Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: I-10 U 115/06
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, BGB, RVG


Vorschriften:

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b)
ZPO § 13
BGB § 241 Abs. 1
BGB § 249 Abs. 1
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 546 Abs. 1
BGB § 573 b
BGB § 985
RVG § 61 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Juli 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Gründe:

I.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Oberlandesgericht das nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG zur Entscheidung berufene Gericht. Unabhängig davon, welche Bedeutung der Adressierung einer Nebenkostenabrechnung - erst recht, wenn diese wie hier mit dem Zusatz "c/o" versehen ist - für die Frage des Wohnsitzes und damit des allgemeinen Gerichtsstandes im Sinne des § 13 ZPO zukommt, und ungeachtet des Vorbringens der Klägerin, die Adresse lediglich für den mietvertraglichen Schriftverkehr angegeben zu haben, ist für die Zuständigkeitsbestimmung allein der im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erster Instanz bestehende Wohnsitz maßgebend. Die Beklagte behauptet indes nicht, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt über einen Wohnsitz im Inland verfügt habe. Vielmehr macht sie unter Bezugnahme auf die vom 28.09.2006, mithin nach Erlass des angegriffenen Urteils erstellte Nebenkostenabrechnung (Bl. 137 GA) geltend, die Klägerin verfüge gegenwärtig über keinen Inlandswohnsitz.

II.

Der Berufung bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

1. Klage

Der Klägerin kommt mangels Beendigung des die Garage als Mietobjekt einschließenden Mietvertrages vom 09.08.2003 (Anl. B 1, Bl. 29 f GA) weder nach § 546 Abs. 1 BGB noch nach § 985 BGB oder aus sonstigen Gründen ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Hause M. Weg 87 in D. gelegenen Garage zu.

Entgegen der Auffassung der Berufung haben die Parteien einen einheitlichen Mietvertrag über Wohnung und Garage geschlossen, der als solcher aufgrund der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses - abgesehen von dem hier nicht festzustellenden Fall des § 573 b BGB - einer Teilkündigung nicht zugänglich ist (vgl. KG Berlin, Urteil vom 12.09.2002, Az. 8 U 308/01; OLG Karlsruhe, NJW 1983, 1499; Grapentin, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. IV Rz. 12).

a.

Entscheidend für die Abgrenzung, ob ein einheitliches Mietverhältnis besteht oder zwei rechtlich selbstständige Verträge, ist der Parteiwille (vgl. KG Berlin, Urteil vom 12.09.2002, Az. 8 U 308/01; OLG Karlsruhe, NJW 1983, 1499; Grapentin, in: Bub/Treier, a.a.O.). Dabei sprechen die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der Räume, die typischerweise auch bei Mietwohnung und Garage angenommen wird (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1983, 1499; LG Köln, WuM 2004, 614; Grapentin, in: Bub/Treier, a.a.O.), ebenso wie die Zusammenfassung in einer Urkunde regelmäßig für ein einheitliches Mischmietverhältnis (vgl. OLG Schleswig, WuM 1982, 266; Grapentin, in: Bub/Treier, a.a.O.). Anderes kann trotz einer einheitlichen Vertragsurkunde gelten, wenn die Parteien mehrere von ihnen als rechtlich selbstständig angesehene Verträge abgeschlossen haben, die nur zufällig in einer Urkunde zusammengefasst worden sind (Grapentin, in: Bub/Treier, a.a.O., OLG München, ZMR 1996, 554; LG Mannheim, ZMR 1977, 27), oder wenn die Parteien dies vereinbart haben (vgl. OLG Schleswig, WuM 1982, 266; Grapentin, in: Bub/Treier, a.a.O.). Letzteres behauptet selbst die Klägerin nicht. Für ersteres findet sich kein ausreichender Anhalt. Vielmehr ergibt die nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) vorzunehmende Auslegung der Vertragsurkunde das Gegenteil. Haben die Parteien nämlich weder - wie unter § 1 Ziffer 5 der Urkunde vorgesehen - die zusätzliche Anmietung der Garage vereinbart, noch unter § 7 Nr. 1 eine gesonderte Miete für die Garage ausgewiesen, die Klägerin demgegenüber aber nach § 1 Ziffer 3 zur Überlassung des in der Folge auch tatsächlich übergebenen Garagenschlüssels verpflichtet, kann schlechterdings nicht angenommen werden, die Parteien hätten ein separates Mietverhältnis hinsichtlich der Garage begründen wollen. Hierfür hätte es zumindest der Vereinbarung eines eigenständigen, in der Zusammensetzung der Miete gesondert ausgewiesenen Mietzinses als wesentlichem Bestandteil eines Mietvertrages bedurft. Hieran fehlt es. Nachdem sich auch kein Anhalt dafür findet, dass die Klägerin der Beklagten die Garage unentgeltlich überlassen wollte mit der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs einer Nutzungsvereinbarung, die Parteien die Garage vielmehr in den Mietvertrag einbezogen, indem die Klägerin als Vermieterin zur Schlüsselübergabe verpflichtet worden ist, und auch kein Interesse der Klägerin an einer unentgeltlichen Überlassung erkennbar ist, kann ebenso wenig ein unentgeltliches Nutzungsverhältnis angenommen werden. Dementsprechend ist auch der Klägervertreter in seinem Schreiben vom 22.11.2005 (Bl. 5 GA) davon ausgegangen, dass die Garage "mitvermietet" worden ist.

b.

Nach alledem kann dahin stehen, ob die Kündigung im Übrigen gerechtfertigt war.

2. Widerklage

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung ebenfalls gegen die Verurteilung zur Zahlung von Rechtsanwaltkosten in Höhe von 98,60 € nebst Zinsen.

a.

Die Beklagte kann - ausgehend von dem seitens der Beklagten nicht angegriffenen Geschäftswert von 620,00 € - nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB die Zahlung der zuerkannten 98,60 € beanspruchen.

aa.

Die Beauftragung des Beklagtenvertreters erster Instanz mit der Interessenwahrnehmung war erforderlich (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, 929). Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes ist selbst in einfach gelagerten Fällen regelmäßig als notwendig zu erachten, wenn der Betroffene geschäftlich ungewandt ist (vgl. BGH, NJW 1995, 446 [447]; OLG Jena, OLG-NL 2002, 121; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 65. Aufl., § 249 Rz. 39). Ungeachtet dessen, welche Vorbildung die Beklagte besaß, besteht vorliegend die Besonderheit, dass die Beklagte über ihren Steuerberater zunächst Kontakt zum Abrechnungsunternehmen aufgenommen hatte und ihr von dort aus signalisiert worden war, eine Überprüfung der Abrechnung nicht in Betracht zu ziehen. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstandes, dass der Umlagemaßstab für die Betriebskosten dem Mietvertrag nicht zu entnehmen ist, bestehen hinsichtlich der Notwendigkeit der Rechtsverteidigung mittels Rechtsanwaltes keine Bedenken.

bb.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, die fehlerhafte Abrechnung nicht vertreten zu müssen. Sie muss sich das Verschulden des Mitarbeiters des Abrechnungsunternehmens, dessen sie sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Nebenkostenabrechnung bedient hat, als eigenes zurechnen lassen (§ 278 BGB).

cc.

Schließlich hat die Beklagte nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, da sie sich nicht zunächst an eine Institution wie den Mieterbund oder die Verbraucherzentrale gewandt hat. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist zu bejahen, wenn der Ersatzberechtigte die Maßnahmen unterlassen hat, welche ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergriffen hätte (BGH, NJW 1952, 299). Dabei ist der entscheidende Abgrenzungsmaßstab der Grundsatz von Treu und Glauben (BGH, NJW 1952, 299). Hieran gemessen war die Einschaltung vorstehender Institutionen schon deshalb nicht geboten, weil die Beklagte bereits anderweitig ohne zusätzlichen Kostenanfall erfolglos versucht hat, eine Klärung herbeizuführen. Es bedarf daher auch keiner grundsätzlichen Entscheidung, ob der Mieter aus § 254 BGB verpflichtet sein kann, in vergleichbaren Fällen zunächst den Mieterbund oder die Verbraucherzentrale einzuschalten.

dd.

Soweit die Klägerin beanstandet, das Amtsgericht habe zu Unrecht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in der - gemäß § 61 Abs. 1 RVG zur Anwendung gelangenden - Gesetzesfassung vom 05.05.2004 (nunmehr: Nr. 2300) in Höhe von 1,3 für gerechtfertigt erachtet, da die Angelegenheit weder umfangreich gewesen sei noch Schwierigkeiten aufgewiesen habe, kann ihrer Argumentation schon deshalb nicht beigetreten werden, da lediglich ein über 1,3 Gebühren liegender Gebührenansatz dergleichen erfordert. In allen anderen Fällen ist davon auszugehen, dass die Schwellengebühr von 1,3 die Regelgebühr darstellt (vgl. Gesetzesbegründung zu VV 2400 (a.F.), BT-Drs. 15/1971 S. 206, abgedruckt auch in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 17. Aufl., VV 2300 Rz. 28). Die Praxis und die überwiegende Meinung gehen sogar von einer Mittelgebühr von 1,5 aus (vgl. Madert, in: Gerold/Schmidt u.a., a.a.O., VV 2300 Rz. 25). Anhaltspunkte, welche - hieran gemessen - den Ansatz einer unter 1,3 liegenden Gebühr erfordern, zeigt die Berufung nicht auf. Insbesondere kann angesichts des Schreibens vom 14.07.2005 (Anl. B 4, Bl. 40 f GA) nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Angelegenheit von besonders geringem Umfang und Schwierigkeitsgrad gehandelt hat.

ee.

Der Berufung ist indes darin beizutreten, dass die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG sich auf 20% der Gebühren und nur maximal 20,00 € beläuft.

ff.

Hiervon ausgehend ermittelt sich allerdings, da das Amtsgericht - entgegen anders lautendem Bekunden - rechnerisch lediglich eine Geschäftsgebühr von 1,0 in Ansatz gebracht hat, bei Zugrundelegung eines von den Parteien nicht beanstandeten Geschäftswertes von 620,00 € folgende - über dem durch das Amtsgericht zuerkannten Betrag von 98,60 € liegende - Gesamtforderung:

1,3 Geschäftsgebühr 84,50 € (1,3 x 65,00 €)

Auslagenpauschale 16,90 €

Mehrwertsteuer 16,22 €

Gesamt: 117,62 €.

b.

Rechtserhebliches gegen die Zinsforderung ist der Berufung nicht zu entnehmen, so dass es hierbei sein Bewenden hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert: bis zu 900,00 €

Ende der Entscheidung

Zurück