden. Er hat seine vertraglichen Pflichten dadurch schuldhaft verletzt, daß er bezüglich der Blutprobe des Spenders U vom 15.12.1986 gegenüber H. bescheinigte, die Probe sei HIV-negativ, obwohl er das Blut nicht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß auf Antikörper getestet hatte. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte die HIV-Infektion des Spenders U bei einer Untersuchung seiner Blutprobe vom 15.12.1986 mit dem - von dem Beklagten üblicherweise angewandten - "ELISA-Test" entdeckt werden müssen. Die Kammer hat sich dabei auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M gestützt. Er hat erläutert, daß eine Untersuchung mit dem genannten Test zwingend HIV-Antikörper gezeigt hätte, weil bereits die Rückstellprobe von der Erstspende des U, die am 23.9.1986 abgegeben wurde, diese Antikörper aufwies, sich also das sogenannte diagnostische Fenster, mit dem der Zeitraum beschrieben wird, in dem ein Spender bereits infiziert ist, aber noch keine Antikörper gebildet hat, bereits geschlossen war. Diese Feststellungen der Kammer hat der Beklagte mit seiner Berufung auch nicht angegriffen.

III.

Die dem Beklagten zur Last fallende Pflichtverletzung hat die geltend gemachten Schäden - nämlich die an die Patienten S S M das Land sowie die und die erbrachten Ersatzleistungen - verursacht.

1.

Die Kammer ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Versicherungsnehmerin der Klägerin dadurch, daß sie die HIV-infizierten Blutspenden aufgrund der Freigabe durch den Beklagten in Verkehr brachte, ihrerseits gegenüber der Patientin S schadensersatzpflichtig wurde. Nach dem Ergebnis der im damaligen Prozeß der Patientin (LG D) sowie im vorliegenden Verfahren durchgeführten Beweisaufnahmen steht fest, daß Frau S durch Spenderblut des U mit dem HIV-Virus infiziert worden ist:

Die Blutkonserven mit den Nummern und wurden in den Städtischen Kliniken D für die Patientin S bereitgestellt. Wie der Zeuge Prof. Dr. T erläutert hat, erfolgte die Ausgabe von Blutprodukten in diesem Krankenhaus nach einem bestimmten Verfahren; die Station, die Konserven benötigte, füllte ein Anforderungsformular mit dem Namen des jeweiligen Patienten aus und schickte dies an das von dem Zeugen geleitete Labor. Dort wurden die Konserven ausgewählt und nach Eintragung ihrer Nummern in das Formular an die Station geschickt. Entsprechend ging man auch im Falle der Frau S vor. Ausweislich der schriftlichen "Anforderung von Blut- und Plasmakonserven" (Bl. 213 GA) wurden für diese Patientin am 18.2.1987 vier Plasma-Konserven benötigt und von der Station 20 P der Klinik angefordert; seitens des Labors wurden Plasmaprodukte mit folgenden Nummern als geliefert in den Formularen vermerkt:

Aus den Behandlungsunterlagen der Städtischen Kliniken D ergibt sich, daß die Patientin S während der Operation am 18.2.1987 mit Blut aus den von der Firma H hergestellten Konserven und versorgt worden ist; in dem Anästhesieprotokoll betreffend diesen Eingriff sind unter der Rubrik "Frisch-Plasma" beide Nummern verzeichnet (Bl. 211 GA). Die Behauptung des Beklagten, es könne sich bei diesem Auszug aus den Krankenunterlagen nicht um ein Narkoseprotokoll handeln, weil dort keine Zeitachse dargestellt sei, ist durch die Aussage der Zeugin Dr. F (früher U), die an der Operation der Patientin S als Anästhesistin beteiligt war, widerlegt. Die Zeugin hat diese Unterlage anläßlich ihrer Vernehmung vor dem Landgericht C im Verfahren (dort Bl. 427 GA) auf Vorhalt als Anästhesieprotokoll bezeichnet und desweiteren bestätigt, daß die Eintragung in diesem Protokoll die tatsächlich vorgenommene Transfusion der Konserven mit den dort genannten Nummern dokumentiere. Im zugrunde liegenden Verfahren hat Frau Dr. F diese damalige Aussage als richtig bezeichnet und erneut betont, daß sich aus dieser Behandlungsunterlage "positiv" ergebe, daß der Patientin der Inhalt der Konserven und zugeführt worden sei. Der Zeuge Dr. K der bei der Operation am 18.2.1987 assistiert hat, hat sich der Darstellung der Zeugin angeschlossen und bekundet, bei einer Transfusion von Blutpräparaten während einer Operation sei es Aufgabe "der Anästhesie" dies zu dokumentieren; aus den Eintragungen in dem - ihm vorgelegten - Protokoll gehe die Verabreichung der nummernmäßig aufgeführten Frischplasmen an die Patientin hervor. In gleicher Weise hat sich auch der Zeuge Dr. F geäußert (Bl. 541 f., 432 f. in LG D). Die Tatsache, daß die Nummern und - unstreitig - auf den von dem Labor ausgestellten Lieferscheinen nicht abgehakt worden sind, steht der Annahme, daß eine Transfusion dieser Konserven erfolgt ist nicht entgegen. Zwar sollte nach der Aussage des Zeugen Dr. K bei einer Verwendung der in den Laborscheinen aufgeführten Präparate eine entsprechende Abzeichnung erfolgen; gemäß den Bekundungen des Zeugen Dr. H (Bl. 463 in LG D) diente dieses "Abhaken" allerdings nur der Prüfung der Identität zwischen den im Formular vermerkten und den von dem Labor angelieferten Konserven. Der Senat geht davon aus, daß diese Identitätsprüfung auch im Falle der Patientin S - wenn auch nicht schriftlich - erfolgt ist. Die Zeugin Dr. F hat nämlich bekundet, daß die den Patienten transfundierten Präparate - die während der Operation von der anwesenden Schwester oder dem Pfleger mit der Konservennummer im Protokoll notiert wurden - von ihr stets mit denjenigen auf den Lieferschein verglichen worden seien. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Zeugin anläßlich der Operation der Frau S von dieser Übung abgewichen sein könnte. Daß in der Dokumentation nur die Gabe von zwei Frisch-Plasmen verzeichnet ist und sich aus den Behandlungsunterlagen nicht entnehmen läßt, was mit den beiden weiteren Plasma-Konserven, die von dem Labor geliefert wurden, geschehen ist, steht der Annahme einer Transfusion der im Anästhesieprotokoll verzeichneten Blutprodukte ebenfalls nicht entgegen. Nach den Aussagen der Zeugen Dr. F und Prof. Dr. T findet dies seine Erklärung darin, daß damals die nicht verbrauchten Konserven nicht wieder an das Labor zurückgeschickt, sondern anderen Patienten, die Blutübertragungen benötigten, verabreicht oder vernichtet wurden. Diese Handhabung hat auch der Zeuge Dr. M anläßlich seiner Vernehmung vor dem Senat geschildert. Auch die unterschiedlichen Zahlenangaben betreffend eine Konserve mit Erythrozyten-Konzentrat - und -, die der Beklagte als Indiz gegen die Richtigkeit der dokumentierten Transfusion des Spenderblutes des U heranziehen will, haben durch die Aussagen des Institutsdirektors Dr. S des Blutspendendienstes des in H eine plausible Erklärung gefunden. Dr. S hat ausgeführt, daß die erste Ziffer einer Ordnungsnummer das Entnahmejahr bezeichnet; im Falle der 7 handelt es sich um das Entnahmejahr 1987. Die Spenden werden durch ein Team entnommen, die mit den Ziffern 1-10 durchnummeriert sind. Die zweite Ziffer der Ordnungsnummer bezeichnet jeweils das Team, das bei der Spende tätig geworden ist. Der Zeuge hat darauf hingewiesen, daß eine Spende mit der Nummer die Bedeutung hatte, daß im Jahre das Team die Spende entgegengenommen hatte. Einen solchen Vorgang hat Dr. S jedoch ausgeschlossen, weil anhand der Unterlagen des Blutspendedienstes des das 6. Entnahmeteam das Jahr 1987 - am letzten Entnahmetag - mit der Entgegennahme einer Spende unter der Nummer abgeschlossen hatte. Da die Konserve mit der Ordnungsnummer - bei der es sich um die Erstspende handelt - von dem Blutspendedienst des stammt und die Ordnungsnummer von dort nicht vergeben worden sein kann, kann es sich nur um eine Verwechslung der Ziffern 9 und 6 anläßlich der Fertigung der Eintragungen in die Krankenunterlagen handeln. Schließlich spricht auch die Tatsache, daß im Arztbericht der Städtischen Krankenanstalten D vom 18.5.1987 die Gabe von 4 Frisch- Plasmen - anstelle der 2 im Anästhesieprotokoll dokumentierten Konserven - nicht gegen die Annahme, daß Frau S an Frisch-Plasma nur die beiden Konserven mit den Nummen und zugeführt worden sind. Ersichtlich hat man sich bei der Abfassung des Arztberichtes nicht an den Eintragungen im Anasthesieprotokoll und den Krankenblättern orientiert, sondern - der Einfachheit halber - an den Lieferscheinen des Labors, auf denen 4 Plasma-Konserven verzeichnet sind.

