Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: I-10 U 102/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 566 a.F.
1. Eine Telefaxübermittlung der jeweils durch den Vertragspartner unterzeichneten Vertragsurkunden erfüllt nicht die gesetzliche Schriftform des § 566 a.F. BGB.

2. Haben sich die Parteien beim mündlichen Abschluss eines langjährigen Mietvertrages zu dessen schriftlicher Beurkundung verpflichtet, so können sie sich gegenseitig den Mangel der Schriftform nicht entgegen halten.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. Juni 2003 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.860,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz aus 18.208,00 EUR seit dem 9. Januar 2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Monate Juli bis Oktober 2002 eine rückständige Miete in geltend gemachter Höhe von 18.208,00 EUR zu zahlen oder ob der mittels wechselseitiger Telefaxerklärungen bis zum 31.8.2003 befristet geschlossene Mietvertrag wegen fehlender Schriftform durch die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2002 zum 30.6.2003 beendet worden ist. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten sei und die Berufung der Beklagten auf die Formnichtigkeit auch nicht gegen Treu und Glauben verstoße.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter verfolgt. Der Kläger macht u.a. geltend, die Beklagte könne sich nicht auf den Formmangel berufen, weil sie mit ihm vereinbart habe, die Schriftform nachzuholen. Außerdem sei das Verhalten der Beklagten treuwidrig, weil die Beklagte längere Zeit aus dem Vertrag Vorteile gezogen habe und sich durch den Formmangel lediglich ihren vertraglichen Pflichten entziehen wolle.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass den Parteien bei Vertragsunterzeichnung bekannt gewesen sei, dass der Vertrag dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Die Telefaxform sei einverständlich gewählt worden, weil keine der Parteien für die Unterschriftsleistung habe nach Neuss kommen wollen. Gerade aus diesem Grund sei - wie sie erstmals vorträgt - vereinbart worden, die gesetzlich vorgeschriebene Form nachzuholen, sobald sich ihr Geschäftsführer in N. aufhalte.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Kläger kann entgegen der Auffassung des Landgerichts gemäß § 535 Abs. 2 BGB von der Beklagten bis zur Neuvermietung der Räumlichkeiten zum 1.11.2002, d.h. für die Zeit vom 1.7. - 31.10.2002, eine rückständige Miete in unstreitiger Höhe von 18.208,00 EUR zuzüglich bezifferter, unstreitiger Verzugszinsen für die Zeit vom 1.7. - 20.12.2002 in Höhe von 652,00 EUR verlangen.

1.

Zwar ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Parteien im Streitfall die gesetzliche Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten haben. Danach muss ein Vertrag entweder von allen Beteiligten auf derselben Urkunde oder - im Falle der Aufnahme mehrerer gleichlautender Urkunden über den Vertrag - jeweils auf der für den Gegner bestimmten Urkunde unterzeichnet werden. Weder das eine noch das andere ist hier geschehen. Eine Telefaxübermittlung der jeweils durch den Vertragspartner unterzeichneten Vertragsurkunden erfüllt nach allgemeiner Meinung die gesetzliche Schriftform nicht. Die fehlende Schriftform hat gemäß § 566 Satz 2 BGB a.F. grundsätzlich zur Folge, dass der Mietvertrag trotz der vereinbarten Befristung auf unbestimmte Zeit geschlossen ist und mit der Frist gemäß § 565 Abs. 1 a BGB a.F. gekündigt werden kann.

2.

Die Beklagte muss sich jedoch nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre ein formwirksamer befristeter Mietvertrag zustande gekommen. Ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann allerdings nur ausnahmsweise zur Vermeidung schlechthin untragbarer Ergebnisse wegen unzulässiger Rechtsausübung beachtlich sein, weil sich grundsätzlich jede Mietpartei darauf berufen darf, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten (BGH, Urt. v. 5.11.2003, XII ZR 134/02; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts, 8. Aufl., RdNr. 131). Ein solcher Ausnahmefall liegt nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn die Parteien aus außerhalb der Urkunde liegenden Gründen zur Erfüllung der Schriftform verpflichtet sind (BGH ZMR 1964, 79) oder eine Partei den durch eine Vertragsänderung bedingten Formmangel zur vorzeitigen Auflösung eines langjährigen Vertrages missbraucht, obwohl sie durch die Vertragsänderung begünstigt worden ist (BGHZ 65, 49; OLG München, NJW-RR 1996, 654; OLG Düsseldorf, DWW 2003, 93).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Haben sich die Parteien beim mündlichen Abschluss eines langjährigen Mietvertrages zu dessen schriftlicher Beurkundung verpflichtet, so können sie sich nach st. Rspr. gegenseitig nicht den Mangel der Schriftform entgegen halten (BGH, a.a.O.; KG, DWW 2003, 262; KG Report 2002, 84; OLG Rostock, NZM 2001, 46; OLG München, ZMR 1996, 603). Die Beklagte, die eine mündliche Vereinbarung über die Nachholung der Schriftform erstinstanzlich noch "mit Nachdruck" bestritten hat, hat in der Berufungsinstanz unstreitig gestellt, im Zusammenhang mit der telefonischen Fixierung der Vertragseinzelheiten deren Übermittlung per Telefax sowie die Nachholung der Schriftform zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart zu haben. Eine solche Abmachung ist rechtlich möglich und auch dann formlos gültig, wenn es sich um einen mehrjährigen Vertrag handelt (BGH, a.a.O.). In einem solchen Fall ist jede Partei berechtigt, sich gegen die andere auf den Abschluss eines schriftlichen Vertrages bzw. sich - wie hier der Kläger - gegenüber einer unberechtigten Kündigung auf den Einwand der Arglist zu berufen.

3.

Zinsen für die Zeit ab 9.1.2003 kann der Kläger in geltend gemachter Höhe gemäß § 288 Abs. 2 BGB verlangen.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 18.208,00 EUR

Ende der Entscheidung

Zurück