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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.03.2009
Aktenzeichen: I-1 W 11/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO §§ 485 ff.
ZPO § 485 Abs. 2
ZPO § 485 Abs. 2 Ziff. 2
ZPO § 574 Abs. 2
BGB § 276
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 19. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das zulässige Rechtsmittel des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht es durch die angefochtene Entscheidung abgelehnt, im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens Beweis über die durch den Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 6. November 2008 bezeichneten 18 Einzelpunkte seine Zahnbehandlung durch die Antragsgegner in der Zeit von 2004 bis 2008 betreffend zu erheben. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Allerdings vertritt der Senat - ebenso wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung - die Auffassung, dass ein selbständiges Beweisverfahren auch zur Vorbereitung eines Arzthaftungsprozesses durchgeführt werden kann. Ein solches Verfahren ist grundsätzlich auch bei der beabsichtigten Inanspruchnahme eines Arztes wegen eines angeblichen Behandlungsfehlers zulässig (OLG Düsseldorf - 8. Zivilsenat - NJW 2000, 3438 sowie MDR 1998, 1241). Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach kann ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nach § 458 Abs. 2 ZPO bei Arzthaftungsansprüchen nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls verneint werden (BGH NJW 2003, 1741; anderer Ansicht: OLG Köln MDR 1998, 224 sowie OLG Nürnberg MDR 1997, 501; vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Zöller/Herget, Kommentar zur ZPO, 27. Aufl., § 486, Rdnr. 9 mit weiteren Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen). Allerdings führt hier die Einzelfallprüfung zu der Feststellung der Unzulässigkeit des gemäß § 485 ZPO gestellten Antrages mit seinen 18 Einzelpunkten.

Zulässige Beweisthemen des selbständigen Beweisverfahrens sind ausschließlich die in § 485 Abs. 2 Nummern 1 bis 3 genannten Beweisfragen (Zöller/Herget a.a.O., § 485, Rdnr. 9). Die durch den Antragsteller formulierten Beweisfragen gehen jedoch weit über den gesetzlich vorgegebenen Zulässigkeitsrahmen hinaus. Im Ergebnis beabsichtigt der Antragsteller, in unzulässiger Weise alle Tatsachen- und Rechtsfragen, die aus Anlass eines gegen die Antragsgegner zu führenden Arzthaftungsrechtsstreites von Bedeutung sein können, im selbständigen Beweisfahren klären zu lassen.

Das selbständige Beweisverfahren ist bei der Verletzung einer Person, um die es in Arzthaftungsverfahren regelmäßig geht, darauf beschränkt, den Zustand dieser Person, die hierfür maßgeblichen Gründe und die Wege zur Beseitigung des Schadens festzustellen - § 485 Abs. 2 ZPO - (BGH NJW 2003, 1741). Mit den im selbständigen Beweisverfahren möglichen tatsächlichen Feststellungen lässt sich ein Arzthaftpflichtprozess häufig nicht entscheiden, weil damit noch nicht die rechtlichen Fragen des Verschuldens des Arztes und der Kausalität der Verletzung für den geltend gemachten Schaden geklärt sind (BGH a.a.O.). Die Rechtsfrage, ob dem Arzt im Zusammenhang mit einer Patientenbehandlung ein Fehlverhalten als Pflichtwidrigkeit anzulasten ist und die Tatsachenfrage, ob sich ein solches ursächlich für eine geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung ausgewirkt hat oder auswirkt, können demnach nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein.

Genau diese Rechts- und Tatsachenfragen möchte der Antragsteller jedoch ausweislich seiner Antragsschrift vom 6. November 2008 im Verfahren nach §§ 485 ff. ZPO geklärt wissen. Ganz abgesehen davon, dass diese in Richtung eines Ausforschungsbeweises ganz allgemein ohne eine Anbindung der jeweiligen Einzelpunkte an einen konkreten Vortrag hinsichtlich eines Behandlungsfehlers oder eines sonstigen pflichtwidrigen Fehlverhaltens der Antragsgegner formuliert sind, ist dazu im einzelnen Folgendes auszuführen:

Die Beweisthemen 1 bis 6 sollen Klarheit darüber verschaffen, ob den Antragsgegnern Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der Zahnbehandlung des Klägers - "und wenn ja, welche?" - anzulasten sind. Eine solche, rein auf Rechtsfragen bezogene Beweisthematik betrifft nicht die Feststellung des Zustandes einer Person und die Ursache eines Personenschadens, sondern soll der Vorbereitung der Klärung einer arztrechtlichen Haftung der Antragsgegner dem Grunde nach dienen.

Die zu den Ziffern 7 bis 13 formulierten Beweisthemen zielen im Ergebnis darauf ab, ob den Antragsgegnern Behandlungsfehler - "und wenn ja, welche?" - anzulasten sind. Ob eine ärztliche Behandlung als fehlerfrei bzw. fehlerhaft zu qualifizieren ist, ist eine Rechtsfrage, die das Gericht mit Hilfe eines Sachverständigen zu beantworten hat. Es geht darum, ob der behandelnde Arzt die ihm nach § 276 BGB obliegende Sorgfalt gewahrt hat. Im Zusammenhang mit dieser normativen Frage bedient sich das Gericht der Wertung eines Sachverständigen. Damit sind die vorgenannten Beweispunkte nicht in tatsächlicher Hinsicht auf die Klärung der Ursache eines - als solchen noch nicht einmal konkret bezeichneten - Personenschadens nach Maßgabe des § 485 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO beschränkt, sondern berühren Fragen aus dem ärztlichen Pflichtenkreis.

Bei den durch den Antragsteller zu den Ziffern 14 bis 18 aufgeworfenen Fragen steht die Klärung der Ursächlichkeit von beklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen im Hinblick auf mögliche Aufklärungs- und/oder Behandlungsfehler der Antragsgegner im Vordergrund. Nach den obigen Ausführungen kann die Feststellung eines solchen Kausalzusammenhanges aufgrund der Vorgaben des § 485 Abs. 2 ZPO nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein. Unabhängig davon ist die Fragestellung zu möglichen "Gesundheitsschäden, Schmerzen oder Dauerschäden" so allgemein formuliert, dass kein Sachzusammenhang zu einem zahnärztlichen Behandlungsfehler der Antragsgegner oder einem sonstigen pflichtwidrigen Fehlverhalten erkennbar ist. Der Antragsteller beschränkt sich auf die Wiedergabe seiner Behandlungs- und Leidenschronologie in den Jahren 2004 bis 2008 und vertritt dazu offensichtlich die Ansicht, aus dieser Darstellung folge schon indiziell die Annahme einer schadensersatzrechtlichen Einstandspflicht der Antragsgegner. Ganz abgesehen davon, dass nach den zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen die Zahnbehandlung des Antragstellers bereits im Jahre 1998 eingesetzt hat, wobei mehrfach die Versäumung von Folgebehandlungsterminen vermerkt ist, ist Folgendes zu berücksichtigen: Es bleibt nach der undifferenzierten Darstellung des anwaltlichen vertretenen Antragstellers auch dann, wenn man die ihn treffende Darlegungslast großzügig beurteilt, offen, wann innerhalb des klagegegenständlichen Zeitraums welche Gesundheitsbeeinträchtigung mit welcher Pflichtverletzung der Antragsgegner in Verbindung gebracht werden soll. Im Übrigen weisen die Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass wegen der zahlreichen Nachbehandlungen, die bei anderen Zahnärzten durchgeführt worden sind, der originäre Zahnstatus zu Beginn des in Rede stehenden Zeitraumes ohnehin nicht mehr begutachtet werden kann.

Fehl geht schließlich der Einwand des Antragstellers, das Landgericht hätte die gestellten Beweisfragen sachdienlich umformulieren können. Mit dem Antrag nach § 485 ZPO bestimmt der Antragsteller eigenverantwortlich den Gegenstand der Beweisaufnahme und die Beweismittel (Zöller/Herget a.a.O., § 487, Rdnr. 2 mit Hinweis auf BGH MDR 2000, 224). Es kann nicht Aufgabe des Gerichtes sein, die antragsgegenständliche Beweisthematik unter weitgehender Veränderung ihres Inhaltes auf die nach § 485 Abs. 2 ZPO zulässige Tatsachenaufklärung zu reduzieren.

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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