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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.12.2001
Aktenzeichen: 9 U 72/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1004 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
GKG § 19 Abs. 1 Satz 2
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
Zur Frage der Wesentlichkeit der Lärmeinwirkung von einer Bushaltestelle an einer Hauptverkehrsstraße im allgemeinen Wohngebiet, die von drei Buslinien angefahren wird, auf ein Mehrfamilienwohnhaus.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 72/00

Verkündet am 3. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P..., den Richter am Oberlandesgericht G... und den Richter am Landgericht F...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Februar 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden gegen Sicherheit in Höhe von 16.000 DM, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen Einwirkungen ausgehend von einer Bushaltestelle der Beklagten vor seinem Hause.

Er ist Eigentümer des Mehrfamilienhauses H... 37 in W...-W.... Es handelt sich bei dem Haus um ein viergeschossiges Wohnhaus mit acht vermieteten Wohnungen. Die H... ist eine ca. 7,50 m breite Einbahnstraße als Hauptverkehrsstraße mit einem ca. 2,30 m breiten Bürgersteig. Sie liegt im allgemeinen Wohngebiet. Der Haltestellenmast ist 2 m entfernt von dem Fenster einer Erdgeschosswohnung.

Busverkehr findet in der H... seit 1939 statt. Die Haltestelle befindet sich seit 1974 an ihrer jetzigen Stelle. Zuvor hatte sie sich in der K... befunden. Die Haltestelle wird angefahren von den Linien ..., ... (zweiachsige Busse) und ... (dreiachsige Gelenkbusse).

Die Fahrzeiten der Busse haben sich im Verlaufe des Rechtsstreites geändert. Während ursprünglich zwei Busse zeitgleich an- und abfuhren, fahren die Busse inzwischen werktags tagsüber in der Zeit zwischen 5 Uhr und 19 Uhr jeweils um 07, 09, 17, 27, 29, 37, 47, 49 und 57. Nach 19 Uhr fahren noch zwei Busse der Linie ..., und zwar um 19.07 Uhr und 19.17 Uhr. Die Busse der Linie ... fahren von 19.23 Uhr bis 23.53 Uhr alle 30 Minuten. Die Busse der Linie ... fahren von 19.40 Uhr an bis 23.10 Uhr (an Wochenenden bis 0.10 Uhr) alle 30 Minuten.

Die Beklagte macht geltend, bei Zählungen im Jahre 1998 seien für die Haltestelle werktäglich zwischen 5 Uhr und 19.30 Uhr ca. 800 einsteigende und 300 aussteigende Fahrgäste gezählt worden.

Der Kläger beanstandet Lärm, Abgase und Beeinträchtigungen durch Fahrgäste. Er hat behauptet, die Busfahrer ließen den Motor während der Wartezeit an der Haltestelle laufen, zum Teil drehten sie ihn hoch. Bei geschlossenem Fenster seien die Geräusche trotz Isolierverglasung zu vernehmen. Hinzu komme das Zischen der Druckluft beim Betätigen der Türen. Wegen des Lärmes würden Gespräche permanent unterbrochen. Die Busse verursachten vermehrt Abgase. Die Fahrgäste verschmutzten den Bürgersteig mit Zigarettenkippen und Papierchen; Müll werde neben den Papierkorb am Haltemast geworfen und finde sich in Wanddurchbrüchen der Kellerfenster wieder. Der Dreck werde ins Haus getragen. Bewohner und Besucher des Hauses würden angepöbelt; Fahrgäste drängten sich bei Regen in den schmalen Hauseingang oder lehnten an der Hauswand, die auch wegen der Abdrücke von Schuhsohlen und wegen Schmierereien mit Sprühdosen verschmutze. Die Mieter hätten Minderung angedroht. Er habe sie nur mit Beteuerungen und teuren Umbaumaßnahmen im Hause halten können. Vereinzelt habe er Bad/WC zur Straßenfront gelegt. Kosten hierdurch seien verursacht worden in Höhe von 30.000 DM.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Bushaltestelle vor dem Haus H... 37 in W... aufzuheben;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihren Fahrplan so abzuändern, dass unter Beibehaltung der Haltestelle maximal drei Busse in einem angemessenen zeitlichen Abstand die Bushaltestelle pro Stunde anfahren, wobei die Festlegung der zeitlichen Abstände in das Ermessen des Gerichtes gestellt werde,

3. hilfsweise zum Hilfsantrag zu 2. festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, eine Entschädigung für die Wertminderung des Hauses H... 37 zu zahlen,

hilfsweise hierzu, verpflichtet ist, Kostenersatz für notwendige Lärmschutzmaßnahmen am Haus H... 37 in W... zu leisten.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und behauptet, eine Verlegung der Haltestelle sei nicht möglich. Die Buslinien seien die Hauptachsen ihres Busnetzes.

Das Landgericht hat einen Ortstermin abgehalten und ein Gutachten zu der Frage eingeholt, ob die von den Bussen verursachten Geräusche die Grenzwerte der TA Lärm überschreiten. Auf dieser Grundlage hat es die Klage abgewiesen. Es könne von einem wesentlichen Lärm nicht ausgegangen werden, weil die Busse den Gesamtbeurteilungspegel des Verkehrslärmes nur unwesentlich erhöhten. Hinsichtlich der Verschmutzungen sei die Beklagte kein Störer. Wegen der Duldungspflicht des Klägers komme auch eine Entschädigung nicht in Betracht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.

Er macht geltend, der Lärm sei wesentlich. Es gebe keine einschlägigen Richtwerte; die Richtwerte anderer nicht unmittelbar einschlägiger Regelwerke zur Beurteilung von Lärm seien jedenfalls deutlich überschritten. Der Kläger beanstandet die Feststellungen des Sachverständigen. Jedenfalls habe die Beklagte die Unwesentlichkeit des Lärmes nicht bewiesen. Nicht aufgeklärt seien die Beeinträchtigungen durch Abgase. Die Beklagte sei auch verantwortlich für Verunreinigungen durch ihre Fahrgäste.

Alle Beeinträchtigungen seien nicht ortsüblich, jedenfalls mit wirtschaftlichem Aufwand verhinderbar. Gemeinwohlerwägungen seien nicht betroffen, weil der Linienbetrieb der Beklagten weiter möglich sei. Er werde weder durch Aufhebung noch durch Verlegung der Haltestelle H... lahmgelegt oder erheblich beeinträchtigt. Deshalb könne er in erster Linie Aufhebung der Haltestelle, jedenfalls aber eine Entzerrung bzw. Verringerung des Bushalteverkehres verlangen.

Sollte er - wider Erwarten - zur Duldung verpflichtet sein, so stehe ihm jedenfalls ein Ausgleichsanspruch zu, da Nutzung und Ertrag seines Hauses über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt würden. Es komme zu Schlafstörungen bei den Bewohnern. Die allgemeine Wohn- und Lebensqualität sei gesunken. Für Lärmschutzmaßnahmen seien mindestens für 19 Fenster je 3.500 DM aufzuwenden. Insoweit macht der Kläger in erster Linie einen Feststellungsantrag und hilfsweise einen Zahlungsanspruch geltend.

Sofern sich der zu gewährende Geldausgleich nach der Wertminderung des beeinträchtigten Eigentumes richte, dürfe der Betrag von 27.500 DM keinesfalls unterschritten werden. Auch insoweit begehrt der Kläger in erster Linie Feststellung, hilfsweise Zahlung.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1.

die Beklagte zu verurteilen, die Bushaltestelle vor dem Haus ... 37 in ... aufzuheben;

2.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Störungen (Lärm, Abgase und Gerüche), die von dem Betrieb der Bushaltestelle H... 37 ausgehen und auf das Eigentum des Klägers ... 37, ..., einwirken, zu beseitigen, soweit das Eigentum des Klägers mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt wird und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Bushaltestelle H... 37 frequentierende Fahrgäste

- das Grundstück des Klägers (im Hauseingangsbereich) betreten

- das Grundstück des Klägers (im Hauseingangsbereich) verunreinigen

- die Fassade des klägerischen Anwesens mit Graffitis und sonstigen Schriftzügen/Schriftzeichen bemalen,

3.

