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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.08.2006
Aktenzeichen: I-1 U 233/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 463 a.F.
BGB § 476 a.F.
BGB § 477 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. November 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.260,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.968,41 EUR seit dem 9. März 2005 und in gleicher Höhe aus 291,85 EUR seit dem 11. Mai 2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Opel Vectra mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer ....... (amtliches Kennzeichen zuletzt: ...).

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Gemäß verbindlicher Bestellung vom 15. Mai 2000 kaufte der Kläger von dem beklagten Autohaus einen gebrauchten Opel Vectra 1,6 16 V Sondermodell Edition 100. Die Erstzulassung war am 13. Oktober 1999. Die Gesamtfahrleistung ist im Kaufvertrag mit 4.500 notiert. Unter der Zeile "Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer" heißt es in der Kaufvertragsurkunde:

"Fahrzeug hatte Transportschaden hinten".

In die Rubrik "Sonstige Vereinbarungen" wurde folgendes aufgenommen:

"Stoßfänger hinten wird lackiert, Lackstellen an Tür hinten links und Stoßfänger vorne links werden ausgebessert, Dachhimmel hinten inst.".

Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 29.350,00 DM vereinbart. Einen Teil davon finanzierte der Kläger, indem er einen Altwagen in Zahlung gab.

Mit seiner am 29. April 2005 beim Landgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger nunmehr die Rückabwicklung des Kaufs. Zur Begründung macht er im wesentlichen folgendes geltend:

Im Jahr 2004 habe er festgestellt, dass Wasser in den Kofferraum des Opel eintrete. Daraufhin sei die Heckscheibe ausgewechselt worden. Bei diesem Austausch habe man bemerkt, dass sich rund um die Dichtungen Rost gebildet habe. Bei näherer Prüfung sei im Dachbereich massiver Rostbefall festgestellt worden. Außerdem habe er Kerben im Dachbereich entdeckt. All dies und weitere Indizien für eine gewaltsame Beschädigung hätten auf das Vorhandensein von "Unfallschäden" hingedeutet. Davon habe er, der Kläger, nicht ausgehen können und nicht ausgehen müssen. Aufgrund der Angabe im Kaufvertrag, der Wagen habe einen "Transportschaden" gehabt, sei er davon ausgegangen, dass es sich um leichte Mängel untergeordneter Art wie Lackschäden usw. handele. Auf seine Nachfrage, was es mit dem angegebenen Transportschaden auf sich habe, habe ein Verkäufer der Beklagten erklärt, die Heckscheibe sei ebenso wie die Stoßstange gewechselt worden, außerdem seien zwei Beulen im Kotflügel vorhanden.

Der Kläger sieht darin eine unzulässige Verharmlosung des wahren Schadenausmaßes. Er sieht sich arglistig getäuscht.

Die Beklagte tritt diesem Vorwurf mit Nachdruck entgegen. Sie verweist darauf, dass dem Kläger der "Transportschaden" vor Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen sei. Bei der Bildung des Kaufpreises habe er einen maßgeblichen Einfluss zugunsten des Klägers gehabt. Der Kläger habe "explizit Wert auf den Ankauf dieses verunfallten Fahrzeugs" gelegt. Richtig sei allerdings, dass der Wagen auf dem Transport vom Herstellerwerk einen Schaden erlitten habe, der korrekterweise als "Transportschaden" gekennzeichnet worden sei. Ein Sachverständiger der zuständigen Versicherung sei von der Adam Opel AG mit der Schadenfeststellung beauftragt worden. Das Gutachten habe sie, die Beklagte, nicht erhalten. Sie habe das Fahrzeug im beschädigten Zustand von der Adam Opel AG angekauft, fachmännisch repariert und ca. ein halbes Jahr lang als Vorführwagen genutzt.

Hilfsweise beruft die Beklagte sich auf Verjährung.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme als unbegründet abgewiesen. Von einer arglistigen Täuschung könne nach den Gesamtumständen nicht ausgegangen werden. So sei insbesondere nicht feststellbar, dass die Beklagte den "Transportschaden" verharmlost habe.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter, allerdings nunmehr unter Abzug einer höheren Nutzungsvergütung für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer.

Durch Beweisbeschluss vom 3. April 2006 hat der Senat über Art und Umfang der angeblichen Beschädigungen Beweis erhoben. Der Sachverständige W. S. ist zusammenfassend zu folgendem Ergebnis gelangt:

Bei der Untersuchung ... wurde festgestellt, dass anlässlich des in Rede stehenden Transportschadens mit hoher Sicherheit die Dachbeplankung, der hintere Dachrahmen, die Heckscheibe und der Heckdeckel erneuert wurden. Darüber hinaus müssen hierbei auch die beiden oberen Ausläufe der hinteren Seitenwände beschädigt, wahrscheinlich auch die Innenverkleidung der C-Säule verschrammt worden sein. (Gutachten S. 9 unten/S. 10 oben).

Hinzugefügt hat der Sachverständige:

"Die erforderlichen Arbeiten wurden teilweise unsachgemäß ausgeführt, so dass es im Laufe der Zeit zu einer starken Korrosionsbildung im hinteren Dachbereich gekommen ist und sich die Lackierung an- bzw. abgelöst hatte."

II.

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es hat zu hohe Anforderungen an den Vortrag zu einer arglistigen Täuschung im Sinne der §§ 463, 476, 477 BGB a.F. gestellt. Dabei ist es dem Sachvortrag des Klägers und dem Inhalt der Kaufvertragsurkunde, hier insbesondere den Eintragungen in der Rubrik "Sonstige Vereinbarungen", nicht immer gerecht geworden; zum Teil hat es auch falsche Schlüsse gezogen.

Der Senat hat die notwendige Beweisaufnahme nachgeholt. Sie führt zu dem Ergebnis, dass der Vorwurf des Klägers, arglistig getäuscht worden zu sein, im Kern berechtigt ist. Infolgedessen steht ihm trotz des seinerzeit an sich zulässigen Gewährleistungsausschlusses ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu (§§ 459 ff. BGB a.F.). Der Gewährleistungsausschluss ist gemäß § 476 BGB a.F. unbeachtlich. Die Verjährungseinrede der Beklagten scheitert gleichfalls wegen arglistiger Täuschung (vgl. § 477 BGB a.F.). Es liegt auch kein Fall der Verwirkung vor, obgleich der Kläger den PKW relativ lang und intensiv genutzt hat.

1. Die Beklagte hat den Kläger dadurch im Sinne der vorgenannten Vorschriften des früheren Kaufrechts getäuscht, dass sie ihm das wahre Ausmaß des "Transportschadens" verschwiegen hat. Allein durch den Hinweis im Bestellschein "Fahrzeug hatte Transportschaden hinten" hat sie ihre Aufklärungspflicht, an die gerade bei einem jüngeren Gebrauchtwagen grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind, nicht erfüllt.

a) Ohne zusätzliche Erläuterung ist bei verständiger Auslegung des Begriffs "Transportschaden" eine Beschädigung zu verstehen, die das Fahrzeug während des Transports erlitten hat. Zum Transport gehört dabei nicht nur die eigentliche Fahrt, sondern auch das Auf- und Abladen. Dass ein Pkw bei diesen Vorgängen auf vielfältige Weise und in ganz unterschiedlichem Ausmaß beschädigt werden kann, liegt auf der Hand. Die Bandbreite reicht von leichten Kratzern und Beulen bis hin zu gravierenden Einwirkungen auf die gesamte Karosserie, etwa beim Herunterfallen des Fahrzeugs vom Transportwagen. So gesehen ist der Begriff "Transportschaden" ähnlich wie die Ausdrücke "Unfallschaden" oder "Unfallwagen" vieldeutig und deshalb missverständlich. Ohne Zusatzinformationen kann und darf ein durchschnittlicher privater Gebrauchtwagenkäufer davon ausgehen, dass es sich bei einem mitgeteilten "Transportschaden" um eine eher leichte bis mittlere Beschädigung handelt. Mit schweren und schwersten Beschädigungen muss er ohne weiteres nicht rechnen.

b) Ob und inwieweit der Kläger Zusatzinformationen erhalten hat, die ihn über das wahre Ausmaß des "Transportschadens" ins richtige Bild gesetzt haben, kann der Senat nicht feststellen. In der Kaufvertragsurkunde finden sich zwar unter der Überschrift "Sonstige Vereinbarungen" nähere Angaben zu Beschädigungen und deren Beseitigung. Angesprochen sind der Stoßfänger hinten, die Tür hinten links und der Stoßfänger vorne links. Schon die Tatsache, dass in all diesen Bereichen Aus- und Nachbesserungen von der Beklagten zugesagt werden, also nicht bereits ausgeführt worden sind, deutet darauf hin, dass es hier nicht um Beschädigungen geht, die mit dem im oberen Teil des Bestellscheins notierten "Transportschaden" etwas zu tun haben. Jedenfalls hätte dies schon im ersten Rechtszug hinterfragt werden müssen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zu diesem Punkt näher vorgetragen. Die Beschädigungen an der Tür hinten und an der Stoßstange vorne bringt sie mit "leichtesten Parkremplern" auf dem Firmenparkplatz in Verbindung, also mit Vorgängen, die mit dem Transport des Opel Vectra vom Hersteller zum Firmengelände der Beklagten nichts zu tun haben. Das macht umso mehr Sinn, als die Beklagte sich darauf beruft, den "Transportschaden" fachmännisch repariert zu haben (Schriftsatz vom 28.03.2006, S. 2). Da sie das Fahrzeug als Vorführwagen benutzt hat, dürfte in der Tat von einer zumindest optisch vollständigen Instandsetzung auszugehen sein.

Damit bleiben als urkundlich belegte Erläuterungshinweise nur die Notizen bezüglich des hinteren Stoßfänger und der Dachhimmel hinten. Der hintere Stoßfänger sollte noch lackiert werden. Ob am Dachhimmel etwas instand gesetzt werden sollte oder ob die diesbezügliche Information in der Rubrik "Sonstige Vereinbarungen" auf eine bereits abgeschlossene Instandsetzung hinweist, wird nicht deutlich, ist aber im Kontext verstanden wohl als eine noch zu erledigende Arbeit zu deuten.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten in diesen beiden Punkten von einer Konkretisierung des offenbarten "Transportschadens" ausgeht, bleibt es bei einer Irreführung des Klägers in Form einer Verharmlosung des wahren Schadenumfangs.

Nun hat der Kläger allerdings selbst vorgetragen, im Rahmen der Vertragsverhandlungen sei ihm von einem Angestellten der Beklagten auf Nachfrage, was er unter "den angegebenen Transportschäden" zu verstehen habe, erklärt worden, dass die Heckscheibe gewechselt worden sei, zwei Beulen im Kotflügel vorhanden seien und die Stoßstange gleichfalls gewechselt worden sei (Klageschrift S. 3 unten). Doch auch unter Berücksichtigung dieser Zusatzinformationen bleibt es bei einer unzulässigen Bagatellisierung. Die Irreführung des Klägers wird durch die Teilhinweise des Verkaufsangestellten sogar noch verstärkt. Denn nunmehr dürfte der Kläger sich sagen, dass weitere Beschädigungen bzw. Reparaturen als die konkret bezeichneten nicht vorhanden sind.

Diese Annahme war ein Trugschluss.

Denn in Wirklichkeit war der Transportschaden von sehr viel größerem Umfang und Gewicht. Daran hat der Senat nach dem Gutachten des Sachverständigen S. keinen Zweifel. Auf die bereits oben mitgeteilte Schadensbeschreibung im Gutachten wird Bezug genommen. Von Bedeutung ist für den Senat dabei insbesondere, dass das Dach des Opel Vectra bei dem "Transportschaden" erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Denn der Sachverständige hat festgestellt, dass die Dachbeplankung und der hintere Dachrahmen erneuert wurden. Beides stelle, so der Sachverständige weiter, einen größeren Eingriff in den Verbund einer selbsttragenden Karosserie dar.

Auf eine derartige Beschädigung des Daches ist der Kläger weder ausdrücklich noch anderweitig hingewiesen worden. Es verstand sich auch nicht von selbst, dass die ihm mündlich offenbarte Auswechselung der Heckscheibe mit einem "Dachschaden" verbunden ist. Dies umso weniger, als die Angabe im Kaufvertrag, der Transportschaden sei "hinten", auf eine Beschädigung im Heckbereich schließen ließ.

c) Auch den subjektiven Tatbestand der arglistigen Täuschung sieht der Senat als erfüllt an. Die Beklagte bzw. ihr Verkaufsberater hat arglistig im Sinne der §§ 463, 476, 477 BGB a.F. gehandelt. Der Beklagten war das volle Ausmaß des Transportschadens bekannt. Sie hat ihn ihrem eigenen Vortrag nach selbst beseitigt. Dass sie das Schadensgutachten des Versicherungssachverständigen nicht erhalten hat, kann sie nicht entlasten. Der Vorwurf der bedingt vorsätzlichen Täuschung wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass sie dem Kläger wegen des Transportschadens einen erheblichen Preisnachlass gewährt hat. In welcher Größenordnung dies der Fall war, wird nicht offengelegt. Schon deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob die Größe des Nachlasses ein die Beklagte entlastendes Indiz ist. Der Kläger hat dazu vorgetragen, das Fahrzeug bzw. den Preis nicht als günstig angesehen zu haben. Den vereinbarten Kaufpreis hätte er keinesfalls gezahlt, falls er das wahre Ausmaß der Beschädigungen gekannt hätte. Nach der Überzeugung des Senats hat die Beklagte zumindest damit gerechnet, dass der Kläger bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Wagen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu dem vereinbarten Preis kaufen wird. Insoweit streitet zugunsten des Klägers eine tatsächliche Vermutung.

2. Nach alledem ist die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verpflichtet. Da der in Zahlung gegebene Altwagen nicht mehr zurückgegeben werden kann, ist es im Ergebnis unschädlich, wenn der Kläger den Gesamtkaufpreis von 29.350,00 DM = 15.006,42 EUR als Ausgangswert für seine Zahlungsklage nimmt. Einen geringeren Ausgangsbetrag anzusetzen, sieht der Senat keine Handhabe. Dies umso weniger, als die Beklagte dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes einstandspflichtig ist.

Der Kläger lässt sich für die von ihm gefahrenen Kilometer einen Abzug von 7.038,01 EUR anrechnen. Seine Berechnung in der Berufungsbegründung vom 09.01.2006 geht von einer gegenwärtigen Laufleistung in Höhe von 70.000 km aus. Inzwischen, so der Kläger, sei eine Gesamtlaufleistung von 74.000 km erreicht. Bei einer Fahrleistung im Augenblick der Übergabe von 4.500 km sind demnach rund 70.000 Fahrkilometer zu vergüten.

Die Berechnung der Nutzungsvergütung durch den Kläger ist für die Beklagte günstig. Ein höherer Abzug ist keinesfalls gerechtfertigt. Er wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

Der Eigenschaden des Klägers - Beschädigung vom 6. Dezember 2000 - schließt den Rückabwicklungsanspruch weder ganz noch teilweise aus. Der Kläger hat den Umfang der Beschädigung durch zwei Farbfotos belegt (Bl. 6 d.A.). Hiernach handelt es sich um einen leichten Schaden im Bereich des vorderen Stoßfängers, der ausweislich des Fotos Nr. 1 zum Gutachten des Sachverständigen S. behoben ist. Laut Gutachten ist dieses Bauteil zwischenzeitlich erneuert worden. Damit besteht kein Grund zur Kürzung der Klageforderung.

Soweit es um die vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Anwaltskosten geht, ist die Beklagte dieser Position nicht entgegengetreten. Auch gegen den schlüssigen Zinsanspruch hat sie sich nicht zur Wehr gesetzt.

3. Nach allem war der Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO stattzugeben. Die mit Rücksicht auf die während des Rechtsstreits zurückgelegte Fahrstrecke vorgenommene Ermäßigung der Klageforderung rechtfertigt es nicht, der Beklagten einen Teil der erstinstanzlichen Kostenlast abzunehmen.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht unzweifelhaft nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Beklagte: 8.260,26 EUR.

Ende der Entscheidung

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