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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.11.2001
Aktenzeichen: 9 U 48/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BauGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 459 Abs. 2
BGB § 446
BGB § 436
BGB § 103
BauGB § 133 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 48/01

Verkündet am 19. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P..., den Richter am Oberlandesgericht G... und die Richterin am Oberlandesgericht S...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 24. Januar 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve geändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 3.394,90 DM nebst 4 % Zinsen vom 25. April 2000 an zu zahlen.

Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, die Kläger von deren Garantiepflicht gegenüber den Eheleuten E... und ... unter Nr. 13 c des notariellen Kaufvertrages vom 10. März 1990, UR.-Nr. 490/1990 des Notars Dr. H... Sch...-C... in K... in Höhe eines Betrages von 5.621,19 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. März 2000 freizustellen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten 73 % und die Kläger 27 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der Kläger ist begründet.

Die Kläger können die Beklagten wegen der von ihnen an die Eheleute R... gezahlten 3.394,90 DM nebst Zinsen bzw. wegen der aufgrund des am 19. Februar 2001 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Daun - 3 C 667/00 (das nach Zurückweisung der Berufung durch das Landgericht Trier, Urteil vom 19. Juni 2001, 1 S 30/01, rechtskräftig geworden ist) zu zahlenden 5.621,19 DM nebst Zinsen auf Schadensersatz bzw. Freistellung in Anspruch nehmen.

Der Anspruch der Kläger folgt aus Ziff. 13 c des notariellen Kaufvertrages der Parteien vom 9. Juli 1985. Danach hatten die Parteien hinsichtlich der Erschließungskosten folgende Regelung getroffen:

"Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge, die bis zum heutigen Tage durch Zustellung eines Bescheides angefordert worden sind, fallen dem Verkäufer, später angeforderte dem Käufer zur Last.

Der Verkäufer garantiert jedoch, dass alle Erschließungs- und Anlieferbeiträge durch ihn bezahlt sind, soweit sie auf Leistungen zurückzuführen sind, die bis zum heutigen Tage erbracht worden sind."

Nach Abs. 2 dieser Regelung haben die Beklagten die hier von den Klägern geltend gemachten Forderungen zu erfüllen.

Allerdings ist die vertragliche Vereinbarung nicht ganz eindeutig formuliert (vgl. Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 7. Aufl., Rdnr. 119 mit Hinweis auf das Urteil des BGH vom 9. Dezember 1983 - V ZR 188/82 - nicht veröffentlicht). Abs. 2 der vertraglichen Regelung der Parteien stellt darauf ab, dass die Erschließungsbeiträge auf Leistungen zurückzuführen sind, die vor Abschluss des Vertrages erbracht wurden. Hierfür haben die Beklagten als Verkäufer Bezahlung der entsprechenden Erschließungsbeiträge garantiert. Wörtlich genommen würde diese Regelung keinen Sinn machen. Bei Vertragsschluss musste zumindest den Beklagten klar sein, dass Erschließungsleistungen - auch soweit sie bis 1985 erbracht waren - noch nicht abgerechnet und folglich auch nicht bezahlt waren. Üblicherweise werden Erschließungsleistungen erst nach entsprechender Abrechnung und sei es nur durch Vorauszahlungsbescheid bezahlt. Es kann aber nicht angenommen werden, dass die Parteien eine solche Regelung, die neben der Regelung in Abs. 2 der Ziff. 13 c des notariellen Vertrages keinen eigenständigen Anwendungsbereich gehabt hätte, haben treffen wollen. Vielmehr wird man die Regelung in Abs. 2 der vertraglichen Vereinbarung vom 9. Juli 1985 so verstehen müssen, dass die Beklagten als Verkäufer dafür einstehen sollten, dass alle bis zum Tage des Vertragsschlusses erbrachten Erschließungsleistungen bezahlt waren bzw. im Falle einer späteren Abrechnung von ihnen als Verkäufern noch bezahlt werden würden. In diesem Sinne hat der Urkundsnotar auch anlässlich der späteren Veräußerung des Grundstückes durch die Kläger an die Eheleute R... die dort getroffene Vereinbarung über die Verteilung der Erschließungskosten klargestellt. Dort heißt es:

"Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge, die bis zum Tage des Besitzüberganges durch Zustellung eines Bescheides - unabhängig von seiner Bestandskraft - angefordert worden sind, fallen dem Verkäufer, später angeforderte dem Käufer zur Last.

Unter Einschränkung der vorstehenden Regelung garantiert der Verkäufer jedoch, dass alle Erschließungs- und Anliegerbeiträge durch ihn bezahlt sind oder noch bezahlt werden, soweit sie auf Leistungen zurückzuführen sind, die bis zum Tage des Besitzüberganges erbracht worden sind."

Ansprüche der Kläger aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien vom 9. Juli 1985 sind nicht verjährt; denn entgegen der Auffassung der Beklagten enthält die vertragliche Regelung keine Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB, sondern eine selbstständige Garantie.

Die fragliche Vertragsklausel regelt die Frage, wer die Erschließungskosten zu tragen hat. Dies betrifft weder ein physisches Merkmal des Grundstückes noch eine rechtliche Beziehung des Grundstückes zur Umwelt, die in der Beschaffenheit des Grundstückes selbst ihren Grund hat und ist daher auch nicht zusicherungsfähig gemäß § 459 Abs. 2 BGB. Es handelt sich vielmehr um eine vertragliche Regelung der Frage, welche Leistungen und Kosten mit dem Preis abgegolten sind und wer sie im Innenverhältnis der Parteien letztlich zu tragen hat (vgl. BGH NJW 193, 2796; BGH NJW 1981, 1600 = DNotZ 1982, 360; OLG Hamm NJW-RR 1989, 335; Palandt-Putzo, BGB, 60. Aufl., § 459, 20 a.E. und 25).

Die Regelung stellt eine von der gesetzlichen Bestimmung der §§ 446, 436, 103 BGB abweichende Bestimmung dar, nach der vom Verkäufer auch die nach der Übergabe des Grundstückes fällig werdenden Erschließungskosten zu tragen sind. Nach § 436 BGB haftet der Grundstücksverkäufer nicht für die Freiheit von öffentlichen Lasten, zu denen auch Erschließungskosten gehören. Die Vertragsschließenden konnten deshalb eine von der gesetzlichen Regelung abweichend und ihren Interessen gerecht werdende Vereinbarung treffen (vgl. BGH NJW 1993, 2796, 2797; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 335). Diese vertragliche Regelung der Parteien enthält damit eine selbstständige Garantie der Beklagten als Verkäufer (vgl. Nieder, NJW 1984, 2662, 2666). Sie gibt - wenn das Garantieversprechen unrichtig ist - die Grundlage für einen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Schadloshaltung entsprechend den Grundsätzen des Schadensersatzrechtes (BGH NJW 1981, 1600, 1601; Nieder, a.a.O.).

Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gegenüber den Klägern aus dem Garantieversprechen liegen hier vor. Die Erschließungsbeiträge für Erschließungsleistungen in der Zeit bis zum Vertragsschluss der Parteien am 9. Juli 1985 hatten die Beklagten nicht bezahlt. Wegen solcher Erschließungsleistungen werden nun die Kläger in Anspruch genommen.

Die Regelung über die Verteilung der Erschließungskosten in dem Notarvertrag der Eheleute R... mit den Eheleuten F... vom 27. Januar 1989 steht einer Haftung der Beklagten im Verhältnis zu den Klägern nicht entgegen.

Nach der Regelung aus dem Vertragsverhältnis R.../F... sollte die Verteilung der Erschließungskosten dort davon abhängen, ob Erschließungskosten bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstanden waren:

"Erschließungskosten und Lasten nach dem Kommunalabgabengesetz, die bis zum Tage des Besitzübergangs entstanden sind, unabhängig davon dass ein Bescheid bereits ergangen ist, trägt der Verkäufer. Alle sonstigen Beiträge und Lasten dieser Art trägt der Käufer.

Der Verkäufer versichert, dass in Rechnung gestellte Rückstände an Steuern und öffentlichen Lasten im Zusammenhang mit dem Kaufobjekt bis zum heutigen Tage nicht bestehen."

Diese Regelung aus dem Kaufvertrag R.../F... kann man so verstehen, dass es auf das Entstehen der Beitragspflicht ankommen sollte. In diesem Fall hätten die Eheleute F... die Erschließungskosten selbst tragen müssen, ohne die Eheleute R... auf Erstattung in Anspruch nehmen zu können. Denn die Beitragspflicht ist erst mit der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage durch technische Fertigstellung des Einmündungsbereiches zum Binnenbruchweg und der Widmung vom 18. November 1999 entstanden, § 133 Abs. 2 BauGB. Dieser Zeitpunkt lag nach dem Besitzübergang des Kaufobjektes von den Eheleuten R... auf die Eheleute F.... In diesem Fall hätten die Eheleute R... im Verhältnis zu den Eheleuten F... die Erschließungskosten getragen, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein. Dann würde sich die Frage stellen, ob die Beklagten im Verhältnis zu den Klägern aus der Garantie auch hierfür einzustehen hätten oder ob die Garantie der Beklagten nur für eine berechtigte Inanspruchnahme der Kläger gelten sollte.

Diese Frage kann aber dahinstehen, weil die Klausel aus dem Kaufvertrag zwischen den Eheleuten R... und den Eheleuten F... nicht zwingend im vorstehenden Sinne auszulegen ist. Ihrem Wortlaut nach stellt die Klausel nicht ausdrücklich auf das Entstehen der Beitragspflicht, sondern auf das Entstehen der Erschließungskosten ab. Man kann die Klausel daher auch so auslegen, dass maßgebend sein sollte, welche Erschließungsleistungen bis zum Abschluss des Kaufvertrages zwischen den Eheleuten R... und den Eheleuten F... bereits durchgeführt worden und welcher Kostenaufwand hierdurch verursacht worden war. Von einer solchen Auslegung ist offenbar auch das Landgericht Trier in dem Rechtsstreit zwischen den Eheleuten R... und den Klägern ausgegangen. Im Falle einer solchen Auslegung der Regelung im Kaufvertrag zwischen den Eheleuten R... und den Eheleuten F... aber sind auf der Grundlage der jeweiligen vertraglichen Regelung die späteren Verkäufer von ihren Käufern jeweils zu Recht auf Erstattung der Erschließungskosten in Anspruch genommen, so dass die Beklagten den Klägern nicht entgegenhalten können, die Garantie erstrecke sich nur auf eine berechtigte Inanspruchnahme.

Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ist der Höhe nach nicht zu bestanden. Gemäß der Aufstellung der Stadt Kempen vom 8. November 1999 rühren die beitragsfähigen Ausbaukosten der Erschließungsanlage in Höhe der folgenden Beträge aus den Jahren vor 1985:

23.523,99 DM 19.555,67 DM 728,74 DM 220,96 DM 409,59 DM 425,02 DM 44,72 DM 73,92 DM 317,57 DM insgesamt 45.300,18 DM.

Das sind 67,9 % der gesamten Herstellungskosten von 66.718,38 DM. Da nach dem Erschließungskostenbescheid vom 22. November 1999 gegen die Eheleute F... an Erschließungskosten für die Teilfläche aus dem ursprünglichen Grundstück der Beklagten (Flurstück 380) 13.278,45 DM festgesetzt wurden, sind hiervon die anteilig auf die Zeit bis 1985 entfallenden 67,9 %, mithin 9.016,09 DM von den Beklagten zu tragen. Außer den bereits von den Klägern an die Eheleute R... gezahlten 3.394,90 DM haben die Beklagten mithin die vom Amtsgericht Daun/Landgericht Trier im Verhältnis zwischen den Eheleuten R... und den Klägern ausgeurteilten 5.621,19 DM nebst Zinsen zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 2 ZPO. Die Kläger haben erstmals in der Berufungsinstanz die Höhe der Forderung schlüssig dargetan.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren und Beschwer der Beklagten: 9.016,09 DM.

Ende der Entscheidung

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