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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: I-10 U 11/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307 Abs. 1
BGB § 367 Abs. 2
BGB § 543 Abs. 2
BGB § 556
1. Eine vom Mieter veranlasste Zahlung mit dem Zusatz "Miete 4-12/2005 beinhaltet eine Leistungsbestimmung i.S. § 367 Abs. 2 BGB.

2. Die Formularklausel in einem gewerblichen Mietvertrag, "Der Vermieter kann Zahlungen nach seiner Wahl zunächst auf die bisherigen Kosten und Zinsen und dann auf die ältesten Rückstände verrechnen. Das gilt auch dann, wenn der Mieter eine anderweitige Bestimmung getroffen hat," ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

3. Zinsen und Kosten sind kein Mietzins i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB.

4. Der gewerbliche Vermieter ist bei vorzeitigem Auszug nicht zu einer Teilabrechnung über die Nebenkosten verpflichtet.


Tenor:

Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Beklagten das am 06.09.2007 verkündete Schlussurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Klage wird der Beklagte verurteilt, über den durch Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Wuppertal vom 02.05.2007 zuerkannten Teilbetrag hinaus an die Klägerin einen Betrag von EUR 7.256,49 zu zahlen und zwar nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 9.968,58 für die Zeit vom 25.11. bis 12.12.2006 und aus einem Betrag von EUR 7.256,49 für die Zeit ab 13.12.2006.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.

Mit geringem Erfolg wendet sich die Berufung gegen die in dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Verrechnungsweise gemäß Seiten 3 und 4 der Klageschrift vom 13.02.2007 (Bl. 3f GA).

1.

Zu Recht rügt die Berufung die Auslegung des Landgerichts allerdings hinsichtlich der Angabe des Beklagten bei der am 22.11.2006 veranlassten Zahlung vom 24.11.2006. Bei dem Zusatz " Miete 4-12/2005" (Bl. 45 GA) handelt es sich nicht lediglich um eine bloße Kennzeichnung der Zahlung, die die Klägerin sodann nach ihrer Wahl verrechnen durfte. Der Zusatz stellt vielmehr eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 367 Abs. 2 BGB dar, die eine Verrechnung auf die rückständigen Mieten gebietet. Der Beklagte hat hiermit auch unter Berücksichtung des Emfängerhorizontes der Rechtsvorgängerin der Klägerin klar zum Ausdruck gebracht, dass mit dem überwiesenen Betrag die Mieten für die Monate April bis Dezember 2005 gezahlt werden sollten. Dies ergibt sich auch aus dem an die Klägerin gerichteten Schreiben des Beklagten vom 22.11.2006 (Bl. 79f GA), aus welchem unmissverständlich hervorgeht, dass der Zahlbetrag sich aus neun Monatsmieten inklusive Mehrwertsteuer (ohne Nebenkostenvorauszahlungen), entsprechend also den Mieten für April bis Dezember 2005, abzüglich vermeintlich ohne Rechtsgrund geleisteter Nebenkostenvorauszahlungen für drei Monate (Januar bis März 2005), errechnet. Hieraus war für die Klägerin klar erkennbar, dass die Zahlung auf die rückständigen Mieten geleistet werden sollte.

Der Verbindlichkeit der Leistungsbestimmung des Beklagten stehen Ziff. 5.2 Sätze 2 und 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen Gewerbemietvertrag (AVB) nicht entgegen (Bl. 14 GA). Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie den Vertragspartner der Verwenderin unangemessen benachteiligt. Sie schließt das Recht des Schuldners nach § 367 Abs. 2 BGB aus und stellt es allein in das Belieben des Verwenders, ob dieser Zahlungen des Mieters zunächst auf die bisherigen Kosten und Zinsen und dann auf die ältesten Rückstände verrechnen möchte ("nach seiner Wahl"). Damit wird der Eintritt einer Kündigungslage nach § 543 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB gefördert. Der Vermieter hat bei Verzug mit der Zahlung von Mietzins in der gesetzlich bestimmten Höhe ein außerordentliches Kündigungsrecht. Zinsen und Kosten sind dagegen keine laufenden Leistungen des Mieters und daher kein Mietzins im Sinne der genannten Vorschrift. Damit nehmen Ziff. 5.2 Sätze 2 und 3 dem Mieter die Möglichkeit, durch eine entsprechende Leistungsbestimmung gezielt Zahlungsrückstände hinsichtlich des Mietzinses auszugleichen, um eine Kündigung zu vermeiden (vgl. auch LG Berlin ZMR 2001, 109ff). Darüber hinaus legt diese Bestimmung keine bestimmte Tilgungsfolge fest, sondern räumt dem Vermieter die Befugnis ein, von Fall zu Fall zu entscheiden, wie er die Zahlung verrechnen möchte, noch dazu ohne Verpflichtung, den Schuldner bei der Leistung entsprechend zu unterrichten. Für den Mieter ist damit nicht klar erkennbar, auf welche Schuld er letztlich geleistet hat. Dies vernachlässigt berechtigte Belange des Mieters einseitig und in unvertretbarer Weise. Auch im kaufmännischen Verkehr ist eine derartige Klausel unwirksam (vgl. BGH Z 91, 375ff). Für eine solche Benachteiligung des Mieters besteht kein rechtfertigender Grund. Die Belange des Vermieters werden durch die Vorschrift des § 367 Abs. 2 BGB hinreichend geschützt; er kann die Annahme einer Leistung mit einer von § 367 Abs. 1 BGB abweichenden Leistungsbestimmung des Mieters ablehnen. Dieses aktive Tätigwerden ist ihm unter Abwägung der berechtigten Belange des Mieters auch zumutbar (vgl. LG Berlin aa).

2.

Überdies berücksichtigt das Landgericht nicht, dass der Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil vom 02.05.2007 zur Zahlung von EUR 3.712,39 verurteilt worden ist. Dieser Betrag beinhaltet gemäß der Anerkenntniserklärung des Beklagten vom 30.04.2007 (Bl. 43 GA) die Zinsen auf die rückständigen monatlichen Mieten inklusive Nebenkostenvorauszahlungen und Mehrwertsteuer. Der Beklagte ist entsprechend diesem Teilanerkenntnis durch Teilanerkenntnisurteil verurteilt worden. Unter diesen Umständen kann die Klägerin sich nicht mehr auf die Verrechnungsweise gemäß ihrer Klageschrift berufen und eine Verrechnung auf Zinsen vornehmen. Zutreffend führt die Klägerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 13.07.2007 (Bl. 87f GA) aus, dass die bis zum 24.11.2006 aufgelaufenen Zinsen mit dem Teilanerkenntnisurteil erfüllt werden und die Klageforderung sich daher abweichend von der Klageschrift berechnet.

3.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung aber gegen die Ausführungen des Landgerichts zu den Nebenkostenvorauszahlungen für 2005. Ein Anspruch auf Zahlung der Nebenkostenvorauszahlungen entfällt nicht etwa deshalb, weil die Klägerin die Nebenkosten für 2005 erst am 12.12.2006 abgerechnet hat. Selbst bei der vom Senat abgelehnten analogen Anwendung der im Wohnraummietrecht geltenden strengen Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB ist die Abrechnung über Vorauszahlungen dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraumes mitzuteilen. Hier ist die Abrechnung der Klägerin binnen Jahresfrist erfolgt. Diese Frist ist vorliegend folglich eingehalten. Der Auszug des Beklagten zum 31.12.2004 steht dem nicht entgegen. Der Mietvertrag lief bis zum 31.12.2005 mit der Folge, dass das Abrechnungsjahr bezüglich der im Jahre 2005 anfallenden Nebenkosten am 31.12.2005, und die Abrechnungsfrist erst am 31.12.2006 endeten. Der Vermieter ist bei vorzeitigem Auszug nicht zu Teilabrechnungen verpflichtet.

4.

Die Gutschriften aus der Betriebskostenabrechnung vom 12.12.2005 für 2004 und der Betriebskostenabrechnung vom 12.12.2006 für 2005 sowie die Zahlung vom 24.11.2006 sind nach den obigen Ausführungen unter Ziff. 1 und 2 nicht auf rückständige Zinsen anzurechnen. Sie sind vielmehr wie folgt auf die offene Hauptforderung zu verrechnen:

offene Forderung zum 12.12.2005: 9 x EUR 3.328,21 EUR 29.953,89

- Betriebskostenabrechnung 2004 vom 12.12.2005 - EUR 1.195,26

- Zahlung vom 24.11.2006 - EUR 18.790,05

offene Forderung ab 25.11.2006 EUR 9.968,58

- Betriebskostenabrechnung 2005 vom 12.12.2006 - EUR 2.712,09

offene Forderung ab 13.12.2006 EUR 7.256,49.

5.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB. Auch hier bedarf es keiner Unterscheidung, ob die Gutschriften aus den Nebenkostenabrechnungen und die Zahlung vom 24.11.2006 auf die Mieten oder die Nebenkostenvorauszahlungen verrechnet worden sind. Zu berücksichtigen ist, dass die auf die jeweiligen Rückstände entfallenden Zinsen bis zur Zahlung am 24.11.2006 vollständig vom Teilanerkenntnisurteil erfasst sind. Soweit der Beklagte nunmehr geltend macht, er habe aufgrund eines Versehens zu hohe Zinsen anerkannt, es habe kein Anspruch auf Zinsen für die Nebenkostenvorauszahlungen bestanden, ist er an sein Teilanerkenntnis gebunden.

Entsprechend stellt sich die Frage des Zinsanspruchs lediglich für den Zeitraum ab 25.11.2006. Hier sind die Verzugsvoraussetzungen sowohl bezüglich der Mieten als auch der Nebenkostenvorauszahlungen erfüllt. Insbesondere hat der Beklagte auch die Nichtzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen zu vertreten, da er aufgrund des Urteils des Landgerichts vom 01.12.2005 im Vorprozess sicher wusste, dass das Mietverhältnis erst zum 31.12.2005 endete. Entsprechend fallen Zinsen an für die Zeit vom 25.11. bis 12.12.2006 aus einem Betrag von EUR 9.968,58 und für die Zeit ab 13.12.2006 aus einem Betrag von EUR 7.256,49. Bei den zu verzinsenden Beträgen handelt es sich ausschließlich um Hauptforderungen, so dass ein Verstoß gegen das Zinseszinsverbot nicht vorliegt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (analog). Die Zuvielforderung der Klägerin betrug lediglich EUR 34,90, war damit verhältnismäßig gering und hat erstinstanzlich keine besonderen Kosten veranlasst. Entsprechend war auch die Berufung des Beklagten nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil erfolgreich. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für die Berufung: EUR 7.291,39

Ende der Entscheidung

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