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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 8 U 49/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 459
BGB § 462
BGB § 465
BGB § 463
BGB § 476
BGB § 464
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Gibt ein Gebrauchtwagenhändler die Laufleistung eines Fahrzeugs irrtümlich mit 61.000 km statt mit 65.300 km an, kann nicht ohne weiteres vom Fehlen eine zugesicherten Eigenschaft ausgegangen werden. Übernimmt ein Käufer den Wagen in Kenntnis des tatsächlichen Kilometerstands, muß er einen dabei hinsichtlich de Laufleistung erklärten Vorbehalt alsbald durchsetzen; fährt er mit dem PKW innerhalb eines Jahres 15.000 km, kommt eine Rückabwicklung des Vertrages nicht mehr in Betracht.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 14. Dezember 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B sowie die Richter am Oberlandesgericht G und S

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Februar 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Mönchengladbach teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

"Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers" und "Stand des km-Zählers" jeweils die Zahl 61.000 eingetragen. Außerdem wird in der Urkunde auf einen behobenen Schaden im Bereich der linken Vordertür hingewiesen. Der Kaufpreis von 26.500 DM wurde in Höhe eines Betrages von 1.500 DM durch Übergabe eines Altfahrzeugs des Typs Ford Escort erfüllt. Aus Anlaß des Kaufvertrages schloß der Kläger ferner eine Garantievereinbarung, für die er 400 DM zu zahlen hatte. Am 4. September 1998 wurde das Fahrzeug übergeben und der Restkaufpreis von 25.900 DM in bar gezahlt (vgl. Bl. 13 GA). Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, daß der Kilometerstand des Wagens tatsächlich bei 65.300 km lag. Mitte September 1998 trat an dem Motor des Fahrzeugs ein Schaden auf; dieser Mangel wurde durch Einbau eines neuen Motors behoben; die Kosten für diese Reparatur wurden von der Garantie abgedeckt. Im Oktober 1998 beanstandete der Kläger ferner ein ungewöhnliches Geräusch beim Betrieb des Fahrzeugs; er schaltete einen Sachverständigen ein, der allerdings keinen Mangel als Ursache für diese Erscheinung feststellen konnte.

Der Kläger, der mit dem Wagen bis zur letzten erstinstanzlichen Verhandlung 15.000 km gefahren ist, verlangt die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses. Er hat behauptet, der Wagen habe einen Unfall gehabt, bei dem die gesamte linke Fahrzeugseite geschädigt worden sei; diesen Umstand habe die Beklagte arglistig verschwiegen. Zudem sei die Windschutzscheibe - die unstreitig im Februar 1995 ausgetauscht wurde (vgl. Bl. 36 GA) - bei einem Unfall beschädigt worden. Darüber hinaus habe die Beklagte bei dem Verkaufsgespräch erklärt, der Wagen sei "aus erster Hand"; tatsächlich seien in den Fahrzeugpapieren zwei Voreigentümer eingetragen. Schließlich sei der Verkäuferin die erhebliche Überschreitung des zugesicherten Kilometerstandes vorzuwerfen; insoweit habe er - der Kläger - sich weitergehende Rechte bei der Übernahme des Wagens vorbehalten.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.900 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Lancia K 2,4 LS mit dem amtlichen Kennzeichen, Fahrzeugidentitätsnummer:;

2.

festzustellen, daß die Beklagte sich mit der Annahme des PKW Lancia K 2,4 LS mit dem amtlichen Kennzeichen, Fahrzeugidentitätsnummer in Annahmeverzug befinde.

Die Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie habe den ihr bekannten Unfallschaden in vollem Umfang offenbart; tatsächlich sei bei dem Zusammenstoß lediglich die linke Vordertür beschädigt worden; die Lackierung des Kotflügels und der Hintertür seien nur erforderlich gewesen, um eine Farbabweichung zu vermeiden. Die Windschutzscheibe sei durch bloßen Steinschlag, nicht aber durch einen Unfall beschädigt worden. Die falsche Laufleistung in der schriftlichen Bestellung beruhe auf einem Irrtum; als der Voreigentümer ein Neufahrzeug bestellt habe, habe der Kilometerstand bei 61.000 km gelegen; anschließend sei er bis zur Übernahme seines neuen Wagens weitere 4.300 km gefahren; dieser Umstand sei versehentlich bei der Ausfüllung des Formblattes unbemerkt geblieben. Ein Wandlungsrecht könne der Kläger auf diese Abweichung nicht stützen: Zum einen sei die Überschreitung der angegebenen Laufleistung nur geringfügig; zum anderen habe der Kläger den Wagen in Kenntnis des richtigen Kilometerstandes anstandslos übernommen.

Die 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Mönchengladbach hat durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben und sodann durch Urteil vom 1. Februar 2000 der Zahlungsklage in Höhe eines Betrages von 23.450 DM nebst Zinsen sowie dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattgegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wendet sich gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung und trägt vor, der Kläger könne die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses keinesfalls auf die geringfügige Überschreitung der zugesicherten Laufleistung stützen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils gänzlich abzuweisen.

Der Kläger erklärt den Rechtsstreit wegen einer weiteren Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.070 DM in der Hauptsache für erledigt und stellt im übrigen den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger ist nicht berechtigt, nach den §§ 459, 462, 465 BGB Wandlung des Kaufvertrages oder gemäß § 463 BGB Schadensersatz zu verlangen:

I.

In dem von den Parteien geschlossenen Kaufvertrag sind die normalen Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen worden. Dies ist bei Gebrauchtfahrzeugen - wie sich aus § 476 BGB ergibt - grundsätzlich rechtlich unbedenklich.

II.

Angesichts dessen käme eine Haftung der Beklagten nur in Betracht, wenn dem verkauften Wagen im Zeitpunkt der Übergabe eine ausdrücklich zugesicherte Eigenschaft gefehlt hätte oder wenn bei den Verhandlungen ein Mangel arglistig verschwiegen worden wäre. Diese Anspruchsvoraussetzungen hat der Kläger im Ergebnis nicht bewiesen:

1)

Zutreffend ist allerdings, daß die Laufleistung des Wagens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht - wie in der schriftlichen Urkunde angegeben - bei 61.000 km, sondern tatsächlich bei 65.300 km lag. In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, daß die Angabe eines bestimmten Kilometerstandes als Zusicherung einer Eigenschaft gewertet werden kann. Dennoch kann die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt werden:

a)

Die Abweichung von 4.300 km erscheint im Ergebnis unwesentlich und für den Kaufentschluß von nur untergeordneter Bedeutung. Der Wert und die Gebrauchstauglichkeit des Wagens wurde durch die verhältnismäßig geringe Überschreitung der angegebenen Laufleistung nicht oder jedenfalls nicht wesentlich beeinflußt.

b)

Der Geltendmachung des Ersatzanspruchs steht ferner § 464 BGB entgegen. Feststeht, daß der Kläger das Fahrzeug in Kenntnis des Mangels übernommen hat; ihm ist anläßlich der Übergabe nämlich unstreitig der tatsächliche Kilometerstand aufgefallen. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob er gegenüber dem Verkäufer bei dieser Gelegenheit ausdrücklich bemerkt hat, er werde "auf diese Angelegenheit noch zurückkommen"; ein solcher Vorbehalt weitergehender Rechte ist nämlich jedenfalls im weiteren Verlauf konkludent fallengelassen worden. Der Kläger konnte die Durchsetzung der seines Erachtens auf die Überschreitung der angegebenen Laufleistung gestützten Gewährleistungsansprüche keineswegs zeitlich beliebig lange aufschieben. Noch im September 1998 hat er einen neuen Motor in das Fahrzeug einbauen lassen und den Wagen anschließend normal weitergenutzt. Da die Laufleistung aus Sicht eines Käufers vornehmlich Rückschlüsse auf den Zustand und die Haltbarkeit des Motors zuläßt, hat der Kläger durch dieses Verhalten zu erkennen gegeben, daß er die ursprüngliche Beanstandung nicht aufrechterhalten wolle; die Beklagte konnte deshalb davon ausgehen, das Vertragsverhältnis werde wie vereinbart abgewickelt.

2)

Der Verkäuferin ist ferner nicht der Vorwurf zu machen, sie habe bei den Vertragsverhandlungen einen Mangel des Wagens arglistig verschwiegen:

a)

Unstreitig wurde seitens der Beklagten ein Unfallschaden an der linken Vordertür offenbart und dessen sachgerechte Reparatur behauptet. Den zu den Akten gereichten Unterlagen ist zu entnehmen, daß diese Angaben im Ergebnis zutreffend waren.

Zwar wird in dem Gutachten des Sachverständigen M erwähnt, daß auch am Kotflügel und an der Hintertür Zierleisten und Griffe aus- und eingebaut wurden; diese Maßnahmen waren aber nur erforderlich, um bei der anschließenden Lackierung der gesamten Fahrzeugseite Farbabweichungen zu vermeiden; weitere Teile wurden nicht erneuert. Daß von dem Zusammenstoß tatsächlich ausschließlich die Vordertür betroffen war, ergibt sich ferner aus den zu den Akten gereichten Lichtbildern (Bl. 109 GA); der von dem Kläger beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es unter diesen Umständen nicht.

b)

Zutreffend ist, daß die Windschutzscheibe des Wagens einmal erneuert werden mußte. Dieser Vorfall mußte aber von der Beklagten nicht offenbart werden: Ausweislich der Reparaturrechnung (Bl. 36 GA) erfolgte der Austausch bereits im Februar 1995, also wenige Tage nach der Erstzulassung des Fahrzeugs. Da bei dieser Gelegenheit keine weiteren Arbeiten durchgeführt wurden, ist davon auszugehen, daß der Schaden nicht auf einen Zusammenstoß, sondern auf einer direkten Beeinträchtigung der Scheibe - beispielsweise durch Steinschlag - beruhte. Durch die Erneuerung der Scheibe konnte der Schaden vollständig behoben werden; der Vorfall hatte keinen Einfluß auf die im Jahre 1998 geführten Kaufverhandlungen.

3)

Schließlich ist die Behauptung des Klägers, man habe ihm ursprünglich angepriesen, er könne den Wagen "aus erster Hand" erwerben, nicht erfolgversprechend. In der schriftlichen Bestellung vom 1. September 1998 sind ausdrücklich zwei Vorbesitzer aufgeführt; in Kenntnis dieser Angabe hat sich der Kläger vor Unterzeichnung der Bestellung zum Kauf entschlossen.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Beschwer des Klägers liegt unter 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

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