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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 8 U 54/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 19. Dezember 2002
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B. sowie die Richter am Oberlandesgericht S. und T.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. März 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Bei der 1947 geborenen Klägerin, die in der Vergangenheit mehrfach ärztlich wegen eines nicht erfüllten Kinderwunsches behandelt worden war, zeigte sich erstmals Anfang 1981 im Rahmen einer Bauchspiegelung eine (seinerzeit geringe) Myombildung am Uterus, die sich in den Folgejahren verstärkte. Im März 1992 stellte sich die Klägerin wegen eines jetzt doppelfaustgroßen, mehrknolligen Uterus myomatosus im Krankenhaus Viersen vor; die ihr dort gegebene Empfehlung einer Gebärmutterentfernung lehnte sie wegen des weiter bestehenden Kinderwunsches ab. Im April 1992 erfolgte eine laparoskopische Operation, bei der die Myome allerdings nicht vollständig entfernt werden konnten. Im Rahmen einer von dem Frauenarzt Dr. P. am 9. August 1993 vorgenommenen diagnostischen Hysteroskopie (Bl. 9 BA), bei der u.a. Adhäsionen gelöst wurden, zeigte sich der Uterus mehrknollig myomatös, mit mehreren nach hinten ausladenden Myomen mit einem Durchmesser von 2 bis etwa 4 cm. Es wurde daraufhin eine medikamentöse Behandlung mit sog. GnRH-Analoga begonnen, die zu einer Verkleinerung des Uterus und der Myome führte.
Weil es nach Beendigung der Behandlung zu einem erneuten Wachstum der Myome kam, stellte sich die Klägerin am 2. Oktober 1995 und danach am 20. Oktober 1995 in der Praxis des Beklagten zu 2), der niedergelassener Frauenarzt ist, mit dem Wunsch einer weiteren medikamentösen Behandlung vor. Nach Durchführung einer klinischen Untersuchung und einer Ultraschalluntersuchung empfahl der Beklagte zu 2) eine Entfernung der Gebärmutter; die von der Klägerin gewünschte medikamentöse Behandlung lehnte er ab. Noch am 20. Oktober 1995 und danach am 30. Oktober 1995 suchte die Klägerin den ebenfalls als Frauenarzt praktizierenden Beklagten zu 1) mit der Frage nach Alternativen zu einer Gebärmutterentfernung auf. Eine von ihr weiterhin gewünschte medikamentöse Therapie zur Behandlung der Myome lehnte auch der Beklagte zu 1) ab. Nach einer erneuten Rücksprache mit dem Beklagten zu 2) überwies dieser die Klägerin nunmehr an den Chefarzt des M-H, Dr. D., der nach einer Untersuchung der Klägerin ebenfalls zu einer operativen Behandlung riet, die die Klägerin allerdings weiterhin ablehnte und bislang auch nicht hat durchführen lassen.
Im Rahmen eines von der Klägerin am 6. April 1999 gegen die Beklagten eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens hat der Direktor der Ersten Frauenklinik der L.-M.-Universität M., Prof. Dr. K. ein schriftliches Gutachten zur Frage der indizierten Behandlung des bei der Klägerin vorliegenden Uterus myomatosus erstellt.
Die Klägerin nimmt die Beklagten vorliegend auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Sie hat beiden Beklagten vorgeworfen, eine von ihr gewünschte und ihrer Darstellung zufolge erfolgversprechende medikamentöse Behandlung der aufgetretenen Myome am Uterus abgelehnt und demgegenüber eine nach der Befundlage nicht indizierte Gebärmutterentfernung empfohlen zu haben. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass es wegen der verweigerten medikamentösen Behandlung zu einem weiteren Wachstum der Myome gekommen sei, was die Beklagten zu vertreten hätten. Weil der Uterus daher zwischenzeitlich auf die Blasenwand drücke, habe sich ein Inkontinenzleiden entwickelt, welches die Lebensführung in erheblichem Maße beeinträchtige. Auf die Möglichkeit solcher Komplikationen hätten die Beklagten hinweisen müssen.
