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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: I-15 U 167/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 128 Abs. 2
ZPO § 313a Abs. 1 Satz 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die einstweilige Beschlussverfügung der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 20. April 2004 und das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 9. September 2004 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass sich der Antrag des Verfügungsklägers, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 20. April 2004 insoweit aufrechtzuerhalten, als dem Verfügungsbeklagten durch diese untersagt worden ist, mit Bezug auf ihn, den Verfügungskläger, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und insbesondere über das Internet zu verbreiten, er werde den Verdacht nicht los, dass hier Prozessbetrug in Form von "organisierten" Prozessen stattfinde, da bei dieser Betrugsmethode zwischen Betrügern und Rechtsanwälten als Geldeintreibern eine extrem enge Zusammenarbeit stattfinde, erledigt hat.

Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs haben der Verfügungskläger 32% und der Verfügungsbeklagte 68% zu tragen.

Dieses Urteil ist vollstreckbar.

Gründe: I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 542 Abs. 2 ZPO). II. Da die Parteien mit ihrem Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren zugleich einen Verzicht auf die Formen und Fristen nach § 128 Abs. 2 ZPO erklärt haben, bedarf es weder der Bestimmung eines Termins, bis zu welchem Schriftsätze eingereicht werden können (§ 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO) noch - unter Abänderung des im Senatstermin am 12. Januar 2005 verkündeten Beschlusses - der Bestimmung eines neuen Termins zur Verkündung einer Entscheidung. III. Im Streit steht, nachdem der Verfügungskläger den Verfügungsantrag zu Ziffer 1a) zurückgenommen hat, seine den Verfügungsantrag zu Ziffer 1b) - wie dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt worden ist - betreffende Erledigungserklärung. Diese Erledigungserklärung ist, nachdem der seinen Abweisungsantrag aufrechterhaltende Verfügungsbeklagte ihr widersprochen hat, als zulässiger Antrag auf Feststellung der Erledigung auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Dieser Feststellungsantrag ist begründet. 1. Der Antrag auf Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 20. April 2004 war, soweit der Verfügungsantrag zu Ziffer 1b) der Antragsschrift in der Fassung, in welcher ihn der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt hat, betroffen ist, zulässig und begründet, als der Verfügungsbeklagte seine Unterlassungserklärung vom 19. Januar 2005 abgegeben hat. a) Der Verfügungsanspruch ergab sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit der Vorstellung des Verfügungsklägers als "Geldeintreiber" unter der die ganze Webseite beherrschenden Überschrift "RA X und seine Methoden" und der auf dieser Seite verlautbarten Mitteilung "Ich kann mir nicht helfen, aber diese Urteile, die die Onliner ständig verschicken, kommen mir wie "bestellt" vor. Da bei dieser Betrugsmethode zwischen Betrügern und Rechtsanwälten (als Geldeintreibern) eine extrem enge Zusammenarbeit stattfindet, werde ich den Verdacht nicht los, dass hier Prozessbetrug in Form von "organisierten" Prozessen stattfindet - aber sowas ist natürlich schwer zu beweisen" wird der Verdacht geäußert, der Verfügungskläger arbeite mit Betrügern zum Zwecke des Prozessbetrugs zusammen, Gerichte lieferten auf Bestellung Urteile. Der Umstand, dass bereits allein dieser Verdacht den Verfügungskläger in seiner Berufsehre und seinem Ansehen erheblich zu treffen geeignet ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Keinesfalls ist diese Verlautbarung - so möchte sie aber der Verfügungsbeklagte nunmehr verstanden wissen - im Sinne einer Verdeutlichung dahin auslegbar, die durch den Abschluss von Verträgen mit Online-Adressbuchverlagen Betroffenen sollten sich von den in den Mahnschreiben des Verfügungsklägers erwähnten Urteilen nicht entmutigen lassen, weil nämlich gar nicht klar sei, auf welche Weise und unter welchen Umständen diese Urteile von den Online-Verlagen hätten erwirkt werden können. Dieser Gedanke ist aus der in Rede stehenden Mitteilung nicht ersichtlich. Vielmehr wird vermittelt, die Gerichte arbeiteten auf Bestellung - also nach den Launen eines Auftraggebers - und der Verfügungskläger beteilige sich an einem kollusiven Zusammenwirken von Gerichten und Betrügern. Die Äußerung ist wie eine Tatsachenmitteilung zu werten. Zwar ist die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevant prinzipiell keine Tatsachenbehauptung (BGH, NJW 1982, 2246). Der Umstand, dass eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff - hier: Prozessbetrug - enthält, deutet zunächst darauf hin, dass sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung aufzufassen ist (BGH, NJW 2005, 280, 282). Um ein derartiges Werturteil handelt es sich aber nicht, wenn die Beurteilung des Sachverhalts als eine Strafform erfüllend nicht als Rechtsauffassung kenntlich gemacht wird, sondern bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, nachprüfbaren und dem Beweis zugänglichen, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft (BGH, NJW 1982, 2246; NJW 2005, 280, 282). So verhält es sich im Streitfall. Es wird als Information vermittelt, die "Onliner" verschickten "bestellte" Urteile, zu diesen Urteilen sei es durch die "extrem enge Zusammenarbeit" "zwischen Betrügern und Rechtsanwälten (als Geldeintreibern)" gekommen. Als derartiger Geldeintreiber wird der Verfügungskläger bezeichnet. Die Mitteilung wird als nachprüfbar, weil dem Beweis zugänglich, dargestellt, denn der Verfügungsbeklagte gibt in der in Rede stehenden Textstelle selbst an, "sowas ist natürlich schwer zu beweisen", womit aber die grundsätzliche Beweisbarkeit insinuiert wird. Beim Leser bildet sich die Vorstellung, der Verfügungskläger habe möglicherweise an Verabredungen mit dem Gericht darüber mitgewirkt, wie Urteile in die "Onliner" betreffenden Rechtssachen auszusehen hätten. Der Umstand, dass der Verfügungsbeklagte dieses Geschehen nicht als gegeben dargestellt hat, sondern lediglich den Verdacht geäußert hat, es könne so sein, so etwas sei "natürlich schwer zu beweisen", spricht nicht entscheidend gegen die Anwendung der für die Zulässigkeit von ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen geltenden Grundsätze. Für die Verbreitung unwahrer Tatschenbehauptungen gibt es auch dann keinen rechtfertigenden Grund, wenn sie in die Form eines Verdachts gekleidet werden. Derjenige, der sich nachteilig über einen Dritten äußert, hat eine erweiterte Darlegungslast, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine Behauptung anzugeben. Bei haltlosen Behauptungen tritt der Schutz der Meinungsfreiheit hinter dem des Persönlichkeitsrechts zurück (BVerfG, NJW 1999, 1322, 1324). Wird ein Verdacht in den Raum gestellt, so kommt es darauf an, ob der Äußernde für den tatsächlichen und ehrenrührigen Gehalt des Verdachts Anhaltspunkte besaß oder ob dieser aus der Luft gegriffen war (OLGR Celle 2000, 160). Der Verfügungsbeklagte hat keinen einzigen Hinweis darauf vorgebracht, dass ein Gericht unter Mitwirkung des Verfügungsklägers gleichsam auf die "Bestellung" eines Rechtsanwalts ein die "Onliner" begünstigendes Urteil erlassen hat. Er benennt zwar zwei Rechtsstreite - Amtsgericht München 155 C 05363/00 und Amtsgericht München 155 C 19047/00 -, in welchen, so seine Ansicht, der Online Fachverlag aufgrund einer unzureichenden Verteidigung der jeweiligen Beklagten obsiegt habe. Indessen war an jenen Verfahren weder der Verfügungskläger als Prozessbevollmächtigter beteiligt noch ist etwas dafür ersichtlich, dass sie auf "Bestellung" ergingen. b) Bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung bestand die von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzte Wiederholungsgefahr. Diese Vermutung besteht, wenn es - wie im Streitfall - bereits zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung gekommen ist (Fritzsche in Bamberger/Roth, BGB, 1. Auflage, § 1004 BGB, Rn. 83). 2. Angesichts der massiven Rufschädigung, welche von der in Rede stehenden Textstelle auf der Webseite des Verfügungsbeklagten ausging, lag auch der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund vor. 3. Der Antrag auf Aufrechterhaltung der vom Landgericht erlassenen einstweiligen Verfügung hat sich, soweit Ziffer 1b) des Verfügungsantrags betroffen ist, durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung erledigt. Denn der Beklagte hat eine ernsthafte, hinreichend bestimmte, strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, durch welche die Wiederholungsgefahr nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB entfallen ist (vgl. BGH, NJW 1996, 723, 724). IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 91 ZPO. Der Umstand, dass der Verfügungskläger erst mit der klarstellenden Fassung des Verfügungsantrags im Berufungsrechtszug Bedenken gegen dessen Zulässigkeit ausgeräumt hat, hat für die Kostenentscheidung keine Folgen. Der materiellrechtliche Unterlassungsausspruch bestand unabhängig von seiner Geltendmachung schon nach der streitigen Verlautbarung auf der Webseite des Verfügungsbeklagten. Überdies wäre bereits das Landgericht nach § 938 Abs. 1 ZPO befugt gewesen, die einstweilige Verfügung mit der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung erhobenen Einschränkung zu erlassen. Einer Umformulierung des Verfügungsantrags durch den Verfügungskläger hätte es dazu nicht bedurft. Der Senat hat sie nur zur Klarstellung angeregt. Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Ziffer 6 ZPO bedarf es nicht, weil dieses Urteil nach 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit einem Rechtsmittel nicht mehr angreifbar ist. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird wie folgt festgesetzt: 20.000,00 EUR bis zum 11. Januar 2005, danach 10.000,00 EUR.

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