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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.09.2000
Aktenzeichen: 9 U 119/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 940
ZPO § 91
ZPO § 100
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 545 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 890
BGB § 226
BGB § 903
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 4. September 2000

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2000 durch den vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P, den Richter am Oberlandesgericht G und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 18. April 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal abgeändert.

1.

Der Verfügungsbeklagte zu 1) wird verurteilt, den auf dem Eckpunkt seines Grundstücks J und die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) werden verurteilt, den auf dem Eckpunkt ihres Grundstückes J S errichteten Stahlpfosten - jeweils an der trichterförmigen Einmündung zu dem im Eigentum der Stadt S stehenden W, Grundbuch von D Flur, Flurstück, in Richtung zum Haus J zu entfernen.

2.

Die Verfügungsbeklagten werden ferner verurteilt, die drei Felsbrocken zu entfernen, die auf den Grundstücken, Grundbuch von D Flur; Flurstücke, in Höhe der trichterförmigen Einmündung zu dem im Eigentum der Stadt S stehenden Waldweg J (Grundbuch von D Flur, Flurstück gelagert sind.

3.

Den Verfügungsbeklagten wird untersagt, durch Aufstellen von Stahlpfosten oder Verlegen von Felsbrocken oder Schaffung ähnlicher Einzelobjekte die Einfahrt in den Waldweg J entlang dem Grundstück der Stadt S Grundbuch von D Flur, Flurstück S zu behindern.

Für jeden Fall der Widerhandlung wird ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

4.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Verfügungsbeklagte zu 1) zu 1/2 und die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) zu je 1/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 543 Abs. 1. 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Das angegriffene Urteil ist abzuändern und die beantragten Maßnahmen zur Regelung eines einstweiligen Zustandes sind gemäß § 940 ZPO anzuordnen.

1. Der Verfügungskläger kann gemäß § 226 BGB von den Verfügungsbeklagten die Beseitigung der im Einmündungsbereich des Waldweges J - Abzweig in Richtung des Hauses des Verfügungsklägers J - aufgestellten Stahlpfosten sowie die Entfernung der auf der gegenüberliegenden Seite deponierten Felsbrocken verlangen. Zukünftige Blockaden dieser Einfahrt durch Stahlposten, Steinbrocken oder vergleichbare Objekte sind zu unterlassen.

Ein Anspruch gemäß § 226 BGB setzt objektiv voraus, dass die Rechtsausübung keinen anderen Zweck hat, als dem anderen einen Schaden zuzufügen (vgl. BGH NJW 1975, 1313, 1314; Staudinger-Werner, § 226 BGB, Rdnr. 9).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Aufstellung der Stahlpfosten und das nachträgliche Niederlegen der Felsbrocken auf der gegenüberliegenden Wegseite kein anderes Ziel verfolgte, als dem Verfügungskläger die Zufahrt mit seinem Pkw sowie die Anfahrt von Versorgungsfahrzeugen zu seinem Grundstück abzuschneiden und ihm dadurch einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Ein weiterer Zweck ist auch in der Erörterung im Senatstermin am 14.08.2000 nicht zutage getreten.

Die Verfügungsbeklagten haben allerdings die entsprechenden Hindernisse auf ihrem Grund und Boden errichtet. Gemäß § 903 BGB darf der Eigentümer grundsätzlich auch bestimmen, wer sein Grundstück benutzen darf; gegebenenfalls darf er Dritte von jeder Einwirkung ausschließen. Die Verfügungsbeklagten stellen seit Jahrzehnten Teile ihre Grundstücke zur Benutzung durch Anlieger und Wanderer zur Verfügung. Über die Grundstücke Flurstücke und der Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) verlaufen wesentliche Teile des "Hauptweges" J zur nächsten öffentlichen Straße, der B straße. Der vom Hauptweg J zwischen den Grundstücken des Verfügungsbeklagten zu 1) und der Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) abzweigende Waldweg, der im Kern aus der Parzelle der Stadt S Flurstück hervorgegangen ist, wird zu Lasten der Grundstücke der Verfügungsbeklagten von 2 m auf bis zu 3,50 m in Höhe des klägerischen Grundstücks ausgedehnt und wurde bisher von den Eigentümern des Grundstückes J über Jahre unbeanstandet auch mit Kraftfahrzeugen genutzt.

Die Anbringung der hier streitigen Stahlpfosten diente aber nicht dem Zweck, diesen bisher der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Teil des Eigentums im Bereich des abzweigenden Waldweges wieder dem ausschließlich selbst genutzten Eigentum zuzuführen. Die Ausführungen des Verfügungsbeklagten zu 3) vor dem Senat haben als einziges Motiv für die Anbringung der Stahlpfosten die Absicht zutage gefördert, dem Verfügungskläger die Benutzung des Weges mit Kraftfahrzeugen unmöglich zu machen, und dies nicht deshalb, weil von dieser Art der Benutzung eine sie beeinträchtigende Störung ausgeht. Die Verfügungsbeklagten verfolgen ausschließlich die Absicht, dem Verfügungskläger, der sich nach Darstellung der Verfügungsbeklagten in der Vergangenheit auf vielfältige Weise seinerseits schikanös verhalten haben soll, durch diese Beeinträchtigungen zu zeigen, auch er müsse sich an die "Spielregeln" der Waldsiedlung J halten, die sich über Jahrzehnte gebildet haben. Dazu zählte nach den Ausführungen des Verfügungsbeklagten zu 3) u.a. die Benutzung der im Eigentum des Verfügungsklägers stehenden Parzelle insbesondere zu Wendezwecken für alle Anlieger unter Beibehaltung eines naturbelassenen Zustandes der Siedlung.

Die aus möglicherweise verständlicher Verärgerung getroffenen Gegenmaßnahmen stellen eine nach § 226 BGB unzulässige Rechtsausübung dar, die sich nicht mit dem Recht, mit dem Eigentum nach Belieben verfahren zu dürfen, rechtfertigen läßt. Denn tatsächlich haben die Verfügungsbeklagten ihr Eigentum auch nach dem Anbringen der Stahlpfosten selbst nicht in Anspruch genommen, sondern es weiter dem Zugang der Allgemeinheit offengehalten und nur den Kläger mit einer bestimmten Nutzungsart weitgehend ausgeschlossen. Die Stahlpfähle stellen insofern gerade keine Zaunanlage dar, die das Grundstück gegenüber dem Zutritt Dritter erkennbar sichern soll. Die in dem Errichten der Stahlpfähle liegende Schikane wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Verfügungsbeklagten keine Kosten gescheut haben, auf der gegenüberliegenden Seite drei schwere Felsbrocken niederzulegen, nachdem sie erkannten, dass es dem Kläger doch gelang, seinen Pkw durch die aufgestellten Stahlpfähle hindurchzufädeln. Damit nicht genug, sie haben die Felsbrocken neu positioniert, als der Kläger - nunmehr mit erheblichem Rangieraufwand - auch noch diese Hürde überwand.

Dem Kläger entsteht durch diese ausschließlich gegen ihn gerichteten Maßnahmen auch ein Schaden, jedenfalls soweit es nunmehr für Versorgungsfahrzeuge (Öl, Fäkalien) nicht mehr möglich ist, über den Waldweg das Grundstück des Klägers zu erreichen.

Die Verfügungsbeklagten haben daher die Stahlpfosten - jeder den auf seinem Grundstück eingelassenen - und die drei Felsbrocken zu entfernen. Da sie nach wie vor fälschlich der Auffassung sind, ihr Tun sei rechtens, bedarf es auch der Verurteilung, solche oder gleichartige Maßnahmen, welche die Einfahrt in den abzweigenden Waldweg erheblich beeinträchtigen, zu unterlassen.

2. Der durch § 226 BGB gerechtfertigte Beseitigungsanspruch bedeutet nicht, dass eine andere Ausübung des betroffenen Eigentumsrechtes durch die Verfügungsbeklagten ausgeschlossen wäre. Wie der Senat im Termin vom 14. August 2000 bereits zu erkennen gegeben hat, sind die Verfügungsbeklagten durch § 226 BGB nicht gehindert, ihr Eigentum in seiner gesamten Ausdehnung künftig in Anspruch zu nehmen und durch ein Versetzen des Zaunes bis an die Grenze zum städtischen Weg zu schützen; darin könnte kein Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung gemäß Ziff. 3. des Urteilstenors gesehen werden. Allenfalls ein Notwegerecht könnte einer entsprechenden Einzäunung der Grundstücke der Verfügungsbeklagten betreffend, die Bankette des im übrigen 2 m breiten Weges entgegenstehen. Ob dem Verfügungskläger ein Notwegerecht zusteht, bedarf, derzeit nicht der Entscheidung.

Diese Frage dürfte sich erst aufgrund einer Ortsbesichtigung und damit genauer Kenntnis der Örtlichkeiten zuverlässig beurteilen lassen. Dabei wird der Verfügungskläger zu bedenken haben, dass er - zumal angesichts seiner in der Nähe gelegenen Parzelle - nicht in jedem Fall Anspruch auf die Erreichbarkeit seines Grundstücks mit einem Pkw - insbesondere einem Mittelklassewagen - hat. Ebenso wird die vom Eigentümer der Parzelle bisher zugelassene Zufahrt für Ent- und Versorgungsfahrzeuge zu berücksichtigen sein. Erschwernisse muß der Verfügungskläger in Kauf nehmen. Er hat sich freiwillig für ein Waldgrundstück mit beschwerlichem Zugang entschieden und kann nicht ohne weiteres erwarten, auf Kosten der Nachbarn die unbeschwerlichen Zugangsmöglichkeiten, eines innerstädtischen Grundstücks zu erhalten.

Soweit die Verfügungsbeklagten allerdings der Auffassung sind, ihr durch § 226 BGB nicht eingeschränktes Recht, ihre Grundstücke bis zur Wegefläche einzuzäunen, schließe als Minus die hier in Rede stehenden Maßnahmen ein, irren sie nach Ansicht des Senats. Solange die Verfügungsbeklagten ihre Grundstücke nicht zu ihrer vollen Ausdehnung für sich in Anspruch nehmen, sondern der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, also an einer tatsächlichen Nutzung kein Interesse haben, verbietet § 226 BGB, einen einzelnen hiervon auszuschließen, wenn für diesen - wie hier - ersichtlich erhebliche Nachteile verbunden sind und über das Revancheinteresse hinaus, ein Interesse am Ausschluß dieses einzelnen nicht erkennbar ist.

3. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 18. August 2000 gibt keinen Anlaß, die Rechtslage anders zu beurteilen. Die von den Beklagten nach der Anhörung im Senatstermin konstruierte Verkehrssicherungspflicht rechtfertigt das Anbringen der Pfähle nicht. Träfen ihre Bedenken zu, könnten sie sich nur schützen, wenn sie die Pfähle schon gleich am Abzweig B Straße zum Weg J aufstellen würden. Abgesehen davon wird durch die bloße Duldung der Verkehr vom Eigentümer nicht eröffnet; ihn treffen daher für einen solchen Weg keine Instandhaltungspflichten (vgl. OLG Bamberg, VersR 1969, 85, 86). Schließlich könnten die Pfosten die Beklagten auch nicht hinsichtlich eventueller doch bestehender Sicherungsmaßnahmen für nicht erkennbare Gefahren der Seitenstreifen entlasten. Der Weg steht nach wie vor der Allgemeinheit ohne Warnhinweise offen. Es ist für Außenstehende nicht erkennbar, dass die Pfosten lediglich die Benutzung der im Eigentum der Beklagten stehenden Seitenstreifen unterbinden sollen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 100 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß den §§ 708 Nr. 10, 713, 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Die Androhung des Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den Urteilstenor zu Ziff. 3. folgt aus § 890 ZPO.

Ende der Entscheidung

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