Gegen die Klägerin war wegen ihrer Säumnis in dem Verhandlungstermin vor dem Landgericht Duisburg am 23. Mai 2001 ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen, gegen das sie fristgemäß Einspruch eingelegt hat. Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
die Beklagten unter Abänderung des Versäumnisurteils vom 23. Mai 2001 zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 20.000 DM zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
das Versäumnisurteil vom 23. Mai 2001 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, die von der Klägerin gewünschte medikamentöse Behandlung zu Recht verweigert zu haben. Die Verordnung der in Betracht kommenden Medikamente sei nicht indiziert gewesen; eine endgültige Beseitigung der Myome habe nur durch eine Hysterektomie erzielt werden können.
Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. K.. Durch das am 27. März 2002 verkündete Urteil hat die Kammer das Versäumnisurteil vom 23. Mai 2001 aufrechterhalten.
Gegen die Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie wiederholt den Vorwurf einer fehlerhaften Behandlung und Beratung durch die Beklagten, weil die Empfehlung zur Entfernung der Gebärmutter ihrem seinerzeit weiter bestehenden - allerdings nicht in erster Linie maßgeblichen - Kinderwunsch und der Notwendigkeit einer Verkleinerung der Myome nicht Rechnung getragen habe. Die Klägerin widerspricht der Darstellung des Sachverständigen, wonach eine weitere medikamentöse Behandlung mit GnRH-Analoga kontraindiziert war und macht geltend, dass jedenfalls bei einer zeitweisen Unterbrechung der medikamentösen Behandlung sowie einer gleichzeitigen Gabe von Hormonen keine Bedenken gegen eine solche Therapie bestanden hätten. Weil diese Behandlung von ihr gewünscht wurde, hätten die Beklagten diesem Wunsch nachkommen müssen. Im übrigen wirft die Klägerin den Beklagten ein Aufklärungsversäumnis vor, weil sie sie nicht über die Möglichkeit einer (bloßen) Ausschabung der Myome unterrichtet, sondern alleine eine Gebärmutterentfernung empfohlen hätten.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 10.225,84 ?, zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat das klageabweisende Versäumnisurteil zu Recht aufrecht erhalten. Den Beklagten sind weder Fehler im Zusammenhang mit der Behandlung und ärztlichen Beratung der Klägerin vorzuwerfen, noch fallen ihnen Aufklärungsversäumnisse zur Last.
I.
Die Weigerung einer Verordnung von GnRH-Analoga zur medikamentösen Behandlung des Uterus myomatosus durch die Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die Ablehnung einer solchen Medikation stellt sich - wie die Beweisaufnahme überzeugend ergeben hat - vielmehr als eine in jeder Hinsicht verantwortungsbewußte ärztliche Entscheidung dar. Prof. Dr. K., der als Direktor einer Frauenklinik über umfassende wissenschaftliche und praktische Erfahrung zur Beurteilung des streitgegenständlichen medizinischen Sachverhaltes verfügt, hat sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei seiner Anhörung vor dem Landgericht deutlich gemacht, dass die medikamentöse Behandlung eines Uterus myomatosus mit GnRH-Analoga wegen des nur sehr eingeschränkt erreichbaren Erfolges und der gleichzeitigen erheblichen Nebenwirkungen in nur sehr begrenztem Umfang erfolgen darf. Aufgrund des durch das Medikament bewirkten Hormonabfalls kommt es zwar zu einer - vorübergehenden - Verkleinerung der Myome; andererseits treten tiefgreifende negative körperliche wie auch seelische Veränderungen bei der Patientin auf, die bei längerer Gabe (länger als sechs Monate) zu irreversiblen Schäden führen können (Gutachten vom 14. April 1998, Seite 7, 8 = GA 49, 50). Vertretbar ist nach der Darstellung des Sachverständigen, die im übrigen der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. van der V. in dem von der Klägerin gegen den Arzt Dr. N. geführten Rechtsstreit (11 O 118/95 LG Duisburg) entspricht, eine solche Medikation daher nur für einen Zeitraum von allenfalls sechs Monaten, wobei die Behandlung auch nur zu einem vorläufigen Erfolg führt, weil es nach dem Absetzen des Medikamentes zu einem erneuten Wachstum der Myome kommt. Prof. Dr. K. hat darauf hingewiesen, dass die medikamentöse Therapie deshalb in erster Linie zur Vorbereitung einer wegen der Myome geplanten Operation sinnvoll ist. Der Vorstellung der Klägerin, die Behandlung mit GnRH-Analoga hätte wegen ihres zeitlich vorhersehbaren Klimakteriums und eines danach ohnehin endenden Wachstums der Myome intervallweise unter Einhaltung bestimmter Medikationspausen erfolgen können, ist der Sachverständige nachhaltig entgegengetreten. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass das Verhalten der Beklagten dem medizinischen Standard entsprach und sich die von der Klägerin gewünschte Verordnung von GnRH-Analoga als Behandlungsfehler dargestellt hätte.
