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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.07.2003
Aktenzeichen: I-15 U 200/02
Rechtsgebiete: BGB, GwG, ScheckG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 276 Abs. 1
BGB § 985
BGB § 989
BGB § 990
GwG § 1 Abs. 5
GwG § 2 Abs. 1
ScheckG Art. 21
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. September 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Mit Recht hat das Landgericht die beklagte Sparkasse zum Schadensersatz für verpflichtet erachtet, weil sie als scheckeinlösende Bank außerstande ist, den bei ihr eingelösten, der Klägerin abhanden gekommenen Verrechnungsscheck an diese herauszugeben.

Nach Art. 21 ScheckG kommt es für die Frage, ob eine Pflicht zur Herausgabe des Schecks - und eine daraus nach §§ 990, 989 BGB folgende Schadensersatzpflicht - besteht, entscheidend darauf an, ob dem Erwerber grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Nach der vom Bundesgerichtshof zum Begriff der groben Fahrlässigkeit aufgestellten Grundsätzen liegt eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung dann vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1 BGB erheblich übersteigt (BGH WM 1991, 1946 ff; NJW 1992, 3235 ff). Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagten entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht vorzuwerfen, dass sie bei der Hereinnahme der Verrechnungsschecks grob fahrlässig die für eine Fälschung des Namens des Zahlungsempfängers auf dem Scheck sprechenden Umstände, - wie diese vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung dargestellt wurden - übersehen hat. Unstreitig wies der bei der Beklagten vorgelegte Verrechnungsscheck keine erkennbaren Merkmale einer mechanischen Beseitigung eines ursprünglich im Adressfeld angebrachten anderen Namens auf. Selbst eine genauere Betrachtung des geringfügig verschobenen Zeilenbildes hätte daher nicht unbedingt einen Hinweis darauf ergeben, dass vorliegend ein ursprünglich dort eingesetzter Name - auf welche Weise auch immer - beseitigt und durch den Namen ZZ ersetzt worden ist. Jedenfalls ist das äußere Erscheinungsbild des streitgegenständlichen Verrechnungsschecks auf den ersten Blick nicht so ungewöhnlich, dass dies die beklagte Sparkasse ohne das Hinzutreten weiterer Umstände misstrauisch machen musste und zu Nachforschungen verpflichtete.

Auch wenn danach dem den Verrechnungsscheck hereinnehmenden Schalterbeamten der Beklagten kein Verschuldensvorwurf im Sinne eines grob fahrlässigen Verhaltens gemacht werden kann, weil er die Scheckfälschung im Adressfeld übersehen hatte, schließt dies noch nicht einen grob fahrlässigen Scheckerwerb durch die Beklagte aus. Der hier als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 990 BGB (War der Besitzer beim Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben ....) kann nicht entnommen werden, dass es auf die mangelnde Gutgläubigkeit der kontoeröffnenden Stelle bei der zeitlich (knapp zwei Wochen vorher) vorausgegangenen Kontoeröffnung nicht ankommen könne. Es ist vielmehr anerkannt, dass auch frühere Umstände - wie etwa schwere Sorgfaltspflichtverletzungen der Bank bei der Kontoeröffnung oder Organisationsmängel - die noch bei der Hereinnahme des Schecks fortwirken und zum späteren schädigenden Ereignis führen, den Vorwurf grober Fahrlässigkeit stützen können (vgl. hierzu BGH NJW 1992, 3235 m.w.N.; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. 1988 Rdnr. 800; Liesecke, WM 1973, 1154, 1168).

