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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.05.2009
Aktenzeichen: I-1 U 278/06
(1)
Rechtsgebiete: BGB, StVO, ZPO
Vorschriften:
BGB § 253 Abs. 2 | |
BGB § 254 Abs. 1 | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
StVO § 1 Abs. 2 | |
StVO § 2 Abs. 4 Satz 2 | |
StVO § 3 Abs. 1 Satz 1 | |
StVO § 3 Abs. 1 Satz 2 | |
StVO § 16 Abs. 1 Satz 2 | |
StVO § 16 Abs. 1 Ziff. 2 | |
StVO § 25 Abs. 2 Satz 1 | |
StVO § 25 Abs. 3 | |
StVO § 25 Abs. 3 Satz 1 | |
StVO § 41 Abs. 2 Nr. 5 | |
ZPO § 138 Abs. 1 | |
ZPO § 138 Abs. 4 | |
ZPO § 288 Abs. 1 | |
ZPO § 290 | |
ZPO § 531 Abs. 1 Ziff. 3 |
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 20. November 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.060,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 79 % dem Kläger und zu 21 % der Beklagten auferlegt.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges für die Verfahren vor und nach der Zurückverweisung aus der Revisionsinstanz werden einheitlich wie folgt festgesetzt:
Die Gerichtskosten tragen zu 66 % der Kläger und zu 34 % die Beklagte.
Die außergerichtlichen Kosten haben zu 59 % der Kläger und zu 41 % die Beklagte zu tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 50 % dem Kläger und zu 50 % der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Berufung des Klägers hat im Ergebnis hinsichtlich seiner Anspruchsberechtigung dem Grunde nach teilweise Erfolg.
1. a) Die durch das Landgericht ausgesprochene Haftungsverteilung mit einer Quotierung von 70 % : 30 % zum Nachteil des Klägers kann auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2008, durch das die frühere Berufungsentscheidung des Senats vom 18. Juni 2007 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung hinsichtlich der Bewertung der wechselseitigen Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile an den Senat zurückverwiesen worden ist, keinen Bestand haben. Vielmehr führt die erforderliche Neubewertung zu dem Ergebnis einer Haftungsverteilung im Verhältnis 50 % : 50 %. Das Gewicht der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge, die jeweils für den Klägers als Fahrradfahrer und für die Beklagte als Fußgängerin in Ansatz zu bringen sind, ist annähernd gleichwertig. Entgegen der durch die Beklagte vertretenen Ansicht kann dem Kläger nicht das weitaus überwiegende Verschulden an seinem Sturz, der sich infolge einer Vollbremsung zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit ihr einstellte, angelastet werden.
b) Nach den von der aufhebenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht betroffenen (§ 562 Abs. 2 ZPO) und von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen im früheren Senatsurteil vom 18. Juni 2007 umfasst der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes auf der Rechtsgrundlage der §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bei einer hypothetischen vollen Haftung der Beklagten den Betrag von 2.000 €. Hinzuzurechnen ist nach derselben Maßgabe die Summe von 120,67 €, die auf die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der materiellen Schäden des Klägers entfällt (§ 823 Abs. 1 BGB). Der von dem Gesamtbetrag errechnete Anteil von 50 % führt zu einem Ergebnissaldo von 1.060,34 € zugunsten des Klägers.
2. Unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofs vom 6. November 2008, an die sich der Senat in dem sich aus der Aufhebung und Zurückverweisung ergebenden Umfang gebunden sieht (§ 563 Abs. 2 ZPO), sind sowohl dem Kläger als auch der Beklagten Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeiträge anzulasten, die ihrem Zusammenwirken zu dem Sturz des Klägers von seinem Fahrrad geführt haben.
