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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.11.2003
Aktenzeichen: I-1 U 28/02
Rechtsgebiete: StVG, StVO


Vorschriften:

StVG § 7 Abs. 2 a.F.
StVG § 17 a.F.
StVO § 1 Abs. 2
StVO § 4 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird das am 20. November 2001 verkündete Urteil der 2 b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger noch 1.525,44 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 1) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. Januar 2001, die Beklagte zu 2) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2001.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des früheren Beklagten zu 3) trägt der Kläger allein; ebenso die Kosten, die durch die Anrufung des sachlich unzuständigen Amtsgerichts Mettmann entstanden sind. Im Übrigen werden die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe: Die Berufung ist zulässig, aber nur teilweise begründet. I. Die Klage auf restlichen Schadensersatz, soweit sie gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) gerichtet ist, kann entgegen der Ansicht des Landgerichts keinen vollen Erfolg haben. Auf den unfallbedingten Schaden des Klägers von unstreitig 11.934,02 DM hat die Beklagte zu 2) 5.967,01 DM, also 50 %, gezahlt. Die streitgegenständiche Restforderung steht dem Kläger nur zur Hälfte zu, also nur in Höhe von 1.525,44 EUR. Denn er muss sich eine Mithaftung für seinen Unfallschaden in Höhe von 25 % zurechnen lassen. Das ist das Ergebnis der Haftungsabwägung des Senats auf der Grundlage der in zweiter Instanz nachgeholten Beweisaufnahme. 1. Da der Unfall für keinen der beteiligten Fahrzeugführer unabwendbar im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG a.F. gewesen ist, was zur grundsätzlichen Haftung beider Seiten führt, waren die Haftungsanteile gemäß § 17 StVG a.F. gegeneinander abzuwägen. Dabei durften nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die entweder unstreitig oder bewiesen sind. Ferner waren solche Umstände in die Haftungsabwägung einzubeziehen, auf die eine Partei sich selbst berufen hat. Für die Haftungsabwägung bei Unfällen mit Beteiligung von Kraftfahrzeugen kommt es in erster Linie darauf an, ob und inwieweit sich die objektiven Betriebsgefahren auf das Unfallgeschehen ausgewirkt haben. Eine schuldhaft herbeigeführte Erhöhung der Betriebsgefahr führt regelmäßig zu einer höheren Haftungsquote. Auf der Grundlage dieser anerkannten Grundsätze gilt im Streitfall folgendes: 2. Ebenso wie das Landgericht hat der Senat ein unfallursächliches Fehlverhalten des Fahrers des städtischen Räumfahrzeuges (Zeuge R. B.) feststellen können. Zu Lasten der Beklagten greift der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen ein. Danach hat derjenige, der mit seinem Fahrzeug auf den Vordermann auffährt, den Beweis des ersten Anscheins gegen sich, dass er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten oder seine Fahrgeschwindigkeit nicht der Verkehrssituation angepasst oder falsch reagiert hat. Voraussetzung für den Beweis eines Verschuldens nach diesem allgemein anerkannten Grundsatz ist allerdings die Feststellung eines typischen Geschehensablaufs. Derjenige, der sich auf ein Auffahrverschulden nach Anscheinsbeweisregeln beruft, muss einen Sachverhalt darlegen und notfalls beweisen, der nach der Lebenserfahrung auf ein Verschulden der oben genannten Art (wahlweise) schließen läßt. Bei dieser vorrangigen Prüfung sind sämtliche bekannten Umstände des Falles in die Bewertung einzubeziehen. Dazu gehören beispielsweise auch Besonderheiten wie Straßenglätte. a) Nach der Darstellung des Klägers hatte es vor dem Unfall geschneit. Auf der "etwas glatten" Straße sei deshalb eine vorsichtige Fahrweise geboten gewesen (Klageschrift, S. 3). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der frühere Beklagte zu 3) und jetzige Zeuge R. B. mit einem Streu- und Räumfahrzeug im Winterdiensteinsatz unterwegs war. Der Straßenzustand an der Unfallkreuzung war indessen nicht so beschaffen, dass von einer atypischen, den Anscheinsbeweis von vornherein ausschließenden Situation ausgegangen werden muss. Nach den Feststellungen der Polizei in der Verkehrsunfallanzeige war die Straße trocken, nicht etwa "winterglatt" (Rubrik mit der Nummer 2 in der Spalte "Straßenzustand"). b) Erwogen hat der Senat, ob der Anscheinsbeweis für ein Auffahrverschulden schon mangels Typizität deshalb nicht zum Zuge kommen kann, weil sich die Kollision in der Phase des gemeinsamen Anfahrens nach einem Ampelstopp ereignet hat. Unstreitig hatten beide Fahrzeuge, der BMW 318 i des Klägers und das städtische Räumfahrzeug, bei Rotlicht vor der Ampel an der Kreuzung M.-P.-Straße/B. Allee gestanden. Ob der Kläger als erster vor der Ampel gewartet hat oder ob vor ihm ein Lkw gestanden hat, wie der Kläger behauptet, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Was die erforderliche Typizität als unerlässliche Grundlage eines Anscheinsbeweises in Frage stellen kann, ist nicht die Anwesenheit des besagten Lkw, sondern die Tatsache, dass die beiden später in den Unfall verwickelten Fahrzeuge in dichtem Abstand hintereinander gestanden haben, als sie beim Umspringen der Ampel starteten. Den genauen Abstand hat der Senat nicht ermitteln können. Die Entfernung sei "normal" gewesen, so der Zeuge R. B.. Er will mit seinem Räumfahrzeug weder ungewöhnlich dicht aufgefahren sein noch in einem besonders großen Abstand hinter dem BMW gewartet haben. Der Abstand habe 1 bis 2 m groß sein können. Eine solche Distanz entspricht den typischen Gegebenheiten beim Anhalten vor einer ampelgeregelten Kreuzung, zumal im innerörtlichen Verkehr. Im Interesse der Flüssigkeit des anfahrenden Verkehrs ist es ausnahmsweise gestattet, den erforderlichen Sicherheitsabstand erst während der Anfahrtphase aufzubauen. Um wirksam der Gefahr zu begegnen, die sich aus dem zunächst zu geringen Abstand ergibt, bedarf es erhöhter Aufmerksamkeit und Vorausschau auf Seiten des jeweiligen Hintermanns. Er muss das Fahrzeug des Vorausfahrenden besonders sorgfältig beobachten, um auf ein Verlangsamen oder gar Anhalten jederzeit unfallverhütend reagieren zu können. Wenn es gleichwohl in der Anfahrtphase zu einem Aufprall auf das vorausfahrende Fahrzeug kommt, dann spricht auch bei einer solchen Fallgestaltung nach der Erfahrung des täglichen Lebens eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der auffahrende Kraftfahrer die von ihm zu fordernde (gesteigerte) Sorgfalt nicht beachtet hat. Ein Verschulden ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises anzunehmen. c) Den gegen den Zeugen R. B. sprechenden Anscheinsbeweis eines Verschuldens haben die Beklagten nicht erschüttert. Allerdings ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger seinen BMW auf der Kreuzung ohne zwingenden Grund und damit für den Zeugen B. unerwartet abgebremst hat. Der unbeteiligte Zeuge T. H. hat bereits gegenüber der Polizei unmittelbar nach dem Unfall berichtet, der Kläger habe kurz nach dem Anfahren ohne einen für ihn, den Zeugen, erkennbaren Grund "plötzlich" angehalten. So hat es die Polizei in ihrer Verkehrsunfallanzeige notiert. Später hat der Zeuge H. in einem Fragebogen gegenüber der Zweitbeklagten mitgeteilt, der BMW-Fahrer, also der Kläger, habe nach dem Einfahren in die Kreuzung "wieder abgebremst". In einer weiteren Stellungnahme vom 2. Februar 2001 hat er diesen Vorgang als ein "abruptes Bremsmanöver" beschrieben. An ein Abbremsen des BMW hat der Zeuge H. sich auch bei seiner Vernehmung durch den Senat erinnert. Es sei ein "plötzliches" Abbremsen gewesen. Zwar konnte der Zeuge H. das Aufleuchten von Bremsleuchten an dem BMW schon deshalb nicht wahrnehmen, weil er als entgegenkommender Autofahrer den BMW nur von vorne gesehen hat. Die Fahrweise des auf ihn zukommenden BMW hat er jedoch gut beobachten können. Da er gegenüber dem BMW ein wartepflichtiger Linksabbieger war, spricht einiges dafür, dass der Zeuge H. auf die Fahrweise des BMW gezielt geachtet hat. Er will den BMW bereits beobachtet haben, als er an der Ampel losgefahren ist. Der Zeuge konnte sich noch daran erinnern, dass der BMW-Fahrer nach links und nach rechts geschaut habe, so als habe er vor, in die eine oder in die andere Richtung abbiegen zu wollen. Er, der Zeuge, habe den Eindruck gehabt, der BMW-Fahrer sei ortsunkundig. Dass vor dem BMW ein Lkw gefahren ist, wie der Kläger behauptet, konnte der Zeuge H. nicht bestätigen. Nach seiner Beobachtung war der BMW das erste Fahrzeug an der Ampel. Bestätigt wird die Aussage des Zeugen H., der BMW sei auf der Kreuzung abgebremst worden, durch die Bekundungen des Zeugen R. B.. Schon vor der Polizei hat er angegeben: "Er ist angefahren, dann stand er." Vor dem Senat hat er bekundet, der BMW sei losgefahren und sodann nach einer Strecke von 10 bis 15 m ohne erkennbaren Grund abgebremst worden. Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge B. als Fahrer des städtischen Fahrzeugs geneigt sein könnte, seine Verantwortung für das Unfallgeschehen herunterzuspielen und dem Kläger die Schuld zuzuschieben. Seiner Aussage misst der Senat deshalb keine entscheidende Bedeutung bei. Er sieht in ihr lediglich eine Unterstützung der Bekundungen des neutralen Zeugen H.. Dieser ist der maßgebliche Zeuge. Seine Aussage wird durch die Bekundungen, die von den BMW-Insassen stammen, nicht entkräftet. Ob der Kläger vor dem Aufprall des städtischen Fahrzeugs gebremst hat oder nicht, konnte der Zeuge M., ein Beifahrer des Klägers, nicht sagen. Er meinte, der BMW habe sich im Augenblick der Kollision noch in Bewegung gefunden. Das schließt ein Abbremsen nicht aus. Sicherer war sich der Zeuge M. in der Frage, ob vor dem BMW ein anderes Fahrzeug, etwa ein Lkw, fuhr. Nach seiner Erinnerung war - entgegen der Behauptung des Klägers - kein anderes Fahrzeug vor dem BMW. Das deckt sich insoweit mit der Aussage der Zeugin C. S.. Auch nach ihrer Erinnerung befand sich vor dem BMW, in dem sie gesessen hat, kein anderes Fahrzeug. Sie glaube nicht, so ihre Aussage vor dem Einzelrichter des Senats, dass der Kläger vor der Kollision gebremst habe. Genau könne sie das aber nicht sagen. Damit hat sie einen Bremsvorgang, wie ihn die Zeugen H. und B. beobachtet haben, nicht ausgeschlossen. In diesem Punkt genauer war die Aussage der dritten Insassin in dem BMW, der Zeugin d. P.. Nach ihrer Erinnerung sei der BMW in Bewegung gewesen, vor der Kollision sei er nicht gebremst worden. Diese Aussage verliert jedoch an Beweiswert entscheidend durch die Eingangsäußerung der Zeugin, zu der Fahrweise des Klägers nichts sagen zu können. Nimmt man alle Aussagen zusammen, so bleiben keine vernünftigen Zweifel, dass der Kläger sein Fahrzeug auf der Kreuzung abgebremst hat. Für dieses Abbremsen gab es keinen zwingenden, nicht einmal einen triftigen Grund. Auch das steht zur Überzeugung des Senats fest. Ausgeschlossen werden kann, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug dem Kläger Veranlassung gegeben hat, seinen BMW abzubremsen. Vor ihm mag ein Lkw gefahren sein, was freilich selbst die von ihm benannten Zeugen nicht haben bestätigen können. Jedenfalls war die Existenz des vom Kläger erwähnten LKW, an den sich auch die Zeugen H. und B. nicht erinnern konnten, kein Grund dafür, im Kreuzungsbereich abzubremsen. Dafür muss es einen anderen, nicht verkehrsbedingten Grund gegeben haben. Nahe liegt die Annahme, dass der Kläger Orientierungsschwierigkeiten hatte. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die Aussage des Zeugen H., wonach der Kläger beim Einfahren in die Kreuzung nach links und nach rechts geschaut habe, so als wisse er nicht genau, in welche Richtung er fahren solle. Im Übrigen hat der Kläger bereits vor der Polizei berichtet, er sei die Straße zum ersten Mal gefahren. Dass der Kläger seinen BMW "stark" im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO abgebremst hat, hat der Senat nicht feststellen können. Starkes Abbremsen im Sinne dieser Vorschrift bedeutet zwar nicht notwendigerweise eine Vollbremsung, jedoch muss es ein intensiverer Bremsvorgang sein als bei einem "normalen" Abbremsen. Von einer "Vollbremsung" hat selbst der Zeuge B. nicht gesprochen. An einen solchen Bremsvorgang hatte er jedenfalls keine Erinnerung. Hingegen hat der Zeuge T. H. in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Zweitbeklagten das Bremsmanöver als "abrupt" dargestellt. Vor dem Senat hat er angegeben, der Kläger habe "plötzlich" gebremst. Letzteres geht mehr in Richtung "unerwartet" und meint weniger die Intensität des Abbremsens. Objektive Spuren, die Aufschluss über die Art des Bremsens geben könnten, liegen nicht vor. Bremsspuren sind nicht festgestellt worden. Erkennbare Schäden am städtischen Räumfahrzeug waren nicht vorhanden, so die Polizei in ihrer Unfallanzeige. Was das Fahrzeug des Klägers angeht, so war vor allem der Kofferraumdeckel beschädigt. Die durch das Lichtbild Blatt 76 der Akten verdeutlichten Heckbeschädigungen lassen auf eine eher geringe Anstoßgeschwindigkeit schließen. Insgesamt reichen die Ankünpfungstatsachen nicht aus, um einem Sachverständigen die Frage vorzulegen, mit welcher Intensität der BMW abgebremst worden ist. Um den Anscheinsbeweis für ein Auffahrverschulden zu erschüttern, genügt nach Ansicht des Senats nicht der Nachweis, dass der Kläger seinen BMW in der Anfahrtphase grundlos abgebremst hat. Anders könnte es sein, wenn nicht nur ein grundloses, sondern auch ein starkes Bremsen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO feststünde (vgl. zu dieser Konstellation OLG Köln MDR 1995, 577; Baur in Wussow, 15. Aufl., Kapitel 2, Rn. 153). Die bloße Möglichkeit, dass das erwiesenermaßen grundlose Bremsen die Intensität eines "starken" Bremsens erreicht hat, reicht nach Ansicht des Senats zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht aus. Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn plötzlich gebremst wird (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO). Selbst ein plötzlich scharfes Bremsen des Vorausfahrenden muss ein Kraftfahrer im Allgemeinen einkalkulieren. Das gilt auch auf innerörtlichen Kreuzungen nach einem gemeinsamen Ampelstart. Nur mit einem "ruckartigen" Stehenbleiben muss der Hintermann nicht ohne Weiteres rechnen, etwa einem Abwürgen des Motors mit sofortigem Stillstand des Fahrzeugs. Wenn aber - wie hier - die Bremslichter aufgeleuchtet haben und der BMW bremsbedingt verzögert wurde, blieb dem Zeugen R. B. genügend Zeit zur Abwehrreaktion. Dies um so mehr, als der BMW selbst dann, wenn er, wie vom Kläger behauptet, langsam beschleunigt wurde, schneller weggekommen sein dürfte als das vergleichsweise startschwache Räumfahrzeug. Nach der Aussage des Zeugen B. ist der BMW schneller angefahren als er. Er habe gleich einen Vorsprung gehabt. In dem Moment, als er, der Zeuge B., den zweiten Gang einlegen wollte, sei der BMW abgebremst worden. Diese Entwicklung nach dem gemeinsamen Start im Anschluss an das Umspringen der Ampel bestärkt den Senat in der Überzeugung, dass der Zeuge B. den vorausfahrenden BMW nicht hinreichend sorgfältig beobachtet hat. 3. Der Kläger hat nicht nur die objektive Betriebsgefahr seines BMW zu verantworten. Ihm fällt auch ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zur Last. Dass der Kläger gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen hat, hat der Senat, wie ausgeführt, nicht feststellen können. Erwiesen ist lediglich, dass der Kläger sein Fahrzeug grundlos und damit für den nachfolgenden Fahrer des städtischen Fahrzeugs überraschend verlangsamt hat. Dies ist in einer Verkehrssituation geschehen, in der der Hintermann den an sich notwendigen Sicherheitsabstand - dem Kläger erkennbar - noch nicht vollständig aufgebaut hatte. Das stellt eine Behinderung im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO dar. 4. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände verteilt der Senat die Haftung im Verhältnis von 75:25 zu Lasten der Beklagten. a) Für die Fallgruppe "Auffahrunfall in der Anfahrtphase nach Ampelumspringen" werden in der Rechtsprechung selbst bei im Wesentlichen gleichgelagerten Fällen keine einheitlichen Haftungsquoten gebildet. Einigkeit besteht nur insoweit, als die einfache, durch kein Verschulden gesteigerte Betriebsgefahr vollständig hinter den Verursachungs- und Verschuldensanteil des Auffahrenden zurückzutreten hat, so beispielsweise in Fällen bloßer Verzögerung des Vorausfahrenden oder bei verkehrsbedingtem Abbremsen. Fällt dagegen auch dem Vordermann ein unfallursächliches Fehlverhalten zur Last, kommt es regelmäßig zu einer Schadensteilung. Wer objektiv grundlos und damit für den Nachfolger unerwartet ("plötzlich") gebremst hat, wird im Fall des starken bzw. sehr starken Abbremsens häufig in größerem Maße belastet als der schuldhaft auffahrende Kraftfahrer. Dieser kann sogar von jeglicher Mithaftung freigestellt sein (vgl. KG VerkMitt. 1993, 27; KG, Urt. v. 30.03.1995, 12 U 5941/93, zitiert nach KG NZV 2003, 41; siehe auch KG NZV 2003, 42 = VRS 104, 27). Für eine Schadenshalbierung hat sich as KG in der Entscheidung VerkMitt. 1982, 88 ausgesprochen, ebenso LG Hannover (16. ZK) VersR 1982, 201. Demgegenüber vertritt das OLG Celle den Standpunkt, dass "grundsätzlich" der Haftungsanteil des Auffahrenden auch dann überwiegen müsse, wenn der Vordermann grundlos stark gebremst habe (Urteil vom 27.06.2002, 14 U 248/01, n.v. - 60 : 40 zu Lasten des Auffahrenden; sogar für 100 : O LG Hannover (11. ZK) DAR 1981, 95). Diese abweichende Sichtweise entspricht der Haftungsverteilung bei Auffahrunfällen ohne die Besonderheit des Auffahrens in "instabiler Kolonne" nach Ampelwechsel. In den "Normalfällen" wird dem schuldhaften Auffahren in der Regel ein deutlich höheres Gewicht beigemessen als einem verkehrswidrigen Abbremsen (vgl. die Nachweise bei KG NZV 2003, 41). b) Der erkennende Senat hat einem Pkw-Fahrer, der ohne nachweisbares Verschulden seine Weiterfahrt nach gemeinsamem Ampelstart wegen eines nicht auszuschließenden "Motorproblems" durch Bremsen abgebrochen hat, bei einem Auffahrverschulden des Unfallgegners (gleichfalls Pkw) einen Haftungsanteil von einem Drittel auferlegt (Urt. v. 07.10.1996, 1 U 164/95, n.v. - innerörtliche Einmündung). Zu einer Haftungsverteilung von 60 : 40 zu Gunsten des Auffahrenden ist der Senat erst kürzlich in einem ähnlichen Fall gelangt. Die Unfallstelle lag außerorts an einer ampelgeregelten Einmündung in eine Bundesstraße. Ein vorausfahrender Pritschenwagen war nach Umspringen der LZA auf Grün losgefahren, nach wenigen Metern aber ohne erkennbaren Grund stark abgebremst worden. Ein nachfolgender Lastzug fuhr nach einer Fahrstrecke von ca. 22 m auf den stehenden Pritschenwagen auf (Urt. v. 04.08.2003, 1 U 206/02, n.v.). c) Im Anschluß an diese Entscheidungen erscheint es dem Senat angemessen, die Beklagten mit einer Haftungsquote von 75 % zu belasten. Das Auffahrverschulden des Lkw-Fahrers (Zeuge B.) wiegt nicht schwer. Es handelt sich um eine momentane Unaufmerksamkeit. Ersichtlich ist er von dem Abbremsen des BMW überrascht worden, nachdem dieser sich bereits 10 - 15 m entfernt hatte. Das Verschulden des Klägers ist gleichfalls gering (§ 1 Abs. 2 StVO). Gravierende Unterschiede sind dagegen bei den reinen (objektiven) Betriebsgefahren vorhanden. Dass die Fahrweise des einen Fahrzeugs den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat als die Fahrweise des anderen, lässt sich allerdings nicht feststellen. Zu kurz greift auch das Argument, der Kläger habe durch sein überraschendes Bremsen die "erste Ursache" gesetzt, weshalb er stärker zu belasten sei. Eine Mehrbelastung des Klägers käme in Betracht, wenn er sein Fahrzeug erwiesenermaßen stark oder gar sehr stark, etwa durch eine Vollbremsung bis zum Stillstand, verzögert hätte. Bei einem Abbremsen von der Intensität, wie sie hier festgestellt werden kann, ist diese Bewertung nicht gerechtfertigt. Was die entscheidenden Unterschiede bei den objektiven Betriebsgefahren ausmacht, sind die erheblich voneinander abweichenden Masseverhältnisse und die vergleichsweise schlechte Verzögerung des städtischen Iveco-Lkw. 5. Die Höhe der Klageforderung steht ebenso wie der Zinsanspruch außer Streit. II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 1, 281 Abs. 3, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Ein Zulassungsgrund im Sinne des § 543 ZPO liegt unzweifelhaft nicht vor. Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.050,87 EUR. Davon die Hälfte macht die jeweilige Beschwer der Parteien aus.

Ende der Entscheidung

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