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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.04.2001
Aktenzeichen: 9 U 172/00
Rechtsgebiete: PsychKG, BGB, HGB, ZPO
Vorschriften:
PsychKG § 17 Abs. 1 | |
BGB § 104 Nr. 2 | |
BGB § 119 Abs. 1 | |
BGB § 1902 | |
BGB § 1908 i Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 1822 Nr. 12 | |
BGB § 1829 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 1829 Abs. 3 | |
BGB § 985 | |
BGB § 554 a | |
BGB § 626 | |
BGB § 723 | |
HGB § 89 b | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 2. April 2001
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P..., den Richter am Oberlandesgericht G... und den Richter am Landgericht M.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das am 28. Juni 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer -- Einzelrichterin -- des Landgerichts Duisburg werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 12,5 % und der Beklagte 87,5 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um ein schuldrechtliches Wohnungsrecht des Beklagten und darüber, ob der Rechtsstreit hierüber durch einen früheren Vergleich beendet worden ist.
Der Beklagte ist der Onkel des Klägers. Er hatte seinem Bruder, dem Vater des Klägers, Geld gegeben für den Aufbau des elterlichen Hauses H... in D... und dafür ein lebenslanges Wohnrecht an den Räumen im 2. Obergeschoss erhalten. Das Wohnrecht ist nicht im Grundbuch eingetragen. Der Kläger als Erbe seines Vaters ist Hauseigentümer und gewährte das Wohnrecht.
Am 13. September 1991 wies die Stadt D... den Beklagten nach § 17 Abs. 1 PsychKG vorläufig in die geschlossene Abteilung eines Krankenhauses ein und beantragte, die einstweilige Unterbringung für zwei Monate anzuordnen. Anlass für die Unterbringung war ein Vorfall, bei dem der Beklagte die Familie des Klägers mit einem Messer bedroht haben soll.
Auf Wunsch des Beklagten wurde ihm Rechtsanwalt Dr. B... beigeordnet, der -- schon -- in seiner ersten Stellungnahme (BA 7) die Auffassung vertrat, zwischen den Hausbewohnern könnten normale Zustände kaum erreicht werden, deshalb habe er vorgeschlagen, der Kläger möge überlegen, dem Beklagten das Wohnungsrecht abzukaufen. Rechtsanwalt Dr. B... hatte den Beklagten in einem Rechtsstreit gegen den Kläger vertreten, in dem es um die Nebenkosten zum Wohnungsrecht ging (7 S 554/89 LG Duisburg, Urteil vom 5. September 1990).
Mit Beschluss vom 12. November 1991 richtete das Amtsgericht D... für den Beklagten Pflegschaft/Betreuung (ab 1. Januar 1992) mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmung und ärztliche Heilbehandlung ein und bestellte Rechtsanwalt Dr. B... zum Pfleger.
Den vom Rechtsanwalt des Klägers am 10. Oktober 1991 gestellten Antrag, die Pflegschaft -- auch -- einzurichten für den Wirkungskreis "Empfangnahme von Zustellungen und Vornahme von Rechtshandlungen betreffend das Wohnungsrecht" wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. November 1991 zurück.
Daraufhin kündigte der Kläger mit Schreiben vom 21. November 1991 gegenüber dem Beklagten persönlich das Wohnungsrecht fristlos wegen des Vorfalls vom 13. September 1991 und erhob Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Der Beklagte hatte die Kündigung durch seinen Betreuer mit Schreiben vom 2. Dezember 1991 zurückweisen und anbieten lassen, gegen Zahlung eines Ablösebetrages auf das Wohnrecht zu verzichten (120.000 DM); darauf war der Anwalt des Klägers zunächst nicht endgültig eingegangen (Schreiben vom 9. Dezember 1991). Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 2. Juni 1992 die Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen der Prozessfähigkeit des Beklagten angeordnet hatte, der Sachverständige in seinem Gutachten vom 28. September 1992 die freie Willensbestimmung des Beklagten im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB nicht für gewährleistet hielt, erwirkte der Betreuer eine Erweiterung seines Wirkungskreises (Schreiben vom 15. Oktober 1992, BA 74, er vertrat u. a. die Auffassung, der Beklagte könne nicht in das alte Spannungsfeld zurück, verlange dies aber intensiv):
Mit Beschluss vom 19. November 1992 erweiterte das Amtsgericht D... den Wirkungskreis der Betreuung auf die Vertretung im landgerichtlichen Verfahren und bestellte auch insoweit Rechtsanwalt Dr. B... als Betreuer.
Nach Anordnung einer Beweisaufnahme durch Beweisbeschluss vom 5. März 1992 fand im landgerichtlichen Verfahren am 28. Mai 1993 Termin statt. Am gleichen Tage verfügte der Einzelrichter:
"1) 1 Tonband (Prot.: volles Rubrum Vgl.) ..."
In einer Weiteren Verfügung des Einzelrichters vom 2. Juni 1993 heißt es:
"1) Vermerk:
Das Protokoll über die Sitzung vom 28. Mai 1993 (Tonband) ist weg.
Die Parteien haben sich umfassend verglichen. Der Inhalt des Vergleichs ist auf meinen Terminsnotizen skizziert. Ich habe das Büro RA U... verständigt und dort vorgeschlagen, am 04. Juni 1993, 8.45 Uhr, den Vergleich neu zu protokollieren.
RA. Dr. B... ist bereits in Urlaub. Nach fernmündlicher Rücksprache mit RA R..., der RA Dr. B... vertritt und dem ich die Sachlage geschildert, erklärt dieser sich einverstanden, den Vergleich um 8.45 Uhr, Saal 150, 4.6.1993 neu zu protokollieren. ..."
Am 4. Juni 1993 fand dann ein neuer Termin statt. Im Terminsprotokoll (GA 133) heißt es:
"Den Parteivertretern wurde mitgeteilt, dass das Protokoll über den bereits am 28. Mai 1993 geschlossenen Vergleich nicht mehr auffindbar ist.
Die Parteivertreter baten im Hinblick darauf darum, den Vergleich erneut zu protokollieren.
Die Parteien schlossen sodann den in der Anlage in Kurzschrift aufgenommenen und in der Übertragung wie folgt lautenden Vergleich:
1. Der Beklagte räumt die Dachgeschosswohnung im Hause des Klägers H..., D..., bestehend ans Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, Gäste-WC, zwei Räumen auf dem Speicher, abgetrenntem Treppenhaus und gibt bis spätestens 30. September 1993 die Wohnung an den Kläger heraus.
2. Im Hinblick auf die Aufgabe des Wohnrechts an der unter Ziff. 1. genannten Wohnung durch den Beklagten zahlt der Kläger an den Beklagten 54.000,00 DM in monatlichen Raten von jeweils 500,00 DM, zahlbar jeweils bis zum 5. Werktag eines Monats, beginnend mit dem auf die Räumung folgenden Monat.
3. Damit sind der Rechtsstreit und sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Wohnrecht erledigt.
4. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
Vorstehender Vergleich wurde aus der Anlage vorgelesen und genehmigt."
Die Wohnung des Beklagten, der seinerzeit bereits in einem Altenheim lebte, wurde gemäß Protokoll vom 14. August 1993 (BA 135) übergeben.
Mit Schreiben vom 27. September 1993 bat der Betreuer um vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Vergleiches. Die Rechtspflegerin bat mit Schreiben vom 12. November 1993 das Landgericht um einen erläuternden Hinweis, ob der Vergleich einem schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag entspreche, weil dann die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entbehrlich sei. Der Einzelrichter teilte der Rechtspflegerin mit Schreiben vom 19. November 1993 mit:
"Im Termin vom 28. Mai 1993 haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts den gleichen Vergleich wie Bl. 133 geschlossen. Der Tonträger ist dann auf dem Geschäftsweg innerhalb des Hauses weggekommen. Daraufhin haben die Parteien den Vergleich am 04. Juni 1993 erneut protokolleren lassen. Man könnte daher daran denken, dass der Vergleich (Bl. 133) einem protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag (28. Mai 1993) entspricht, auch wenn das Protokoll vom 28. Mai 1993 nicht ausgefertigt worden ist."
Die Rechtspflegerin vermerkte in den Akten, aufgrund dieser Umstände sei der Vergleich nicht genehmigungspflichtig und fragte bei dem Betreuer an, ob der Antrag auf Genehmigung als erledigt angesehen werden könne. Danach geschah insoweit nichts mehr.
Der Kläger zahlte regelmäßig die vereinbarten 500 DM monatlich zunächst an den Betreuer und nach Aufhebung der Betreuung durch Beschluss des Landgerichts D... vom 31. August 1995 -- der auf Anregung des Betreuers erging -- an den Beklagten persönlich.
Anschließend betrieb der Beklagte seine Rehabilitation. Er beauftragte andere Rechtsanwälte, die zunächst am 25. Juli 1996 Einsicht in die Betreuungsakte begehrten. Sodann baten sie für den Beklagten im landgerichtlichen Verfahren um Akteneinsicht, weil der Kläger vermutlich Prozessbetrug begangen habe und Regress gegen den Betreuer zu prüfen sei. Mit Schreiben vom 26. August 1999 beantragten sie schließlich, den Rechtsstreit fortzusetzen, weil der Vergleich -- mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung -- unwirksam sei.
Der Beklagte hat behauptet, der Vergleich sei auf Bitten der Parteien und nicht auf gerichtlichen Vorschlag geschlossen worden und daher genehmigungsbedürftig gewesen. Er hat beantragt,
1.
Feststellung, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich nicht beendet sei;
2.
Abweisung der Klage;
3.
im Wege der Widerklage Räumung und Herausgabe des Dachgeschosses durch den Kläger.
Der Kläger hat beantragt,
Feststellung, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet sei;
hilfsweise Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei.
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit nicht durch den Vergleich beendet worden sei, dieser sei unwirksam, weil er nicht genehmigt worden sei. Der Rechtsstreit sei jedoch in der Hauptsache wegen des Auszuges des Beklagten erledigt. Die Widerklage sei unbegründet, weil der Beklagte nach Aufhebung der Betreuung den Vergleich vom 4. Juni 1993 konkludent -- materiell-rechtlich -- genehmigt und damit das Wohnrecht aufgegeben habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, der in vollem Umfang Abweisung der Klage und auf die Widerklage Räumung und Herausgabe des Dachgeschosses durch den Kläger erstrebt.
Er meint, er habe dem Vergleich nicht konkludent zugestimmt. Hilfsweise ficht er Seine Genehmigung gemäß § 119 Abs. 1 BGB an.
Der Beklagte beantragt,
1.
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen;
2.
den Kläger in Abänderung des angefochtenen Urteils auf die Widerklage hin zu verurteilen, die Dachgeschosswohnung im Hause H... in D... zu räumen und an den Beklagten herauszugeben.
Der Kläger bittet unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens um Zurückweisung der Berufung und beantragt im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Landgerichts D.... vom 28. Juni 2000 -- 4 O 341/99 -- abzuändern und festzustellen, dass der Rechtsstreit vor dem Landgericht D... zum Aktenzeichen 1 O 58/92 durch Prozessvergleich vom 4. Juni 1993 beendet worden ist.
Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Anschlussberufung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind unbegründet.
Der Rechtsstreit 1 O 58/92 LG D... ist nicht durch den Prozessvergleich vom 4. Juni 1993 beendet worden. Die Rechtshängigkeit eines Rechtsstreites endet mit Abschluss eines wirksamen Prozessvergleiches. Der in diesem Rechtsstreit am 4. Juni 1993 protokollierte Vergleich ist jedoch nicht rechtswirksam geworden. Der Betreuer des Beklagten war zwar grundsätzlich befugt, ihn bei Abschluss des Prozessvergleiches zu vertreten, § 1902 BGB. Die Wirksamkeit des Prozessvergleiches hing jedoch von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ab, §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1822 Nr. 12, 1829 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Eine Genehmigung zu dem Vergleich hat das Vormundschaftsgericht unstreitig nicht erteilt. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung war auch nicht -- ausnahmsweise -- entbehrlich. Nach § 1822 Nr. 12 BGB bedarf ein Prozessvergleich u. a. dann keiner Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, wenn er einem schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag entspricht. Diese Regelung beruht auf der Überlegung, dass eine sachliche Prüfung durch das Vormundschaftsgericht entbehrlich ist, wenn bereits das Prozessgericht eine -- wenigstens beschränkte -- Verantwortung für den Inhalt des Vergleiches übernimmt (Staudinger/Engler, BGB, 13. Bearb., § 1822, 161). In der amtlichen Begründung des Gesetzes heißt es:
"Es erscheint zum Schutz des Mündels nicht geboten, den Vergleich, der auf einem gerichtlichen Vorschlag beruht, einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen; die Neuregelung trägt damit auch zur Entbürokratisierung des Verfahrens bei. Die Formulierung "gerichtlicher Vergleichsvorschlag" (statt: Vergleichsvorschlag des Gerichts) soll zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht notwendig um einen Vorschlag des Gerichts in seiner vollen Besetzung handeln muss, sondern dass auch Vergleiche erfasst werden, die auf Vorschlag des Vorsitzenden oder Berichterstatters zustande kommen. Der Vergleich muss nach dieser Formulierung auch nicht zwingend vor dem zuständigen Gericht geschlossen worden sein (z. B. können in einem anhängigen Verfahren Ansprüche "mitverglichen" werden, für die eigentlich ein anderes Gericht zuständig ist)." (Bundestagsdrucksache 11/4528, S. 109).
Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hätte der Vergleich vom 4. Juni 1993 einem schriftlichen oder protokollierten schriftlichen Vergleichsvorschlag entsprechen, d. h. nach übereinstimmender Auffassung (vgl. z. B. Palandt/Diedrichsen., BGB, 60. Aufl., § 1822, 25) völlig mit ihm übereinstimmen müssen. Daran fehlt es hier, unabhängig davon, wie die Ausnahmeregelung in § 1822 Nr. 12 BGB zu verstehen ist. Legt man sie so aus, dass dem eigentlichen Vergleich ein -- schriftlicher oder protokollierter -- Vergleichsvorschlag vorausgegangen sein muss, ist sie bereits deshalb nicht erfüllt, weil es einen solchen Vergleichsvorschlag unstreitig nicht gegeben hat.
Wäre andererseits nach § 1822 Nr. 12 BGB die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bereits dann entbehrlich, wenn alleine der Umstand protokolliert wurde, dass der Vergleich auf einem -- entsprechenden -- Vorschlag des Gerichtes beruht -- etwa durch die durchaus übliche Formulierung "... schließen die Parteien auf Vorschlag des Gerichtes folgenden Vergleich: ..." (für eine solche Auslegung könnte sprechen, dass in einem solchen Fall das Prozessgericht die Verantwortung auch für den Inhalt des Vergleiches übernommen hat), führte dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Das Protokoll über den Vergleich vom 4. Juni 1993 enthält nämlich einen solchen Zusatz nicht und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Zusatz in dem verlorenen Protokoll bzw. Diktat über den Termin vom 28. Mai 1993 enthalten war. Soweit es in diesem Zusammenhang in dem richterlichen Vermerk vom 2. Juni 1993 betreffend die Anberaumung des zweiten Termins zur Vergleichsprotokollierung vom 4. Juni 1993 heißt: "... Ich habe ... vorgeschlagen, ..., den Vergleich neu zu protokollieren", kann dieser "Vorschlag" den Anforderungen des § 1822 Nr. 12 BGB nicht genügen. Die Formulierung in der richterlichen Verfügung vom 2. Juni 1993 bezieht sich lediglich auf die vom Richter vorgeschlagene weitere Verfahrensweise nach Verlust des Diktates über den früheren Termin. Sie enthält hingegen nicht die Erklärung, dass der Richter einen Vergleich mit einem bestimmten materiell-rechtlichen Inhalt vorschlage.
Schließlich hat der zuständige Richter auf Anfrage der Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichtes mit Schreiben vom 19. November 1993 erklärt, im Termin vom 28. Mai 1993 hätten die Parteien auf Vorschlag des Gerichtes den gleichen Vergleich wie am 4. Juni 1993 geschlossen. Damit enthält dieses Schreiben zwar die richterliche Erklärung, dass der Vergleich der Parteien seinem richterlichen Vorschlag entsprochen habe. Auch diese nachträgliche richterliche Stellungnahme kann aber den gesetzlichen Anforderungen des § 1822 Nr. 12 BGB nicht genügen und den dort geforderten schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag nicht ersetzen. Der Gesetzgeber hat gerade nicht einen formfreien Vergleichsvorschlag des Prozessgerichtes genügen lassen, sondern besondere Formerfordernisse -- nämlich die Schriftlichkeit oder die Protokollierung des Vorschlages -- aufgestellt. Diese ausdrücklichen Formerfordernisse sind im Interesse der Rechtssicherheit strikt einzuhalten. Die Wirksamkeit eines Prozessvergleiches des Mündels soll gerade nicht davon abhängen können, ob es der einen oder der anderen Partei im Nachhinein gelingt z. B. durch Vernehmung des zuständigen Richters den Nachweis zu führen, dass der Vergleich tatsächlich dessen Vorschlag entspricht. Für eine solche Auslegung des § 1822 Nr. 12 BGB spricht auch, dass nur bei Beachtung der gesetzlichen Formerfordernisse für den Vergleichsvorschlag ein zweifelsfreier Abgleich zwischen dessen Text und dem Inhalt des Vergleiches selbst überhaupt möglich ist.
War mithin der Vergleich vom 4. Juni 1993 mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung schwebend unwirksam, so hätte er allenfalls durch -- auch stillschweigende -- Genehmigung des Beklagten wirksam werden könne, §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1829 Abs. 3 BGB. Auch daran fehlt es aber.
Da der Beklagte eine ausdrückliche Genehmigung des Prozessvergleiches nicht erklärt hat, kommt lediglich eine konkludente Genehmigung in Betracht. Die Annahme einer konkludenten Genehmigung setzt zunächst voraus, dass der Betroffene überhaupt damit rechnet, dass ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft vorliegt (BGH NJW 1988, 1199, 1200; RGZ 95, 70, 71; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1186, 1187; Staudinger/Engler, a.a.O., § 1829, 47; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 1829, 6). Hierzu macht der Beklagte in der Berufungsbegründung geltend (GA 322), es sei ihm zu keiner Zeit bewusst gewesen, durch seine Zurückhaltung rechtswirksame Erklärungen abzugeben. Das ist jedoch nicht die entscheidende Frage. Es kommt darauf an, ob er damit rechnete, dass der Prozessvergleich unwirksam sein könnte. Das ist bereits fraglich. Zwar hat der Beklagte von Anfang an geltend gemacht, er wolle in vollem Umfang nach Aufhebung seiner Betreuung Rehabilitation. Weiter hat er behauptet, er habe die monatlichen Raten des Klägers auf den Prozessvergleich gesondert von seinem übrigen Vermögen beiseite gelegt. Es erscheint durchaus fraglich, ob diese Umstände als Indizien dafür angesehen werden können, dass der Beklagte nicht nur den Prozessvergleich nicht hinzunehmen bereit war, sondern auch mit dessen Unwirksamkeit rechnete. Selbst wenn man aber hiervon zugunsten des Klägers ausginge, könnte man eine stillschweigende Genehmigung des Prozessvergleiches durch Entgegennahme der Raten durch den Beklagten nicht annehmen.
Die Annahme einer stillschweigenden Willenserklärung setzt das Bewusstsein des Handelnden voraus, dass möglicherweise eine Willenserklärung und ein Rechtsbindungswille überhaupt erforderlich sein könne. Es kann hier allerdings nicht festgestellt werden, dass der Beklagte sich bei Entgegennahme der monatlichen Raten auf den Prozessvergleich darüber bewusst war, hierdurch rechtlich bindende Erklärungen gegenüber dem Kläger abzugeben. Zwar kann einem tatsächlichen Verhalten auch ohne Erklärungsbewusstsein und ohne Rechtsbindungswillen die Wirkung einer Willenserklärung beigelegt werden. Dies setzt aber voraus, dass der Handelnde bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden konnte und der Erklärungsempfänger das Verhalten auch so verstanden hat (vgl. BGH NJW 1995, 953, 954: Zurechnung als Willenserklärung zum Schutz des redlichen Rechtsverkehrs). Auch dies kann aber nicht festgestellt werden. Die Parteien mussten auch nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte Zahlung und Entgegennahme der Raten aus dem Prozessvergleich nicht zwangsläufig als Willenserklärungen verstehen.
Damit ist der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich vom 4. Juni 1993 nicht beendet worden. Das Landgericht hat allerdings zu Recht festgestellt, dass der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat.
Nachdem der Kläger die ursprünglich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung des Beklagten gerichtete Klage -- hilfsweise -- für erledigt erklärt hat, ist darüber zu entscheiden, ob die Klage tatsächlich erledigt ist und dies gegebenenfalls festzustellen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a, 34, 45). Es ist daher zu prüfen, ob die Klage zulässig und begründet war und nachträglich gegenstandslos geworden ist (derselbe, a.a.O., 44). Das ist hier der Fall.
Mit Räumung der Wohnung des Beklagten und Übergabe an den Kläger ist die Klage auf Räumung und Herausgabe gegenstandslos geworden. Sie war bis zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet. Der Kläger konnte vom Beklagten gemäß § 985 BGB aufgrund seines Eigentumes Räumung und Herausgabe der vom Beklagten genutzten Wohnung verlangen. Ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB stand dem Beklagten nicht zu.
Zwar war der Beklagte zunächst aufgrund seines schuldrechtlichen Wohnungsrechtes, das er noch mit dem Vater des Klägers als dessen Rechtsvorgänger vereinbart hatte, berechtigt, die fragliche Wohnung zu nutzen. Dieses schuldrechtliche Nutzungsrecht ist jedoch durch die fristlose Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 21. November 1991 wegen des Vorfalles vom 13. September 1991 erloschen.
Bei dem vereinbarten schuldrechtlichen Wohnungsrecht des Beklagten handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Für Dauerschuldverhältnisse gilt der aus §§ 554 a, 626, 723 BGB und 89 b HGB abgeleitete allgemeine Rechtsgrundsatz, dass sie aus wichtigem Grunde gekündigt werden können (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Anm. 18 vor § 241). Ein solcher wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zu dessen vertragsgemäß vereinbarter Beendigung nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (BGH NJW-RR 1997, 1467 m.N.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., Anm. 19).
Hier konnte dem Kläger wegen des Vorfalles vom 13. September 1991 nicht mehr zugemutet werden, dem Beklagten das vereinbarte Wohnrecht weiter zu gewähren, schon gar nicht lebenslang. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Beklagte an jenem Tag die Tochter des Klägers tätlich angegriffen und mit einem Messer bedroht hat. Dies hat deren Mutter, die Zeugin D..., bei ihrer Vernehmung vor dem Senat ausgesagt.
Die Zeugin hat zwar heute die Ereignisse jenes Tages vor fast zehn Jahren in entscheidenden Punkten anders dargestellt als bei ihrer damaligen polizeilichen Vernehmung wenige Tage nach diesem Vorfall. Sie hat aber, nachdem ihr ihre frühere Aussage, die sie seitdem nicht mehr gelesen hatte, bekannt gemacht worden war, erklärt, die Ereignisse hatten sich so zugetragen, wie sie es damals bekundet habe. Der Umstand, dass die Zeugin sich nach fast zehn Jahren nicht mehr an die Einzelheiten der damaligen Ereignisse erinnern kann, diese vielmehr zunächst sogar in entscheidenden Punkten völlig abweichend dargestellt hat und dass sie sich nach Vorhalt der polizeilichen Vernehmung grundsätzlich korrigieren musste, gibt dem Senat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Aussäge der Zeugin zu zweifeln.
Es ist nicht nur aufgrund des Zeitablaufes erklärlich, dass die Zeugin Einzelheiten des damaligen Vorfalles nicht mehr zutreffend wiedergeben konnte. Nach so langer Zeit verblasst die Erinnerung zwangsläufig. Es ist darüber hinaus durchaus verständlich, dass die Zeugin zunächst überzeugt war, sich noch detailliert an den Hergang erinnern zu können, und die Dinge so geschildert hat, wie sie glaubte, es tatsächlich erlebt zu haben. Die Zeugin hat hierzu -- nachvollziehbar -- erklärt, sie habe nicht nur immer wieder mit ihrer Tochter über den Vorfall gesprochen, um ihn zu verarbeiten und die eigenen und die Ängste ihrer Tochter abzubauen; sie habe auch immer wieder von dem Vorfall so geträumt, wie sie ihn zunächst dem Senat geschildert habe. Sie könne daher nicht ausschließen, dass sich in ihrer Erinnerung einiges vermengt habe. Dass diese Aussage zutrifft, davon ist der Senat aufgrund des Eindrucks der Zeugin anlässlich ihrer Vernehmung vor dem Senat überzeugt.
Nach allem ist daher erwiesen, dass der Beklagte die Tochter des Klägers im Verlaufe des Vorfalles vom 13. September 1991 an der Hauseingangstür bedrängt und festgekeilt hat, bis sie ihm entweichen konnte, und dann mit einem Messer in der erhobenen Hand, dessen Klinge nach unten gerichtet war, dem fliehenden Kind hinterher geeilt ist, bis es sich in die Wohnung des Klägers retten konnte. Anschließend zog der Beklagte ein zweites Messer und bedrohte die Zeugin selbst, bis es dieser schließlich gelang, die Tür gegen den Widerstand des Beklagten zu schließen. Nach diesem Angriff des Beklagten -- mag er unter Umständen im Zustand der Schuldunfähigkeit ausgeführt worden sein -- auf die Tochter und die Ehefrau des Klägers, war es dem Kläger unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände und auch der Interessen des Beklagten, der unstreitig für das lebenslange Wohnrecht bezahlt hatte, keinesfalls mehr zuzumuten, weiter mit dem Beklagten unter eine Dach in einem Hause zu wohnen. Dabei kann dahinstehen, ob es zuvor bereits -- was der Kläger behauptet -- zu anderen vergleichsweise harmlosen Vorfällen gekommen war. Denn auch wenn es am 13. September 1991 erstmals zu einem derartigen Angriff gekommen ist, gab dies dem Kläger Grund genug, das Wohnungsrecht fristlos zu beenden.
Selbst wenn eine Kündigung des Wohnrechtes nicht in Betracht gekommen wäre, so war es jedenfalls unverzichtbar, dass der Beklagte nach diesem Vorfall die Wohnung unverzüglich räumen musste. Der Kläger konnte und brauchte sich und seine Familie nicht der Gefahr eines erneuten unberechenbaren Angriffes auszusetzen, der dann möglicherweise im Ergebnis nicht so glimpflich ausgegangen wäre.
Die Widerklage des Beklagten ist unbegründet und daher vom Landgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden. Dem Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch zu, ihm die Wohnung geräumt herauszugeben.
Dem steht zum einen die wirksame fristlose Kündigung des Klägers entgegen. Darüber hinaus aber verbietet es auch die heutige Situation, den Beklagten seine frühere Wohnung -- deren Zugang nur durch den Hausflur möglich ist, der auch Teile der Wohnung des Klägers verbindet -- wieder nutzen zu lassen. Denn das Verhalten des Beklagten und seine heutige Einstellung zu dem damaligen Vorfall und sein heutiges Verhältnis zum Kläger und dessen Familie -- davon ist der Senat überzeugt aufgrund des Eindruckes, den er vom Beklagten in den Senatsterminen und bei seinen Anhörungen gewonnen hat -- lassen ein Zusammenleben des Beklagten und des Klägers nebst Familie in einem Haus als völlig ausgeschlossen und dem Kläger unter keinen Umständen zumutbar erscheinen. Vielmehr ist aufgrund der Äußerungen und des Verhaltens des Beklagten davon auszugehen, dass das Verhältnis der Parteien unwiederbringlich zerrüttet und zerstört ist und dass der Beklagte wenn nicht von schärfstem Hass, so zumindest von tiefster Verachtung gegenüber dem Kläger und seiner Familie besessen ist und diesen Gefühlen bei jeder Gelegenheit und bei den unvermeidbaren Kontakten zwischen den Parteien in einem Hause in rücksichtsloser Weise Ausdruck geben würde. Beispiel für die kaum nachvollziehbare und fast wahnhaft zu nennende Denkweise des Beklagten ist der Umstand, dass er es -- auch heute noch -- als Postdiebstahl bezeichnete und nach dem Eindruck, den er vermittelte, auch als Angriff und Kränkung gegen seine eigene Person wertete, dass die "Nationalzeitung" -- angeblich -- aus seinem Briefkasten genommen wurde. Er selbst hat in seiner Anhörung geschildert, dass er -- als "das Mädchen" seine Zeitung vom Fußboden aufgehoben und in seinen Briefkasten gesteckt habe -- diese immer wieder herausgenommen habe, weil sie ihm ja gestohlen worden sei.
Ebenfalls ein Zeichen nicht nur von Sonderlichkeit sondern eher krankhafter Einstellung ist die Schilderung des Beklagten, er habe "das Mädchen" -- wohlgemerkt die Tochter seines Neffen, die seit Jahren in dem gleichen Haus wohnte -- nicht nur nie gesprochen, nie berührt, sondern auch nie gesehen und nicht einmal gekannt. Sieht man nicht bereits hierin ein Zeichen tiefster Menschenverachtung, so äußert sie sich jedenfalls darin, dass der Beklagte auch und gerade heute, nämlich bei seiner Anhörung vor dem Senat, den Kläger und seine Ehefrau ausnahmslos als Schwerstverbrecher bezeichnete. All diese Umstände belegen nach der sicheren Überzeugung des Senates, dass ein Zusammenleben der Parteien in einem Hause ausgeschlossen ist, will man nicht das Risiko einer persönlichen Katastrophe riskieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren: 14.000,-- DM
(Berufung: 2.000 DM Klage
12.000 DM Widerklage
Anschlussberufung: 2.000 DM -- keine Addition).
Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,-- DM.
Ende der Entscheidung
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