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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.05.2000
Aktenzeichen: 8 U 34/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 242
BGB § 276
BGB § 249 ff
ZPO § 91
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
1) In den Jahren 1986/87 war es sachgerecht und entsprach dem zahnmedizinischen Standard, bei einem Patienten Zähne mit Amalgam-Füllungen zu versehen und zusätzlich Krönen aus anderen metallischen Werkstoffen Albabond-E (Palladium-Basis-Aufbrennkeramiklegierung) und Hera GG (goldreduzierte Goldgußlegierung) - einzugliedern. Zahnmedizinische oder medizinische Studien, die eine gesundheitsschädliche Wirkung von Amalgam allein oder in Kombination mit anderen Metallen oder Legierung belegt hätten, existierten zum damaligen Zeitpunkt nicht.

2) Ein Zahnarzt war in den Jahren 1986/87 nicht gehalten, seinen Patienten über eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Verwendung von Amalgam allein oder in Kombination mit anderen metallischen Werkstoffen aufzuklären; die damalige medizinische Diskussion um mögliche Risiken und die bereits vorhandene Kenntnis, daß bei metallischen Fremdkörpern im Mund physikalisch-chemische und galvanische Vorgänge mit der potentiellen Möglichkeit von Nebenwirkungen ablaufen, hatte sich noch nicht zu einem Verdacht ernsthafter gesundheitliche Gefahren verdichtet.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 34/99 5 O 202/96 LG Wuppertal

Verkündet am 11. Mai 2000

S, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B, den Richter am Oberlandesgericht G und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Februar 1999 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig Vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch die Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin begab sich im Juni 1986 in die zahnärztliche Behandlung des Beklagten. Zuvor waren bereits mehrere Zähne anderweitig zahnärztlich mit Amalgam-Füllungen versehen worden. Am 23. Juni 1986 versorgte der Beklagte die Zähne 26 und 27 ebenfalls mit Amalgam-Füllungen. Im Zuge der weiteren Behandlung bis zum 14. August 1986 wurden die Frontzähne im Oberkiefer - 12, 11, 21 und 22 - überkront. Der Beklagte verwandte dabei das Material Albabond-E, dabei handelt es sich um eine Palladium-Basis-Aufbrennkeramiklegierung.

Bei einer der Kronen, die sämtlich verblendet waren, zeigte sich bei der Eingliederung, daß sie an der Innenseite zu hoch war; sie wurde daraufhin an der Rückseite bis auf das Metall abgeschliffen. Während der nachfolgenden Behandlung vom 14. September bis zum 12. Oktober 1987 versah der Beklagte die Zähne 15, 16 und 17 mit Kronen aus der goldreduzierten Goldgußlegierung Hera GG. In der Folgezeit suchte die Klägerin den Beklagten im Dezember 1991 zu einer Untersuchung auf; am 26. November 1992 stellte sie sich erneut vor, und der Beklagte begann an diesem Tage mit einer Behandlung kariöser Zähne. Nach diesem Termin erschien die Klägerin nicht mehr in seiner Praxis.

Seit November 1987 klagte die Patientin über Angstgefühle, Müdigkeit bei gleichzeitig gestörtem Schlafverhalten, Kraftlosigkeit, Herzschmerzen, Kreislaufstörungen und Gelenkbeschwerden und begab sich deswegen über mehrere Jahre in ärztliche Behandlung. Im Juni 1993 suchte sie den Zahnarzt Dr. K auf; er entfernte die Amalgan-Füllungen sowie die Kronen und erneuerte die Prothetik.

Die Klägerin macht Ersatzansprüche geltend. Sie hat vorgetragen, der Beklagte habe für die Kronen minderwertige Keramik und Goldlegierungen mit einem hohen Palladium- und Kupferanteil verwandt. Dies sei mit Blick auf die bei ihr schon vorhandenen und von ihm zusätzlich eingesetzten Amalgam-Füllungen fehlerhaft gewesen. Es sei zu chemischen Reaktionen zwischen dem Amalgam und dem metallischen Material der Kronen gekommen; dadurch seien Kupfer und Quecksilber freigesetzt worden. Diese chemische Reaktion sei noch dadurch gefördert worden, daß der Beklagte die Keramiklegierung der Kronen an den Oberkieferfrontzähnen teilweise bis auf das Metall abgeschliffen habe. Nach dieser Behandlung hatten sich bei ihr, der Klägerin, ein schlechter Geschmack und eine belegte Zunge eingestellt; als sie dem Beklagten davon berichtet habe, habe er dies mit dem Bemerken, das werde sich schon legen, abgetan. Durch die Freisetzung von Quecksilber und Kupfer habe sie eine Schwermetallvergiftung erlitten, die erhebliche gesundheitliche Beschwerden verursacht habe und noch verursache.

Sie leide seit der Behandlung durch den Beklagten an Infektionsanfälligkeit, Gelenkschmerzen in Armen und Beinen, sehr starken Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisproblemen, Vergeßlichkeit, Schlafproblemen, "Rheumatismus", Haarausfall, einem körperlich geschwächten Zustand, Nervosität und Depressionen.

Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld von 80.000 DM für angemessen erachtet und geltend gemacht, der Beklagte habe ihr darüber hinaus Nachbehandlungskosten in Höhe von 13.730,13 DM zu ersetzen; zudem schulde er Ersatz von Fahrtkosten (3.918,80 DM) und Parkgebühren (1.560 DM), die bei Arztbesuchen angefallen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.

an sie 18.708,93 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr den zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden aufgrund der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung im Jahre 1986/1987 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat Behandlungsfehler in Abrede gestellt und vorgetragen, er habe sich bei der Auswahl des Materials für die Prothetik an den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen zum 1. April 1986 orientiert. Die von der Klägerin behaupteten Beschwerden sowie eine Kausalität seiner Zahnbehandlung hierfür hat der Beklagte bestritten. Darüber hinaus hat er die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und sodann die Klage abgewiesen, weil nicht feststellbar sei, daß die Patientin durch die Zahnbehandlung gesundheitlich geschädigt worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Prothetik sei unsachgemäß vorgenommen worden, weil der Beklagte entweder an der Rückseite nicht verblendete Kronen eingesetzt oder die Verblendung an der Rückseite abgeschliffen habe. Durch den ungeschützten Kontakt mit dem Edelmetall sei es zu einer verstärkten galvanischen Reaktion gekommen. Die Amalgam-Füllungen seien nicht sachgerecht ausgeführt worden; die gesamte Behandlung an den Zähnen 26 und 27 habe einschließlich der Entfernung der Karies, der Vorbereitung der Zähne und der Einlage der Füllungen keine halbe Stunde gedauert. Mangels sorgfältiger Verarbeitung des Amalgams sei daraus Quecksilber freigesetzt worden. Als sie gegenüber dem Beklagten Ende August/Anfang September 1986 über einen metallischen Geschmack und eine belegte Zunge geklagt habe, hätten die Amalgam-Füllungen entfernt werden müssen. Schließlich beruft die Klägerin sich auf ein Aufklärungsversäumnis und meint, der Beklagte hätte sie vor der Zahnbehandlung darauf hinweisen müssen, daß es durch elektrogalvanische Wechselwirkungen zu einer erhöhten Belastung ihres Körpers mit Quecksilber kommen könne. Auf ein solches Risiko hätte sie sich sodann nicht eingelassen.

Die Klägerin beantragt,

1.

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 16.708,93 DM sowie ein in das Ermessen des Senates gestelltes Schmerzensgeld, mindestens 80.000 DM, jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juni 1996 zu zahlen,

2.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr den zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden aufgrund der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung im Jahre 1986/87 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und bestreitet eine unsachgemäße Verarbeitung der Amalgam-Füllungen sowie eine Aufklärungspflicht.

Der Senat hat durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. F Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 27. März 2000 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Beklagte schuldet weder die Zahlung eines Schmerzensgeldes (§§ 823, 847 BGB) noch ist er nach den Grundsätzen einer positiven Vertragsverletzung des mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrages gemäß den §§ 611, 242, 276, 249 ff BGB oder aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung zum Ersatz schon entstandener sowie zukünftiger materieller Schäden verpflichtet.

Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen obliegt es der klagenden Partei auch im Arzthaftungsprozeß zu beweisen, daß dem in Anspruch genommenen Arzt ein zumindest fahrlässiges Versäumnis vorzuwerfen ist, das eine gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt; die Beweisaufnahme hat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit ergeben, daß diese Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind:

I.

1.

Die Verwendung des Werkstoffes Amalgam zur Füllung der Zähne 26 und 27 war sachgerecht. Wie der Sachverständige Prof. Dr. F erläutert hat, existierten im Jahre 1986 zwar bereits Kunststoffe als Füllungsmaterialien; diese waren aber wegen mangelnder Festigkeit nicht für den Einsatz an den Kaudruck tragenden Zähnen geeignet, sondern wurden nur im Frontzahnbereich eingebracht. Zur Füllung der Mahlzähne 26 und 27, die beim Kauakt ganz erhebliche Belastungen aufnehmen müssen, war Amalgam das Mittel der Wahl.

2.

Es ist nicht zu beanstanden, daß der Beklagte zusätzlich zu diesen Füllungen an anderen Zähnen Kronen aus den metallischen Werkstoffen Albabond-E und Hera GG eingegliedert hat. Der Sachverständige, der als Oberarzt einer Universitätsklinik für zahnärztliche Prothetik über große praktische Erfahrungen und umfassende wissenschaftliche Kenntnisse verfügt, hat keinen Zweifel daran gelassen, daß dieses Behandlungskonzept dem zahnmedizinischen Standard entsprach. Allerdings waren in der medizinischen Literatur auch vor der Behandlung der Klägerin in den Jahren 1986/87 immer schon Stimmen gegen eine Anwendung von Amalgam in der Zahnheilkunde laut geworden. Die damalige kontroverse Diskussion - die später in den 90iger Jahren verstärkt aufflammte - bot für den Beklagten indes mangels eines wissenschaftlich begründeten Nachweises auf toxische Wirkungen von Amalgam keinen Anlaß, Bedenken gegen die Verwendung dieses Füllstoffes und seine Kombination mit sonstigen metallischen Werkstoffen zu hegen und von einer solchen Behandlung abzusehen. Prof. Dr. F hat betont, daß damals keine medizinischen oder zahnmedizinischen Studien existierten, die eine gesundheitsschädliche Wirkung von Amalgam allein oder in Kombination mit anderen Metallen und Legierungen belegten. Nichts anderes gilt mit Blick auf die in dem "Kieler Amalgam-Gutachten 1997" erwähnte Meldung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein aus dem Jahre 1977, in der es hieß, ein Dipl.-Ing. D S sei aufgrund von Veröffentlichungen der Universität Basel zur Quecksilberabgabe aus Silberamalgam-Füllungen zu der Schlußfolgerung gelangt, derartige Füllungen seien nicht unbedenklich. Diese Meldung war nicht geeignet, die Behandlungskonzepte der Verwendung von Amalgam zusammen mit anderen metallischen Werkstoffen in Frage zu stellen, weil sich aus der Mitteilung keine neuen Aspekte ergaben. Wie Prof. Dr. F deutlich gemacht hat, war damals bereits bekannt, daß Amalgam unter Kaudruck- und Abrasionsbedingungen Ionen freisetzt; es gab jedoch keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse dahingehend, daß die aufgenommene Menge - die sehr viel geringer ist als diejenige, die dem Körper beispielsweise mit der Nahrung zugeführt wird - schädliche Wirkungen zeitigen könnte.

3.

Nach der Beurteilung des Gutachters war es aus den dargelegten Gründen auch mit Blick auf die vorhandenen Amalgamfüllungen nicht unsachgemäß, die Verblendung einer Krone an der Innenseite abzuschleifen und so auf Dauer das Metall freizulegen. Die Verblendung des metallischen Kerns einer Krone wird im sichtbaren Mundbereich nur aus aesthetischen Gründen vorgenommen; sie diente und dient nicht dazu, einen Kontakt mit anderen Materialien oder Wechselwirkungen in der Mundhöhle zu verhindern. Prof. Dr. F hat hervorgehoben, daß es damals wie heute zahnmedizinischer Standard ist, im nicht sichtbaren Bereich des Mundes Vollgußkronen ohne jegliche Verblendung einzusetzen und auch im Frontbereich Kronen einzugliedern, die auf der Rückseite nur aus Metall bestehen. Dies geschieht aus Platzgründen, wenn der zur Verfügung stehende Raum nach dem Beschleifen des Zahnes bei Schonung der Pulpa zur Aufnahme einer vollständig verblendeten Krone nicht ausreicht. Zeigt sich - wie im Streitfall - daß eine - verblendete - Krone für den Biß zu hoch ist, sie sich also nicht hinreichend einfügt, ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen sachgerecht, sie maßvoll bis zur Paßgenauigkeit zu beschleifen und die Rückseite unverblendet zu lassen, weil dadurch die Stabilität der Krone gewährleistet wird und Occlusionsstbrungen verhindert werden.

Daß der Beklagte nicht nur diese eine Krone, sondern sämtliche überkronten Frontzähne bis auf das Metall beschliffen hat, läßt sich nicht feststellen.

4.

Anhaltspunkte dafür, daß die Amalgam-Füllungen - die die Klägerin schon vor Beginn des Prozesses hat entfernen lassen und die nicht zur Begutachtung zur Verfügung stehen - nicht korrekt eingebracht worden sind, bestehen nicht. Aus der zeitlichen Dauer der diesbezüglichen Behandlung läßt sich für eine Fehlerhaftigkeit nichts ableiten. Prof. Dr. F hat darauf hingewiesen, daß zeitliche Vorgaben für die Anlage von Amalgam-Füllungen nicht existieren; der Zeitaufwand ist von den notwendigen Vorbereitungen im jeweiligen Einzelfall und vom Geschick des Behandlers abhängig.

5.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin dem Beklagten im August/September 1986 berichtet hat, sie leide unter einem metallischen Geschmack, im Mund, sowie unter einer belegten Zunge. Eine derartige Mitteilung der Klägerin unterstellt, mußte dies den Beklagten nicht veranlassen, die Amalgam-Füllungen zu entfernen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen tritt ein solches Phänomen, wie es die Patientin geschildert hat, nach der Anlage von Amalgam-Füllungen häufig auf, weil sich in der ersten Zeit danach verstärkt Ionen lösen. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Passivierung der metallischen Oberfläche lassen diese Erscheinungen von allein nach. Anlaß, eine Entfernung der Füllungen in Betracht zu ziehen, besteht für den Zahnarzt nur dann, wenn sich daran Risse oder Schäden zeigen. Da hierfür im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen, hat Prof. Dr. F die von der Klägerin behauptete Auskunft des Beklagten, es bestehe kein Grund zur Beunruhigung, die geschilderten Erscheinungen gäben sich wieder, als korrekt bezeichnet. Die von der Patientin behauptete Zunahme des metallischen Geschmacks beim Verzehr sehr warmer oder kalter Getränke kann nach der Beurteilung des Sachverständigen nicht mit der Verwendung metallischer Materialien im Mund in Zusammenhang gebracht werden, weil Temperaturschwankungen nicht zu einer verstärkten Freisetzung von Ionen führen können.

II.

Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines Aufklärungsversäumnisses.

Die Pflicht zur Risikoaufklärung setzt voraus, daß das jeweilige Risiko zum Zeitpunkt der Behandlung bekannt ist. Ist dies der Fall, so ist darüber selbst dann aufzuklären, wenn die wissenschaftliche Diskussion noch nicht abgeschlossen ist und zu allgemein akzeptierten Ergebnissen geführt hat. Genügend, aber auch erforderlich ist, daß gesundheitliche Gefahren ernstlich in Betracht gezogen werden müssen. Dies war nach der Beurteilung des Sachverständigen nach dem Stand des medizinischen Wissens im Jahre 1986/87 nicht der Fall. Prof. Dr. F hat deutlich gemacht, daß die damaligen Diskussionsbeiträge und die - schon vorhandene - Kenntnis, daß bei metallischen Fremdkörpern im Mund physikalisch-chemische und galvanische Vorgänge mit der potentiellen Möglichkeit von Nebenwirkungen ablaufen, sich noch nicht zu einem Verdacht ernsthafter gesundheitlicher Gefahren verdichtet hatten, der zu einer Aufklärung hätte Anlaß geben müssen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin liegt über 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

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