a) Die Beklagte hat ihrer Verpflichtung aus § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO zuwider in ihrer anfänglichen Absicht, den durch den Kläger benutzten Sonderweg zu überqueren, mit dem Rücken zu diesem stehend eine Drehbewegung in Richtung Fahrradweg gemacht und den Weg - wenn auch nur leicht - seitlich mit dem Fuß berührt. Dies obwohl sie zuvor das durch den Kläger abgegebene Klingelzeichen als Warnsignal wahrgenommen hatte. Das Verhalten der Beklagten stellte die entscheidende Ursache für den durch seine Vollbremsung auf dem Fahrrad ausgelösten Sturz des Klägers dar. Denn dieser musste mit einer Vollüberquerung des Fahrradweges durch die Beklagte rechnen und sah sich deshalb nach den Umständen veranlasst, eine sofortige Gefahrenabwehrmaßnahme einleiten. Der Umstand, dass die Beklagte in ihrer beabsichtigt gewesenen Überquerungsbewegung am Rande des durch ihn benutzten Sonderweges wegen eines Warnrufes plötzlich inne hielt, war für ihn auf den letzten sechs bis acht Metern, die ihn von deren Standort bei Einleitung der Bremsung noch trennten, nicht vorhersehbar.
b) Allerdings muss sich auch der Kläger nach den Entscheidungsgründen des Revisionsurteils aus mehreren Gesichtspunkten ein Annäherungsverschulden vorhalten lassen:
aa) Zum einen durfte er sich unter Berücksichtigung der auf einem getrennten Rad- und Fußweg (Zeichen 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO) für einen Fahrradfahrer geltenden Sorgfaltspflichten nicht - wie tatsächlich geschehen - darauf beschränken, zehn Meter vor dem ihm den Rücken zuwendenden Standort der Beklagten durch ein Klingelzeichen als Warnsignal (§ 16 Abs. 1 Ziffer 2 StVO) auf sich aufmerksam zu machen. Vielmehr musste er, da er sich einer Kollisionsgefahr bereits bewusst war, unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StVO seine Fahrtgeschwindigkeit so deutlich verringern, dass er sein Fahrrad vor der Beklagten für den Fall einer unachtsamen Überquerung des durch ihn benutzten Sonderweges noch problemlos - und insbesondere sturzfrei - zum Stillstand bringen konnte. Zu diesem Zweck war auch die Einnahme einer Bremsbereitschaft angezeigt.
bb) Darüber hinaus ist zum Nachteil des Klägers zu berücksichtigen, dass er im Moment der Reaktionsaufforderung bei dem Anblick der sich auf den Radweg zu bewegenden Beklagten in der Entfernung von sechs bis acht Metern seine Fahrradbremsen zu heftig und zudem nicht gleichmäßig betätigt hat. Dies hatte dann zur Folge, dass das Vorderrad blockierte und das Hinterrad im Zuge der Abbremsung fast senkrecht über dem Vorderrad stand. Dadurch fiel der Kläger über das Lenkrad hinweg vornüber zu Boden. Allerdings ist diesem letzten und durch eine Schreckreaktion veranlassten Fahrfehler des Klägers keine besonders große Bedeutung in Anbetracht der Tatsachen mehr beizumessen, dass die zu heftig ausgefallene und objektiv nicht erforderlich gewesene Bremsreaktion sich mehr oder weniger zwangsläufig an sein unmittelbar vorangegangenes Fehlverhalten anschloss - nämlich bei Wahrnehmung der konkreten Gefahrensituation nicht rechtzeitig sein Annäherungstempo in der erforderlichen Weise reduziert und Bremsbereitschaft eingenommen zu haben.
3. Nach den Entscheidungsgründen des Revisionsurteils kann dem Kläger indes nicht als Pflichtverletzung angelastet werden, sich mit einem höheren Ausgangstempo als demjenigen von 15 km/h der Unfallstelle angenähert zu haben. Die Beklagte bleibt mit ihrer diesbezüglichen Behauptung weiterhin beweisfällig. Ebenso wenig gereicht es dem Kläger zum Vorwurf im Sinne einer Obliegenheitsverletzung, dass er mit seinem Trekking-Fahrrad im innerstädtischen Straßenverkehr ohne Fahrradhelm unterwegs war (Bl. 64, 64 R Revisionsakte).
II.
1. Der Sturz des Klägers hat sich auf einer getrennten Rad- und Fußweganlage im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO ereignet. Die Einzelheiten der Weg- und Streckenführung auf der XXX Straße in XXX in Höhe des Hauses Nr. XXX aus der Annäherungsrichtung des Klägers ergeben sich aus dem zu den Akten gelangten Lichtbildmaterial (Fotos zwischen Bl. 36 und 37 d.A.; Bl. 45/48 BeiA). Der Kläger befuhr den Radweg als Sonderweg und war damit gegenüber der Beklagten als Fußgängerin vorgangberechtigt.
a) Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO haben Fußgänger Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf dem kürzesten Weg zu überschreiten. Beim Überschreiten eines Radweges hat der Fußgänger die Sorgfaltspflichten zu beachten, die denjenigen beim Überschreiten der Fahrbahn entsprechen (KG VM 1984, 94; Janiszewski NStZ 1985, 115; Heß in Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, § 25, Rdnr. 10; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVO, Rdnr. 33). Radwege sind ebenfalls zum Befahren bestimmt, schon also nach dem Sprachgebrauch Fahrbahnen im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO. Auch als Sonderweg büßt der Radweg nicht seine Eigenschaft als eine Fahrbahn ein, die baulich nur neben der allgemeinen Fahrbahn gelegen ist. Zu den bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern, welchen außerhalb von Übergängen nach Zeichen 293 die Vorschrift des § 25 Abs. 3 StVO Schutz bieten soll, gehören auch die Radfahrer als Fahrzeugbenutzer, welche nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO die Fahrbahn in Form des Sonderweges gemäß Zeichen Nr. 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO zu benutzen haben (vgl. Janiszewski NStZ 1985, 115). Entsprechend gilt das Durchfahrtvorrecht des Längsverkehrs grundsätzlich auch für Radfahrer auf Radwegen (OLG Hamm NZV 1999, 418 m. H. a. BGH NJW 1986, 2651 sowie Janiszewski a.a.O.).
b) Nach der Regelung des § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe c StVO haben auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Einen solchen gemeinsamen Weg haben der Kläger und die Beklagte indes nicht benutzt. Es handelte sich vielmehr um eine nach Maßgabe des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO getrennte Rad- und Fußweganlage. Dass eine solche in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe c StVO keine Erwähnung gefunden hat, lässt - wie im Revisionsurteil ausgeführt ist (Bl. 65 R, 66 der Revisionsakte) - nicht den Umkehrschluss darauf zu, dass auf getrennten Rad- und Fußwegen im Sinne des vorgenannten Zeichens 241 Radfahrer auf Fußgänger generell keine Rücksicht zu nehmen hätten.
c) Einen solchen Umkehrschluss hat der Senat in seiner vorangegangenen Entscheidung vom 18. Juni 2007 auch nicht aufgestellt. Vielmehr ist darin ausdrücklich ausgeführt, es könne nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auf einem nur durch die optische Gestaltung getrennten Rad- und Fußweg Radfahrer auf Fußgänger überhaupt keine Rücksicht zu nehmen hätten (Bl. 19 UA; Bl. 245 d.A.). Auch der Senat hat ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger ordnungsgemäß einen für ihn vorgesehenen Sonderweg benutzte, ihn bei seinem Annäherungsverhalten als den Sorgfaltsanforderungen des § 1 Abs. 2 StVO unterworfen angesehen.
d) Die seinerzeit durch den Senat vertretene Ansicht, der Kläger habe seinen Pflichten dadurch Genüge getan, dass er in einer Entfernung von zehn Metern vor der Position der Beklagten durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam gemacht habe, hält er jedoch im Hinblick auf die Ausführungen im Revisionsurteil nicht aufrecht. Denn er näherte sich im Grenzbereich zwischen Bushaltestelle, Radweg und Fußgängerweg einer Verkehrssituation, aus der sich potentiell eine Begegnungs- und Kollisionsgefahr mit der durch ein Gespräch abgelenkten, dicht neben dem Radweg stehenden Beklagten, zu der er keinen Sichtkontakt hatte, ergeben konnte. Das Ausmaß der durch den Kläger gemäß § 1 Abs. 2 StVO einzuhaltenden Sorgfaltspflichten war demnach größer als durch den Senat in seiner Erstentscheidung dargelegt.
2. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beklagten nicht nur eine leicht fahrlässige Missachtung des Vorranges des sich hier auf dem Radweg nähernden Klägers vorgehalten werden kann.
a) Ihre ursprünglich auf der gepflasterten Freifläche der Bushaltestelle dicht am linken Rand des Radweges eingenommene Standposition hätte für den Kläger, wenn sie diese beibehalten hätte, keine Behinderung oder gar Gefährdung mit sich gebracht. Da die Beklagte eine Position im Bereich der Bushaltestelle gewählt hatte und in Kommunikation mit zwei vor dem gegenüber liegenden Kioskgeschäft befindlichen Personen getreten war, anstatt sich zu diesen zu gesellen, hatte es zunächst den Anschein, als ob sie - mutmaßlich in Erwartung eines Linienbusses - ihre Position nicht verlassen wollte. Von Bedeutung ist insbesondere, dass sie bei ihrer Unterhaltung dem sich nähernden Kläger den Rücken zuwandte, also den nachfolgenden Verkehr auf dem Radweg gänzlich unbeachtet ließ. Auch dieses Verhalten deutete darauf hin, dass jedenfalls nicht mit einem unmittelbar bevorstehenden unachtsamen Standortwechsel der Beklagten über den Radweg hinweg zu rechnen war. Gleichwohl hätte der Kläger sein Fahrverhalten auf ein solches potentielles Fehlverhalten einstellen müssen, da er auch nach Abgabe des Klingelzeichens keinen Sichtkontakt herstellen konnte. Die Beklagte entschloss sich dann tatsächlich zu einer Überquerung des Radweges. Diese Absicht hat sie bereits in ihrer Klageerwiderung eingeräumt (Bl. 16 d.A.).
b) Der Kläger hatte zunächst zehn Meter vor dem Standort der Beklagten seine Fahrradklingel betätigt. Entsprechend dem durch den Senat in seiner Erstentscheidung als unstreitig dargestellten Geschehensablauf, der auch der Revisionsentscheidung zugrunde liegt, machte die Beklagte erst nach der Abgabe des akustischen Warnsignals eine Drehbewegung in Richtung Fahrradweg und berührte diesen mit dem Fuß. Bereits wegen der Drehbewegung hatte sich der Kläger zu der Einleitung einer Vollbremsung mit Sturzfolge veranlasst gesehen.
c) Zwar hatte der Kläger entsprechend den weiteren Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beklagte sein aus zehn Metern abgegebenes Klingelzeichen auch gehört hatte. Denn sie zeigte auf dieses akustische Warnsignal keinerlei Reaktion, wie etwa durch Aufnahme von Blickkontakt in die Annäherungsrichtung des Klägers. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beklagte ausweislich ihres insoweit einräumenden Vorbringens in der Klageerwiderung tatsächlich das akustische Warnsignal wahrgenommen hatte (Bl. 16 d.A.).
d) Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 28. April 2009 erstmals streitig in Abweichung von ihrem bisherigen Vorbringen vorträgt, sie habe sich auf das Klingelzeichen hin erschreckt und sich daraufhin zum Fahrradweg bewegt (Bl. 330 d.A.), bzw. sie habe sich nach dem Klingelzeichen herumgedreht, um zu sehen, warum geklingelt wurde (Bl. 331 d.A.), unterliegt dieses Verteidigungsmittel der Zurückweisung gemäß § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO. Darauf hat der Senat die Parteien im Verhandlungstermin am 11. Mai 2009 hingewiesen. Erstinstanzlich hat sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. Oktober 2005 die Angabe des Klägers aus dem Strafverfahren zu Eigen gemacht, "er sei ca. zehn Meter von der Angeklagten entfernt gewesen, als er Klingelzeichen gab" und er sei "etwa 8 Meter entfernt" gewesen, "als er die Bremse betätigte" (Bl. 34 d.A.). Das Verhalten der Beklagten und ihre Sinneseindrücke vor dem Sturz des Klägers waren Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung (§ 132 Abs. 4 ZPO). Deshalb war sie mit Rücksicht auf ihre Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO) gehalten, bereits in erster Instanz ihre diesbezüglichen Erklärungen vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben (§ 138 Abs. 1 ZPO). Nach ihrem erstinstanzlichen Vortrag hat die Beklagte indes keine Reaktion auf das Klingelzeichen durch eine Schreckreaktion oder durch ein Umdrehen gezeigt. In dem Umfang, in welchem die Beklagte davon in ihrem Schriftsatz vom 28. April 2009 nunmehr abweicht, beruht dies auf Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO.
e) Gemäß § 16 Abs. 1 Ziffer 2 StVO darf nur der Verkehrsteilnehmer Schallzeichen geben, der sich oder andere gefährdet sieht. Auch wenn die Beklagte wegen des über den Radweg hinweg geführten Gespräches abgelenkt gewesen sein mag und ihr deshalb Herkunft und Grund des Klingelzeichens nicht sogleich eingängig gewesen sein mögen, hatte sie nach Lage der Dinge jedoch allen Anlass, ihren sicheren Standort im Bereich der Bushaltestelle neben dem Radweg jedenfalls so lange nicht zu verlassen, bis sie sich durch einen Blick nach hinten in die für Fahrradfahrer vorgegebene Richtung über die rückwärtige Verkehrssituation vergewissert hatte.
f) Diese im Hinblick auf § 1 Abs. 2 sowie § 25 Abs. 2 Satz 1 StVO ganz naheliegende Vorsichtsmaßnahme hat die Beklagte jedoch unterlassen. Ohne vorherige Rückschau hat sie stattdessen ihre Absicht verwirklichen wollen, den Fahrradweg zu überqueren (Bl. 16 d.A.). In dieser Phase des Geschehens erreichte sie dann nach ihrem weiteren Vorbringen der Warnruf der Zeugen Kemper, "dass ein Fahrradfahrer angefahren kam" (Bl. 16 d.A.). Diese Warnung führte dann dazu, dass die Beklagte in ihrer Überquerungsbewegung inne hielt und es letztlich nur dazu kam, dass ihre Annäherung auf eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg beschränkt blieb, wobei sie den Weg nur leicht mit dem Fuß berührte.
3. In dieser Phase hatte sich der Kläger auf seinem Fahrrad bereits bis auf sechs oder acht Meter der Beklagten genähert. Da diese sich aus seiner Sicht zu einer Überquerung des durch ihn benutzten Sonderweges anschickte, sah er sich nach den Umständen zu der Einleitung einer sofortigen Gefahrenabwehrmaßnahme veranlasst. Zwar wurde die durch ihn durchgeführte Vollbremsung wegen des Blockierens des Vorderrades dem Anschein nach zu heftig und nicht durch die gebotene gleichzeitige und gleichmäßige Betätigung von Vorder- und Hinterradbremse eingeleitet. Gleichwohl kann dem Kläger sein spontanes fehlerhaftes Verzögerungsbemühen als solches nicht als gravierende Obliegensverletzung angelastet werden. Denn auf der kurzen Schlussdistanz von sechs oder acht Metern verblieb ihm ein kaum hinreichender Handlungsspielraum zur Beobachtung des weiteren Verhaltens der Beklagten. Die in der Schrecksituation zu heftig ausgeführte Bremsung folgte mehr oder weniger zwangsläufig daraus, dass der Kläger zuvor nicht in der gebotenen Weise seine Geschwindigkeit reduziert und Bremsbereitschaft eingenommen hatte.
IV.
1. Das Gewicht des Verursachungs- und Verschuldensbeitrages des Klägers steht bei der Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB nicht hinter demjenigen der Beklagten zurück. Als ihn die Reaktionsaufforderung bei dem Anblick der zum Überqueren des Radweges ansetzenden Beklagten erreichte, durfte er sich zehn Meter vor dem Ort seines späteren Sturzes nicht darauf beschränken, durch ein Klingelzeichen auf sich aufmerksam zu machen. Er war vielmehr nach den Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO gehalten, seine Ausgangsgeschwindigkeit von 15 km/h so zu verringern und Bremsbereitschaft einzunehmen, dass er bei der erwarteten Fortsetzung der unachtsamen Radwegüberquerung durch die Beklagte den befürchteten Zusammenstoß mit dieser aufgrund einer problemlosen Verzögerung seines Fahrrades vermeiden konnte.
2. Der Kläger zieht zunächst ohne Erfolg die Richtigkeit der Feststellung im Revisionsurteil in Zweifel, die Tatsache der Abgabe eines akustischen Warnsignals durch ihn lasse darauf schließen, dass er sich bei der Annäherung einer Kollisionsgefahr durchaus bewusst gewesen sei (Bl. 65 R Revisionsakte). In diesem Zusammenhang dringt der Kläger nicht mit seinem Einwand durch, entgegen der Sachverhaltsfeststellung im Revisionsurteils habe er nicht etwa eine Unterhaltung der Beklagten über den Radweg hinweg - zu ergänzen ist: und damit auch eine potentielle Unaufmerksamkeit der Beklagten - wahrgenommen; eine solche Wahrnehmung sei auch nicht zwingend gewesen, da er sich noch einige Meter von der Bushaltestelle entfernt befunden habe (Bl. 316 d.A.).
a) Der Hergang des fraglichen Geschehens war Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Klägers. Nach Maßgabe des § 138 Abs. 1, Abs. 4 ZPO sind deshalb von dem Kläger vollständige und wahrheitsgemäße Erklärungen über den Hergang des fraglichen Geschehens zu erwarten. In seiner Replik vom 2. Januar 2006 auf den erstinstanzlichen gegnerischen Schriftsatz vom 14. Oktober 2005 ("Die Darstellungen und Ausführungen der Gegenseite zum Unfallgeschehen ... sind in mehreren Kernpunkten nicht zutreffend"; Bl. 39 ff. d.A.) hat er eingeräumt, bei seiner Annäherung habe die Beklagte seitlich mit ihm zugewandten Rücken zum Fahrradweg gestanden und sich mit zwei Personen unterhalten, die rechts auf dem Fußweg gestanden hätten; man habe sich über den Weg hinweg unterhalten. Sodann habe er vorsorglich in einer Entfernung von ca. zehn Metern vor den Personen die Klingel seines Fahrrades betätigt, um die kleine Gruppe auf jeden Fall auf sich aufmerksam zu machen (Bl. 40 d.A.). Diese Darstellung hat sich die Beklagte in ihrem Folgeschriftsatz vom 10. Januar 2006 zu eigen gemacht. Sie hat dazu u.a. ausgeführt, es sei für den Kläger nach den Umständen erkennbar gewesen, dass er auf eine gefährliche Situation zugefahren sei. Dies sei ihm auch bewusst gewesen, denn nicht umsonst habe er seine Klingel betätigt (Bl. 54, 55 d.A.).
b) Bei dieser Sachlage ist der Umstand, dass der Kläger das akustische Warnsignal gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 StVO abgegeben hat, weil er sich bei seiner Annäherung einer Kollisionsgefahr durchaus bewusst war, als durch ihn im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden anzusehen. Es liegt ein sogenanntes vorweggenommenes Geständnis vor, für das ein Widerrufsgrund nach Maßgabe des § 290 ZPO nicht ersichtlich ist. Darüber hinaus behält das Geständnis auch in der Berufungsinstanz seine Wirksamkeit (§ 535 ZPO).
Eine für die eigene Partei ungünstige Prozessbehauptung kann dadurch zum Geständnis werden, dass sie von der Gegenseite aufgegriffen und zum Bestandteil ihres Vortrages gemacht wird. Die Geständniswirkungen treten in diesem Fall ein, wenn der Gegner - wie hier - die Behauptung zu seiner eigenen macht, bis dahin kann sie frei widerrufen werden (BGH NJW 2004, 513, 515, 516 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Für ein solches sogenanntes vorweggenommenes Geständnis kommt es nicht auf die zeitliche Abfolge der Schriftsätze an, sondern auf deren vorbehaltlose Einführung in die mündliche Verhandlung (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 27. Aufl., § 288, Rdnr. 3a mit Hinweis auf BGH VRS 31, 404, 406; BGH NJW 1978, 884, 885; BGH NJW 1990, 392, 393). Die Einführung in die mündliche Verhandlung erfolgte hier durch den Kläger anlässlich der Schlussverhandlung vor dem Landgericht im Termin am 23. Oktober 2006 (Bl. 83 d.A.).
c) In Anbetracht der Feststellung, dass dem Kläger etwa zehn Meter vor der Position der Beklagten eine Kollisionsgefahr durchaus bewusst geworden war, durfte er seine Vorsichtsmaßnahme nicht auf die Abgabe eines Klingelzeichens beschränken. Da die Beklagte trotz dieses Zeichens keine weitere Notiz von ihm nahm, sie mit dem Rücken zu ihm stand und sich auch nicht von ihrem Gesprächskontakt ablenken ließ, musste der Kläger nach den Umständen damit rechnen, dass sie im Zuge der Unterredung auch auf ihre Gesprächspartnerinnen zugehen konnte und dabei in gefahrenträchtiger Weise seine Annäherung völlig außer Acht ließ. Zwar hatte die Beklagte das Klingelzeichen tatsächlich gehört. Diese Wahrnehmung hatte sie aber - wahrscheinlich infolge der erkennbaren Ablenkung durch die geführte Unterredung - nicht davon abgehalten, den Versuch einer Überquerung des Radweges zu unternehmen, ohne sich zuvor in der erforderlichen Weise über den darauf befindlichen, bevorrechtigten Verkehr vergewissert zu haben. Wäre sich der Kläger des Gefahrenpotentials nicht bewusst gewesen, hätte er auch keinen Anlass gehabt, vorsorglich durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam zu machen. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf den Umstand, dass die Beklagte zunächst direkt neben dem Radweg Aufstellung bezogen hatte.
3. a) In diesem Zusammenhang dringt der Kläger nicht mit seinem Einwand durch, ihm sei die Aufnahme eines Blickkontaktes zu der Beklagten nicht möglich gewesen. Es kommt nicht entscheidend auf die Frage an, ob ein solcher Kontakt realisierbar war oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Kläger Anhaltspunkte dafür hatte, dass die Beklagte sein Klingelzeichen akustisch wahrgenommen hatte und darauf eine Reaktion - etwa durch die Aufnahme eines Blickkontaktes - in dem Sinne zeigte, dass sie sich der potentiellen Gefahrensituation anlässlich des Versuches einer Radwegüberquerung bei gleichzeitiger Annäherung des bevorrechtigten Klägers bewusst war. Da aber eine solche Reaktion, sozusagen als Bestätigung der Wahrnehmung und des Verständnisses des gemäß § 16 Abs. 1 Ziffer 2 StVO abgegebenen Warnsignals, ausblieb, war zugunsten des Klägers auch kein Vertrauensgrundsatz einschlägig: Er durfte nach den Umständen nicht von der Erwartung ausgehen, dass die Beklagte eine mögliche Überquerungsabsicht so lange zurückstellen werde, bis er auf seinem Fahrrad deren Standort passiert hatte.
b) Deshalb stellte es einen Verstoß gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StVO dar, dass er seine Ausgangsgeschwindigkeit von 15 km/h ungebremst beibehielt. Die Straßen- und Verkehrsverhältnisse in Verbindung mit seinen persönlichen Fähigkeiten als Fahrradfahrer und die Eigenschaft seines Fahrzeuges erforderten neben der Einhaltung einer Bremsbereitschaft die Reduzierung seines Ausgangstempos in dem Maße, dass er auch noch auf einer Restdistanz von weniger als zehn Metern sein Fahrrad rechtzeitig und problemlos vor einer Radwegüberquerung der Beklagten zum Stillstand bringen konnte. Dies galt jedenfalls in der Annäherungsphase so lange, wie sie trotz des Klingelzeichens noch keine Notiz von ihm genommen hatte und ihm weiterhin dicht am Radweg stehend den Rücken zuwandte.
4. Ein Scheinargument ist der Einwand des Klägers, da die Beklagte ausweislich ihres Verteidigungsvorbringens keine Gefahrenlage mit ihrem Verhalten in Verbindung gebracht habe, sei nicht nachvollziehbar, dass ihm zugemutet werde, eine Gefahrenlage zu erblicken. Diesen Einwand erhebt der Kläger an der Tatsache vorbei, dass die Beklagte bis zu dem Warnruf die mit der Fahrradannäherung verbunden gewesene Gefahrensituation gar nicht bemerkt hatte und sie aus ihrer Sicht dann das Ihrige zur Vermeidung eines Schadensereignisses dadurch beitrug, dass sie die beabsichtigte Radwegüberquerung abbrach und nur mit einem Fuß auf den Sonderweg geriet.
5. An der Sache vorbei geht auch der weitere Einwand des Klägers, "bei einem plötzlichen Ereignis kann der Radfahrer nicht mehr innerhalb der 10 m anhalten" (Bl. 320 d.A.). Aus den Weg- und Zeitdarlegungen im Ersturteil des Senats (Bl. 12 UA; Bl. 238 d.A.) geht hervor, dass der Kläger selbst bei seiner Ausgangsgeschwindigkeit von 15 km/h und mittleren Verzögerungen in der Größenordnung von 6 m/Sec² bis 7 m/Sec² bei richtigem Einsatz seiner Vorder- und Rückbremse das Fahrrad noch auf einer Distanz von 4,96 m bis 5,17 m zum Stillstand hätte bringen können. Umso mehr wäre dies im möglich gewesen, wenn er bereits bei der Ausgangsentfernung von 10 m sein Fahrttempo im Hinblick auf seine persönlichen Fähigkeiten und die Bremseigenschaften seines Fahrrades situationsadäquat reduziert hätte.
6. Der Kläger räumt ein, dass er im Moment der Reaktionsaufforderung die Bremsreaktion zu heftig mit der Folge seines Sturzes über den Lenker hinweg einleitete (Bl. 322 d.A.). Unstreitig hat er so gebremst, dass das Vorderrad blockierte und das Hinterrad fast senkrecht über dem Vorderrad stand. Bei dieser Sachlage spricht - wie im Revisionsurteil dargelegt - der nicht erschütterte Anschein für die Annahme, dass der Kläger die Vorder- und Hinterradbremse nicht in der erforderlichen Weise gleichzeitig und gleichmäßig betätigt hat. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei ohne sein Verschulden in eine für ihn nicht voraussehbare Gefahrensituation geraten, in welcher er keine Zeit zu ruhiger Überlegung gehabt habe, das Richtige und Sachgerechte zur Unfallvermeidung zu unternehmen. Denn aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Kläger sich in der Schlussphase kurz vor seinem Sturz insoweit eigenverschuldet in die prekäre Lage aufgrund der Tatsache gebracht hatte, dass er nur durch Klingelzeichen und nicht auch durch eine angemessene Verringerung seiner Fahrtgeschwindigkeit auf die potentielle Gefahrensituation reagiert hatte.
7. An dieses Versäumnis knüpft sich der Kern des dem Kläger wegen der Missachtung der Vorschriften des § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StVO zu machenden Fahrlässigkeitsvorwurfes. Ebenso wie das Landgericht misst der Senat dem letztlich sturzursächlichen Fahrfehler des Klägers in der Endphase des Geschehens durch ungleichmäßiges und zu heftiges Bremsen nicht eine solche Bedeutung bei, dass sie die Gewichte der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge in entscheidender Weise zugunsten der Beklagten verschiebt.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt bis zum 18. Juni 2007 3.084,47 € und für die Zeit danach 2.120,67 €. Der Streitwert für die Revisionsinstanz ist entsprechend der Festsetzung des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2008 mit 1.784,47 € zu berücksichtigen (Bl. 59 Revisionsakte). Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Ende der Entscheidung
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