Es steht auch zur Überzeugung des Senats fest, daß die - unstreitige - HIV-Infektion der Patientin, die im Juli 1987 festgestellt wurde, auf die Transfusion des infizierten Blutes des Spenders U zurückzuführen ist. Nach der schriftlichen Aussage der Zeugin S gehört sie keiner der sog. Risikogruppen an; andere Transfusionen, die ihre Erkrankung hatten hervorrufen können, hatte sie vor der Operation vom 18.2.1987 nicht erhalten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die der Patientin zusätzlich verabreichten Erythrozyten-Konzentrate mit den Nummern und die das hergestellt hatte, mit dem Virus infiziert waren. Dr. S hat anläßlich seiner Vernehmung im Verfahren der Patientin S vor dem Landgericht D bekundet, daß die Blutspenden mit den oben genannten Nummern am 11.2.1987 geleistet und anschließend einer Untersuchung auf HIV-Antikörper unterzogen wurden, die ein negatives Ergebnis erbrachte. Die mit der Endziffer versehene Spenderin ließ sich am 29.5.1987 - also 108 Tage nach der Erstspende - erneut Blut abnehmen; die weitere Spenderin mit der Endziffer gab erst 1 Jahr nach der Erstspende am 24.2.1988 erneut Blut ab. Da auch bei diesen Folgespenden im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nach der Aussage des Zeugen keine HIV-Antikörper festgestellt wurden und die sog. "diagnostische Fensterphase" - die nach den Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in der Regel 22 Tage mit einer Schwankungsbreite von 9 bis 41 Tage beträgt - angesichts der weit über diesen Zeitraum hinausgehenden zeitlichen Abstände zwischen den jeweiligen Spenden bereits verstrichen war, kommt ein Infektionsweg über die Erythrozyten-Konzentrate nicht ernsthaft in Betracht. Die Annahme des Beklagten, es habe sich bei den beiden Spenderinnen des Blutes, aus dem die Konzentrate hergestellt wurden, um Personen gehandelt, bei denen sich auch nach 108 Tagen bzw. einem über 1 Jahr hinausgehenden Zeitraum noch keine HIV-Antikörper gebildet hatten, erscheint angesichts des Hinweises des Zeugen Dr. S daß nach 6-12 Wochen bei über 90 % der HIV-Infizierten eine Serokonversion eingetreten ist, fernliegend.

2.

a)

Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich die Haftung der Firma H. für die durch die mangelnde Beprobung seitens der Beklagten hervorgerufene Körperverletzung der Patientin S und die hieraus folgenden materiellen und immateriellen Schäden aus § 831 BGB:

Verrichtungsgehilfe im Sinne dieser Vorschrift ist allerdings nur, wer von den Weisungen seines Geschäftsherren abhängig ist. Ihm muß von einem anderen, in dessen Einflußbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden sein. Das dabei vorausgesetzte Weisungsrecht braucht jedoch nicht ins einzelne zu gehen; es genügt, daß der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen und nach Zeit und Umfang bestimmen kann (BGHR Zivilsachen, BGB § 831, Verlegerhaftung 1, Stichwort: Testesser). Der Beklagte befand sich gegenüber der Firma H in einer solchen Abhängigkeit; die Tatsache, daß er als Inhaber eines eigenen Labors als freier Mitarbeiter für die Versicherungsnehmerin der Klägerin tätig war, steht dem nicht entgegen. Er war nämlich gleichwohl im Rahmen des originär der H obliegenden Pflichtenkreises - Überprüfung der Blutspenden auf HIV gemäß den Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes - bei seiner Mitarbeit an bestimmte Vorgaben - Untersuchung auf genau bestimmte Krankheiten unter Anwendung eines Testverfahrens auf Antikörper - gebunden und insoweit der Weisung durch die Firma H unterworfen. Diese konnte seine Tätigkeit auch jederzeit beschränken oder sie ihm entziehen.

Zur Entlastung der Firma H (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist nichts vorgetragen.

b)

Die Haftung der Firma H für materielle Schäden findet ihre Grundlage desweiteren in § 84 AMG, der eine Gefährdungshaftung des Herstellers von Arzneimitteln für das Inverkehrbringen potentiell gefährlicher Produkte statuiert. Auch Blutkonserven fallen unter die Arzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG; es handelt sich bei ihnen um Stoffe und Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper von diesem erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen. Da das Blut vor der Verwendung gewonnen und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht wird, fallen Blutkonserven unter die zulassungpflichtigen Fertigarzneimittel (§§ 4 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 1 AMG), auf deren Abgabe § 84 AMG Anwendung findet.

Ein Anspruch nach dieser Vorschrift setzt weiterhin voraus, daß der Schaden durch ein Arzneimittel verursacht worden ist, dessen schädliche Wirkungen objektiv über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgingen. Die diesbezügliche Beurteilung ist entsprechend § 5 AMG vorzunehmen. Zwar ist in § 84 Nr. 1 AMG in erster Linie an die Situation gedacht, daß ein Arzneimittel nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis pharmakologisch-toxikologisch und klinisch geprüft, seine schädlichen Wirkungen jedoch nicht erkannt wurden. Zugleich umfaßt die Vorschrift aber auch den Fall, daß die Verkehrsunfähigkeit des Arzneimittels nach § 5 AMG - der es verbietet, bedenklich Arzneimittel in Verkehr zu bringen - auf einem Fehler beruht, der bei der Produktion begangen wurde (Klosel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 84 AMG, Amtliche Begründung). Dieser Fall liegt hier vor; die Blutprodukte waren "bedenklich" im Sinne des § 5 AMG und damit verkehrsunfähig, weil sie aufgrund des Befalls des Blutes, aus dem sie hergestellt wurden, mit HIV-Viren geeignet waren, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schwerwiegende und ansteckende Krankheiten zu übertragen.

Auf ein Verschulden der Herstellerin H kommt es angesichts der Ausgestaltung der Regelung des § 84 AMG als Gefährdungshaftung nicht an.

3.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Patientin S auch ihr gegenüber wurde die Versicherungsnehmerin der Klägerin nach den genannten Vorschriften haftbar, weil Frau S aufgrund einer Übertragung des infizierten Blutes des Spenders U an Aids erkrankte:

Aus den vom Senat beigezogenen Behandlungsunterlagen der Frauenklinik der Technischen Universität M geht hervor, daß Frau S anläßlich der Operation vom 17.3.1987 - infiziertes - Blut des Spenders U, das zu den Konserven unter der Nummer verarbeitet wurde, zugeführt worden ist; die Transfusion ist im Anästhesieprotokoll der Klinik von diesem Tage unter der Rubrik "Infusionen" vermerkt. Hiervon ausgehend spricht die Lebenserfahrung und damit der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Patientin durch diese Blutübertragung mit dem HIV-Virus infiziert worden ist.

Diesen Anscheinsbeweis hat der Beklagte nicht zu erschüttern vermocht. Allein die Tatsache, daß Frau S als Krankenschwester tätig war, reicht für den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs nicht aus. Da der Beklagte nichts dazu dargelegt hat, in welchem Bereich die Patientin als Krankenschwester arbeitete, fehlt es an Anhaltspunkten dafür, daß sie aufgrund ihrer Berufsausübung einem erhöhtem Risiko bezüglich einer Ansteckung mit HIV-Viren ausgesetzt war. Auch die 6. große Strafkammer des Landgerichts G ist unter Zugrundelegung der Aussage der inzwischen verstorbenen Frau S und unter Anlegung des strengen im Strafprozeß geltenden Beweismaßstabes zu dem Ergebnis gelangt, daß Frau S durch das Blut des U. angesteckt wurde; gegen diese Feststellungen hat der Beklagte nach Beiziehung des Strafurteils durch den Senat auch keine weiteren Einwände mehr erhoben.

4.

Der Beklagte ist der Klägerin dem Grunde nach zum Ersatz des Vermögensschadens verpflichtet, der dadurch entstanden ist, daß sie für ihre Versicherungsnehmerin die durch die HIV-Erkrankung der Patientinnen S und S hervorgerufenen materiellen und immateriellen Schäden beglichen hat. Der Auffassung des Beklagten, es mangele an dem erforderlichen haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen seiner Vertragsverletzung und der Schadensherbeiführung, weil H sich freiwillig im Wege des Vergleichs zu den Entschädigungszahlungen verpflichtet habe, kann nicht beigetreten werden. Der adädquate Ursachenzusammenhang konnte nur dann fehlen, wenn die Versicherungsnehmerin der Klägerin, durch den Abschluß der Vergleiche in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingegriffen und eine weitere Ursache gesetzt hätte, die den Schaden endgültig herbeiführte (BGH NJW-RR 1992, 1196). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn derjenige, der nach der tatsächlichen Rechtslage als Haftungsschuldner Schadensersatz zu leisten hat, seinen diesbezüglichen Verpflichtungen im Wege eines Vergleichs nachkommt.

5.

Auch im Falle des Patienten M hat der Beklagte für die Ausgleichsleistungen an seine Erben sowie das Land einzustehen:

a)

Allerdings hat die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben, daß die HIV-Erkrankung dieses Patienten auf einer Ansteckung durch das von der Firma H hergestellte Blutprodukt mit der Nummer verursacht worden ist:

Aus dem im Original vorliegenden "Anforderungsschein für Blut- und Plasmakonserven" (Bl. 560, 560/R GA) ergibt sich zwar, daß für Herrn M nach seiner Einlieferung in die Städtischen Kliniken D am 25.3.1987 10 Erythrozyten-Konzentrate sowie 18 Plasmakonserven angefordert und von dem Labor geliefert wurden. Darunter befand sich nach den Eintragungen des Labors auch die aus dem infizierten Blut des Spenders U gewonnene Plasmakonserve mit der Nummer. Es hat sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit feststellen lassen, daß dem Patienten M dieses Plasma transfundiert worden ist. In den ihn betreffenden Behandlungsunterlagen sind eine Vielzahl von Transfusionen unter Bezeichnung der jeweiligen Konservennummern vermerkt; darunter ist das in Rede stehende Produkt nicht verzeichnet. Dies hat den Zeugen Dr. M bei seiner Aussage vor dem Landgericht dazu veranlaßt eine Übertragung dieses Plasmas mit Blick darauf, daß sie zu dokumentieren ist und dies damals in den Städtischen Kliniken D grundsätzlich auch geschah, "mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen". Anläßlich seiner Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge zwar eingeräumt, daß im Fall des Patienten M - der am 25.3.1987 mit schwersten Verletzungen als Notfall eingeliefert wurde - ein "ziemlicher Trubel" geherrscht haben müsse und deswegen die Dokumentation einer Transfusion vergessen worden sein könne. Dies ist als möglicher Grund für die unterbliebene Dokumentation sicherlich nicht von der Hand zu weisen; dennoch läßt die von dem Zeugen aufgezeigte Möglichkeit - auch unter Berücksichtigung der Anforderung und Lieferung der Konserve - nicht den sicheren Schluß auf eine tatsächliche Verabreichung dieses Plasmas zu; nach den weiteren Bekundungen des Zeugen kommen nämlich auch andere Gründe dafür, daß das Blutprodukt nicht in den Behandlungsunterlagen des Patienten verzeichnet ist, in Betracht. Dr. M hat darauf hingewiesen, daß für Herrn M insgesamt 183 Konserven angefordert wurden, von denen lediglich 84 Blut- und Blutersatzstoffe transfundiert wurden. Zugleich wurden für den Patienten aber 49 Konserven verbraucht, die von dem Labor für andere Patienten ausgegeben worden waren. Dieses Vorgehen hat der Zeuge damit erklärt, daß es damals in den Städtischen Kliniken D üblich war, die angeforderten und gelieferten Konserven, die nicht sofort verbraucht wurden, in einem Kühlschrank zu lagern und sie nach Bedarf abzurufen, um sie - ohne auf den Namen des Patienten zu achten - demjenigen Patienten zuzuführen, der zu, diesem Zeitpunkt eine Transfusion benötigte. Der Klägerin ist zuzugeben, daß der Vermerk "Z-OP" auf dem Anforderungsschein neben der in Rede stehenden Konserve nach der Aussage des Zeugen darauf hindeuten kann, daß dieses Plasma direkt in den Operationssaal geliefert worden und deshalb nicht in einen Kühlschrank gelangt ist. Dr. M hat seine diesbezügliche Äußerung allerdings ausdrücklich als bloße Vermutung gekennzeichnet und desweiteren erklärt, es sei durchaus möglich, daß nicht sämtliche, in den Operationssaal gelieferten Konserven dort auch benötigt worden seien, sondern mit dem Patienten auf die Intensivstation gelangt und dort für andere Patienten in den Kühlschrank gestellt worden seien. Unter diesen Umständen kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ausgeschlossen werden, daß das Blutprodukt mit der Nummer deswegen nicht bei den in den Behandlungsunterlagen des Patienten M dokumentierten Transfusionen vermerkt wurde, weil man es einem anderen Patienten verabreicht hat. Dem steht nicht entgegen, daß in den Städtischen Kliniken D außer den Fällen der Patienten M und S keine weiteren HIV-Infektionen bekannt geworden sind. Insoweit muß nämlich die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß das Blut aus der Konserve einem - anderen - Patienten übertragen wurde, der bald darauf an seiner Grunderkrankung verstarb, so daß eine Ansteckung mit dem Virus unentdeckt blieb. Schließlich kann gemäß den Bekundungen des Zeugen Dr. M auch nicht ausgeschlossen werden, daß die Plasmakonserve mit der Nummer gar nicht transfundiert worden ist, weil sie entweder nach Erwärmung zu einer vorgesehenen Transfusion doch nicht benötigt wurde und sodann, weil die Produkte nicht erneut eingefroren werden können, entsorgt werden mußte, oder aber wegen einer Beschädigung der Konserve eine Aussonderung stattfinden mußte.

b)

Gleichwohl ist der Beklagte zum Ersatz der seitens der Klägerin erbrachten Entschädigungsleistungen verpflichtet, weil der Abschluß der Vergleiche im Falle des Patienten M ungeachtet der aufgezeigten Lücke in der Beweisführung adädquat kausal durch seine, des Beklagten, Pflichtverletzung verursacht worden ist:

aa)

Grundvoraussetzung jeder Schadenszurechnung ist die Verursachung des Schadens im Sinne der Äquivalenztheorie; danach ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. Das vertragswidrige Verhalten des Beklagten hat den Vermögensschaden der H in diesem Sinne verursacht. Die "Freigabe" ungeprüften Spenderblutes, in dem sich HIV-Antikörper befanden, stellt eine nicht hinwegdenkbare Bedingung dafür dar, daß die Firma H infizierte Blutkonserven an die Städtischen Kliniken Duisburg geliefert hat und damit die Gefahr begründet wurde, daß Patienten durch eine Übertragung dieses Blutes infiziert wurden. Hatte der Beklagte die Blutprobe des Spenders U einer Untersuchung unterzogen und den Befund, der - wie eingangs erörtert - zwingend das Vorhandensein von HIV-Antikörpern ergeben hatte, seiner Auftraggeberin wahrheitsgemäß mitgeteilt, wäre eine Herstellung von Produkten aus dem Blut des Spenders und eine Lieferung an Kliniken mit der Folge von Risiken für Patienten unterblieben. Die Firma H wäre nicht verklagt worden und hatte niemals im Vergleichwege Zahlungsverpflichtungen übernommen.

bb)

Auch die zusätzlich erforderliche Adäquanz des Ursachenzusammenhandes ist zu bejahen.

Der "Filter der Adäquanz" soll diejenigen Kausalverläufe ausscheiden, die dem Schädiger billigerweise rechtlich nicht mehr zugerechnet werden können. Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (BGHZ 57, 137).

Im Streitfall lagen die Vergleichsabschlüsse im Falle des Patienten M nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge. Die Firma H sah sich als Herstellerin von Blutprodukten der Situation gegenüber, daß sie aufeinander folgend von 3 Patienten (Klageerhebung S Februar 1989, S Juli 1990, M September 1990) in Anspruch genommen wurde, die sich darauf beriefen, mit dem HIV-Virus durch Blutübertragungen in Krankenhäusern angesteckt worden zu sein, an die H Blutprodukte eines Spenders geliefert hatte, bezüglich dessen sie aufgrund der seit August 1989 laufenden Recherchen der Bezirksregierung B (Anlage 9 in 1 LG M) erfahren hatte, daß er drogenabhängig gewesen war. Nach der Aussage des Zeugen Dr. S im Verfahren der Frau S (dort Bl. 44 ff.) sollte die von H am 12.9.1989 erbetene Untersuchung einer Blutprobe dieser Patientin ausdrücklich einer Entlastung der H als Herstellerin der Konserven dienen. Im Fall des Patienten M war der Versicherungsnehmerin der Klägerin im ersten Halbjahr des Jahres 1992 - als der Vergleichsabschluß mit seinen Erben erfolgte - außerdem aus dem bereits laufenden Verfahren der Frau S bekannt, daß in den von ihr mit Schriftsatz vom 18.12.1989 eingereichten Kopien der Behandlungsunterlagen eine Transfusion mit Blut des "verdächtigen" Spenders U dokumentiert und die Patientin später an Aids erkrankt war. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, daß im Verfahren des Patienten M Beweis durch Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. T dafür angeboten worden war, daß ihm die von H aus dem Spenderblut des U hergestellte Konserve mit der Nummer transfundiert worden war, mußte die Versicherungsnehmerin der Klägerin damit rechnen, daß die Ansprüche des Patienten sich als berechtigt herausstellen konnten. Zudem mußte sie auch in Betracht ziehen, daß das Gericht dem Patienten mit Blick auf eine im Raum stehende grobe Verletzung der Berufspflichten des Beklagten bei der Prüfung des Spenderblutes einerseits sowie der Pflicht der Herstellerin zu seiner Überwachung andererseits, möglicherweise Beweiserleichterungen hinsichtlich der Kausalität zubilligen werde. In einer solchen Situation kann es nicht als ungewöhnlicher Geschehensablauf gewertet werden, daß ein Hersteller von Blutprodukten sich zu einer gütlichen Einigung mit einem Anspruchsteller entschließt, um höhere Vermögensschäden zu vermeiden und einem bei Weiterführung des Prozesses zunehmend zu befürchtenden Verlust seines geschäftlichen Renommees mit der Folge weiterer Schäden in Form mangelnder Abnahme seiner Produkte entgegen zu wirken.

Daß H durch die Vergleichsabschlüsse selbst in völlig unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Verlauf eingegriffen und eine weitere Ursache gesetzt hätte, die den Schaden endgültig herbeigeführt hat, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, zumal die Prozeßführung von Patienten gegen sie nur durch die Pflichtverletzung des Beklagten herausgefordert worden ist.

cc)

Die aufgrund der Vergleichsabschlüsse mit den Erben des Patienten M und dem Land entstandenen Vermögensschäden liegen auch im Schutzbereich der von dem Beklagten verletzten Vertragspflicht. Die Untersuchung des Spenderblutes auf Infektionskrankheiten, die ihm übertragen worden war, sollte nicht nur Empfänger des Spenderblutes vor einer Ansteckung bewahren; sie diente vielmehr auch dem Schutz der H als Herstellerin vor Schadensersatzansprüchen von Patienten, denen sie ausgesetzt war, wenn sie infizierte Blutkonserven in Verkehr brachte.