Durch die Vorschrift des Art. 39 ScheckG, nach der eine Bank einen Verrechnungsscheck nur im Wege der Gutschrift einlösen darf, soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass ein Unbefugter den Scheck missbräuchlich verwendet. Insofern steht die Hereinnahme eines Schecks mit der Führung des Kontos des Einreichers im engem Zusammenhang. Es ist deshalb sachgerecht, von der Bank, die ihre Einrichtungen dem Verkehr mit Verrechnungsschecks zur Verfügung stellt, in diesem Zusammenhang auch eine auf die Arbeitsweise des kontoführenden Personals erstreckte Sorgfalt zu verlangen, deren Verletzung ihren Verantwortungsträgern als eigene grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen ist. Die zum Besitzerwerb führende vertretungsähnliche Handlung besteht hier nicht nur in der Tätigkeit des Schalterbeamten allein, sondern auch im Handlungsbeitrag dessen, der durch die Bereitstellung des Kontos die Einreichung des Schecks zur Einlösung und den Besitzerwerb der Bank vorbereitet und überhaupt erst ermöglicht hat. Die Unkenntnis von Tatsachen, die gegen die Eröffnung eines Kontos und damit von vornherein auch gegen die Legitimation des Kontoinhabers im Fall der Einreichung von Verrechnungsschecks sprechen, und bei der Kontoeröffnung nur aus grober Fahrlässigkeit des betreffenden Bankangestellten unbekannt bleiben, muss sich die Bank daher ebenso entgegen halten lassen, wie eine grobe Fahrlässigkeit des Schalterbeamten (BGH NJW 1974, 458, 459).

Eine derartige Pflichtverletzung ist im vorliegenden Fall darin zu sehen, dass bei der Beklagten am 24. August 2001 ein Privatgirokonto durch eine ihrer Mitarbeiterin XX unbekannte männlichen Person eröffnet wurde, die entweder "ZZ" hieß oder sich als eine Person dieses Namens ausgab, ohne dass die Beklagte zuvor eine ausreichende Identitätsprüfung vorgenommen hatte. Hierbei hat die von der Beklagten mit der Identitätsprüfung beauftragte Mitarbeiterin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, indem sie ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben hat und dabei dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte.

Nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 5 des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetzes - GwG) hatte nämlich die Beklagte vor Abschluss des Girovertrages mit der unter dem Namen ZZ auftretenden männlichen Person ihren Vertragspartner zu identifizieren, wozu das Feststellen des Namens aufgrund eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sowie des Geburtsdatums, des Geburtsortes, der Staatsangehörigkeit und der Anschrift, soweit sie im Ausweispapier enthalten sind und das Feststellen von Art, Nummer und ausstellender Behörde des amtlichen Ausweises gehören. Selbst wenn man im Streitfall davon ausgehen wollte, dass der vorliegende Fall der Kontoeröffnung nicht vom Schutzzweck des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten erfasst würde - so wie dies von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2002 geltend gemacht wurde, wäre die Beklagte gleichwohl verpflichtet gewesen, sich über die Person zu vergewissern, die bei ihr ein Konto eröffnen wollte (so schon BGH NJW 1974, 458, 459). Da die unter dem Namen ZZ auftretende männliche Person zum Identitätsnachweis ihren Reisepass vorgelegt hat, hatte sich die Überprüfung auf dieses Ausweispapier zu erstrecken. Hätte die von der Beklagten mit der Identitätsprüfung beauftragte Mitarbeiterin diese Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt, hätte ihr nicht entgehen können, dass der ihr bei der Kontoeröffnung vorgelegte Reisepass schon deswegen nicht gültig sein konnte, weil dieser bereits seit dem 28. Juli 1999 abgelaufen war. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Mitarbeiterin lediglich leicht fahrlässig das Ausstellungsdatum des Reisepasses mit dessen Ablaufdatum verwechselt hatte. Abgesehen davon, dass sich das aus dem Reisepass ergebene Ausstellungsdatum 27. Juli 1902 angesichts des Umstandes, dass die unter dem Namen ZZ auftretende Person laut Reisepass erst am 6. Februar 1962 geboren wurde, nicht nachvollziehbar ist, (schon dieser Paß also in dem einen oder anderen Merkmal erkennbar gefälscht sein muss), ergibt sich aus den im Reisepass befindlichen Touristenvisa, die sämtlich in 1993 ausgestellt wurden, dass der Reisepass nicht erst am 27. Juli 1999 ausgestellt worden sein kann. Gegen die von der Mitarbeiterin der Beklagten als glaubwürdig angenommene gewerbliche Betätigung der unter dem Namen ZZ auftretenden Person als Autohändler spricht weiter der Umstand, dass der vorgelegte angolanische Pass nur eine touristische Betätigung in den Benelux-Staaten erlaubte, so dass die Angabe des angeblichen ZZ, er sei Autohändler in den Niederlanden aus den von ihm selbst vorgelegten Unterlagen zweifelhaft war. Nach Überzeugung des Senats dürfte es auch im grenznahen Wirtschaftleben im höchsten Maße ungewöhnlich sein, dass ein Ausländer ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland mit abgelaufenen Pass und einem abgelaufenen Touristenvisum für die Beneluxstaaten mit der zweifelhaften Behauptung, er sei Autohändler in den Niederlanden unweit seines angeblichen Wohnortes bei einer deutschen Sparkasse ein Privatgirokonto eröffnet, um über dieses seine Geldgeschäfte im Zusammenhang mit seiner angeblichen gewerblichen Tätigkeit als Autohändler abzuwickeln.

Berücksichtigt man schließlich weiter, dass von der unter dem Namen ZZ handelnden männlichen Person vor Einreichung des Verrechnungsschecks keinerlei Geldgeschäfte über das unter dubiosen Umständen eröffnete Privatgirokonto abgewickelt worden waren, der Verrechnungsscheck auf einen nicht ganz unbedeutenden Scheckbetrag ausgestellt worden war und die auf dem Scheck befindliche Adresse des Zahlungsempfängers nicht mit der bei der Kontoeröffnung angegebenen Adresse des Scheckeinreichers übereinstimmte, dann hätte bei Berücksichtigung dieser in erheblichen Maße verdächtigen Umstände der mit der weiteren Bearbeitung des Einziehungsauftrags befasste Angestellte der Beklagten die materielle Berechtigung des Scheckeinreichers gegebenenfalls durch eine Rückfrage bei der Klägerin als Ausstellerin klären müssen.

Danach haben die mit der Prüfung und weiteren Bearbeitung des eingereichten Verrechnungsschecks befassten zuständigen Mitarbeiter der Beklagten bei der Hereinnahme des Schecks grob fahrlässig gehandelt. Die der Beklagten beim Scheckerwerb zu Last fallende grobe Fahrlässigkeit hat auch kausal zu einem Schaden im Sinne von § 989 BGB geführt, da sie aufgrund ihres Verschuldens ihrer Verpflichtung aus § 985 BGB, Art. 21 ScheckG zur Herausgabe des intakten Schecks gegenüber der Klägerin nicht mehr nachkommen kann.

Die Klägerin muss sich bei der Entstehung des Schadens kein mitwirkendes Verschulden nach § 254 BGB zurechnen lassen, weil sie den Verrechnungsscheck nach der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2003 erstmals aufgestellten und von ihr bestrittenen Behauptung in einem Fensterbriefumschlag versandt haben soll, bei der im Sichtfeld die Anschrift des Empfängers, sowie die Scheckkontonummer und das Betragsfeld zu erkennen sind. Mit diesem neuen Vorbringen ist die Beklagte im Berufungsrechtsstreit ungeachtet der hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2003 erfolgten Erörterung gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil sie es unterlassen hat, auf die von ihr behauptete Versendungsart des Verrechungsschecks in einem Fensterbriefumschlag schon in erster Instanz hinzuweisen. Das Unterlassen dieses Vorbringens in erster Instanz ist grob nachlässig, weil der Beklagten aufgrund der erfolgten Einsicht in die Ermittlungsakte 304 JS 777/02 StA Kleve die Vernehmungsniederschrift der Mitarbeiterin YY der Klägerin vom 26. September 2001 bekannt war, aus der sich die übliche Handhabung bei der Versendung von Verrechnungsschecks ergibt. Die Beklagte durfte auch nicht annehmen, dass das Gericht von Amts wegen den Inhalt sämtlicher Details der Ermittlungsakte verwerten würde, weil die Beiziehung einer Ermittlungsakte konkreten Sachvortrag nicht ersetzt.

Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen.

Streitwert: 19.164,24 EUR

Ende der Entscheidung

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