hilfsweise

a)

festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, Kostenersatz für notwendige Lärmschutzmaßnahmen an dem Haus H... 37 in W... zu leisten,

b)

hilfsweise zu a) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen angemessenen Geldausgleich für notwendige an dem Haus H... 37 durchzuführende Lärmschutzmaßnahmen zu zahlen, der der Höhe nach in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, einen Betrag von 66.500 DM jedoch nicht unterschreiten sollte,

4.

hilfsweise

a)

festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung für die Wertminderung des Hauses H... 37 zu zahlen,

b)

hilfsweise zu a) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine angemessene Entschädigung für die Wertminderung des Hauses H... 37 zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch 27.500 DM nicht unterschreiten sollte.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung.

Sie hält die Beeinträchtigungen für nicht wesentlich. Grenzwertüberschreitungen seien ohne Belang, weil das Hausgrundstück des Klägers ohnehin durch Geräusche des Gesamtverkehrs erheblich belastet sei. Dieser Lärmpegel werde kaum erhöht. Abzustellen sei allenfalls auf zusätzliche Haltestellengeräusche, die lediglich von untergeordneter Bedeutung seien. Bei der Beurteilung der Frage der Wesentlichkeit sei eine Güterabwägung vorzunehmen und die wichtige Funktion gerade der hier fraglichen drei Buslinien zu berücksichtigen, die ein besonders hohes Fahrgastaufkommen hätten. Auch die übrigen Immissionen seien unwesentlich; zu haltestellenbedingten Abgasvermehrungen komme es nicht. Das vom Kläger beanstandete Verhalten der Fahrgäste bestreitet die Beklagte. Sie macht weiter geltend, eine Häufung von drei Buslinien an einer Haltestelle sei durchaus ortsüblich. Gesetzlich sei die Aufhebung der Haltestelle nicht möglich. Eine Verlegung komme ebenfalls nicht in Betracht.

Der Senat hat einen Ortstermin durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Er kann weder Aufhebung noch Entzerrung der Bushaltestelle, noch Änderung der Fahrpläne verlangen. Ihm stehen auch keine Ansprüche auf Zahlung der Kosten für Lärmschutzmaßnahmen oder einer Entschädigung für angebliche Wertminderung seines Wohnhauses zu.

Der vom Kläger in erster Linie geltend gemachte Abwehranspruch in Form des Unterlassungsanspruches gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht gerechtfertigt; dies gilt ebenso für den auf Ergreifen geeigneter Maßnahmen gerichteten Hilfsantrag.

Einwirkungen auf sein Grundstück durch Abgase der Busse hat der Kläger nicht schlüssig dargetan. Seine Behauptung, die von den Bussen abgegebenen Abgase seien in den zur Straße gelegenen Räumen seines Wohnhauses deutlich als Geruchsbelästigungen wahrzunehmen und führten dort auch zu erhöhten Kohlenmonoxid und Rußkonzentrationen (GA 188), lässt die maßgebenden Tatsachen nicht erkennen, sondern enthält lediglich subjektive Wertungen des Klägers. Es ist eine Frage subjektiven Empfindens, ob Abgase als (Geruchs-) Einwirkungen wahrzunehmen sind. In welchem Maße die Kohlenmonoxid- oder Rußkonzentration erhöht ist und wie sich diese angebliche Erhöhung konkret äußert bzw. bemerkbar macht, hat der Kläger nicht näher angegeben. Der Senat selbst hat beim Ortstermin nicht im Ansatz Geruchsbelästigungen oder erhöhte Kohlenmonoxid- bzw. Rußkonzentrationen wahrnehmen können.

Allerdings liegen andere Einwirkungen von der Bushaltestelle, die von drei Buslinien angefahren wird, auf das Eigentum des Klägers vor. So kommt es infolge des Busbetriebes zu Geräuschimmissionen von den Bussen (Motorengeräusche, Türöffnen und -schließen, Bremsgeräusche). Beeinträchtigungen durch Lautäußerungen von Fahrgästen, etwa in Form von Gesprächen oder Gelächter, hat der Kläger nicht hinreichend vorgetragen. In der Berufungsbegründung beanstandet er Gespräche, Gelächter und sonstige Lautäußerungen, die in den Wohnungen zu hören seien (GA 184). Allerdings hat er diese Lautäußerungen ebenso wenig näher beschrieben wie die dadurch hervorgerufenen etwaigen Auswirkungen in den einzelnen Wohnungen. Der Senat hat beim Ortstermin Lärmeinwirkungen auf das Grundstück des Klägers durch Lautäußerungen der Fahrgäste nicht feststellen können. Die Aussteigenden entfernten sich rasch und kaum lärmend. Einsteigende Fahrgäste warteten - trotz Feierabendzeit - während der ganzen Beobachtungsdauer immer nur in kleiner Zahl (etwa fünf bis zehn Personen). Gespräche wurden nicht - wahrnehmbar - geführt. Offensichtlich handelte es sich bei den Wartenden fast ausschließlich um Einzelpersonen, die einander nicht kannten und sich daher nicht unterhielten. Das entspricht dem Charakter der Haltestelle, die nicht dazu dient, Schulkinder oder sonstige Gruppen zu befördern, die sicherlich deutlicher lärmen würden.

Zugunsten des Klägers kann auch unterstellt werden, dass die von ihm beanstandeten Verunreinigungen (Graffiti, Abfall, Verschmutzungen der Hauswände usw.) und Zugangsbehinderungen durch Fahrgäste der von der Beklagten betriebenen Buslinie herbeigeführt werden.

Die genannten Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers sind grundsätzlich der Beklagten als Störerin zuzurechnen. Hinsichtlich der von den Bussen ausgehenden Einwirkungen ist die Beklagte unmittelbare Handlungsstörerin. Hinsichtlich des Verhaltens ihrer Fahrgäste ist sie mittelbare Handlungsstörerin. Mittelbarer Handlungsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquaterweise durch seine Willensbetätigung verursacht (BGH NJW 2000, 2901, 2902, Drogenhilfezentrum; BGH NJW 1960, 2335). Um solche adäquat verursachten Beeinträchtigungen handelt es sich hier. Die Einrichtung der Haltestelle bzw. das Anfahren dieser Haltestelle durch Busse der Beklagten unmittelbar vor dem Haus des Klägers ist geeignet, das vom Kläger beanstandete Verhalten der Fahrgäste im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen Umständen herbeizuführen, so dass die beanstandeten Belästigungen die adäquate Folge eben dieser Nutzung der Bushaltestelle durch die Buslinien der Beklagten sind.

Die Lärmbeeinträchtigungen durch die drei Buslinien kann der Kläger aber nicht abwehren, weil sie unwesentlich sind, § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Unwesentlichkeit hat die Beklagte nachzuweisen. Dies ist ihr gelungen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers dessen Benutzung wesentlich beeinträchtigen, ist das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und dasjenige zugrunde zu legen, was diesem unter Würdigung anderer Öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (vgl. zuletzt BGH NJW 2001, 3119 m.N.). Dabei ist es zulässig, sich bei der Beurteilung der Wesentlichkeit von Geräuschimmissionen zunächst zu orientieren an den Richtwerten der TA-Lärm sowie gegebenenfalls der VDI-Richtlinien 2058.

Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat in seinem Gutachten den Geräuschpegel am 8. Juli 1999 ab 21.30 Uhr gemessen. Dabei hat er angenommen, zwei der Busse würden zeitgleich an- und abfahren. Diese Annahme ist inzwischen überholt. Weder tags noch nachts fahren mehrere Busse zeitgleich an oder ab. Diese Änderung im Fahrplan der Beklagten führt zu einer zeitlichen Verteilung und damit zu einer gewissen Entzerrung des Busverkehres. Sie begünstigt daher tendenziell den Kläger, der gerade das zeitgleiche An- und Abfahren mehrerer Busse beanstandet und eine Entzerrung des Bushalteverkehres gefordert hatte.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen liegt der Beurteilungspegel tags bei 61,7 dB(A) werktags und 59,7 dB(A) sonn- und feiertags bzw. nachts in beiden Fällen bei 58,5 dB(A). Der Kläger beanstandet, die Ermittlung des Beurteilungspegels durch den Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar, die "Aufteilung" des periodisch auftretenden Buslärms unzulässig (GA 182). Der Sachverständige hat jedoch erkennbar den Beurteilungspegel aus den Mittelungspegeln abgeleitet, was grundsätzlich der Berechnungsweise der TA-Lärm entspricht. Orientiert man sich zur Bewertung des Geräuschpegels an der TA-Lärm, so sind die dort festgelegten Richtwerte für allgemeines Wohngebiet zugrunde zu legen. Diese liegen mit tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) unterhalb der vom Sachverständigen herangezogenen Grenzwerte für Kerngebiete, die 60 dB(A) und 45 dB(A) betragen. Die in allgemeinen Wohngebieten nach der TA-Lärm geltenden Richtwerte werden also von den hier zu beurteilenden Geräuscheinwirkungen durch den Busverkehr überschritten. Diese Überschreitung bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Lärmeinwirkungen die Nutzung des Grundstückes des Klägers wesentlich beeinträchtigen. Maßgebend für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen (vgl. oben BGH NJW 2001, 3119 m.N.). Hiernach sind dem Kläger die von ihm beanstandeten Lärmeinwirkungen zuzumuten.

Zunächst fällt im Rahmen einer wertenden Beurteilung ins Gewicht, dass das Grundstück des Klägers durch seine Lage an der stark befahrenen H... ohnehin lärmbelastet ist. Der Sachverständige hat den Verkehrslärm ohne Busse ermittelt mit 61,2 dB(A). Der "normale" Verkehrslärm überschreitet daher schon die nach der TA-Lärm geltenden Richtwerte für allgemeine Wohngebiete. Dieser Umstand kann zwar nicht dazu führen, dass weitere zusätzliche Lärmbelastungen daneben nicht mehr ins Gewicht fallen können. Denn nach der Rechtsprechung (BGH NJW 1968, 1133 und MDR 1971, 203, 204) hindert reger Kraftfahrzeugverkehr und entsprechender Verkehrslärm auf der Straße nicht die Annahme, dass zusätzliche Einwirkungen dennoch lästig bzw. wesentlich sind. Jedoch relativiert sich die Bedeutung solcher zusätzlichen Lärmeinwirkungen im Hinblick auf die bereits vorhandene Geräuschkulisse. Nach den Feststellungen des Sachverständigen führt der Busbetrieb lediglich zu einer Erhöhung des Gesamtbeurteilungspegels um 1,7 dB(A). Damit liegt hinsichtlich des Gesamtlärmes nur ein geringer Pegelunterschied vor. Auch wenn der Pegelunterschied bei den Einzelpegeln größer ist (höchster Wert mit Buslärm 91,1 dB(A) und ohne Buslärm 84,5 dB(A)), hat der Senat in dem von ihm durchgeführten Ortstermin aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung die Überzeugung gewonnen, dass der Buslärm insgesamt das Eigentum des Klägers nur unwesentlich beeinträchtigt. Die zusätzlichen Busgeräusche fielen im übrigen Verkehr kaum ins Gewicht. Gelegentlich vermutete man einen herannahenden Bus und musste feststellen, dass es sich um einen vorbeifahrenden LKW handelte. Insgesamt kam es nicht zu einer spürbaren Erhöhung der vorhandenen Gesamt-Lärm-Belastung. Auch der Charakter der zusätzlichen Bus-Geräusche (Zischen der Druckluft, Quietschen von Bremsen pp.) wirkte nicht besonders störend. Diese Geräusche waren zwar deutlich wahrnehmbar, sie traten aber - trotz ihres besonderen Charakters (Einzeltöne/Impulshaltigkeit) nicht wesentlich hervor.

Dies gilt auch für das zwar unnötige aber nicht wesentlich störende Scheppern des drehbaren Fahrplans am Haltestellenmast. Allerdings könnte die Beklagte hier leicht Abhilfe schaffen.

