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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: I-12 U 131/07
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, VVG, ALB 86


Vorschriften:

ZPO § 114
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 2 S. 1
InsO § 143 Abs. 2 S. 2
VVG §§ 159 ff.
VVG § 166
ALB 86 § 13
ALB 86 § 13 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Beklagten, ihnen Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. M-S zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die begehrte Prozesskostenhilfe ist zu versagen, da der beabsichtigten Berufung gegen das am 15.05.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichterin - die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht fehlt.

Zu Recht hat das Landgericht einen Rückgewähranspruch des Klägers gegen die Beklagten aus §§ 134 Abs. 1, 129 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO bejaht.

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die nach § 129 Abs. 1 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung gegeben.

Der Schuldner hat durch die Zuwendung im Wege des Vertrages zu Gunsten Dritter eine mittelbare Leistung an die Beklagten erbracht, welche anfechtungsrechtlich einer unmittelbaren Leistung gleichsteht und so zu behandeln ist, als habe die zwischengeschaltete Person, hier der Versicherer, an den Schuldner geleistet und dieser sodann den Dritten, hier die Beklagten, befriedigt (BGH, NJW 2004, 214 [215 unter III.4.a]). Diese Parallelbetrachtung verdeutlicht, dass die den Beklagten ausgezahlte Versicherungssumme der Masse entzogen worden ist. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung dem Bezugsberechtigten, worauf die Beklagten zutreffend hinweisen, unmittelbar zuwächst, ohne in den Nachlass zu fallen (Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, § 13 zu ALB86 Rdn. 12). Dies hat den Bundesgerichtshof aber nicht gehindert, in der seiner Entscheidung vom 23.10.2003 zugrunde liegenden Fallgestaltung eine anfechtbare Rechtshandlung anzunehmen (vgl. BGH, NJW 2004, 214 unter III.1.a), da die Auskehr der Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten wie eine Zahlung des Schuldners an diesen zu behandeln ist.

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Beklagten, bei einer Risikolebensversicherung könne der Versicherungsnehmer die Leistung nicht auf sich selbst "umleiten". Die Risikolebensversicherung stellt einen besonderen Fall der Lebensversicherung nach §§ 159 ff. VVG dar. Bei der Lebensversicherung erbringt der Versicherer die Versicherungsleistung gemäß § 13 ALB 86, falls kein Bezugsberechtigter benannt ist, an den Versicherungsnehmer selbst oder, wenn dieser nicht mehr lebt, an dessen Erben. Demnach ist es auch bei der Risikolebensversicherung möglich, keinen Bezugberechtigten zu benennen. Der Unterschied zur Kapitallebensversicherung besteht allein darin, dass bei der Risikolebensversicherung eine Auszahlung an den Versicherungsnehmer selbst nicht erfolgen kann, weil diese an den Tod des Versicherungsnehmers geknüpft ist. Die Auszahlung an die Erben, wie sie in § 13 ALB 86 vorgesehen ist, ist eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger rechtlich an die Stelle des Erblassers tritt. Der Vorschrift ist hingegen nicht zu entnehmen, dass bei fehlender Benennung eines Bezugsberechtigten die Erben als Bezugsberechtigte gelten. So lässt der Wortlaut der Vorschrift - "an Sie ... oder an Ihre Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben" - erkennen, dass die Erben bei der Abwicklung des Versicherungsfalles die Stelle des Versicherungsnehmers einnehmen, nicht aber als Bezugsberechtigte behandelt werden. Dem steht auch nicht etwa die Auskunft der A. Lebensversicherungs-AG vom 21.04.2006 (Bl. 159 GA) entgegen. Diese gibt nur die Rechtsauffassung des auskunftgebenden Mitarbeiters des Versicherers wieder. Im Übrigen hat der Zeuge N. in der mündlichen Verhandlung am 07.09.2006 angegeben, bei fehlender Bestimmung eines Bezugsrechts falle die Bezugsberechtigung in die Erbmasse (Bl. 172 GA).

Allein der Umstand, dass die Risikolebensversicherung, bei der es erst beim Tode des Versicherungsnehmers zur Auszahlung der Versicherungssumme kommt, ihrem Wesen nach der Absicherung eines Dritten dient, während die Kapitallebensversicherung auch dem Versicherungsnehmer in eigener Person zugute kommen kann, rechtfertigt keine anfechtungsrechtlich unterschiedliche Behandlung. Maßgebend ist, dass die Auskehr der Versicherungssumme wie eine unmittelbare Zahlung des Schuldners an den Dritten zu betrachten ist und damit in beiden Fallkonstellationen eine Gläubigerbenachteiligung gegeben ist.

Der Anfechtbarkeit steht auch nicht etwa im Wege, dass die Bezugsberechtigung den Beklagten bereits außerhalb des kritischen Zeitraumes eingeräumt worden ist. Anfechtungsfest wäre die Position der Beklagten nur dann, wenn sie schon vor dem in § 134 Abs. 1 InsO normierten Vier-Jahres-Zeitraum eine gesicherte Rechtsstellung erlangt hätten, weil die unentgeltliche Zuwendung dann nicht als innerhalb der gesetzlichen Frist erworben anzusehen ist (BGH, NJW 2004, 214 [215 unter III.4.b]). Dies wäre bei Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung außerhalb des genannten Zeitraumes der Fall (vgl. Kirchhof in: Münchener Kommentar, InsO, 2. Auflage 2008, § 134 Rdn. 16). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Bezugsrecht der Beklagten war mangels anderweitiger Abrede nämlich widerruflich, wie sich aus § 166 VVG und § 13 Abs. 1 S. 2 ALB 86 ergibt. Somit ist anfechtungsrechtlich auf den Eintritt des Versicherungsfalles am 02.03.2003 abzustellen, der innerhalb des Vier-Jahres-Zeitraumes lag.

2.

Soweit das Landgericht eine unentgeltliche Leistung des Schuldners an die Beklagten nach § 134 Abs. 1 InsO bejaht hat, sieht sich der Senat an diese Feststellung gebunden. Denn die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Eine erneute Beweisaufnahme ist daher nicht angezeigt.

Zu Unrecht führen die Beklagten an, das Landgericht habe keine Begründung dafür angegeben, weshalb der Annahme der Entgeltlichkeit entgegenstehen sollte, dass der Schuldner die Bezugberechtigung bereits im Jahre 1991 und bei der zweiten Versicherung im Jahre 1995 eingeräumt hat (Bl. 288 GA). Zutreffend stellt das Landgericht darauf ab, dass angesichts des Alters der Beklagten im Zeitpunkt des Abschlusses der früheren Lebensversicherung eine Mithilfe, die ein Entgelt in Höhe von 250.000,- DM durch den Abschluss einer Lebensversicherung rechtfertigen würde, noch nicht abzusehen war. Dieser Umstand spricht nachhaltig gegen die Annahme, die Bezugberechtigung stelle das Entgelt für die Arbeitsleistung der Beklagten dar. Gegen die Annahme eines Entgeltes spricht neben den vom Landgericht angeführten Umständen überdies, dass die Fälligkeit der Versicherungssumme vom Versterben des Schuldners während der 15jährigen Vertragslaufzeit abhing. War demnach nicht erkennbar, ob es überhaupt zur Auszahlung der Versicherungssumme kommen würde, so ist auch nicht anzunehmen, dass die Arbeitsleistung der Beklagten mit der Versicherungssumme vergütet werden sollte. Vielmehr spricht dies ebenfalls dafür, dass die Einräumung der Bezugsberechtigung der Absicherung der Beklagten dienen sollte, nicht aber der Vergütung ihrer Arbeit.

3.

Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten auch den Entreicherungseinwand nach § 143 Abs. 2 S. 1 InsO verwehrt.

Mit zutreffenden Erwägungen bejaht das Landgericht die Bösgläubigkeit der Beklagten nach § 143 Abs. 2 S. 2 InsO, der somit der Einrede der Entreicherung im Wege steht. Den Beklagten ist zwar zuzugeben, dass nicht festgestellt werden kann, dass sie im Zeitpunkt der Abhebung und Verfügung über das Geld Kenntnis von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.10.2003 gehabt und deren Konsequenzen zutreffend eingeschätzt haben. Doch kommt es darauf nicht maßgeblich an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagten mit Schreiben des Klägers vom 20.10.2003 aufgefordert worden sind, diesem unter anderem sämtliche Lebensversicherungsverträge vorzulegen (Bl. 238 GA). Demnach musste sich den Beklagten der Gedanke aufdrängen, dass der Verbleib der ihnen zugeflossenen Versicherungssumme gefährdet sei. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu diesem Schreiben haben die Beklagten die ihnen ausgezahlten Beträge am 11.11.2003 in bar abgehoben und das Geld nach ihrem Sachvortrag teilweise für sich verbraucht, teilweise ihrer Mutter zugewendet. Diese zeitliche Abfolge spricht dafür, dass ihnen aufgrund des Schreibens vom 20.10.2003 der Gedanke gekommen war, das Geld könnte zur Insolvenzmasse gehören, und sie deshalb den Betrag zu ihren und ihrer Mutter Gunsten rechtzeitig "sichern" wollten. Damit haben sie zugleich eine Gläubigerbenachteiligung in Kauf genommen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Beklagten als bösgläubig behandelt und ihnen den Entreicherungseinwand versagt hat.

4.

Prozesskostenhilfe ist auch nicht etwa im Hinblick darauf zu gewähren, dass zweifelhafte Rechtsfragen regelmäßig nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden sollen (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage 2007, § 114 Rdn. 21). Der Senat sieht die hier in Rede stehenden Rechtsfragen durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.10.2003, die keinen Anlass für eine Differenzierung zwischen der Kapitallebensversicherung und der Risikolebensversicherung in anfechtungsrechtlicher Hinsicht gibt, als geklärt an. Vor diesem Hintergrund wäre im Falle der Durchführung der Berufung kein Anlass gegeben, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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