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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.04.2009
Aktenzeichen: I-1 U 95/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1 | |
BGB § 843 Abs. 1 1. Alt. | |
BGB § 843 Abs. 1 2. Alt. | |
BGB § 1353 | |
BGB § 1356 | |
BGB § 1360 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Juni 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges - an die Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve zurückverwiesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht.
Gründe:
I.
Das angefochtene Urteil beruht auf einer mangelhaften Tatsachenfeststellung.
Da die Beklagte den Umfang der behaupteten Beeinträchtigung der Klägerin bei der Führung des Haushalts zulässig bestritten hat, hätte das Landgericht nicht ohne vorherige Erhebung der hierzu von den Parteien angetretenen Beweise (Zeugen und Sachverständige) entscheiden dürfen. Dies gilt umso mehr, als die von dem Landgericht zu seiner Schätzung herangezogenen vorliegenden Gutachten und Atteste nicht hinreichend aussagekräftig sind und ihre Richtigkeit zudem teilweise von der Beklagten angezweifelt worden ist.
In dem augenärztlichen Gutachten des XXXKlinikums vom 7. Juni 2006 (Bl. 8 ff. GA) ist lediglich festgehalten, dass die Klägerin in ihrer Haushaltsführung "unfallbedingt stark beeinträchtigt" sei, da es durch das fehlende Binokularsehen und die Bildunruhe zu einer starken Gangunsicherheit komme. Über das konkrete Ausmaß fehlen jedoch Angaben. Insbesondere kann hieraus nicht ersehen werden, welche Arbeiten im Haushalt der Klägerin noch möglich sind. In dem Gutachten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit lediglich 30 % bewertet. Auch der Bescheid des Versorgungsamtes D. vom 21. Juni 2007 (Bl. 17 GA), der den Grad der Behinderung der Klägerin auf 50 % festsetzt, besagt über die Fähigkeit der Klägerin, ihren Haushalt zu führen, nichts Näheres.
Das ärztliche Attest des Prof. Dr. U. vom 17.01.2008 (Bl. 38 GA) bescheinigt der Klägerin aufgrund der posttraumatischen Augenbewegungsstörung massive Orientierungsschwierigkeiten, die bei Bewegung zu massivem Schwindel führten, was weiter zur Folge habe, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Welchen konkreten Einfluss diese Beeinträchtigungen auf die Haushaltsführungstätigkeit der Klägerin hat, ist aber im Einzelnen unklar und streitig. Die Beklagte hat zudem die Richtigkeit des Attestes ausdrücklich in Zweifel gezogen.
Aus dem Bericht der XXX GmbH vom 07.11.2006 (Bl. 50 ff. GA) geht lediglich hervor, dass eine ständige Unterstützung der Klägerin bei der Haushaltsführung erforderlich sei. Der - hier gerade interessierende - Umfang der notwendigen Unterstützung wird darin aber nicht genannt.
Darüber hinaus hat die Beklagte unter Beweisantritt ausdrücklich behauptet, dass die Klägerin ohne Weiteres in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn zu benutzen (und damit auch selbständig Einkaufen zu können), zumal die Klägerin im Rahmen ihres privaten Umfeldes durch Abdecken eines Auges eine gewisse Kompensation der Doppelbilder erreichen könne. Diesen Vortrag - verbunden mit der Behauptung, dass die Klägerin damit weitestgehend ihren Haushalt selbst führen könne - hat die Beklagte unter Beweis gestellt (Bl. 61 GA).
Die Feststellung des konkreten Umfangs der verletzungsbedingten Einschränkung der Klägerin in ihrem Haushalt bedarf daher der Einholung der von den Parteien angebotenen Beweise. Wegen der Aufwändigkeit dieser - verfahrensfehlerhaft von dem Landgericht nicht durchgeführten - Beweisaufnahme hat der Senat die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Nr.1 ZPO an das Landgericht zurück verwiesen.
Für das weitere Verfahren und die erneute Entscheidung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (NZV 2007, 40) besteht im Rahmen einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft der Anspruch des Verletzten grundsätzlich nur, soweit der Eigenbedarf gemäß § 843 Abs. 1 2. Alt. BGB (§ 11 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG) betroffen ist (vgl. dazu auch Schirmer, DAR 2007, 8). Hingegen ist der auf Wegfall des Fremdbedarfs gestützte Anspruch gemäß § 843 Abs. 1 1. Alt. BGB ( § 11 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StVG) grundsätzlich zu verneinen (so auch die wohl überwiegende Rspr., etwa OLG Nürnberg NZV 2006, 209; OLG Köln ZfS 1984, 132; aA: LG Zweibrücken NJW 1993, 3207; OLG Karlsruhe DAR 1993, 391; ausführlich zum Meinungsstand: Huber, NZV 2007, 1). Denn die Haushaltsführungspflicht entsteht in dem gesetzlichen Rahmen der §§ 1353, 1356, 1360 BGB (Unterhaltspflicht im Umfang der Abrede der Ehegatten), den es für die nicht eheliche Lebensgemeinschaft gerade nicht gibt (wegen der ausführlichen Begründung vgl. Senat NZV 2007, 40).
Die von dem Senat in der zitierten Entscheidung genannten Ausnahmemöglichkeiten liegen hier nicht vor. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die Klägerin und ihr Partner in der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft eine vertragliche Vereinbarung für die Haushaltsführung getroffen haben. Allein der Umstand, dass die Leistungen der Partner in einem faktischen Synallagma stehen, führt aber nicht zu wechselseitigen schuldrechtlichen Verpflichtungen.
Insoweit kann die Klägerin grundsätzlich lediglich Ersatz für den Ausfall in der Haushaltsführung verlangen, wie sie in ihren eigenen Bedürfnissen betroffen ist. Bei der Bemessung ist dabei allerdings ein "fiktiver Einpersonenhaushalt", zugrundzulegen d.h. es ist so zu rechnen, als hätte die verletzte Klägerin als Alleinstehende einen Haushalt geführt (vgl. auch Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., Rn 183). Denn die Klägerin darf nicht schlechter stehen, als wenn sie tatsächlich nur für sich zu sorgen gehabt hätte.
Soweit die Klägerin als zeitlichen Gesamtaufwand für den Zweipersonenhaushalt täglich 3 Stunden benennt, ist dies ein Wert der nach Tabelle 8 (Schulz-Borck/Hofmann, 6. Aufl.; zur Anwendung der Tabellenwerte: BGH U. v. 03.02.2009, VI ZR 183/08) ohne weiteres auch auf einen Einzelhaushalt entfallen kann (21,7 Wochenstunden = täglich 3,1 Stunden; nach Tabelle 1 im "reduzierten Zweipersonenhaushalt" bei Anspruchstufe 2: 22,7 Wochenstunden = täglich 3,24 Stunden). Soweit die Klägerin vor dem Unfall in der Lage war, auch einen Zweipersonenhaushalt in 3 Stunden, also schneller als durchschnittlich, zu erledigen, entlastet das den Schädiger nicht, der für eine (fiktive wie konkrete) Haushaltshilfe aufzukommen hat, die den Einpersonen-Haushalt in durchschnittlicher Zeit bewältigt.
Die Höhe des in Ansatz zu bringenden Stundensatzes hängt zunächst von der im Hinblick auf die noch festzustellende Bedürftigkeit der Klägerin erforderlichen Qualifikation einer Haushaltshilfe ab. Im Übrigen bieten sich die Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann als geeignete Schätzungsgrundlage der abstrakten Berechnung an (BGH U. v. 03.02.2009, VI ZR 183/08; VersR 1979, 670; 1984, 79; NZV 1988, 61). Zu beachten ist, dass der früher herangezogene Bundesangestelltentarif (BAT) inzwischen (teilweise seit 01.10.2005) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD; vgl. Entgelttabellen TVöD-Bund bei Schulz-Borck/Hofmann) bzw. spezielle, regional geltende Tarifverträge abgelöst worden ist (Berechnungsbeispiele bei Pardey, DAR 2006, 671, 676 f.).
II.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsrechtszuges wird dem Landgericht übertragen, weil das Verhältnis des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens der Parteien noch nicht feststeht.
Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 6.000,-- € festgesetzt.
Es besteht kein Anlass die Revision zuzulassen; die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.
Ende der Entscheidung
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