Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.09.2009
Aktenzeichen: I-11 W 55/09
Rechtsgebiete: FamFG, FGG-ReformG


Vorschriften:

FamFG § 112 Nr. 3
FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3
FGG-ReformG Art. 111 Abs. 2
(1) Das Verfahren über einen beim Landgericht anhängig gewordenen Antrag über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann auch in der Beschwerdeinstanz auf den Hilfsantrag des Antragstellers an das Amtsgericht verwiesen werden, wenn für den aussichtsreichen Teil der beabsichtigten Klage das Landgericht sachlich unzuständig ist.

(2) Für dieses Verfahren ist die Zuständigkeit der Zivilabteilung des Amtsgerichts auch dann begründet, wenn es sich bei dem Gegenstand der beabsichtigten Klage um eine Familienstreitsache nach dem am 01.09.2009 in Kraft getretenen neuen Verfahrensrecht in Familiensachen gem. §§ 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handelt, das PKH-Gesuch vor dem 01.09.2009 angebracht und über die Verweisung erst nach dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes entschieden wurde. Bei einer anderen Auslegung der Übergangsvorschrift in Art. 111 Abs. 2 FGG-ReformG hinge die Frage, ob die Zuständigkeit der Zivilabteilung oder die des Familiengerichts begründet ist, vom Zeitpunkt der Verweisungsentscheidung ab, was mit dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nicht zu vereinbaren wäre.


Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 04.05.2009 (2 O 128/09) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 09.06.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verfahren über den Prozesskostenhilfeantrag auf den Hilfsantrag der Antragstellerin an das Amtsgericht Moers verwiesen wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

Die nach den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist mit dem Hauptbegehren unbegründet. Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage zu Recht abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat vor dem Landgericht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 Satz 1 ZPO. Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin ist aber das Verfahren über den Prozesskostenhilfeantrag analog § 281 ZPO an das Amtsgericht Moers zu verweisen.

1.

Die beabsichtigte Klage auf Schadensersatz in Höhe von 20.000,00 € wegen Unmöglichkeit der Herausgabe einer Grafschafter Eichentruhe, massiv, mit Holzschnitzereien aus dem 18. Jahrhundert, hat, wie bereits das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, vor dem Landgericht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a)

Zwar wäre das Landgericht für eine Zahlungsklage in der beabsichtigten Höhe dem Streitwert sicher zuständig, denn nach den §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG ist die landgerichtliche Zuständigkeit gegeben, wenn der Wert des Streitgegenstands 5.000,00 € übersteigt. Der Wert des Streitgegenstands in diesem Sinne bestimmt sich indes nicht nach dem Wert der Truhe, sondern nach der Höhe des beziffert verfolgten Zahlungsanspruchs.

b)

Eine Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage vor dem Landgericht bestünde aber nur, wenn nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand eine Verurteilung des künftigen Beklagten zur Zahlung in einer Höhe wahrscheinlich wäre, die den landgerichtlichen Zuständigkeitsstreitwert übersteigt (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rn. 23). Dass der Antragstellerin nach den §§ 989, 990 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen Unmöglichkeit der Herausgabe der Truhe dem Grunde nach zusteht, hat sie schlüssig dargelegt. Dass der Anspruch aber diese Höhe erreichen würde, was sich maßgeblich nach dem Wert der Truhe bemisst, hat die Antragstellerin nicht ausreichend dargelegt.

Den von der Antragstellerin angenommenen Wert der Truhe von 20.000,00 € hat sie nicht näher begründet. Die Antragstellerin hat auch sonst keine Einzelheiten zu den wertbestimmenden Eigenschaften der Truhe mitgeteilt, die über die vorstehend wiedergegebenen Merkmale hinausgehen, etwa Abmessungen, Erhaltungszustand oder besondere Merkmale. Die vorgelegten Fotos lassen zwar geschnitzte Verzierungen erkennen, geben dem Senat aber keine Anhaltspunkte für eine nähere Eingrenzung des Werts. Das von der Antragstellerin (lediglich auszugsweise, Seiten 1-5) in Abschrift vorgelegte Urteil des Landgerichts Kleve vom 07.06.1996 (6 S 240/95) enthält im vorgelegten Umfang keinerlei Angaben zum Wert der Truhe oder wertprägenden Merkmalen. Auch wenn die Überlegungen der Antragstellerin, aus dem Urteil lasse sich rückschließen, dass das Landgericht einen Wert der Truhe von 8.900,00 DM (entspricht 4.550,50 €) zugrunde gelegt hat, zutreffen sollten, ergibt sich hieraus nicht, dass der Mindeststreitwert von 5.000,00 € erreicht wäre, zumal es keinen gesicherten Satz der Lebenserfahrung gibt, dass der Wert einer derartigen Antiquität im Verlaufe der vergangenen Jahre gestiegen wäre. Auch ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen das Landgericht diesen Wert angenommen haben soll. Ebenso verhält es sich mit dem vorgelegten Scheidungsurteil des AG Moers vom 06.10.2005 (472 F 14/03). Aus dem Urteil ergibt sich lediglich, dass das Amtsgericht den Wert des Hausratsverfahrens mit 10.000,00 € angenommen hat. Gegenstand des Hausratsverfahrens war indes nicht lediglich die Truhe, sondern eine Vielzahl weiterer - nicht im Einzelnen wertmäßig bestimmter - Hausratsgegenstände (u.a. Esstisch mit 3 Stühlen, Sofasessel, Sideboard, Nähmaschine, Schlafzimmereinrichtung einschl. Schlafzimmerschrank, Couchgarnitur, Wohnzimmertisch, Schlafcouch, Wanduhr, Kücheneinrichtung). Der Senat sieht sich außerstande, der Auffassung der Antragstellerin folgend anzunehmen, dass der Wert der weiteren Hausratsgegenstände weniger als 5.000,00 € betragen habe und deshalb die Truhe mit zumindest 5.000,00 € angesetzt worden wäre, wobei auch hier hinzu kommt, dass nicht erkennbar ist, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen das Amtsgericht diesen Wert angenommen hat.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Wertbestimmung (z.B. durch einen Sachverständigen), die im Falle eines Bestreitens erforderlich würde, nur mit Schwierigkeiten durchführbar sein wird, weil die Truhe nicht mehr vorhanden ist und nicht in Augenschein genommen werden kann. Unter diesen Umständen obläge es der Antragstellerin, durch Darlegung konkreter Anknüpfungstatsachen, evtl. auch durch die Darlegung, dass für vergleichbare Truhen Kaufpreise in Höhe von 20.000,00 €, jedenfalls aber jenseits von 5.000,00 € erzielt werden, nachvollziehbar zu machen, dass der landgerichtliche Mindeststreitwert erreicht sei.

2.

a)

Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin ist das Verfahren über den Prozesskostenhilfeantrag analog § 281 ZPO an das für die Hauptsache zuständige Gericht zu verweisen, nachdem das angerufene Landgericht für den aussichtsreichen Teil der beabsichtigten Klage sachlich unzuständig ist (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rn. 23 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung). Ob die Antragstellerin genügend Tatsachen für die Schätzung eines Mindestschadens (§ 287 ZPO) vorgetragen hat, ist eine Frage der Erfolgsaussicht des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, über die das dafür zuständige Gericht zu befinden hat. Das ist das Amtsgericht - Zivilabteilung - Moers als sachlich und örtlich zuständiges Gericht.

b)

Für das Verfahren ist die Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Moers nicht begründet. Zwar dürfte es sich bei dem Verfahren nach dem am 01.09.2009 in Kraft getretenen neuen Verfahrensrecht in Familiensachen um eine Familienstreitsache handeln, §§ 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ("Ansprüche zwischen ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe"). Auf das Verfahren ist aber nicht das neue Verfahrensrecht, sondern nach der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz das bisherige Verfahrensrecht anzuwenden. Nach dieser Vorschrift sind auf Verfahren, die vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden sind oder deren Einleitung beantragt wurde, weiter die bis dahin geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden. Unter dem Begriff des Verfahrens ist nach Art. 111 Abs. 2 FGG-Reformgesetz jedes Verfahren zu verstehen, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, was auf Prozesskostenhilfeverfahren zutrifft. Das vorliegende Prozesskostenhilfeverfahren ist nicht nur vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden, vielmehr ist es bereits vor diesem Zeitpunkt in erster Instanz entschieden worden. Damit ist § 23b GVG in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung anzuwenden. Hiernach ist eine Zuständigkeit des Familiengerichts nicht begründet.

Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation, wenn man anders als zuvor dargelegt das Prozesskostenhilfeverfahren nicht als selbständiges Verfahren im Sinne von Art. 111 Abs. 2 FGG-ReformG ansieht. Dann hinge die Anwendbarkeit des neuen Verfahrensrechts von der Frage ab, wann von einer "Einleitung" des so verstandenen Verfahrens (nämlich des beabsichtigten Rechtsstreits und des dazu als unselbständigen Nebenverfahren gehörenden Prozesskostenhilfeverfahrens) auszugehen ist. In diesem Falle hielte es der Senat für geboten, den Begriff der Einleitung des Verfahrens weit zu verstehen und bereits den Eingang des Schriftsatzes, mit dem Prozesskostenhilfe beantragt und für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Klageerhebung angekündigt wird, als Einleitung des Verfahrens anzusehen. Andernfalls hinge es vom Tag der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ab, ob nach altem Verfahrensrecht das Zivilgericht oder nach neuem Verfahrensrecht das Familiengericht zuständig wäre. Das wäre mit dem Anspruch der Parteien auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kaum vereinbar.

II.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, weil eine Kostenerstattung nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht stattfindet. Von der Erhebung von Gerichtsgebühren für diese Entscheidung wird abgesehen (§ 131b Satz 2 KostO, Nr. 1812 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück