Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: 8 U 217/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 897
BGB § 291
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
1) Eine Epicondylitis (sog Tennisarm)wird durch Injektionen mit cortisonhaltigen Medikamenten sachgerecht behandelt.

2) Die Wahl zwischen einer Kristallsuspension (Triamhexal) und einem wasserlöslichen Cortisonpräparates liegt im Ermessen des Arztes. Die Darreichungsformen unterscheiden sich lediglich in der längeren Wirkungsdauer des kristallinen Medikamentes; im Risikospektrum bei der Anwendung der Medikamente bestehen keine Unterschiede.

3) Die mehrfache Verabreichung von Injektionen mit 10 mg des cortisonhaltigen Medikamentes Triamhexal ist jedenfalls in Abständen von 6 Wochen medizinisch korrekt. Eine Dosierung von 40 mg im Rahmen einer einzigen Injektion ist hingegen wegen der hiermit einher gehenden Steigerung der mit einer Cortisonbehandlung verbundenen Risiken nicht sachgerecht.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 217/98 5 O 77/95 LG Krefeld

Verkündet am 17. August 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B, den Richter am Oberlandesgericht G und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird das am 20. November 1998 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Februar 1995 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 20.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheit kann auch durch Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die am 9.4.1999 geborene Klägerin begab sich im Januar 1992 in die ambulante Behandlung des Beklagten. Sie klagte über Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule sowie über Schmerzen im rechten Ellenbogen. Der Beklagte diagnostizierte eine Epicondylitis lateralis humeri rechts und verordnete Ultraschallbehandlungen und Salbenverbände. Am 3.9.1992 injizierte er der Klägerin 10 mg Triamhexal in den rechten Ellenbogenbereich. In der Zeit vom 29.6.1992 an stellte sich die Klägerin erneut mehrmals bei dem Beklagten vor. In seinen Krankenunterlagen heißt es dazu:

"24.6.92 AA D akuter Lumbago 24.6.92 ALT seit gestern starke Rückenschmerzen die in die Beine ausstrahl. Rö LWS 2 EB: der ZWR L 5 S 1 ist eingeschränkt, min. deg. Veränderungen. 6 x Tesi WB mit Xylo 5 ml Benfofen i.m. 29.6.92 ALT nicht besser. DS im unteren LWS Bereich Li. keine neurolog. Ausfälle. WB Triam 10 Xylo 5 ml heute Tesi."

Am 20.7.1992 klagte die Patientin erneut über starke Ellenbogenbeschwerden rechts und erhielt daraufhin von dem Beklagten eine Injektion von 10 ml Triamhexal; außerdem verordnete der Beklagte 6 Ultraschallbehandlungen; hiervon ließ die Klägerin zwei Behandlungen vornehmen. In der Folgezeit wurde sie von dem Beklagten weiterhin wegen Schmerzen im Bereich des Rückens und der Halswirbelsäule behandelt. Am 23.11.1992 klagte sie erneut über Beschwerden im rechten Arm. In der Dokumentation des Beklagten ist unter diesem Datum vermerkt:

"Der Rücken ist besser, starke Ellenbogenbeschwerden re. Starker DS am lat. Epicond. Re. Ellbogen, freie Bewgl. keine Entzündungszeichen. Rö re. Ellbogen 2 Eb: o.B. Infiltr, mit Triam 40 mg + Xylo 2ml Ionto + Eis + SV 6 x."

Unter dem Datum des 26.4.1993 lautet es in den Behandlungsunterlagen u.a.:

"AA D Epicondylitis lat. humeri re. Atrophie der Extensoren re. D. Ellenbogen nicht besser, laut Patientin: Bei mehreren Kollegen gewesen Atrophie am Ansatz der Extensoren re. Ellb., DS am lat. Epicondylus re. Dellenbildung und Hautdepigmentation von etwa 2 x 2 cm".

Die Klägerin hatte sich in der Zwischenzeit in die Behandlung des Chefarztes der Abteilung für Innere Medizin und Rheumatologie - Prof. Dr. I - des St. J U begeben. Prof. I verfaßte unter dem 25.11.1993 ein "ärztliches Gutachten", in dem es heißt:

"...

Nach einer Epicdndylitis humeri rechts wurde auswärts eine Cortison-Injektionsbehandlung des rechten Ellenbogens durchgeführt, die jedoch keine Besserung zur Folge hatte. Es ist im Zusammenhang damit zu einer Weichteilatrophie und Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk gekommen. Außerdem bestehen starke Bewegungsschmerzen im Bereich des rechten Ellenbogengelenks, das selbst nicht mehr voll streckbar ist. Der rechte Arm ist stark stoß- und druckempfindlich und in seiner Motilität deutlich eingeschränkt.

Der Atrophieherd ist scharf ausgestanzt und stark Schmerzhaft, der Gewebeschwund ist irreversibel".

In einem weiteren ärztlichen Bericht vom 8.10.1997 führte Prof. Dr. I u.a. aus, daß weiterhin bewegungsabhängige Schmerzen im rechten Ellenbogen bestünden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berichtes wird auf Blatt 190 der Akten Bezug genommen.

Die Klägerin macht Ersatzansprüche geltend. Sie hat vorgetragen, die von dem Beklagten vorgenommene Behandlung mit Cortison-Spritzen sei kontraindiziert gewesen. Auch habe der Beklagte die Injektionen fehlerhaft vorgenommen. Nach der Injektion am 20.7.1992 seien bei ihr "tierische" Schmerzen aufgetreten; dies spreche dafür, daß der Beklagte die Spritze in ein entzündetes Gelenk vorgenommen habe. Jedenfalls müsse er bei der Verabreichung der Spritze am 20.7.1992 Nerven, Blutgefäße oder Lymphbahnen getroffen haben; es habe sich nämlich danach eine Lymphadenitis sowie ein ausgeprägter Lokalbefund im Bereich des Applikationsgebietes eingestellt. Infolge dessen sei eine fortgeleitete Entzündung - eine Periarthritis - und eine Schwellung im Bereich des Sternoclaviculargelenkes aufgetreten. Des weiteren hat sich die Klägerin auf eine mangelnde Aufklärung berufen und behauptet, der Beklagte habe sie nicht über die Risiken einer Behandlung mit Cortison-Spritzen belehrt. Auch habe er es unterlassen, sie auf Behandlungsalternativen in Form von physikalischen Therapien hinzuweisen. Bei gehöriger Aufklärung hätte sie einer Behandlung mit Cortison-Spritzen nicht zugestimmt, sondern sich für eine risikolose physikalische Therapie entschieden. Schließlich hat die Klägerin behauptet, bei ihr liege eine irreversible Weichteilatrophie vor; der Gewebeschwund sei scharf ausgestanzt und reiche bis auf den Knochen, der praktisch nur noch von Haut bedeckt sei. Sie leide unter ständigen Bewegungsschmerzen; der rechte Arm sei stark stoß- und druckempfindlich und in seiner Motilität stark eingeschränkt. Infolge dieser Bewegungseinschränkung, der ständigen starken Schmerzen sowie einer hieraus resultierenden Fehlhaltung werde die Wirbelsäule im Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenbereich sowie im Schulterbereich atypisch belastet. Sie, die Klägerin, könne nicht mehr schwimmen und nicht mehr an Tanzveranstaltungen teilnehmen. Aufgrund der Schädigung ihres rechten Armes sei sie nicht mehr in der Lage, Strick- und Schneiderarbeiten für die Kunden ihres Handarbeitsfachgeschäftes durchzuführen, sondern müsse hierfür Fremdkräfte beschäftigen. Gleiches gelte für die Haushaltsführung, die sie ebenfalls nicht mehr allein bewältigen könne, sondern Hilfskräfte hinzuziehen müsse. Dadurch sei ihr ein materieller Schaden von insgesamt 42.619,98 DM entstanden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen,

a) an sie 31.444,12 DM nebst 10 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,

b) an sie ein angemessenes (Einmal-) Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Klage zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 40.000 DM beträgt,

c) an sie ab Rechtskraft des Urteils ein monatliche Schmerzensgeld jeweils am Letzten des Monats, beginnend mit dem Monat, in welchem die Rechtskraft des Urteils eintritt, zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 300 DM beträgt;

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen weiteren Schaden zu erstatten, der ihr daraus entsteht, daß sie infolge der bei ihr vom Beklagten im Juli 1992 durchgeführten Cortison-Injektionsbehandlung des rechten Ellenbogens eine Schädigung des rechten Armes erlitten hat.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat Behandlungsfehler in Abrede gestellt und behauptet, er habe die Klägerin zu Beginn der Behandlung mit Triamhexal auf das allgemeine Risiko bei Injektionen sowie darauf hingewiesen, daß die Verabreichung von Cortisonpräparaten das Risiko von Haut- bzw. Gewebeveränderungen in sich berge. Als die Klägerin sich einige Zeit nach der im Juli 1992 durchgeführten Injektion erneut bei ihm vorgestellt und über Schmerzen im Ellenbogenbereich geklagt habe, habe er sie darauf hingewiesen, daß als Alternative zu den Cortison-Spritzen eine Behandlung in Form von Bestrahlungen sowie einer Ruhigstellung des betroffenen Gelenkes in einer Gipsschale in Betracht komme. Diese Therapien habe die Klägerin mit dem Bemerken, daß sie zu zeitaufwendig und mit ihrer beruflichen Tätigkeit nicht in Einklang zu bringen seien, abgelehnt. Die Entstehung einer Lymphadenitis und einer Periarthritis sowie das Fortbestehen einer Gewebeatrophie am rechten Ellenbogen hat der Beklagte ebenso bestritten wie die von der Klägerin behaupteten materiellen Schäden.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, bemängelt die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W als widersprüchlich und macht geltend, er habe sich nicht ausreichend mit Stimmen in der medizinischen Literatur auseinandergesetzt, nach denen die Applikation von cortisonhaltigen Präparaten in der akuten Phase einer Epicc-dylitis kontraindiziert sei. Des weiteren behauptet sie, der Beklagte habe bei ihr insgesamt 9 Triamhexal-Injektionen in den Ellenbogenbereich vorgenommen, nämlich am 3.4., 29.6., 20.7. und 23.11.1992.

Die Klägerin beantragt,

1. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,

a) an sie 31.444,12 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 22.2.1995 zu zahlen,

b) an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 22.2.1995 zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 40.000 DM beträgt;

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr daraus entsteht, daß sie infolge der bei ihr von dem Beklagten im Juli 1992 durchgeführten Cortison Injektionsbehandlung des rechten Ellenbogens eine Schädigung des rechten Armes erlitten hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertieft und korrigiert sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend:

Anläßlich des ersten Besuches der Klägerin in seiner Praxis am 27.1.1992 habe er ihr wegen der Beschwerden am Ellenbogen Ultraschall und Salbenverbände verordnet; die Klägerin habe jedoch davon abgesehen, eine entsprechende Behandlung in ausreichendem Maße vornehmen zu lassen. Als sie sich am 3.4.1992 erneut wegen der Beschwerden am Ellenbogen vorgestellt habe, habe er sie auf die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten - Ultraschalk Salbenverbände, Iontophorese, Ruhigstellung, Cortison-Injektionen, operativer Eingriff - hingewiesen. Sämtliche physikalischen Therapien habe die Klägerin unter Hinweis auf den damit verbundenen Zeitaufwand abgelehnt. Daraufhin habe er, der Beklagte, die Triamhexal-Injektion vorgenommen. Bei ihrem Besuch am 29.6.1992 habe die Patientin lediglich über starke Rückenschmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich geklagt. Daraufhin habe er ihr nunmehr 10 mg Triamhexal in den Rücken injiziert; eine Einspritzung am Ellenbogen sei erst wieder am 20.7.1992 erfolgt. Die von ihm an diesem Tage erneut verordneten sechs Ultraschallbehandlungen habe die Klägerin lediglich zweimal - am 21. und 23.7.1992 - durchführen lassen. Am 23.11.1992 sei die dritte und letzte Injektion mit Triamhexal vorgenommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von dem Beklagten eingereichten Krankenunterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. R Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 31.1. und 16.6.2000 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach §§ 823 Abs. 1,897 BGB ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1000 DM zu. Die weitergehende Klage ist nicht gerechtfertigt.

I.

Die vom Landgericht begonnene und von dem Senat ergänzte Beweisaufnahme hat ergeben, daß das medizinische Vorgehen des Beklagten nicht in jeder Hinsicht einwandfrei war:

1.

Allerdings ist der Vorwurf, die Verabreichung von Injektionen mit dem cortisonhaltigen Medikament Triamhexal sei bereits grundsätzlich kontraindiziert gewesen, nicht gerechtfertigt wie der Sachverständige Prof. Dr. R erläutert hat, stellt die Behandlung einer Epicondylitis mit Cortisonpräparaten eine anerkannte Methode dar. Diese Beurteilung stimmt mit derjenigen des erstinstanzlich eingeschalteten Gutachters überein; auch Prof. Dr. W ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Vornahme einer Therapie mit Cortison-Injektionen sachgemäß war, zumal die Behandlung mit Bestrahlungen und Salbenverbänden, denen die Klägerin sich unterzogen hatte, nach ihrem eigenen Bericht gegenüber dem Gutachter keine Besserung der Beschwerden erbracht hatte. Die von der Klägerin eingereichte Abhandlung aus dem Werk "Orthopädie in Klinik und Praxis " aus dem Jahre 1982 steht dem nicht entgegen. Darin wird zwar auf vereinzelte Stimmen in der medizinischen Literatur aus dem Jahre 1977 verwiesen, wonach die Applikation, von Mesenchymblockern der Cortisonreihe in der akuten Phase einer Epicondylitis als kontraindiziert angesehen wurde. Der Autor schließt sich dieser Ansicht indessen nicht an, sondern gelangt selbst zu dem Schluß, daß eine schädigende Wirkung von derartigen Inkjektionen, die zu einem Verzicht auf die "häufig so wirksame Therapie" fuhren könnte, nicht hinreichend nachgewiesen sei. Dies entspricht der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen. Prof. Dr. W hat in seinem schriftlichen Gutachten zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei dem von der Klägerin auszugsweise vorgelegten Text lediglich um eine Aufarbeitung älterer medizinischer Literatur handelt, der keine regelrechten wissenschaftlichen Studien zugrundeliegen.

2.

Auch die Wahl einer Kristallsuspension war medizinisch korrekt. Prof. Dr. R hat deutlich gemacht, daß der wesentliche Unterschied zwischen dem Medikament Triamhexal und einem wasserlöslichem Cortisonpräparat lediglich darin besteht, daß kristalline Produkte eine längere Wirkungsdauer haben; hierauf hat auch Prof. Dr. W anläßlich seiner erstinstanzlichen Anhörung hingewiesen. In dem bei der Therapiewahl zu berücksichtigenden Risikospektrum unterscheiden sich die beiden Darreichungsformen hingegen nicht. Prof. Dr. R ist der in dem von der Klägerin vorgelegten, schon erwähnten Werk "Orthopädie in Klinik und Praxis " vertretenen Ansicht, bei einer Behandlung mit Cortison sei bei primär chronischen Überlastungssyndromen der wässrigen Lösung der Vorzug zu geben, entgegengetreten und hat ausgeführt, daß die möglichen Nebenwirkungen beider Produkte dieselben sind. Er hat betont, daß die Darstellung der Risiken im schriftlichen Gutachten von Prof. Dr. W - der sich nur mit der bei der Klägerin konkret angewandter Therapie mit kristallinem Cortison befaßt hat - in gleicher Weise für entsprechende lösliche Medikamente gelte. Die von der Klägerin zitierte Ansicht aus der medizinischen Literatur des Jahres 1982 hat Prof. Dr. R gegenüber dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft ausdrücklich als "Einzelmeinung" bezeichnet und hervorgehoben, daß auch die von ihm zusätzlich durchgeführten Nachfragen bei Herstellern keinerlei Hinweise auf unterschiedliche Nebenwirkungen ergeben, hätten.

3.

Die Dosierung des Medikamentes Triamhexal mit 10 mg bei den beiden Injektionen vom 3.9.1992 und 20.7.1992 ist nicht zu beanstanden; die Verabreichung dieser Spritzen erfolgte auch in ausreichenden zeitlichen abständen. Beide Gutachter haben einen Zwischenraum von 6 Wochen als unproblematisch erachtet.

Ob demgegenüber eine dreimalige Injektionsabfolge am 3.4., 29.6. und 20.7.1992 wegen eines zu geringen Abstandes zwischen den beiden letztgenannten Spritzen fehlerhaft gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Die Klägerin, die für ein zumindest fahrlässiges Fehlverhalten des in Anspruch genommenen Arztes beweispflichtig ist, hat nicht den Nachweis geführt, daß der Beklagte ihr auch am 29.6.1992 10 mg Triamhexal in den Ellenbogenbereich injiziert hat. Zwar hat ihr Ehemann, der Zeuge R H, ihre diesbezügliche Behauptung bestätigt, seine Darstellung ist aber im Ergebnis nicht überzeugend und durch die Behandlungsunterlagen widerlegt: Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung selbst eingeräumt, daß er die Daten der Injektionen aus dem Gedächtnis nicht nennen könne. Wie seine weitere Aussage - bei der er sich mehrmals auf die von dem Beklagten erteilten Liquidationen berufen hat - gezeigt hat, fußt seine Aussage nicht auf einer konkreten Erinnerung sondern darauf, daß der Beklagte in seinen Rechnungen unter den Daten vom 3.4., 29.6. und 20.7.1992 Injektionen mit Triamhexal in Rechnung gestellt hat: Dies läßt jedoch nicht den Schluß zu, daß der Patientin auch am 29.6.1992 eine Spritze in den Ellenbogenbereich appliziert worden ist; die Behandlungsunterlagen des Beklagten erhärten vielmehr seine Darstellung, daß die Klägerin an diesem Tage eine Injektion mit diesem Medikament in den Rücken erhalten hat. Die Dokumentation verzeichnet am 29.6.1992 "starke Rückenschmerzen, die in die Beine ausstrahlen"; nach den Eintragungen unter dem 29.6.1992 bestand ein Druckschmerz im unteren Lendenwirbelsäulenbereich links. Der danach folgende Vermerk "WB Triam 10 Xylo 5 ml" beschreibt die Vornahme einer Wurzelblockade mit diesen Medikamenten. Prof. Dr. R hat hierzu erläutert, daß eine solche Wurzelblockade - anders als die "Infiltrationen" vom 3.4. und 20.7.1992 - eine Injektion in die Tiefe bezeichnet und dies zusammen mit dem Befund der Rückenbeschwerden und den späteren Spezifikationen aufgrund der Gebührenziffern entscheidend für eine Injektion in den Wirbelsäulenbereich spricht. Der Senat folgt dieser Beurteilung der Dokumentation; gegen die Richtigkeit der Unterlagen bestehen keine Bedenken. Die Zeugin S D die zur Zeit der Behandlung der Klägerin als Arzthelferin bei dem Beklagten tätig war, hat bekundet, daß die Behandlungsunterlagen per Computer erstellt wurden und die Daten und Uhrzeiten auf den "Laufzetteln", die die Dokumentation enthalten, jeweils den Zeitpunkt belegen, an dem diese Zettel gedruckt wurden. Da der Ausdruck betreffend die Behandlungen am 29. und 29.6.1992 von diesem Tage um 13.25 Uhr stammt, liegen keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Änderung vor.

4.

Nicht sachgerecht war das ärztliche Vorgehen am 23. 11. 1992; Prof. Dr. R hat die Dosierung von 90 mg Triamhexal bei der letzten Spritze als zu hoch beanstandet. Zwar beeinträchtigt jede lokale Gabe von Cortison das örtliche Gewebe, jedoch tritt auch bei mehrmaligen Dosen von 10 mg in den gebotenen Abständen sodann eine Erholung ein. Bei einer einmaligen Injektion von 90 mg - deren Vornahme nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht grundsätzlich unzulässig ist - wird das Gewebe in sehr viel stärkerem Maße angegriffen; aufgrund der mit der erhöhten Dosierung verbundenen qualitativen Steigerung des Wirkstoffes steigen auch die mit einer Cortisontherapie verbundenen Risiken - wie die Gefahr einer Depigmentierung sowie einer Unterhautfettnekrose - in erheblichem Maße an. Mit Blick hierauf ist Prof. Dr. R überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, daß unter Abwägung des besseren Effektes einer höheren Dosis aber auch den gleichzeitig damit verbundenen Gefahren trotz der Tatsache, daß die bisherigen Injektionen mit 10 mg nicht den erwünschten Erfolg gezeitigt hatten, die Applikation einer viermal so hohen Dosierung nicht angebracht war.

Ob ein solches Vorgehen bei einem Wunsch eines Patienten, einen möglichst schnellen Heilerfolg zu erzielen - wie ihn die Klägerin nach dem Vorbringen des Beklagten im Senatstermin geäußert haben soll -, angemessen wäre, mag dahinstehen. Prof. Dr. R hat dies nach einer Erörterung der erhöhten Risiken mit dem Patienten zwar für medizinisch vertretbar erachtet, unstreitig hat eine solche Belehrung seitens des Beklagten aber nicht stattgefunden; dies hat er selbst eingeräumt.

II.

Die Injektion mit einer überhöhten Dosis Triamhexal am 23.11.1992 hat zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin geführt:

1.

Nach der Aussage des Internisten und Rheumatologen Prof. Dr. I der die Patientin im Anschluß an die Behandlung des Beklagten ärztlich betreut hat, zeigte sich bei seiner Untersuchung der Klägerin am 25.11.1992 eine bräunliche Verfärbung an der Außenseite des rechten Ellenbogengelenks, die etwas größer als ein 5,-- DM-Stück war. Beim nächsten Arztbesuch der Patientin hatte sich im Bereich der Injektionsstelle eine Hautatrophie in Form einer einen 1/2 - 1 cm tiefen, wie ausgestanzten "Delle" gebildet. Eine entsprechende Feststellung hat auch der Beklagte selbst getroffen; in seinen Behandlungsunterlagen ist unter dem Datum des 26.4.1993 ebenfalls eine Dellenbildung von 2 x 2 cm vermerkt. Beide Erscheinungen - die Verfärbung sowie die Atrophie sind nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. R typische Risiken einer lokalen hoch dosierten Cortisongabe und nach aller Wahrscheinlichkeit durch die Applikation der Dosis von 40 mg Triamhexal verursacht worden, zumal bei der Patientin bei den vorherigen Injektionen mit lediglich 10 mg keine derartigen Komplikationen aufgetreten waren. Des weiteren ist davon auszugehen, daß die Klägerin aufgrund des von Prof. Dr. I diagnostizierten lokalen Befundes am Ellenbogen unter verstärkten Schmerzen in diesem Bereich gelitten hat, die über die durch die Grunderkrankung der Epicondylitis hervorgerufenen hinausgingen. Die von dem Zeugen am 25.11.1992 festgestellte Bewegungsbeeinträchtigung im rechten Ellenbogens ist nach den gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. R als Ausfluß dieser Schmerzsymptomatik plausibel.

Allerdings können sowohl die Schmerzen als auch die Bewegungseinschränkungen nur für einen begrenzten Zeitraum auf die Injektion vom 23.11.1992 zurückgeführt werden. Prof. Dr. R hat keinen Zweifel daran gelassen, daß diese Beeinträchtigungen höchstens für einen Zeitraum von drei Monaten als Folge der Atrophie, verbunden mit einer Nekrose im subkutanen Gewebe, erklärbar sind, weil derartige Erscheinungen sich zurückbilden. Er hat in diesem Zusammenhang auf die gemäß seiner Untersuchung der Patientin nach wie vor bestehende Epicondylitis hingewiesen und deutlich gemacht, daß über den genannten Zeitraum hinaus andauernde Beschwerden durch diese Grunderkrankung hervorgerufen wurden und immer noch werden.

Naturgemäß konnte der Sachverständige dazu, wie lange die Klägerin im Rahmen der von ihm angegebenen Zeitspanne unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen aufgrund der Injektionen vom 23.11.1992 gelitten hat, keine Angaben machen. Der Senat geht vor dem Hintergrund der Angaben des Zeugen Prof. Dr. I davon aus, daß diese Beeinträchtigungen bis zu seinem Untersuchungstermin am 17. Dezember 1992 einschließlich bestanden. Eine längere Dauer läßt sich nicht feststellen. Da die Klägerin ihren behandelnden Arzt erst wider im April 1993 aufgesucht hat, liegen keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür vor, ob und inwieweit über den 17.12.1992 hinaus Beschwerden, die durch den lokalen Befund an der Injektionsstelle bedingt waren, aufgetreten sind. Daß der Ehemann der Klägerin nach der Erinnerung des Zeugen Prof. Dr. I in der Zeit zwischen dem 17.12.1992 und dem nächsten Arztbesuch vom 19.9.1993 bei ihm Rezepte für Antirheumatika abgeholt hat, laßt allenfalls eine Vermutung dahingehend zu, daß die Patientin unter Beschwerden im rechten Arm litt; einen hinreichend sicheren Schluß auf die Dauer der durch die Atrophie verursachten Schmerzsymptomatik ermöglicht dies indes nicht. Der Auffassung des Zeugen Prof. Dr. I, die Beschwerden, über die die Patientin, auch bei ihrer Vorstellung im April 1993 und später geklagt habe, beruhten ebenfalls auf der "Spritzenbehandlung", kann angesichts der entgegenstehenden Äußerung des Sachverständigen Prof. Dr. R - daß nur eine Dauer von 3 Monaten plausibel sei - kein ausschlaggebender Beweiswert beigemessen werden. Die von dem Zeugen abgegebene Begründung, seine Einschätzung stütze sich darauf, "daß die heftige Reaktion vom 23.11.1992, über die die Patientin geklagt hat, anders nicht zu erklären war", ist wenig überzeugend, weil sie - genau besehen - nicht mehr besagt, als daß die damalige "Reaktion", also die anfängliche Schmerzsymptomatik, nach der Ansicht des Zeugen nicht auf der Problematik des sogenannten "Tennisarms" beruhte. Für die Dauer der injektionsbedingten Beschwerden ist dies nicht aussagekräftig. Der Senat hat keine Bedenken in dieser Frage den überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. R zu folgen; es besteht kein Anlaß, einen weiteren Gutachter hinzuzuziehen. Prof. Dr. R ist dem Senat seit vielen Jahren als besonders kompetenter Sachverständiger bekannt und verfügt als Erster Oberarzt einer orthopädischen Universitätsklinik über hervorragende wissenschaftliche und praktische Kenntnisse Unabhängig davon, ob Komplikationen, wie sie bei der Klägerin aufgetreten sind, in seiner Praxis bereits vorgekommen sind, ist er zweifelsfrei in der Lage, den medizinischen Sachverhalt zu beurteilen.

2.

Die Schulterbeschwerden, über die die Patientin gemäß der Schilderung von Prof. Dr. I nach der Behandlung durch den Beklagten, geklagt hat und die nach der Darstellung des Zeugen durch eine auf der letzten Spritze beruhende "aufsteigenden" Lymphadenitis hervorgerufen worden sein sollen, können, nicht mit der für eine Verurteilung des Beklagten erforerlichen Gewißheit kausal auf das ärztliche Vorgehen des Beklagten am 23.11.1992 zurückgeführt werden. Es läßt schon nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, daß nach der Behandlung eine Lymphknotenentzündung vorlag. Zwar hat Prof. Dr. I anläßlich seiner Vernehmung vor dem Senat erklärt, er habe am 27.11.1992 im Bereich der rechten Achsel Veränderungen im Sinne einer solchen Entzündung festgestellt. Dies steht allerdings im Widerspruch zu seinem Gutachten vom 25.11.1993, in dem er nach seiner Bekundung die vorangegangenen Befunde zusammengefaßt haben will. In dieser Stellungnahme ist eine Lymphadenitis nicht erwähnt; ebensowenig ist von Schulterschmerzen die Rede. Auch der spätere Bericht vom 8.10.1997 erwähnt weder eine Lymphknotenentzündung noch Beschwerden im Bereich der Schulter. Angesichts dessen sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Prof. Dr. I eingeräumt hat, sich auf seine Vernehmung vor dem Landgericht - bei der er erstmals von der Diagnose Lymphadenitis berichtet hat - entgegen dem dort von ihm erweckten

Eindruck ("nach meinen Unterlagen") nicht anhand seiner Dokumentation, sondern aufgrund eines Gespräches mit der Patientin vorbereitet zu haben, sieht der Senat sich ohne die - von der Klägerin verweigerte - Einsicht in die Krankenunterlagen des Zeugen und deren Verwertung durch den gerichtlichen Sachverständigen nicht in der Lage, vom Bestehen einer aufsteigenden Entzündung als gesichertem Befund auszugehen. Hinsichtlich der Frage der Ursächlichkeit einer Lymphknotenentzündung für die Schulterschmerzen ist überdies zu berücksichtigen, daß Prof. Dr. I diese Kausalität selbst anläßlich seiner erstinstanzlichen Vernehmung in Frage gestellt hat; er hat nämlich erklärt, es sei schwierig, einen Zusammenhang zwischen der von ihm diagnostizierten Periarthritis humero scapularis und einer Lymphadenitis herzustellen. Schließlich körnte aber auch eine solche Entzündung dem Beklagten nicht als Folge seines nicht einwandfreien Vorgehens vom 23.11.1992 angelastet werden. Prof. Dr. R hat erläutert, daß dann, wenn eine Lymphknotenentzündung vorgelegen haben sollte, ihre Entstehung nicht durch die Überdosierung des Mittels Triamhexal, sondern durch die mit der Spritze verbundene Durchstechung der Haut verursacht worden ist. In ähnlicher Weise hat sich auch Prof. Dr. I vor dem Landgericht geäußert und bekundet, er nehme an, daß bei der Injektion ein Blutgefäße oder eine Lymphbahn getroffen worden sei. Ein Vorwurf einer fehlerhaften Applikation der Spritze laßt sich nach der Beurteilung sämtlicher im Streitfall angehörter Ärzte aus einem entzündlichen Geschehen nicht ableiten; das Risiko einer Infektion haftet jeder Injektion an.

3.

Für die von der Klägerin behaupteten Beschwerden im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich aufgrund von schmerzbedingten Haltungsfehlern fehlt es an gesicherten Anhaltspunkten; Prof. Dr. I hat insoweit bekundet, daß er keine diesbezügliche Diagnostik durchgeführt habe. Auch nach den Feststellungen von Prof. Dr. W haben sich durch die Injektion vom 23.11.1992 keine Konsequenzen für den Haltungs- und Bewegungsapparat ergeben; Schwellungen im Bereich des Sternoclaviculargelenkes des Oberarmkopfes sowie der Finger stehen ebenfalls nicht mit dieser Injektion in Zusammenhang.

III.

Die kausal auf der Überdosierung beruhenden immateriellen Beeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen ein Schmerzensgeld von 1000 DM. Für die Bemessung ist ausschlaggebend, daß die Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigung, die dem Beklagten als Folge seiner Behandlung anzulasten sind, nur für einen Zeitraum von ca. einem Monat bestanden (23.11. bis 17.12.1992). Die darüber hinaus aufgetretene bräunliche Verfärbung war ausweislich der Untersuchung durch Prof. Dr. I bereits am 17.12.1992 rückläufig und einige Wochen später ganz beseitigt. Die verbliebene " Delle " im Ellenbogenbereich hat sich nach seinen Angaben ebenfalls im Laufe der Zeit zurückgebildet; ausgeprägt war sie nur bis Ende 1999 vorhanden. Unter Berücksichtigung der Äußerung des Gutachters Prof. Dr. R, daß die Rückentwicklung einer Dellenbildung über mehrere Jahre anhalten könne, kann auch davon ausgegangen werden, daß - gemäß der eigenen Äußerung der Patientin gegenüber dem Sachverständige Prof. Dr. W - bis Ende 1996 noch eine Vertiefung gegenüber dem umgebenden Gewebe sichtbar war; anläßlich der Untersuchung durch den erstinstanzlichen Gutachter im Frühjahr 1997 waren im Ellenbogenbereich indes keine Veränderungen im Sinne einer Vertiefung mehr feststellbar. Es ist nachvollziehbar, daß die andauernde "Dellenbildung" vor, der Klägerin als störend empfunden worden ist. Gleichwohl ist aber zu berücksichtigen, daß es sich hierbei nach der Beurteilung von Prof. Dr. R lediglich um ein vorübergehendes kosmetisches Problem handelte, dem bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zwar Rechnung zu tragen ist, dem aber kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden kann. Bei der gebotenen Abwägung der Gesamtumstände und bei einer vergleichenden Beurteilung ähnlich gelagerten Fälle erscheint der Betrag von 1000 DM zum Ausgleich der immateriellen Schäden angemessen, aber auch ausreichend.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

IV.

Ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages oder aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) steht der Klägerin mangels einer Kausalität des ärztlichen Vorgehens vom 23.11.1992 für die geltend gemachten Schäden nicht zu:

Die Vergabe von Heimarbeiten an die Schneidergesellin M ist bereits zum 1.10.1992 erfolgt. Wenn die Hinzuziehung dieser Mitarbeiterin gemäß dem Vorbringen der Klägerin auf einer Einschränkung ihrer eigenen Arbeitsfähigkeit infolge der Beschwerden im rechten Arm notwendig wurde, kommt als Ursache der körperlichen Beeinträchtigungen zu diesem Zeitpunkt nur die damals bereits bestehende Epicondylitis in Betracht; die überdosierte Spritze wurde der Patientin erst sehr viel später verabreicht. Daß die hieraus sich ergebende zusätzliche Schmerzproblematik, die die weiterhin bestehenden Beschwerden aufgrund des "Tennisarms" während eines Monats überlagerte, zu erhöhten Fremdleistungen geführt hätte, ist nicht ersichtlich. Dies gilt in gleicher Weise für die von der Klägerin seit August und Oktober 1992 in Anspruch genommenen Leistungen bei der Haushaltsführung (Fensterputzer, Haushaltshilfe, Wäscherei).

Die Aufwendungen für die Tätigkeit der Mitarbeiterin S die erst im November 1993 begann, sind angesichts der Tatsache, daß eine körperliche Beeinträchtigung als Folge der Injektion vom 23.11.1992 nur bis zum 17.12.1992 bestand, ebenfalls nicht ersatzfähig. Nichts anderes gilt für die an die Schneidergesellin M geleisteten Zahlungen für deren - erneute - Aushilfe vom 1.5.1994 an sowie für die Kosten, die für die Putzhilfe P ab September 1994 angefallen sind.

V.

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist nicht gerechtfertigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind weitere Schäden aufgrund der Behandlung des Beklagten auszuschließen. Die Atrophie, die sich aufgrund der letzten Injektion ausgebildet hatte, ist ausweislich der von Prof. Dr. W und Prof. Dr. R vorgenommenen Untersuchungen vollständig zurückgebildet; sonstige bleibende Folgen dieser erlittenen Atrophie, die zu zukünftigen Schäden führen könnten, bestehen nicht. Die bei der Klägerin noch vorhandene Beschwerdesymptomatik steht nach der Beurteilung beider Gutachter mit der Behandlung des Beklagten nicht in Zusammenhang.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin liegt über 60.000 DM; die Beschwer des Beklagten liegt unter diesem Betrag.

Die gesetzlichen Vorraussetzungen für die Zulassung einer Revision des Beklagten liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück