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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.11.2004
Aktenzeichen: I-15 U 139/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Zur Auslegung von Bestimmungen zur ordentlichen Kündigung in einem befristeten Geschäftsführeranstellungsvertrag.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. April 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe: I. Die Beklagte stellte den Kläger mit schriftlichem "Geschäftsführer-Dienstvertrag" vom 27. August 2001 mit Wirkung ab 1. Januar 2001 als Geschäftsführer an. § 3 des Vertrages regelte die Bezüge des Klägers mit einem Festgehalt von 150.000,00 DM brutto. Ferner war eine Tantieme vorgesehen. § 2 regelte in mehreren Unterziffern die Vertragsdauer. Ziffer 1 bestimmte den Vertragsbeginn auf den 1. Januar 2001 und sah eine Laufzeit von drei Jahren vor. Ziffer 2 lautete: "Der Vertrag verlängert sich danach um zwei Jahre, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien gekündigt wird. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Halbjahresende. Diese Verlängerungsregelung gilt auch für anschließende Zeiträume." Ziffer 3 bestimmte: "Dieser Vertrag ist von jeder der Parteien unter Wahrung einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres kündbar." Ziffer 4 sah darüber hinaus die jederzeitige Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund vor. Nach Ziffer 7 konnte die Geschäftsführerbestellung jederzeit widerrufen werden und galt als Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten fasste am 4. Dezember 2002 einen Beschluss über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und erklärte ihm namens der Beklagten unter Mitteilung der Abberufung mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 die Kündigung des Geschäftsführer-Dienstvertrages mit Wirkung zum 30. Juni 2003. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Vertrag erst zum 31. Dezember 2003 wirksam ordentlich kündigen können. Er hat mit der Klage die Zahlung seines Geschäftsführergehalts für die zweite Hälfte des Jahres 2003 geltend gemacht. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 43.104,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28. Januar 2004 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Befristung schließe die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nicht aus, und behauptet, derartige Vertragsgestaltungen seien gängig. Das Landgericht hat die Beklagte dem Klageantrag entsprechend verurteilt. Eine gleichzeitige Geltung der Ziffern 1 und 2 sowie der Ziffer 3 des § 2 des Vertrags sei unmöglich. Die Laufzeitbestimmungen liefen bei Zulassung der ordentlichen Kündigung während der Vertragslaufzeit leer. Die vertraglich eingeräumte Möglichkeit der jederzeitigen ordentlichen Kündigung verlöre wiederum bei Vorrang der Laufzeitbestimmungen ihren Sinn. Dieser Konflikt sei zugunsten der Laufzeitbestimmungen zu lösen. Es liege eine Abweichung von der Regel des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Dienstverhältnisses mit der Folge des Ausschlusses des Rechts zur jederzeitigen Kündigung vor. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten. Diese macht in erster Linie einen Verstoß der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung des Vertrags gegen §§ 133, 157 BGB geltend. Zudem vernachlässige die Entscheidung des Landgerichts den Willen der Parteien. Sie habe - so macht sie erstmals geltend - dem Kläger in Anlehnung an den Vertrag mit dessen Vorgänger zuerst eine Gestaltung vorgeschlagen, nach welcher ein Beschäftigungsverhältnis für zunächst drei Jahre mit einer Beratung der Parteien über die Fortsetzung vor Laufzeitende mit einer jederzeitigen dreimonatigen Kündigungsfrist zum Quartalsende vorgesehen gewesen sei. Der in der Folge von Rechtsanwalt G. im Auftrag des Klägers gefertigte Entwurf habe eine Laufzeit von fünf Jahren vorgesehen. Der Vertrag habe sich danach um zwei Jahre verlängern sollen, sofern er nicht zuvor gekündigt werde. Es sei eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorgesehen gewesen. Daneben heiße es unter § 2 Ziffer 1 des Entwurfs, dass der Vertrag für jede der Parteien unter Wahrung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündbar sei. Der Kläger habe mit der Begründung, bei einem etwaigen Verkauf der Beklagten stehe er gegenüber dem neuen Eigner mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten relativ schutzlos, eine Kompensation gefordert. Er habe sich schließlich mit dem Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten in einem persönlichen Gespräch am 30. Juli 2001 auf die im streitigen Vertrag vorgesehenen Kündigungsfristen verständigt. Man habe sich zudem im Hinblick auf die Berufung des Klägers zum Geschäftsführer auf eine Aufstockung seines bisherigen Angestelltengehalts des Klägers sowie eine Erhöhung der Tantieme geeinigt. Sie hätte diese Punkte bereits in erster Instanz vorgebracht, wenn das Landgericht auf die von ihm beabsichtigte Auslegung des Vertrags hingewiesen hätte. Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 8. April 2004 abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er hält den erstmals von der Beklagten im Berufungsrechtszug erfolgten Vortrag zum Parteiwillen für verspätet. Rechtsanwalt G. sei überdies nicht sein Anwalt, sondern der Anwalt der Beklagten gewesen. Die Erhöhung seines Gehaltes sei ausschließlich durch die neue Funktion mit der damit verbundenen Erhöhung der Verantwortung bedingt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen. II. Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortzahlung seines Gehalts über den 30. Juni 2003 hinaus. Zu diesem Zeitpunkt endete das Anstellungsverhältnis infolge des am 4. Dezember 2002 durch die Gesellschafterversammlung der Beklagten gefassten Beschlusses über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer (§§ 46 Ziffer 5, 48 GmbHG). Die Abberufung entsprach dem in § 2 Ziffer 7 des Geschäftsführer-Dienstvertrags geregelten Widerruf und galt mithin nach § 2 Ziffer 7 Satz 2 des Vertrags als Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem 30. Juni 2003. Nach § 2 Ziffer 3 des Vertrags war das Ende des ersten Halbjahres 2003 vom 4. Dezember 2002 aus betrachtet der nächstmögliche Kündigungszeitpunkt. Es kann dahin stehen, ob die im Schreiben des Geschäftsführers der Alleingesellschafterin vom 5. Dezember 2002 neben der Mitteilung der Abberufung erklärte Kündigung ihrerseits ebenfalls zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses führte. Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses war nicht durch die Laufzeitregelung nach § 2 Ziffer 1 des Vertrages ausgeschlossen. Die nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Vertragsauslegung gibt dafür nichts her. Der Wortlaut des § 2 Ziffer 3 des Vertrags ist eindeutig. Einschränkungen zur Möglichkeit der Kündigung ergeben sich nicht. Die Annahme einer derartigen Einschränkung widerspricht sogar dem Wortlaut der Regelung. Ihre Notwendigkeit leitet sich auch nicht aus der Zusammenschau der Ziffer 3 mit den vorstehenden Ziffern des § 2 des Vertrages ab. Sie unterstellte die Geltung eines - nicht bestehenden - Rechtsgrundsatzes, nach welchem befristete Vertragsverhältnisse ordentlich nicht gekündigt werden könnten. Die Parteien eines befristeten Dienstverhältnisses können jedoch unter der Geltung des grundgesetzlich geschützten Rechts auf Vertragsfreiheit die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung vereinbaren (BAG, NJW 1998, 3515, 3517; Putzo in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, 2004, § 620 BGB, Rn. 10). Die Laufzeitbefristung erfährt bei der hier vorgenommenen Wertung nur bei streng formalistischer Betrachtung eine Sinnentleerung. Diese lässt jedoch die gebotene Berücksichtigung der Bräuche und Gewohnheiten des Arbeitslebens außer Acht. Vor deren Hintergrund stellen sich die jeweiligen Laufzeitendpunkte in aller Regel als Zeitmarker dar, vor denen jeweils über neue künftige Bedingungen, im Besonderen die Höhe des Geschäftsführergehalts und weitere wechselseitig zu erbringende Leistungen zu verhandeln ist. Überdies kann es für das künftige berufliche Fortkommen des angestellten Geschäftsführers durchaus von Belang sein, ob das Beschäftigungsverhältnis zum Ende einer Laufzeit endet - hier ist eine fehlende Einigung über die Fortsetzungsbedingungen wahrscheinlich - oder während dieser aus anderen vielleicht in Dissonanzen über die Bewertung der Arbeitsleistung liegenden Gründen. Der Anspruch des Klägers auf Fortzahlung seines Gehalts über den 30. Juni 2003 hinaus ist infolge der Beendigung seines Dienstverhältnisses vernichtet worden. Es kommt unter diesen Umständen nicht mehr darauf an, ob § 2 Ziffer 3 des Vertrages - wie von der Beklagten geltend gemacht - von den Parteien vor dem Hintergrund des Bedürfnisses des Klägers nach Schutz im Falle eines Eignerwechsels auf der Seite der Beklagten individuell ausgehandelt wurde und auch deshalb die Unterstellung des Landgerichts, die Klausel stehe zu § 2 Ziffern 1 und 2 im Widerspruch, dem erklärten Willen der Parteien zuwiderläuft. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziffer 10, 711, 108 ZPO. Ein begründeter Anlass für die Zulassung der Berufung besteht nicht. Der Streitwert wird auch für den Berufungsrechtszug auf 43.104,64 EUR festgesetzt.

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