IV.

Die grundsätzliche Haftung des Beklagten gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin ist nicht durch Mitverschulden gemäß § 254 BGB ausgeschlossen oder gemindert.

1.

Der in der Berufung des Beklagten vertretenen Auffassung, die Firma H treffe jedenfalls deswegen ein Mitverschulden, weil sie eine Befragung der Spender hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe unterlassen habe, kann nicht gefolgt werden. Diese - unsichere - Befragung wurde nämlich durch die Methode der Testung auf Antikörper, die ein sehr viel größeres Maß an Sicherheit bot, ersetzt. Überdies hat der Zeuge Dr. T im Verfahren der Patientin S bekundet, daß er bei den Spendern mündlich stets eine solche Befragung vorgenommen und ihnen auch die Gefahren für die Blutempfänger geschildert habe. In dieser Weise sei er auch bei dem Spender U vorgegangen, der seine diesbezügliche Frage zur Zugehörigkeit einer Risikogruppe verneint habe.

2.

Ein Mitverschulden kann H auch insoweit nicht zur Last gelegt werden als von ihrer Seite" nach der Information an Dr. T daß der Spender U zu einer Risikogruppe gehörte, kein Rückruf der Konserven veranlaßt worden ist.

a)

Im Falle der Patientin S bestand für H ohnehin keine Möglichkeit einzugreifen, weil die Transfusion bereits am 18.2.1987 vorgenommen worden war, wahrend der Krankenhausaufenthalt des Spenders U, bei dem seine Drogenabhängigkeit zu Tage trat, erst im März 1987 erfolgte.

b)

Bezüglich der Patientin S hatte ein Rückruf der aus dem Blut des Spenders U verarbeiteten Konserven vor der Operation am 17.3.1987 eine Ansteckung auf dem Weg einer Transfusion dieses Blutes verhindert. Ebenso wäre H bei einem Rückruf der Konserven vor der Einlieferung des Patienten M in die Städtischen Kliniken D am 25.3.1987 keinesfalls einer Anspruchstellung dieses Patienten wegen einer möglichen Infektion durch eine Übertragung von Spenderblut des U ausgesetzt gewesen. Der Versicherungsnehmerin der Klägerin kann indes nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe eine entsprechende Reaktion schuldhaft unterlassen. Da der Beklagte hinsichtlich der Proben des Spenders U vom 30.9.1986 bis zum 27.2.1987 durchgängig attestiert hatte, daß HIV-Antikörper nicht nachweisbar seien, durfte man bei H davon ausgehen, daß die Blutprodukte, die aus beprobten Spenden stammten, einwandfrei waren. Ein etwaiger Vorwurf, nicht äußerste Vorsicht beachtet zu haben, hätte im übrigen in Abwägung zu dem vorsätzlich pflichtwidrigen und angesichts der möglichen Folgen verantwortungslosen Verhaltens des Beklagten kein Gewicht, das eine Entlastung gemäß § 254 BGB rechtfertigen konnte.

V.

1.

Im Falle der Patientin S schuldet der Beklagte zunächst Ersatz der Schäden, die durch das Verfahren dieser Patientin gegen H und den abgeschlossenen Vergleich entstanden sind.

a)

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat in diesem damaligen Verfahren, an dem er kurz vor dem Ende des Prozesses ebenfalls beteiligt war, keine "Gesamtbereinigung" der Parteibeziehungen dergestalt stattgefunden, daß seitens H auf Schadensersatzforderungen ihm gegenüber verzichtet wurde. Durch den damaligen Vergleich wurden lediglich die Ansprüche der Patientin an H geregelt und zugleich bestimmt, daß die damals ebenfalls verklagten Städtischen Kliniken D sowie Dr. F als Gesamtschuldner von der an die Patientin zu zahlenden Vergleichssumme von 250.000 DM 75.000 DM als Gesamtschuldner an H zu erstatten hatten. Hinsichtlich des Innenverhältnisses zwischen H und dem Beklagten enthält der Vergleich keinerlei Regelungen.

b)

Der aus dem Verfahren der Patientin S resultierende Vermögensschaden setzt sich zusammen aus dem von H zu erbringenden Anteil des Vergleichsbetrages in Höhe von 175.000 DM sowie aus den Gerichtskosten von 1.186,40 DM - die sich aus Bl. VIII c) der Akten des Landgerichts D ergeben - und den Anwaltskosten von 15.499,44 DM.

Auch insoweit geht die Ansicht des Beklagten, da die Kosten im Verfahren der Patientin S gegeneinander aufgehoben worden seien, hafte er nicht auf Erstattung, fehl. Die Kostenentscheidung in diesem Verfahren berührt das Innenverhältnis zwischen H und dem Beklagten nicht.

c)

Desweiteren hat der Beklagte einen Betrag von 93.969,54 DM zu erstatten. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin war aufgrund der Aids-Erkrankung der Patientin S Ansprüchen des Krankenversicherers der Patientin ausgesetzt; ausweislich des von der Klägerin eingereichten Schreibens vom 21.3.1996 hat sie sich mit der Krankenkasse zur Abgeltung sämtlicher diesbezüglicher Ansprüche für Vergangenheit und Zukunft auf einen Vergleichsbetrag von 100.000 DM - berichtigt 93.969,54 DM - geeinigt.

Das Vorbringen des Beklagten, es wäre "sachgerecht gewesen, die Quotelung aus dem Vergleich zwischen H und den Städtischen Kliniken C sowie Dr. F für den Ersatz der Behandlungskosten der zu übernehmen", ist nicht geeignet, insoweit den Vorwurf eines Mitverschuldens zu begründen. Eine Haftung nicht nur der H sondern der Städtischen Kliniken D sowie des behandelnden Arztes gegenüber der Patientin. S unterstellt, träfe diese die Ersatzpflicht nur als Gesamtschuldner mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin mit der Folge, daß die auf sie übergegangene Ansprüche auf Erstattung von Behandlungskosten gegenüber jedem der Haftungsschuldner geltend machen konnte; sie brauchte sich nicht auf mehrere Schuldner verweisen zu lassen. Demgemäß war es gerade sachgerecht, daß die Klägerin sich insoweit für ihre Versicherungsnehmerin nicht auf einen diesbezüglichen Streit eingelassen hat.

Nachdem die Klägerin eine Zahlungsanzeige ihrer norddeutschen Niederlassung über 100.000 DM vorgelegt hat, hat der Beklagte die Erstattung an die nicht mehr bestritten.

d)

Als weitere Schadensposition hat der Beklagte einen Betrag von 96.003,31 DM zu ersetzen. Die Klägerin hat unter Vorlage der Forderungsberechnungen der nachgewiesen, daß sie in Höhe des genannten Betrages von der auf Erstattung der an die Patientin S gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente in Anspruch genommen worden ist. Nach Vorlage der "Anzeige über Schadenszahlungen" an die über diesen Betrag hat der Beklagte auch diese Erstattungsleistungen seitens der Klägerin nicht mehr bestritten.

2.

In den Fällen S und M bemessen sich die Schadensbeträge gemäß den unstreitigen Schadenspositionen, die sich aus den Vergleichssummen sowie den Kosten zusammensetzen, wie folgt:

S 50.000,00 DM 1.072,48 DM 7.660,60 DM 58.733,08 DM.

M 200.000,00 DM 746,52 DM 3.780,46 DM 6.000,00 DM 15.564,31 DM 226.091,29 DM

Land 360.000,00 DM 3.421,01 DM 2.416,00 DM 2.189,00 DM 10.472,27 DM 378.498,28 DM.

Insgesamt errechnet sich aus allen drei Schadensfällen eine Gesamtsumme von 1.044.981,34 DM.

3.

Soweit die Klägerin Erstattung der Kosten der Arrestverfahren sowie der Kosten für die aufgrund der Arrestbeschlüsse des Amtsgerichts W vom 6.10.1994 sowie vom 10.1.1995 eingeleiteten Zwangsvollstreckung begehrt, ist ihre Klage unzulässig, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Klägerin verfügt insoweit bereits über einen Titel; in den genannten Beschlüssen sind dem damaligen Antragsgegner und jetzigen Beklagten bereits die Verfahrenskosten auferlegt worden. Die Beitreibung der Vollstreckungskosten erfolgt gemäß § 788 ZPO ohne besonderen Vollstreckungstitel zusammen mit dem zu vollstreckenden Hauptanspruch.

4.

Das Zinsbegehren der Klägerin ist im zuerkannten Umfang gemäß §§ 284, 288, 291 BGB begründet. Eine Verzinsung des Betrages von 656.572,65 DM bereits vom 3.11.1994 an kommt nicht in Betracht, da die von der Klägerin gesetzte Zahlungsfrist erst mit diesem Tage ablief.

VI.

Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang begründet, da bei der Patientin S aufgrund ihrer Aids-Erkrankung mit weiteren Schäden, die zu einer Erwerbsunfähigkeit und damit zu Ersatzansprüchen der führen, gerechnet werden muß.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer des Beklagten liegt über 60.000 DM, diejenige der Klägerin unter diesem Betrag.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision der Klägerin liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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