Keine andere Beurteilung ergibt sich aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme der T- GmbH vom 1. August 2001. Dort werden zwar Therapien beschrieben, die eine Minderung der erheblichen Nebenwirkungen bei der indizierten Gabe GnRH-Analoga bewirken sollen. Nicht in Zweifel gezogen wird hierdurch allerdings die fundierte Darstellung von Prof. Dr. K., wonach eine solche medikamentöse Behandlung bei einer Patientin im Alter der Klägerin von damals 48 Jahren mit rezidivierender Myombildung eindeutig kontraindiziert war.
Prof. Dr. K. hat im übrigen deutlich gemacht, dass die Empfehlung einer Gebärmutterentfernung im Falle der Klägerin medizinisch sinnvoll und verantwortlich war. Dabei hat er darauf hingewiesen, dass das Beschwerdebild des Uterus myomatosus alleine durch diese Operation völlig behoben werden kann. Nur bei jüngeren Frauen mit bestehendem Kinderwunsch wird der Versuch unternommen, Myome durch Herausschälen aus der Gebärmutter zu entfernen, um damit weiterhin eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugen: Es ist zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin bereits 1992 eine laparoskopische Myomoperation erfolgt war, bei der nicht sämtliche Myome entfernet werden konnten und dass der Klägerin bereits damals eine Gebärmutterentfernung nahegelegt worden war. Hinzu kommt, dass die Klägerin bereits 48 Jahre alt war, als sie sich in die Behandlung der Beklagten begab und trotz ihres seinerzeit offenbar weiterhin bestehenden Kinderwunsches eine Schwangerschaft nicht mehr ernsthaft in Betracht kam.
II.
Der Vorwurf der Klägerin, die Beklagten hätten eine erforderliche Aufklärung über die Möglichkeit einer Ausschabung der Myome oder deren vorübergehende Wachstumshemmung durch eine zeitweise medikamentöse Behandlung unterlassen, ist unberechtigt. Über die Möglichkeit der Gabe von GnRH-Analoga bedurfte es keiner Aufklärung, weil die Klägerin die Beklagten mit dem ausdrücklichen Wunsch einer entsprechenden Verordnung aufsuchte und weil es keiner Beratung über die Möglichkeit der Verabreichung kontraindizierter Medikament bedurfte. Weil sich die Klägerin mit dem ausdrücklichen Verlangen einer medikamentösen Therapie in die Behandlung der Beklagten begab, waren diese auch nicht verpflichtet, sie über mögliche Operationsalternativen zur Beseitigung der vorhandenen Myome aufzuklären. Es war vielmehr sinnvoll und ausreichend, die Klägerin auf die Kontraindikation der Einnahme von GnRH-Analoga hinzuweisen und ihr eine Gebärmutterentfernung als Therapie nahezulegen. Auf die Möglichkeit einer operativen Abtragung der Myome brauchten die Beklagten unter diesen Umständen nicht hinzuweisen, zumal die Klägerin aufgrund der im Jahre 1992 erfolgten operativen Entfernung vorhandener Myome von der grundsätzlichen Möglichkeit eines solchen Vorgehens wusste.
B.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Beschwer der Klägerin:
10.225,84 ?.
Ende der Entscheidung
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