Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.11.2000
Aktenzeichen: 8 U 171/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 847
BGB § 611
BGB § 292
BGB § 276
BGB § 299 ff.
BGB § 823
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
1.

Die Verwechslung einer im Bereich des vorderen Kreuzbandes des Knies verlaufenden Bride mit diesem Kreuzband anläßlich eines arthroskopischen Eingriffs ist medizinisch nicht völlig ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Das Gewebe einer Bride unterscheidet sich wesentlich von dem des Kreuzbandes; dieses besteht aus Sehnenfasern, die einen kompakten homogenen Verlauf aufweisen, bei einer Bride handelt es sich hingegen um einen unregelmäßig ausgebildeten Strang aus narbig verwachsenem Bindegewebe.

2.

Wird bei der - arthroskopischen - Entfernung einer Bride ausweislich des Operationsberichtes ein intaktes vorderes Kreuzband festgestellt, verzeichnet aber der Operationsbericht eines vier Jahre später durchgeführten arthroskopischen Eingriffs das völlige Fehlen des Kreuzbandes, läßt dies nicht den Schluß zu, daß anläßlich der ersten Operation aufgrund einer Verwechslung statt der Bride das Kreuband entnommen worden ist. Es laßt sich nicht ausschließen, daß nach dem ersten Eingriff ein Riß des Kreuzbandes stattgefunden hat und die verbleibenden Reste bei der späteren Arthroskopie nicht entdeckt worden sind.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 2. November 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht G und S sowie die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Oktober 1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die im Jahre 1968 geborene Klägerin unterzog sich am 4. April 1991 im Hospital in G einer Operation am linken Knie, bei der arthroskopisch eine Schleimhautfalte (Plica) entfernt wurde. Nach dem Operationsbericht wurde bei diesem Eingriff ein intaktes vorderes Kreuzband vorgefunden. Im Januar 1993 stellte sich die Patientin wegen erneuter Kniebeschwerden bei dem Beklagten, einem niedergelassenen Chirurgen, vor, der am 9. Februar eine Spiegelung des linken Kniegelenks vornahm. In Operationsbericht hierzu heißt es u. a.:

Es stellt sich sofort eine harte massive Bride dar, die sich vom vorderen Kreuzbandpol nach lateral zum seitlichen Kompartiment ausspannt. Sie inseriert dort an der Femurcondyle und kann nur mit Mühe durchtrennt werden. Die Reste dieser Plica werden mit dem Shaver entfernt. Außenmeniskus unauffällig. Das Hinterhorn ist leicht gelockert, zwei lose Anteile werden mit der Schere beseitigt. Das Kreuzband ist intakt, nachdem ein Überzug entfernt ist, kann es gut eingesehen werden."

Das Abradat schickte der Beklagte zur pathologischen Untersuchung ein.

Am 15. April 1993 klagte die Patientin nach den Behandlungsunterlagen des Beklagten über ein "Durchrutschen" des Knies und über Schmerzen im Gelenkspalt, klinisch ergab sich nach der Dokumentation kein krankhafter Befund. Zirka zwei Jahre später - am 16. Februar 1995 - suchte die Klägerin erneut wegen Kniebeschwerden die Praxis des Beklagten auf. Der dort als Vertreter tätige Arzt Dr. M diagnostizierte eine Chondropathia patellae links und empfahl eine Spaltung des äußeren Reservestreckapparates, die die Patientin jedoch nicht vornehmen ließ. Am 25. November 1996 wurde die Klägerin auf Veranlassung ihres Arztes Dr. S in der orthopädischen Abteilung des Spitals in E untersucht. Nach dem - späteren - Bericht des Oberarztes Dr. H gab die Patientin an, die bisherigen Operationen hätten langfristig keine wesentlichen Verbesserungen erbracht; sie leide unter Schmerzen und unter einer Unsicherheit im linken Kniegelenk. Dr. H führte am 6. Dezember 1996 eine Spiegelung des Kniegelenkes durch; dabei konnte das vordere Kreuzband nicht dargestellt werden. In Operationsbericht ist dazu niedergelegt, daß in der Fossa intercondylaris ein vorderes Kreuzband nicht vorhanden sei; auch an der lateralen intercondylären Condylenwange seien keine Hinweise auf Reste eines ehemals vorhandenen Kreuzband auszumachen. Anläßlich der Kniespiegelung wurde erneut eine Plica durchtrennt und teilweise entfernt.

Dr. H empfahl wegen des von der Patientin geklagten Unsicherheitsgefühles die Anlage einer Kreuzbandplastik und nahm diese Operation am 23. Januar 1997 vor.

Die Klägerin macht Ersatzansprüche geltend. Sie hat behauptet, der Beklagte habe bei dem Eingriff am 9. Februar 1993 keine Plica sondern das vordere Kreuzband entfernt. Dies habe er durch einen mißverständlichen Operationsbericht, aus dem sich nicht ergebe, ob das vordere oder das hintere Kreuzband als gut einsehbar beschrieben sein solle, zu verschleiern versucht. Bereits unmittelbar nach dem Eingriff habe sie, die Klägerin, den Beklagten immer wieder darauf hingewiesen, daß sie Schmerzen im linken Knie verspüre; er habe sie daraufhin damit vertröstet, sie müsse abwarten. Auch zwei Jahre später habe sie ihre Beschwerden nochmals angesprochen; daraufhin sei eine schiefe Kniescheibe diagnostiziert worden. Seit der Operation vom 9. Februar 1993 habe sie auf sportliche Aktivitäten aufgrund der Instabilität des Kniegelenkes gänzlich verzichten müssen. Langes Laufen, Gehen, Stehen und Hocken bereite ihr trotz der vorgenommenen Plastik nach wie vor Schwierigkeiten, da das Knie anschwelle und starke Schmerzen verursache. Sie sei dadurch auch in ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester beeinträchtigt und habe sich seit April 1993 deswegen überwiegend für den Nachtdienst einteilen lassen müssen. Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld von 25.000 DM für angemessen erachtet und des weiteren geltend gemacht, der Beklagte schulde ihr auch Ersatz der Zuzahlungen für krankengymnastische Behandlungen nach der Anlage der Kreuzbandplastik sowie für den Erwerb eines Kühlkissens in Höhe von insgesamt 127,75 DM.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an sie 127,75 DM nebst 4 % Zinsen sei dem 25. September 1997 zu zahlen;

2.

den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 9. Februar 1993 bis zur Klagezustellung nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 25. September 1997 zu zahlen;

3.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materielle und immaterielle Schäden, die nach Klagezustellung entstehen, aus der Operation vom 9. Februar 1993 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

diesbezüglicher Beschwerden in der Praxis erschienen. Das Fehlen des Kreuzbandes bei den von Dr. H durchgeführten Eingriffen hat der Beklagte bestritten.

Das Landgericht hat durch Vernehmung einer Zeugin sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und sodann die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß ein Behandlungsfehler des Beklagten nicht feststellbar sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts und macht geltend, da das vordere Kreuzband bei dem Eingriff am 4. April 1991 intakt gewesen sei, sich aber bei der Spiegelung am 2. Dezember 1996 nicht mehr habe vorfinden lassen, könne es - mangels anderweitiger zwischenzeitlicher Operationen am linken Knie - nur von dem Beklagten reseziert worden sein. Er habe das gesamte Gewebe des Kreuzbandes mit einem Shaver entfernt, so daß auch keine Reste zurückgeblieben seien. Im Anschluß an den Eingriff vom 9. Februar 1993 habe sie, die Klägerin, unter einer permanenten Instabilität und stetigem Durchrutschen des Kniegelenkes gelitten, dies habe sie dem Beklagten auch berichtet.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

1.

den Beklagten zu verurteilen, an sie 127,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. September 1997 zu zahlen,

2.

den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld für die Verletzungsfolgen aus dem Chirurgischen Eingriff vom 9. Februar 1993 nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 25. September 1997 zu zahlen;

3.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr Schadensersatz für sämtliche materielle und immaterielle Schäden, die nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat entstehen, aus der Operation vom 9. Februar 1993 zu leisten, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und trägt vor, eine Durchtrennung oder Entfernung des vorderen Kreuzbandes hätte sofort zu einer abnorm weiten Verschiebbarkeit des Unterschenkels gegen den Oberschenkel nach vorne führen müssen; ein solches Phänomen habe bei der Klägerin nach der Operation jedoch nie vorgelegen.

Der Senat hat durch Vernehmung von Zeugen und durch Anhörung des Sachverständiger, Dr. L ergänzend Beweis erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug auf.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Die Klägerin ist nicht berechtigt, nach § 847 BGB Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes zu verlangen auch steht ihr weder nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung gemäß den §§ 611, 292, 276, 299 ff BGB noch aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 BGB ein Anspruch auf Ersatz der bereits entstandenen oder künftig drohenden materiellen Schäden zu.

Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen obliegt es der klagenden Partei, auch im Rahmen des Arzthaftungsprozesses zu beweisen, daß dem in Anspruch genommenen Arzt ein für eine konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen ursächlicher Behandlungsfehler anzulasten ist. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt. Die vom Landgericht begonnene und vom Senat fortgesetzte Beweisaufnahme hat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit ergeben, daß diese Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind; es läßt sich nicht feststellen, daß der Beklagte anläßlich des von ihm vorgenommenen Eingriffs am 9. Februar 1993 das vordere Kreuzband entfernt hat:

Aus dem Operationsbericht von diesem Tage ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Der Sachverständige Dr. L hat diesen Bericht ausgewertet, ihn als sorgfältig sowie folgerichtig bezeichnet und zugleich deutlich gemacht, daß nach dem Wortlaut der Darstellung eine Verwechslung der von dem Beklagten beschriebenen Bride mit dem vorderen Kreuzband nicht angenommen werden kann. Zwar verlief die Bride nach der Schilderung im Operationsbericht in dem Bereich, in dem nach den anatomischen Verhältnissen das vordere Kreuzband angelegt ist, so daß eine Verwechslung, wenn sie nach denen Ausführungen des Sachverständigen auch unwahrscheinlich ist - aus medizinischer Sicht grundsätzlich nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Dr. L hat aber zugleich hervorgehoben, daß das Gewebe einer Bride sich ganz wesentlich von demjenigen des Kreuzbandes unterscheidet; während dieses aus Sehnenfasern besteht, die einen kompakten homogenen Verlauf aufweisen, handelt es sich bei einer Bride um einen unregelmäßig ausgebildeten Strang aus narbig verwachsenem Bindegewebe. Dafür, daß der Beklagte diesen Unterschied in den Strukturen, der nach den Erläuterungen des Sachverständigen normalerweise für den Arzt deutlich zu erkennen ist, verkannt haben könnte, ergeben sich aus dem Operationsbericht keine Hinweise; er beschreibt nach der Beurteilung des Gutachters klar ein im Bereich des vordere Kreuzbandes zusätzlich verlaufendes Narbengewebe.

Auch die Vermutung der Klägerin, bei dem von dem Beklagten als intakt benannten Kreuzband handele es sich um das hintere Kreuzband - das hinter dem vorderen in entgegengesetzter Richtung verläuft - findet in dem Operationsbericht keine Grundlage; die Darstellung der vorgefundenen Strukturen und ihres Verlaufs spricht nach der Beurteilung des Gutachters eindeutig für eine Beschreibung des vorderen Kreuzbandes. Daß dieses nach der Schilderung des Beklagten erst nach Entfernung eines "Überzuges" gut eingesehen werden konnte, ist anatomisch bedingt; wie Dr. L erläutert hat, sind die Kreuzbänder von einem "Schlauch" aus Gelenkbinnenhaut umgeben, der eröffnet werden muß, um die Erhaltung des Bandes zu überprüfen. Insgesamt ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, daß aufgrund des Wortlautes des Operationsberichtes vom 9. Februar 1993 vom Verbleiben eines intakten vorderen Kreuzbandes auszugehen ist. Demgegenüber hat der Zeuge Dr. H allerdings bekundet, daß er bei den arthroskopischen Eingriffen vom Dezember 1996 und Januar 1997 weder das vordere Kreuzband noch Reste hiervon habe finden können. Der Gutachter hat auch die diesbezüglichen Operationsberichte des Zeugen ausgewertet und sie ebenfalls als sorgfältig und in sich schlüssig qualifiziert. Gleichwohl läßt sich nach seiner Beurteilung aus der Tatsache, daß Dr. H das vordere Kreuzband als fehlend beschrieben hat, nicht der Schluß ziehen, daß dieses Band tatsächlich nicht - mehr - vorhanden war.

Dr. L hat betont, daß die jeweils in sich plausiblen Operationsberichte des Beklagten einerseits und des Zeugen Dr. H andererseits nicht miteinander in Einklang zubringen sind mit der Folge, daß einer dieser Berichte Fehler enthalten muß. Er hat aber zugleich keinen Zweifel daran gelassen, daß den späteren arthroskopischen Befunden gegenüber den von dem Beklagten getroffenen Feststellungen kein höherer Grad an Richtigkeit beigemessen werden kann. Der Sachverständige hat dies nachvollziehbar damit begründet, daß sich im Rahmen des zunehmenden Einsatzes der Arthroskopie inzwischen herausgestellt hat, daß die von verschiedenen Ärzten bei ein und dem selben Patienten erhobenen Befunde ganz erheblich divergieren können. Beispielhaft hat Dr. L den Fall einer jungen Frau geschildert, bei der nach einem Skiunfall vier Spiegelungen des Knies von vier verschiedenen Ärzten vorgenommen wurden, die wiederum zu vier voneinander abweichenden Diagnosen gelangten: Als Befunde wurden zunächst ein Riß des vorderen Kreuzbandes, sodann des hinteren Kreuzbandes sowie eine Verletzung des Innenmeniskus und schließlich des Außenmeniskus festgestellt. Wie Dr. L weiter ausgeführt hat, haben Untersuchungen, die zu dem Thema der divergierenden Befunde durchgeführt worden sind, gezeigt, daß auch von erfahrenen Fachärzten, denen Videoaufnahmen von arthroskopischen Eingriffen bei ihnen unbekannten Patienten zur Auswertung vorgelegt wurden, völlig unterschiedliche Bewertungen vorgenommen wurden. Nach der Studie herrschte nur bei der Beurteilung nicht pathologischer Normalbefunde eine gewisse Übereinstimmung; beim Vorliegen eines Krankheitsbildes ergaben sich statt dessen gravierend voneinander abweichende Diagnosen. Mit Blick auf diese inzwischen zu Tage getretenen Erfahrungen ist Dr. L überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, daß die von dem Zeugen erhobenen Befunde mit Blick auf den anders lautenden Operationsbericht des Beklagten keine sichere Feststellung dahingehend ermöglichen, daß das vordere Kreuzband zum Zeitpunkt der Eingriffe im Dezember 1996 und Januar 1997 tatsächlich fehlte.

Der Senat verkennt nicht, daß die Vornahme einer Kreuzbandplastik sich nicht ohne weiteres hiermit vereinbaren läßt, da sie im Falle eines intakt gebliebenen vorderen Kreuzbandes zusätzlich dazu angelegt worden wäre. Dies kann jedoch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Dr. L hat zum Ausdruck gebracht, daß die Anlage einer Kreuzbandplastik auch bei einem erhaltenen Kreuzband medizinisch durchaus möglich ist, und in diesem Zusammenhang auch erwähnt, daß in der bereits angesprochenen Studie Fälle erwähnt sind, in denen nach dem jeweiligen Operationsbericht Gewebestrukturen arthroskopisch entfernt wurden, die nach vorherigen Befundberichten betreffend denselben Patienten gar nicht mehr vorhanden waren. Des weiteren hat der Sachverständige darauf hingewiesen, daß - neben den von ihm aufgezeigten Unsicherheiten hinsichtlich der Bewertung von Befunden - das Ergebnis der pathologischen Untersuchung des von dem Beklagten entnommenen Gewebes indiziell entscheidend gegen eine Entfernung des vorderen Kreuzband am 9. Februar 1993 spricht. Aufgrund der in erster Instanz erfolgten Vernehmung der Helferin S des Beklagten ist davon auszugehen, daß das an diesem Tage resezierte Gewebe vollständig an den Pathologen versandt worden ist. Die Zeugin hat geschildert, daß in der Praxis des Beklagten bereits zum damaligen Zeitpunkt die Übung herrschte, das gesamte entfernte Gewebe - unter Durchsiebung auch der Kochsalzlösung, mit der das Gelenk bei einem arthroskopischen Eingriff durchspült wird - zu sammeln und einer histologischen Untersuchung zuzuführen. Zwar hat die Helferin des Beklagten sich verständlicherweise nicht mehr an die bei der Klägerin durchgeführte Operation erinnern können, es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, daß im Falle dieser Patientin von der üblichen Handhabung abgewichen worden ist. Der Pathologe Dr. D hat das ihm zugeleitete Abradat untersucht und gemäß seiner schriftlichen Aussage vom 31. Juli 2000 dabei keinerlei Kreuzbandanteile vorgefunden.

Auch aus den Beschwerden der Patientin, die sich nach dem Eingriff vom 9. Februar 1993 in der Folgezeit eingestellt haben, kann kein hinreichend sicherer Schluß darauf abgeleitet werden, daß anläßlich dieses Eingriffs das vordere Kreuzband entfernt worden ist. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L hätte sich in diesem Fall spätestens zwei bis drei Wochen nach dem Abklingen der Operationsschmerzen eine deutliche und dauerhafte Instabilität im Bereich des linken Knies bemerkbar machen müssen. Über eine derartige Symptomatik hat die Patientin gegenüber dem Beklagten nach dessen Behandlungsunterlagen jedoch erst sehr viel später - nämlich am 15. April 1992 - geklagt und dabei auch lediglich ein einmaliges "Durchrutschen" des Knies erwähnt. Anläßlich der weiteren Vorstellung in der Praxis des Beklagten am 16. Februar 1995 hat sie nach der Bekundung des damaligen Praxisvertreters, des Zeugen Dr. M, nicht über derartige Beschwerden berichtet; auch die Dokumentation zu diesem Tage enthält keine Eintragung betreffend eine Instabilität des Knies. Gegenüber der an ihrer Arbeitsstelle tätigen Betriebsärztin Dr. F hat die Patientin im März 1999 zwar über Schwellungen und Schmerzen im Knie bei Belastung geklagt, nicht aber über ein "Durchrutschen" oder ein Unsicherheitsgefühl. Allerdings haben die von der Klägerin benannten Zeugen H D B und E geschildert, daß die Patientin ihnen gegenüber teilweise bereits im Jahre 1993, teilweise erst im Jahre 1995 neben Klagen über Schwellungen und Belastungsschmerzen auch über ein "Einknicken" im Knie berichtet habe. Da die Klägerin dies jedoch bis zum Jahre 1996 nicht zum Anlaß genommen hat, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, läßt sich nicht feststellen, wie gravierend diese Beschwerden waren, und ob sie als Folge eines Verlustes des vorderen Kreuzbandes aufgetreten sind. Selbst wenn man aber davon ausgeht, daß dies der Fall gewesen ist, verbleibt letztlich auch die Möglichkeit, daß das vordere Kreuzband nach dem Eingriff vom 9. Februar 1993 gerissen ist. Zwar hätten gemäß den Erläuterungen des Sachverständigen dann Reste vom Gewebe des Bandes vorhanden sein müssen, die bei der Arthroskopie im Dezember 1996 hätten erkannt werden können; wie Dr. L deutlich gemacht hat, läßt sich indes nicht ausschließen, daß Dr. H diese Reste bei seiner Untersuchung trotz der Suche danach nicht aufgefunden hat.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Beschwer der Klägerin liegt unter 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück