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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.08.2000
Aktenzeichen: 9 U 60/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 1437
BGB § 181
BGB § 2270 Abs. 2
BGB § 894
BGB § 2229 Abs. 4
BGB § 2271 Abs. 2
BGB § 140
BGB § 2269
BGB § 2270 Abs. 1
BGB § 2270 Abs. 2
ZPO § 539
ZPO § 590
ZPO § 708 Nr. 10
GKG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 60/00

Verkündet am 14. August 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P, die Richterin am Oberlandesgericht S und den Richter am Landgericht M

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. November 1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - 6 O 295/99 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die verbleibenden Kosten des Berufungsverfahrens - an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Die durch das aufgehobene Urteil ausgelösten Gerichtsgebühren sowie die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Laut Erbschein vom 25. Juni 1998 ist der Kläger Alleinerbe der am 22. September 1997 verstorbenen E T Der Kläger begehrt von der Beklagten die Berichtigung des Grundbuches betreffend das früher Frau T gehörende Hausgrundstück A in H, Dieses hat die Beklagte als Testamentsvollstreckerin nach dem Tod der Frau T in Erfüllung eines Vermächtnisses vom 24. April 1995 auf sich selbst übertragen.

Die 1908 geborene E T war mit dem Lehrer W T verheiratet. Dieser war Eigentümer zweier Häuser. Am 28. Januar 1968 schlossen die Eheleute einen handschriftlichen Ehe- und Erbvertrag, in dem es heißt:

"Wir haben im Jahre 1936 ohne Errichtung eines Ehevertrages mit erstem Ehewohnsitz in K geheiratet, lebten also bis jetzt in dem gesetzlichen Güterstand des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Hierdurch vereinbaren wir nun, dass von jetzt ab eine allgemeine Gütergemeinschaft gemäß den Bestimmungen der §§ 1437 und der folgenden des Bürgerlichen Gesetzbuches für unsere Ehe Platz ergreifen soll.

Wir beantragen, dies in das Güterrechtsregister einzutragen. Ferner bewilligen und beantragen wir bei den im Grundbuch von R Liegenschaftsbuch Nr., Grundbuch-Bd., Blatt und dem Grundbuchamt von E Grundbuch von K Bd., Blatt Nr. eingetragenen gesamten Grundbesitz das Rechtsverhältnis der Gütergemeinschaft zu vermerken.

Sodann setzen wir uns hiermit gegenseitig, der Vorversterbende den Überlebenden, für die Dauer unseres Witwenstandes zu Universalerben mit dem Recht der freien Verfügung über den Nachlaß ein. Nach dem Tod des zuletzt, Versterbenden geht der gesamte Nachlaß in den Besitz des Altersheimes in H (G) über."

Im Januar 1990 verstarb der Ehemann. Frau T wurde am 18. Dezember 1992 als neue Eigentümerin des Hausgrundstückes in in dem sie auch seit Jahren lebte, eingetragen.

Im Dezember 1994 wandte sich die Mitarbeiterin B des Sozialen Dienstes des Kreises M an das Amtsgericht Ratingen und regte eine Betreuung für die im übrigen schwerhörige Frau T an (Az.: 12 XVII 110/94). Ein Bekannter der Frau T ein Herr K hatte dem Sozialen Dienst mitgeteilt, er könne seine Besuche bei Frau T nicht mehr fortsetzen, weil diese ihm gegenüber aggressiv auftrete und ihn z.B. beschuldige, Briefe zu entwenden, obwohl diese hiernach aufgefunden werden könnten. In dem Bericht (Bl. 1 f BA) heißt es u. a.:

"Eine Putzfrau soll einmal in der Woche kommen, deren Namen konnte Frau TIM nicht benennen. Sie nennt sie "die Spanierin". Ob die Putzfrau auch Essen zubereitet oder ob Fr. T M selbst kocht, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Frau T weiß über diese Dinge nicht Bescheid."

Daneben wird in dem Bericht der verwahrloste Zustand des Obergeschosses des Hauses A R geschildert, in dem sich auch das - einer Müllhalde ähnliche - Schlafzimmer der Frau T befand, das niemand betreten durfte und von Frau T als nur etwas unaufgeräumt angesehen wurde. Auf Anforderung des Gerichts wurde das Attest vom 20. Dezember 1994 des Hausarztes der Verstorbenen, des Herrn Dr. A, vorgelegt, in dem es heißt (Bl. 5 BA):

"Die Einrichtung einer Betreuung ist aufgrund folgender Diagnose anzuraten:

schwere cerebrale Durchblutungsstörung, Herzinsuffizienz, Polyarthrose, Schwindelzustände, zeitweise Desorientierung."

Durch Beschluß vom 9. Juni 1995 ordnete das Gericht nach Anhörung des Sachverständigen Dr. S eine Betreuung an.

In dem Beschluß heißt es (Bl. 22 BA):

"Die Betroffene selbst ist auch mit der Betreuung einverstanden. Das Einverständnis ist im natürlichen Sinne auch als wirksam anzusehen."

Bereits am 24. April 1995 hatte Notar Dr. H aus H die Verstorbene in ihrem Haus in H aufgesucht und ein Testament (UR.-Nr. 474/1995) beurkundet. Darin heißt es:

"Der Notar überzeugte sich durch mündliche Erörterungen mit der Erschienenen von deren Geschäfts- und Testierfähigkeit. Die Erschienene erklärt dem Notar mündlich ihren letzten Willen wie folgt:

Ich vermache Frau I P M, geboren am 29. März 1949, ..., mein Wohnhaus in R, R, eingetragen im Grundbuch von H Blatt. Sie erhält dieses Wohnhaus mit allem Inventar und allen Büchern zum Ausgleich dafür, dass sie mich stets gepflegt und versorgt hat. Es soll keine Ersatzvermächtnisfolge gelten.

Soweit frühere Verfügungen dem entgegenstehen, sollen sie nicht gelten. Insbesondere betrachte ich mich an den Schlußerbenvermerk in dem "Ehe- und Erbvertrag", den ich in privatschriftlicher Form mit meinem Ehemann verfaßt habe, nicht gebunden. Bei der Errichtung dieses Testamentes wünschten wir keine Bindung an den dort genannten Schlußerben.

Bezüglich des Hauses in R H ... ordne ich Testamentsvollstreckung an. Testamentsvollstreckerin ist Frau I P M. Sie ist als Testamentsvollstreckerin befugt, dieses Wohnhaus nach meinem Tode aus meinem Nachlaß in n ihr Eigentum zu übertragen, aufzulassen und alle hierzu erforderlichen Erklärungen und Bewilligungen abzugeben und entgegenzunehmen. Sie ist insoweit von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit."

Nach dem Tod der Frau T übertrug die Beklagte das Hausgrundstück A R auf sich. Sie ist laut Auskunft des Grundbuchamtes seit dem 10. Juni 1998 im Grundbuch eingetragen.

In seiner Klage auf Grundbuchberichtigung hat der klagende Verein die Ansicht vertreten, bei dem Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahre 1968 handele es sich um wechselbezügliche Verfügungen, durch die die Verstorbene daran gehindert gewesen sei, weitere testamentarische Verfügungen vorzunehmen. Ferner hat er vorgetragen, bei Errichtung des das Vermächtnis enthaltenen Testaments am 24. April 1995 sei Frau T nicht mehr testierfähig gewesen. Bereits zu Lebzeiten ihres Ehemannes sei sie krank gewesen. Nach dessen Tod habe sich der Zustand rapide verschlechtert. Zu schweren cerebralen Durchblutungsstörungen seien massive intellektuelle Ausfallerscheinungen hinzu gekommen, weshalb Frau T in ihrer Orientierung zumindest zeitweise gestört gewesen sei. Frau T habe sich dann von den Nachbarn zurückgezogen und aggressives Verhalten entwickelt. Nach Einschätzung des Sozialen Dienstes sei Frau T nicht in der Lage gewesen, ihre materiellen Dinge und ihre häusliche Situation realistisch einzuschätzen. Sie sei nicht mehr testierfähig gewesen, als die Betreuung angeordnet worden sei. Dies könne auch die spätere Betreuerin der Frau T bestätigen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts R von H, Blatt, dahin zu bewilligen, dass nicht sie, sondern der Kläger Eigentümerin des daselbst verzeichneten Grundstücks A, H, ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei viele Jahre Haushälterin der Erblasserin gewesen und habe diese gepflegt und versorgt, ohne dafür eine Vergütung erhalten zuhaben. Als Gegenleistung habe sie daher das Hausgrundstück erhalten sollen. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, die Verstorbene sei an einer Testierung durch das Testament von 1968 nicht gehindert gewesen. Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB greife nicht ein, weil der Kläger nur eine gemeinnützige Stiftung sei. Die Erblasserin sei trotz ihres Alters und ihrer zweifellos vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigung geistig in der Lage gewesen, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Erklärung einzusehen und verstandesmäßig zu behandeln. Mit ihr habe man - wenn auch wegen der vorhandenen Schwerhörigkeit in lauter Form - ein völlig normales und von klaren Gedanken durchzogenes Gespräch führen können.

Durch das angegriffene Urteil vom 23. November 1999 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Gericht hat darin ausgeführt, eine erhebliche Schwerhörigkeit und eine cerebrale Durchblutungsstörung, die anlässlich der Betreuungseinrichtung von Dr. S attestiert wurden, rechtfertigten nicht die Annahme der Testierunfähigkeit. Der Notar habe in der Urkunde festgehalten, dass eine mündliche Erörterung mit der Erblasserin möglich gewesen sei. Dem Beweis zugängliche Tatsachen oder Indizien, die diese Indizien entkräften könnten, habe der Kläger nicht dargetan.

Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag und rügt insbesondere, das Landgericht sei den Beweisantritten zur Testierunfähigkeit der Verstorbenen, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht nachgegangen. Bei der Erblasserin habe eine fortgeschrittene Cerebralsklerose vorgelegen, die ihre Grundlage in einer Hirnschädigung gehabt hätte, so dass Testierunfähigkeit gegeben gewesen sei. Seit 1994 habe sich das freundliche und umgängliche Verhalten der Frau T radikal geändert, was Herr K eingehend bezeugen könne. Die Hilflosigkeit der Verstorbenen ergebe sich auch deutlich aus dem Bericht der Frau B vom Sozialen Dienst aus Dezember 1994. Eine Kontaktaufnahme sei nicht mehr möglich gewesen; die in dem Bericht der Frau B geschilderte persönliche Verwahrlosung der Erblasserin sei damit einhergegangen, dass jene in Vermögens- und Gelddingen überhaupt keinen Überblick mehr hatte. Vor dem Tätigwerden der Betreuerin seien Rechnungen nicht mehr bezahlt worden. Die Verstorbene sei am 25. April 1995 gar nicht in der Lage gewesen, die in der notariellen Urkunde niedergelegten Überlegungen und Bewertungen auch nur ansatzweise nachzuvollziehen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Klage stattzugeben.

Die Beklagte bittet darum,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint, das Landgericht habe es zu Recht unterlassen, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Eine konkrete Verhaltensauffälligkeit der Erblasserin sei nicht vorgetragen. Der beurkundende Notar hätte nicht den geringsten Anlaß gehabt, an der Testierfähigkeit der Erblasserin zu zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Betreuungsakte 12 VII 110/99 AG Ratingen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat insoweit Erfolg, als das erstinstanzliche Urteil vom 23. November 1999 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen wird. Denn das Gericht hat den erheblichen Vortrag des Klägers zur Testierfähigkeit der Frau E T nebst Beweisangeboten nicht zur Kenntnis genommen und damit gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen.

Dies ist ein erheblicher Verfahrensmangel im Sinne von § 539 ZPO.

I.

Der Kläger hat bereits in I. Instanz einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB gegen die Beklagte schlüssig vorgetragen; Frau E T soll im April 1995 testierunfähig gewesen sein, so dass sie das die Beklagte begünstigende Testament nicht errichten und die Beklagte als vorgesehene Testamentsvollstreckerin das Hausgrundstück A R in H nicht auf sich übertragen konnte. Der Grundbesitz würde danach dem Kläger zustehen und das Grundbuch unrichtig sein.

1. Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusetzen. Zwar bildet die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme; wer sich aber darauf beruft, hat ihre Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (vgl. Palandt-Heinrichs, § 104 BGB, Rdnr. 8). Werden, wie im vorliegenden Fall der Frau E T erhebliche Zweifel an der Testierfähigkeit/Geschäftsfähigkeit eines Menschen in einem Verfahren aufgezeichnet, so muß das Gericht dem nachgehen. Regelmäßig muß es dabei die behaupteten, auf mangelnde Testierfähigkeit hindeutenden Verhaltensweisen des Erblassers aufklären und sich Klarheit über den medizinischen Befund verschaffen. Ob ein bestimmtes Krankheitsbild und die damit einhergehenden Verhaltensweisen die Annahme der Störung der Geistestätigkeit und damit der Testierunfähigkeit bedeutet, kann üblicherweise nur durch das Gutachten eines fachkundigen ärztlichen Sachverständigen festgestellt werden (vgl. dazu BGH FamRZ 1989, 1003 sowie BGH NJW 1996, 918, 919 auch OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 1159 f.; Palandt-Edenhofer, § 2229 BGB, Rdnr. 13). Diesen Anforderungen ist das Landgericht nicht gerecht geworden. Es hat den diesbezüglichen Vortrag des Klägers zu den Verhaltensweisen der Erblasserin und ihrem Krankheitsbild als substanzlos übergangen und auch kein - vom Kläger beantragtes - Sachverständigengutachten eingeholt.

2. Der Kläger hat in erster Instanz bereits vorgetragen, die Verstorbene habe unter schweren cerebralen Durchblutungsstörungen gelitten und insoweit auf die Angaben des Hausarztes von Dezember 1999 und später ergänzend auf die Untersuchungsbefunde des Arztes Dr. S - die im Betreuungsverfahren gerade nicht detailliert vorliegen - verwiesen. Das geschilderte Krankheitsbild kann die Kammer nicht von vornherein ohne sachverständige Beratung als zur Störung der Geistestätigkeit ungeeignet abtun. Das Krankheitsbild der Durchblutungsstörung und die damit einhergehenden Ausfallerscheinungen sind fließend und ohne Einbeziehung der Gesamtumstände ist der Grad der Erkrankung nicht zu bestimmen. Ein entsprechende medizinische Sachkunde zur Einordnung der Erkrankung läßt die Kammer in den Entscheidungsgründen jedenfalls nicht erkennen. Auch aus den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Dr. S im Betreuungsverfahren am 9. Juni 1997 kann nicht geschlossen werden, es habe sich im Falle der Frau T um eine "leichte" Erkrankung gehandelt, die deren Geistestätigkeit nicht nennenswert beeinträchtigte. Im Betreuungsverfahren bedarf es seit dem 1. Januar 1992 nicht mehr der eindeutigen Feststellung der Geschäftsunfähigkeit; entscheidend ist nur, dass der Betroffene seine Angelegenheiten alleine nicht mehr bewältigen kann. In einem solchen Fall reicht als Krankheitsbild auch: "Durchblutungsstörungen", ohne dass daraus der Schweregrad der Erkrankung abzulesen wäre. Die vom Landgericht aus den Erläuterungen des Sachverständigen Dr. S gezogenen Schlußfolgerung wird auch nicht durch das seinerzeit im die Betreuung anordnenden Beschluß festgehaltene "natürliche Einverständnis" gestützt; diese Umschreibung stellt eine rechtsgeschäftlich relevante Willenserklärung gerade in Abrede. Auch die floskelhafte Feststellung des Notars Dr. H vom 29. April 1995, er habe sich von der Testierfähigkeit der Frau T überzeugt, mag die berechtigten Zweifel nicht zu beseitigen. Der Notar ist medizinischer Laie; ihm scheint noch nicht einmal die Schwerhörigkeit der Testierenden aufgefallen zu sein. Wäre Frau T im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte gewesen, hätte es nahegelegen, den Notar darauf hinzuweisen, der Soziale Dienst bemühe sich um sie und habe bereits die Einleitung einer Betreuung veranlaßt. Abgesehen davon berät Notar Dr. H die Beklagte anscheinend auch juristisch; anders ist sein Erscheinen auf dem Grundstück Am P zur Verhinderung der Inbesitznahme desselben durch den Kläger im Juli 1998 kaum zu erklären.

3. Schließlich ist die Auffassung des Landgerichts unzutreffend, der Kläger habe außer der Benennung des Krankheitsbildes keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen oder Indizien vorgetragen, die auf die Testierunfähigkeit der Frau T im April 1999 hindeuten würden.

Der Kläger hat so z.B. auf die Darstellung des Herrn K zurückgegriffen. Dabei handelt es sich um einen langjährigen Bekannten der Frau T, der sich 1999 an den Sozialen Dienst wandte und dort von der grundlosen Aggressivität der Frau T berichtete. Dieses Verhalten hat es ihm nicht mehr möglich gemacht, die Betreuung fortzusetzen.

Ferner hat der Kläger auf den anschaulichen Bericht des Sozialen Dienstes von Dezember 1994 Bezug genommen, der sich in der Betreuungsakte befindet. Darin springt besonders ins Auge, dass Frau T den Namen der Beklagten seinerzeit nicht nennen konnte und - gravierender - nicht einmal in der Lage war anzugeben, ob sie selbst kocht oder die Putzfrau das Essen zubereitet. Ferner hat der Kläger den in diesem Bericht deutlich zum Ausdruck kommenden Aspekt der "Vermüllung" des Lebensbereiches der Frau T hervorgehoben. Sodann hat er darauf hingewiesen, dass Frau T ihre Vermögensangelegenheiten nicht mehr habe übersehen können und insofern auf das Zeugnis der Betreuerin Frau Q Bezug genommen. Ausweislich der Betreuungsakte hat sich die spätere Betreuerin bereits seit Januar 1995 um Kontakte mit Frau T bemüht und insbesondere im April 1995 das Amtsgericht zwei Mal auf die besondere Notsituation der Frau T hingewiesen. So hatte Frau Q u.a. in Erfahrung gebracht, dass das Rentenkonto der Frau T grundlos aufgelöst war, Post nicht geöffnet und Rechnungen nicht bezahlt wurden. Nach der Darstellung von Frau Q vom 6. April 1995 versuche die Nachbarin G, den Kontakt zu Frau T zu halten, was aber schwierig sei. Nach der Darstellung der Beklagten soll Frau G hingegen bestätigen können, dass Frau T sich bis zum Schluß völlig normal an Gesprächen beteiligt habe. Schließlich hat der Kläger hervor gehoben, der die Betreuung anordnende Beschluß spreche nur von einem Einverständnis im "natürlichen Sinne" und die Auffassung vertreten, dies deute ebenfalls auf die Einschätzung der Betreuungsrichterin hin, Frau T sei seinerzeit nicht mehr geschäftsfähig gewesen.

4. Der Kläger, der die Verstorbene nicht kannte, ist notgedrungen auf Schilderungen Dritter angewiesen. Er kann nur deren Wahrnehmungen vortragen. Das sich daraus ergebende Bild ruft aber bereits erhebliche Zweifel an der Geschäfts-/Testierfähigkeit der Frau T im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes am 24. April 1995 hervor und hätte dem Landgericht Anlaß geben müssen, in die Beweisaufnahme einzutreten. Das Übergehen des diesbezüglichen Vortrags des Klägers mit dem Hinweis, dem Beweis zugängliche Tatsachen oder Indizien seien nicht dargelegt, stellt dann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.

II.

Die deshalb notwendige Zurückverweisung der Sache kann nicht etwa deshalb unterbleiben, weil dem Kläger ein Berichtigungsanspruch bereits aus einem anderen Grund zustehen würde. Vergeblich beruft er sich insoweit auf die Einschränkung der Testierfreiheit der Frau T durch die Vereinbarung vom 26. Januar 1968 im Sinne von § 2271 Abs. 2 BGB. Frau T war am 24. April 1995 nicht durch eine frühere testamentarische Verfügung gehindert, ein Vermächtnis zugunsten der Beklagten anzuordnen.

1. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung von 1968 wollten die Eheleute T seinerzeit einen Ehe- und Erbvertrag schließen Trotz der in dem Text zum Ausdruck kommenden Rechtskenntnis des Herrn T war diesem die Notwendigkeit der notariellen Form für eine solche Vereinbarung nicht bewußt (§§ 2276, 1410 BGB). Wegen Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form war der beabsichtigte Vertrag daher nichtig (§ 125 Satz 1 BGB).

2. Die Vereinbarung, aus der der Kläger seine Erbenstellung ableitet, kann jedoch gemäß § 140 BGB in ein Berliner Testament gem. § 2269 BGB umgedeutet werden, welches in der gewählten handschriftlichen Form wirksam ist. Wirtschaftlich gesehen kann auch durch das Berliner Testament bezüglich der Erbfolge das erreicht werden, was Inhalt des Erbvertrages werden sollte: Die gegenseitige Einsetzung der Eheleute zu Vollerben des aus deren Sicht einheitlichen Vermögens und die Benennung eines Schlußerben. Es ist auch anzunehmen, dass diese Umdeutung dem mutmaßlichen Willen der Eheleute entspricht. Bei Kenntnis der Nichtigkeit des Erbvertrages hätten sie ein § 2269 BGB entsprechendes Testament verfaßt, um ihr Ziel zur Regelung der Erbfolge zu erreichen.

3. Die in der Vereinbarung von 1968 enthaltene Schlußerbeneinsetzung des klagenden Vereins ist nicht wechselbezüglich und daher nachträglich durch die überlebende E T abänderbar gewesen.

Haben Ehegatten in einem gemeinsamen Testament wechselbezügliche Verfügungen getroffen, können sie diese nur bis zum Tod des anderen Ehegatten widerrufen (§ 2271 Abs. 2 BGB). Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind Verfügungen dann wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, d.h. bezogen auf die Schlußerbeneinsetzung, die Erbeinsetzung des anderen Ehegatten nicht ohne dessen Bindung an die Schlußerbeneinsetzung erfolgen sollte. Klare Anhaltspunkte für eine gewollte oder abgelehnte Wechselbezüglichkeit der Verfügungen der Eheleute T lassen sich deren Vereinbarung von 1968 nicht entnehmen. Dies geht zu Lasten des Klägers (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 1232, 1239). Zwar war Herr T 1968 Alleineigentümer zweier Häuser, die er seiner Ehefrau - für den Fall, dass sie ihn überlebte - testamentarisch zuwenden wollte. Auch war er grundsätzlich wohl bereit, mit ihr zu Lebzeiten eine "Gütergemeinschaft" zu begründen. Andererseits hat er zu Lebzeiten nichts unternommen, um diese Absicht nach außen zu dokumentieren und die Häuser - wie in der Vereinbarung vorgesehen - in gemeinsames Eigentum zu überführen. Insofern läßt sich aus dem Wunsch, seinerzeit auch einen Ehevertrag abzuschließen, nichts hinsichtlich der testamentarisch begrenzten Verfügungsbefugnis der Frau T ableiten. Schließlich ergibt sich aus dem Testament keine konkrete Beziehung des Herrn T zum Kläger, um derentwillen er seine Ehefrau hinsichtlich der Bestimmung des Schlußerben hätte endgültig binden wollen. Der Kläger kann dazu, wie auch die Erörterung im Senatstermin gezeigt hat, keinen Grund benennen. Denkbar für dessen Einsetzung als Schlußerbe wäre für den Senat allenfalls, dass der klägerische Verein im Januar 1968 deshalb in das Bewußtsein des Herrn T gerückt ist, weil er ausweislich des Vereinsregisterauszuges (Bl. 109 BA) Ende 1966 gegründet wurde, der Bürgermeister Vorsitzender war und der Verein in H ein Altersheim betrieb. Vielleicht erwartete der kinderlose Herr T, dort einmal zusammen mit seiner Ehefrau den Lebensabend zu verbringen. Es kann aber nicht angenommen werden, Herr T wollte, sollte sich diese Erwartung nicht realisieren und für die Pflege die Hilfe Dritter benötigt werden, seine Ehefrau zwingend auf den Kläger als Schlußerben festlegen. Das Testament äußert gerade nicht unmißverständlich den Willen des Ehemannes, der gesamte Nachlaß solle unbedingt dem Kläger zufallen. Frau T war durch das Testament nicht gehindert, das Erbe bereits bis zum eigenen Versterben vollständig aufzubrauchen. Die insofern in dem Testament enthaltene Klausel, der Überlebende dürfte frei und ungehindert verfügen, ist mangels anderer Anhaltspunkte zwar nur die Ermächtigung zur Verfügung unter Lebenden (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 209), zeigt aber doch zugleich, dass es den Eheleuten T 1968 nicht zwingend darauf ankam, dem Kläger bestimmte Gegenstände zuzuwenden.

Für eine Wechselbezüglichkeit der Verfügung könnte allenfalls die Absicht der Eheleute T herangezogen werden, ursprünglich einen Erbvertrag schließen zu wollen. Nach dem wirksamen Abschluß eines solchen Vertrages wäre jeder der Vertragsteile an die darin getroffenen Vereinbarungen gebunden gewesen. Daraus auf eine Wechselbezüglichkeit der Vereinbarung im Rahmen des Berliner Testamentes zu schließen, wäre aber nur möglich, wenn die Eheleute um diese strikte Bindungswirkung des Erbvertrages gewußt hätten. Angesichts der letztendlich doch geringen Rechtskenntnisse des Herrn T - die Form des Erbvertrages war ihm schließlich auch nicht bekannt -, kann das Bewußtsein der Bindungswirkung zugunsten des Klägers aber nicht zwingend unterstellt werden.

4. Läßt sich die Wechselbezüglichkeit mangels Kenntnis der Motive der Eheleute weder im Sinne einer gegenseitigen Abhängigkeit noch einer Unabhängigkeit ermitteln, greift die Auslegungsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB ein (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 209, 210). Danach ist eine wechselbezügliche Verfügung im Zweifel dann anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken und für den Fall des Versterbens des Längstlebenden eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem vorverstorbenen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht. Zwar haben sich die Eheleute T in dem Testament von 1968 gegenseitig bedacht, aber unstreitig keine dem anderen nahestehende Person ausgewählt, sondern die caritative Einrichtung des Klägers. Die Einsetzung eines solchen Schlußerben ist in der Regel nicht als wechselbezüglich anzusehen und kann daher vom überlebenden durch weiteres Testament widerrufen werden (vgl. Palandt-Edenhofer, § 2270 BGB, Rdnr. 6; vgl. auch BayObLG FamRZ 1986, 604, 606 und BayObLG FamRZ 1991, 1232, 1234). Die Erblasserin war daher im April 1995 grundsätzlich nicht gehindert, testamentarisch ein Vermächtnis zugunsten der Beklagten anzuordnen und sie als Testamentsvollstreckerin bezüglich dieses Vermögensgegenstandes zu bestimmen.

III.

Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs bezüglich der vorgetragenen Testierunfähigkeit der Frau T stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 539 ZPO dar; das Urteil beruht darauf. Bei Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin wäre zunächst eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen; eine abweichende Entscheidung über den Klageantrag ist daher nicht ausgeschlossen. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Weil die Sache noch weiterer umfangreicher Aufklärung bedarf, kommt eine eigene Sachentscheidung durch den Senat nach § 590 ZPO mangels Sachdienlichkeit nicht in Betracht.

IV.

Die Entscheidung über die Niederschlagung von Gerichtskosten folgt aus § 8 GKG. Die Entscheidungen über die nach der Niederschlagung noch verbleibenden Kosten des Rechtsstreits einschließlich der des Berufungsverfahrens sind dem Landgericht vorzubehalten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Streitwert: 380.000,-- DM

Beschwer für beide Parteien: über 60.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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