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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.11.2000
Aktenzeichen: 9 U 101/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 421
BGB § 1108 Abs. 1
BGB § 414
BGB § 415
BGB § 415 Abs. 3
BGB § 1108
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 101/00

Verkündet am 27. November 2000

pp.

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P, den Richter am Oberlandesgericht C und den Richter am Landgericht M

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1. März 2000 verkündete Urteil der 2.a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39.618,65 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.09.1999 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch in geltend gemachter Höhe zu. Sie kann die Beklagte auf Ausgleich der ab Juli 1998 an die Mutter erbrachten Rentenzahlungen in Anspruch nehmen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Rentenzahlungsanspruch von Frau L aus dem Vertrag vom 07.05.1976 ist zudem kraft Gesetzes auf die Klägerin in Höhe der Zahlungen übergegangen, so dass die Beklagte auch aus diesem Grund Zahlung schuldet(§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dass die Klägerin gegenüber Frau L im Außenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, führt nicht dazu, einen Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis der Parteien zu verneinen.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne von § 421 BGB. Beide Parteien sind gegenüber Frau L (im Außenverhältnis) zur Zahlung der lebenslangen Rente bis zu deren Tode verpflichtet.

Der persönliche Anspruch der Mutter gegen die Beklagte beruht auf dem Rentenversprechen des Vaters aus der Urkunde vom 07.05.1976, in der sich Herr L verpflichtet hatte, eine wertgesicherte Rente zu zahlen. Bei dieser Verpflichtung handelt es sich um eine schuldrechtliche, vertragliche Nachlaßverbindlichkeit, die auf die Beklagte als Erbin übergegangen ist (§§ 1922 Abs. 1, 1967 BGB). Die Haftung des Erben erstreckt sich auf die Nachlaßverbindlichkeiten, zu denen die vom Erblasser herrührenden Schulden gehören. Die gegenüber der Mutter zu zahlende Rente ist zu Lebzeiten des Vaters begründet worden. Sie ist nicht mit dem Tod von Herrn L erloschen, auch wenn ihre Folgen erst nach dem Erbfall eintreten (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB 59. Aufl., § 1967 Rdnr. 2 ff). Die persönliche Verpflichtung der Klägerin hingegen beruht allein auf § 1108 Abs. 1 BGB - einer gesetzlichen Folge - der zugunsten von Frau L auf dem Grundstück der Klägerin eingetragenen Reallast.

Die Verpflichtungen beider Parteien sind im Sinne einer Tilgungsgemeinschaft miteinander verbunden. Diese Zweckverbundenheit ist für eine gesamtschuldnerische Haftung im Sinne von § 421 BGB charakteristisch. Für die Annahme einer Gesamtschuld ist nicht erforderlich, dass die Forderungen auf dem gleichen Rechtsgrund beruhen (vgl. BGH NJW 1991, S. 2899). Dem steht nicht entgegen, dass die Reallast die Rente nur sichern soll und deswegen nicht auf die gleiche Stufe mit der persönlichen Verpflichtung der Beklagten gestellt werden kann.

2. Die Beklagte muß vorrangig für die Rente ihrer Mutter aufkommen und aus diesem Grunde die Leistungen der Klägerin ausgleichen. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin die Zahlungen als "weitere Kaufpreiszahlung" ohne Ausgleichsmöglichkeit alleine zu tragen hat.

Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander im allgemeinen zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Auslegungsregel ist bei Fehlen eines anderen Verteilungsmaßstabes anzuwenden.