Letztlich ist bei wertender Betrachtung von entscheidendem Gewicht das überragende Allgemeininteresse an einem funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Nach der Rechtsprechung kann sogar ein grundsätzlich gegebener Abwehranspruch ausgeschlossen sein, wenn die störende Einwirkung der Erfüllung von Aufgaben dient, die im Allgemeininteresse liegen und von öffentlichrechtlichen Trägern oder von unmittelbar dem öffentlichen Interesse verpflichteten gemeinwichtigen Einrichtungen ausgehen (zuletzt BGH NJW 2000, 2901, 2902 m.N.). Es mag hier dahinstehen, ob nach diesen Grundsätzen Abwehransprüche einzelner Bürger gegen Verkehrslärmbeeinträchtigungen infolge des öffentlichen Personennahverkehrs von vornherein ausgeschlossen bzw. begrenzt werden können. Jedenfalls aber ist die große Bedeutung des ÖPNV im Rahmen der wertenden Beurteilung der Wesentlichkeit des durch sie verursachten Lärms zu berücksichtigen. Denn ein verständiger Durchschnittsmensch wird es im Interesse der Allgemeinheit hinzunehmen haben, dass infolge des ÖPNV zwangsläufig Verkehrslärm zusätzlich verursacht wird. Hier liegt die zusätzliche Beeinträchtigung des Wohngrundstückes des Klägers - wie die Messungen des Sachverständigen und der eigene Eindruck des Senats im Ortstermin bestätigen - trotz des Umstandes, dass die Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses des Klägers von drei Buslinien angefahren und daher intensiv in Anspruch genommen wird, nicht so hoch, dass die hierdurch hervorgerufenen Lärmeinwirkungen als wesentlich anzusehen sind.

Auch etwaige Lautäußerungen von Fahrgästen - entsprechende Einwirkungen zugunsten des Klägers unterstellt - wären jedenfalls aus den zuvor dargestellten Gründen unwesentlich.

Soweit der Kläger sich gegen die übrigen Folgen des Verhaltens von Fahrgästen der Beklagten wendet (Graffiti, Beschmierungen, Abfall, Verschmutzungen, Versperren des Hauseingangs), kann er - Wesentlichkeit dieser Einwirkungen einmal unterstellt - aus Rechtsgründen ebenfalls mit einem Abwehranspruch gegen die Beklagte nicht durchdringen.

Eine Haftung aus § 1004 Abs. 1 BGB scheidet aus, wenn feststeht, daß der zuerkannte Beseitigungsanspruch unter keinen Umständen durchsetzbar ist (BGH NJW 2000, 2901, 2902 m.N.). Zu einer Leistung, die - ihm - unmöglich ist, darf niemand verurteilt werden (BGHZ 62, 388,393). Die Annahme, es sei in solchen Fällen eine Einflussnahme über die Beförderungsbedingungen möglich (BGH NJW 1960, 2335), ist hergeholt und bloße Theorie. In der Praxis können Verkehrsunternehmen auf diese Weise aufwartende Fahrgäste keinen Einfluss ausüben. Andere rechtliche und praktisch durchsetzbare Möglichkeiten stehen aber auch der Beklagten nicht zur Verfügung. Was die Störungen des Eigentums des Klägers durch Menschenansammlungen, Zugangsbehinderungen, Beschmierungen und Verunreinigungen angeht, sind die Kräfte der Beklagten beschränkt auf die sogenannten "Jedermannsrechte" (Notwehr, Nothilfe, Notstand, vorläufige Festnahme). Die allgemeinen polizeilichen Befugnisse zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stehen ihr hingegen nicht zur Verfügung. Die Möglichkeit, die Haltestelle überhaupt nicht mehr zu nutzen (BGH NJW 1960, 2335), kommt insbesondere unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten überragenden Bedeutung des ÖPNV nicht in Betracht.

Somit fehlt es an den Voraussetzungen für die vom Kläger geltend gemachten Abwehransprüche. Daher sind auch die hilfsweise geltend gemachten Forderungen des Klägers betreffend Kostenerstattung für Lärmschutzmaßnahmen bzw. Wertersatz für Wertminderung seines Wohngrundstückes unbegründet. Erst dann, wenn wesentliche Nutzungsbeeinträchtigungen vorliegen, ein Abwehranspruch aber wegen übergeordneter Gründe ausgeschlossen oder begrenzt würde, kommt eine Kompensation durch etwaige Ausgleichsleistungen in Betracht (BGH NJW 2000, 2901, 2902).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG und Beschwer des Klägers: 66.500,00 DM.

Ende der Entscheidung

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