Derjenige Gesamtschuldner, der eine von der gesetzlichen Zweifelsregelung abweichende Verteilung verlangt, muß dass darlegen und beweisen (vgl. BGH NJW 1988, S. 134). Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus Absprachen der Gesamtschuldner ergeben, aber auch aus dem Kontext des Rechtsgeschäfts und der Natur der Sache.

a) Eine Auslegung des Vertrages des Jahres 1992 ergibt zunächst, dass die Klägerin die Rentenverpflichtung aus dem Vertrag des Jahres 1976 nicht vertraglich übernommen hat (§§ 414, 415 BGB). Die Absprachen zwischen Klägerin und Herrn L haben die persönlichen Verpflichtungen von Herrn L aus dem Rentenversprechen unberührt gelassen. Aus diesem Grunde kann der für eine übernommene Schuld geltende Verteilungsmaßstab nicht herangezogen werden, wonach im Zweifel der Übernehmer die Erfüllung der Schuld übernimmt (§ 415 Abs. 3 BGB). Von der reallastgesicherten Forderung - hier dem Rentenversprechen - ist die persönliche Haftung des Grundstückseigentümers für die Einzelleistungen aus § 1108 BGB zu unterscheiden. Die aus der Eintragung der Reallast kraft Gesetzes folgende Haftung führt nicht zu einem automatischen Übergang des Rentenversprechens auf die Erwerberin des Grundstücks. Das Rentenversprechen geht auf den Grundstückserwerber nur bei einer gesonderten Schuldübernahme über (vgl. BGH NJW-RR 1989, S. 1098; Palandt/Bassenge, § 1105 Rdnr. 1).

Der Vertrag enthält zu einer Schuldübernahme keine ausdrücklichen Bestimmungen. Eine die Beklagte von ihrer Verpflichtung gegenüber der Mutter befreiende Schuldübernahme würde ohnehin eine Genehmigung von Frau L voraussetzen, für die nichts ersichtlich ist (§ 415 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Vertragsbeteiligten des Jahres 1992 waren sich lediglich darüber einig, dass die dingliche Belastung im Grundbuch "bestehen bleiben muß". Damit war nur klargestellt, dass mit dem Grundstücksübergang die Reallast besehen bleiben und das Grundstück als Sicherungsobjekt der Mutter notfalls weiter zur Verfügung stehen würde. Die Klägerin und Herr L haben sich ausschließlich über die Folgen einer denkbaren Inanspruchnahme durch Frau L aus der Reallast verständigt.

b) Abweichend von der Ansicht des Landgerichts (und auch des Landgerichts Essen im Vorprozeß) läßt sich dem Vertrag auch nicht entnehmen, dass die Klägerin im Falle der Inanspruchnahme durch Frau L die Rentenzahlungen ausgleichslos als "weitere Kaufpreisleistung" zu erbringen hat. Diese mißverständliche Formulierung des Kaufvertrages beinhaltet keine vertragliche Einigung darüber, dass die Klägerin intern für die Rentenzahlungen der Mutter aufkommen sollte. Der Sache nach handelt es sich um einen bloßen Risikohinweis des Notars an die Klägerin für den Eintritt des Sicherungsfalls.

Die Reallast ist bei ihrer Begründung ein reines Sicherungsmittel gewesen. Persönlicher Schuldner der Rente und Sicherungsgeber war der Vater der Beklagten. Zweifelsfrei mußten die Zahlungen vorrangig aus dem Rentenversprechen vom Vater und nicht aus der Reallast erbracht werden. An dieser Situation hat die Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin nichts geändert. Die Inanspruchnahme des Sicherungsgebers läßt typischerweise den Rückgriff auf den persönlichen Schuldner zu. Diese Folge haben die Vertragsbeteiligten auch ausdrücklich geregelt. Der Vertrag berechtigte die Klägerin nämlich dazu, Rentenzahlungen an Frau L vom Kaufpreis (in Gestalt der Rente an Herrn L abzuziehen. Hierin liegt eine Verteilung des Leistungsrisikos zugunsten der Klägerin, der Rückgriff wurde ausdrücklich zum Vorteil der Klägerin geregelt. Durch den Erbfall hat sich die Ausgangslage nicht verändert. Lediglich die Dauer der auf den Kaufpreis an den Vater zu zahlenden Rente hat sich auf sechs Jahre verkürzt, nicht aber der Sicherungscharakter der Reallast. Zudem hat Herr L zu Lebzeiten die Rente an seine Frau ohne weiteres gezahlt, was nicht verständlich wäre, wenn die Klägerin dafür intern auch nur teilweise hätte aufkommen sollen. Hätte die Klägerin an Stelle von Herrn L geleistet, hätte sie ihre Zuwendungen an ihn entsprechend kürzen dürfen. Der Vertrag hätte Herr L keine Handhabe gegeben, den gekürzter. Betrag als "weitere Kaufpreiszahlung" von der Beklagten nachzufordern. Die Klägerin sollte mithin weder nach außen noch intern mit der Rente der Mutter belastet werden.

Für diese Auslegung spricht außerdem, dass der Vertrag den Sicherungsgehalt der Reallast an mehreren Stellen erwähnt, wie die Formulierungen "zur Vermeidung von Rechtsnachteilen" und "erforderlichenfalls" deutlich machen. An anderer Stelle gibt Herr L ferner an, sich "bemühen" zu wollen, die Rente anderweitig "abzusichern", was zeigt, dass beabsichtigt war, die Klägerin sogar vom Risiko einer Sicherheitenverwertung zu entlasten. Dass die Vertragsbeteiligten keine Verpflichtung zur Löschung der Reallast vereinbart haben, sondern lediglich ein "Bemühen", bedeutet nichts Gegenteiliges. Da die Klägerin die Rente an Herrn L - für den Fall der Inanspruchnahme durch Frau L - hätte kürzen können, hätten sie keine finanziellen Nachteile treffen können.

Insofern bestand keine Veranlassung dazu, über das "Bemühen" hinaus weiteres zu regeln.

Auch der Wortlaut des Vertrages, wonach die Klägerin sich erbrachte Leistungen "erforderlichenfalls" als "weitere Kaufpreiszahlung" anrechnen lassen wollte, läßt keine gegenteiligen Schlüsse zu. Insoweit handelt es sich nicht um eine vertragliche Absprache der Vertragsbeteiligten. Der Notar hat der Klägerin lediglich durch einen Hinweis das Risiko vor Augen geführt, dass sie notfalls die Rente an die Mutter zahlen muß, wenn kein anderer dazu in der Lage ist und sie aus tatsächlichen Gründen - etwa einer Insolvenz der Erben - Zahlungen nicht würde erstattet bekommen. Dieses Risiko hat der Notar - mißverständlich formuliert - als "weitere Kaufpreiszahlung" bezeichnet.

Die Argumentation der Beklagten, ihr Vater habe sie für den Fall des Todes nicht mit Rentenverbindlichkeiten gegenüber der Mutter belasten wollen, ändert an der Ausgangslage nichts. Die Übernahme der Rentenverpflichtung folgt aus dem Gesetz und kann vom Erben durch Ausschlagung der Erbschaft oder den Einwand der beschränkten Erbenhaftung abgewehrt werden. Die Beklagte ist als Erbin lediglich an die Stelle ihres Vaters getreten und kann keine weitergehenden Rechte in Anspruch nehmen, als ihrem Vater zustanden. Auch das Einstellen der Rentenzahlungen an Frau L kann nicht dazu führen, dass die Klägerin ihre Rückgriffsmöglichkeit verliert.

3. Der Anspruch steht der Klägerin auch der Höhe nach zu. Die Beklagte hat nur bestritten, dass die Klägerin die Zahlungen in Höhe der Klageforderung ab Juli 1998 "ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht erbracht hat". Die Tatsache der Zahlung selbst ist unstreitig, wie im Senatstermin geklärt worden ist.

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 21.09.2000 enthält Rechtsausführungen und gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert und die Beschwer der Beklagten betragen 39.618,65 DM.

Mangels grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz besteht keine Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 546 ZPO).

Ende der Entscheidung

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