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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: I-15 U 31/03
Rechtsgebiete: SGB X, BGB


Vorschriften:

SGB X § 116
BGB § 31
BGB § 284 Abs. 3
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 1906 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 24. Januar 2003 - 3 O 222/02 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.871,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21. Dezember 2001 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Die Klägerin macht gemäß § 116 SGB X übergegangene Schadensersatzansprüche der bei ihr versicherten, am 12.04.1919 geborenen Frau J. geltend. Diese lebte seit dem 02.09.1999 in dem von der Beklagten betriebenen Pflegeheim W., wo sie in der Nacht vom 25. auf den 26.05.2000 im Kellergeschoss stürzte und sich hierbei ein Becken- und Flankenhämatom zuzog. Aufgrund eines Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein vom 30.08.1999 war Frau J. in die Pflegestufe II eingeordnet. Das Gutachten wurde zu einem Zeitpunkt erstellt, als Frau J. noch in ihrer eigenen Wohnung lebte und durch Angehörige sowie einen ambulanten Pflegedienst versorgt wurde. Nach einer stationären notfallmäßigen Behandlung Frau J. vom 30.08.1999 bis zum 01.09.1999 in der neurologischen Klinik R. wegen eines akuten Verwirrtheitzustandes wurde sie am 02.09.1999 in das Pflegeheim der Beklagten in eine geschlossene Abteilung verlegt. Das - der Beklagten bei Aufnahme Frau J. bekannte - Gutachten führt zur pflegebegründenden Vorgeschichte Frau J. aus: "Fortschreiten der geistigen Leistungseinbußen bei bekannter seniler Demenz, häufig situativ desorientiert, hochgradige Vergesslichkeit, Uneinsichtigkeit, schwer zu leiten. Sehkraft vermindert, zunehmende Unsicherheit beim Gehen, Sturzneigung." (Seiten 3, 4 des Gutachtens, Ziff. 2). Es werden des weiteren eine erhebliche Sehminderung (Seite 4 des Gutachtens, Ziff. 4.2.3), deutliche kognitive und mnestische Defizite sowie eine Desorientierung zur Zeit diagnostiziert (Seite 4 des Gutachtens, Ziffern 4.2.3 und 4.2.4). Zu den als "schwer" eingeordneten funktionellen Einschränkungen des zentralen Nervensystems und der Psyche (4.2.4) heißt es weiter, die Patientin bekomme komplexe Handlungen nicht mehr geregelt, könne Anweisungen oft nicht umsetzen, sei sehr vergesslich, gerate rasch in Panik, neige zu unsinnigen Handlungen, sei schwer zugänglich, starsinnig und benötige intensive aktive Unterstützung mit viel Überzeugungsaufwand. Als pflegebegründende Hauptdiagnose wird "senile Demenz" (Seite 4 des Gutachtens, Ziffer 4.2.5) attestiert. Weiter wird ausgeführt, die Patientin sei durch Gangunsicherheit und Schwankschwindel gefährdet und darauf hingewiesen, dass für ihre Sicherheit organisatorisch und personell gesorgt sein müsse (Seite 5 des Gutachtens, Ziffer 4.3.3). Ihre Bewegungsfähigkeit wird ebenfalls als teilweise unselbständig qualifiziert. Sie benötige Transferhilfen sowie Unterstützung auf der Treppe und außer Haus (Seite 5 des Gutachtens, Ziffer 4.3.5). Abschließend wird die Einordnung in die Pflegestufe 2 empfohlen. Zur Begründung wird folgendes ausgeführt: "Die alltagsrelevante Symptomatik der demenziellen Erkrankung ist seit der letzten Begutachtung 11/98 weiter fortgeschritten. Komplexe Handlungen der elementaren Erfordernisse des täglichen Lebens bekommt die Versicherte nicht mehr alleine geregelt. Erschwerend hinzu kommt die mangelnde Einsicht in Hygieneerfordernisse und pflegeabwehrendes Verhalten. Die Versicherte benötigt daher umfangreiche aktive Hilfe in den gesetzlich definierten Verrichtungen der Grundpflege ... Die Versicherte ist in unerwarteten Situationen hilflos, gerät aus der Fassung und rasch in Panik... Auf Dauer gesehen sollte die Heimaufnahme erwogen werden." In dem von der neurologischen Klinik anlässlich der Entlassung Frau J. in die Pflegeeinrichtung der Beklagten gefertigten Arztbericht vom 02.09.1999 heißt es, bei der klinischen Untersuchung in dem stationären Verlauf seien eine ausgeprägte Merkfähigkeitsstörung und Orientierungsstörung als demenzielle Leitsymptome der Patientin aufgefallen. In der Pflegeeinrichtung der Beklagten leben 80 Heimbewohner. Während der Nacht sind zwei Pflegekräfte anwesend. In der Nacht vom 25. auf den 26.05.2000 verließ Frau J. immer wieder ihr Bett und bewegte sich durch das Heimgebäude, wo sie von den Pflegekräften mindestens fünfundzwanzigmal angetroffen und wieder zurück in ihr Bett gebracht wurde. In dem von den Mitarbeitern der Beklagten erstellten Pflegebericht für diese Nacht sind folgende Eintragungen betreffend Frau J. enthalten: "25./26.05.2000: Bewohnerin lief seit meinem Dienstbeginn immer wieder durch das ganze Haus. Habe sie ca. zwanzigmal wieder zu Bett gebracht. Wurde von Schwester Karin (Nachtwache) ebenfalls noch fünfmal ins Bett gebracht. 26.05., 3.30 Uhr: Bewohnerin im Keller vor dem Aufzug sitzend vorgefunden. Jammerte vor Schmerzen. Muss irgendwo im Keller gefallen sein. Schweres Hämatom oberhalb ... mit tiefer Hautabschürfung. Bewohnerin wurde zum Röntgen ins Krankenhaus gebracht." In einem von der Klägerin nach dem Unfall Frau J. übersandten Fragebogen machte die Beklagte unter dem 08.05.2001 folgende (in dem Fragebogen vorformulierte) Angaben betreffend die Patientin: "Es bestand Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) ... Pflegebedürftigkeit bestand, ... weil: Unser Mitglied beim Gehen geführt oder im Krankenfahrstuhl gefahren werden musste, ... dauernde Aufsicht oder eine Nachtwache benötigt wurde." Die Klägerin hat behauptet, Frau J. habe der umfassenden Hilfe bedurft, da sie infolge ihrer körperlichen Gebrechen und geistigen Einschränkungen einer besonderen Selbstgefährdung ausgesetzt gewesen sei. In der Unfallnacht habe es sich zudem um eine Ausnahmesituation gehandelt, was sich darin gezeigt habe, dass sie vor dem Sturz - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - bereits 25mal aus ihrem Zimmer fortgelaufen sei. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, in dieser extremen Ausnahmesituation hätte eine Dauerwache bei Frau J. bleiben oder zumindest der Flurbereich bewacht werden müssen. Sie hat Ersatz der für den Krankentransport, die stationäre Krankenhausbehandlungbehandlung Frau J. in der Zeit vom 26.05. bis zu 20.06.2000 und eine nach einer Fallpauschale abgerechnete ambulante Behandlung aufgewandten Kosten verlangt, die nach ihrem Vortrag alle infolge der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen entstanden sind. Hierzu hat sie einen ärztlichen Entlassungsbericht des Klinikums Remscheid vom 25.06.2000 vorgelegt, der die zur Behandlung der Hämatome durchgeführten Therapiemaßnahmen beschreibt und dessen Inhalt die Beklagten nicht bestritten hat. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die an die Haftpflichtversicherung der Beklagten gerichtete Kostenaufstellung vom 20.11.2001 Bezug genommen. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass ausweislich des Pflegegutachtens die körperliche Gebrechlichkeit Frau J. im Hintergrund gestanden habe und ihre Pflegebedürftigkeit hauptsächlich auf ihren kognitiven Einschränkungen beruht habe. Der Unfall sei nicht zu vermeiden gewesen, da trotz der - unstreitigen - Verabreichung von Psychopharmaka die Unruhe Frau J. nicht zu beherrschen gewesen sei. Die einzige Möglichkeit, den Unfall zu vermeiden, sei es gewesen, Frau J. zu fixieren oder durch eine Pflegekraft dauerhaft am Bett selbst zu beaufsichtigen. Eine derart intensive Betreuung und Beaufsichtigung sei aber im Hinblick auf die finanziellen und personellen Mittel, die in einem Altenpflegeheim zur Verfügung stünden, nicht möglich. Eine Fixierung sei kontraindiziert gewesen, da sie aufgrund der motorischen Unruhe der Frau J. zu zusätzlichem Leiden geführt hätte. Der Vorteil der geschlossenen Abteilung, in der sich Frau J. - unstreitig - befunden habe, habe gerade darin bestanden, dass sie sich dort gefahrlos hätte bewegen und dadurch eine gewisse Lebensqualität hätte bewahren können. Der Unfall habe nicht im Zusammenhang mit den geistigen Einschränkungen der Frau J. und den damit verbundenen Gefahren bestanden, vielmehr habe sich hierin ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die ihr obliegenden Fürsorge- und Obhutspflichten aus dem Pflegevertrag ausreichend erfüllt. Bereits aus dem Umstand, dass die Pflegekräfte in der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 2000 Frau J. fünfundzwanzigmal zu ihrem Bett zurückgebracht hätten, werde deutlich, dass diese sich intensiv um die Bewohnerin gekümmert hätten und in besonderem Maße ihrer Fürsorge- und Betreuungspflicht nachgekommen seien. Überdies sei Frau J. ein Beruhigungsmittel verabreicht worden. Angesichts dieser Betreuung sei eine Fixierung oder eine Dauernachtwache nicht erforderlich und nicht angemessen gewesen. Eine Fixierung hätte im übrigen das Freiheits- und Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerin erheblich eingeschränkt. Bei dem Sturz im Kellergeschoss habe sich das allgemeine Lebensrisiko der Frau J. verwirklicht. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Heilbehandlungskosten weiter. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Ansicht, dass dem Heimpersonal aufgrund des fünfundzwanzigmaligen Zurückbringens der Frau J. in ihr Bett deutlich vor Augen geführt worden sei, dass es sich um eine besondere Ausnahmesituation gehandelt habe. Zumindest in dieser konkreten Nacht hätte daher eine Dauerbeaufsichtigung erfolgen müssen. Die Klägerin beantragt , das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 24.01.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.871,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21.12.2001 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie meint, die Klage habe bereits deshalb abgewiesen werden müssen, weil die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin eine Pflichtverletzung der Beklagten und deren Kausalität für den Sturz nicht schlüssig dargetan habe. Es sei völlig offen geblieben, warum Frau J. sitzend vor dem Aufzug im Keller aufgefunden worden sei. Die Klägerin habe den Schadenshergang nicht dargestellt. Die Auffassung der Klägerin, sie, die Beklagte, habe durch eine Dauerbeaufsichtigung dafür Sorge tragen müssen, dass Frau J. nicht das Bett verlassen konnte, vermöge nicht zu überzeugen. Lediglich durch eine Fixierung Frau J. im Bett hätte verhindert werden können, dass diese selbständig aufstehe und umherlaufe. Eine solche Fixierung hätte aber der Einwilligung der Frau J. bedurft. Da infolge ihrer Demenz eine rechtswirksame Einwilligung durch sie persönlich nicht hätte erteilt werden können, wäre eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich gewesen, die allein aufgrund der bestehenden Demenz nicht erteilt worden wäre. Auch die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds hätten nicht vorgelegen. Eine Fixierung hätte aufgrund der Unruhe Frau J. dieser noch weitere Leiden zugefügt und eine massive Persönlichkeitsrechtsverletzung zur Folge gehabt. Eine Dauerbeaufsichtigung Frau J. sei mit dem nachts in der Pflegeeinrichtung vorhandenen Personal nicht durchführbar gewesen. Ebenso wenig sei es ihr, der Beklagten, zumutbar gewesen, je einen Mitarbeiter zur Beaufsichtigung der einzelnen Flure, der Ausgänge der Wohnbereiche sowie des Aufzugs und des Kellerbereichs abzustellen. Für einen derartigen Personalaufwand sei im Hinblick auf die Pflegesätze finanziell kein Raum. Überdies sei auch bei einer Dauerbeaufsichtigung ein Sturz der Frau J. nicht schlechthin ausgeschlossen gewesen. Ihr, der Beklagten, habe hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen ein Ermessensspielraum zugestanden. Dieses Ermessen habe sie sach- und interessengerecht ausgeübt, indem ihre Mitarbeiter Frau J. ein Beruhigungsmittel verabreicht hätten. Man hätte sich darauf verlassen dürfen, dass dieses wirke und Frau J. alsbald ihre nächtlichen Ausflüge einstelle. II. Der geltend gemachte, auf die Klägerin gemäß § 116 SGB X übergegangene Schadensersatzanspruch ist aus positiver Vertragsverletzung des zwischen der Beklagten und Frau J. geschlossenen Heimvertrags sowie aus §§ 823 Abs. 1, 31 und § 831 BGB begründet. Das von der Beklagten betriebene Altenpflegeheim dient dem Zweck, ältere oder pflegebedürftige Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen und unterfällt daher den Vorschriften des Heimgesetzes (vgl. § 1 Abs. 1 HeimG). Durch die Aufnahme der nach Maßgabe der Pflegestufe II pflegebedürftigen Frau J. in die Pflegeeinrichtung der Beklagten ist ein Heimvertrag zwischen ihr und der Beklagten zustandegekommen (§ 5 HeimG), aufgrund dessen die Beklagte nicht nur die Pflicht hatte, Frau J. Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung zu stellen, sondern sie auch so zu betreuen, wie es aufgrund ihres Gesundheitszustandes, der sich aus dem Pflegutachten vom 30.8.1999 und den sonstigen der Beklagten im Zusammenhang mit der stationären Aufnahme Frau J. bekannten Umständen, insbesondere dem Bericht der neurologischen Klinik R. vom 3.9.1999, ergibt, erforderlich war. Entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Arzt- und Krankenhaushaftung trifft auch den Betreiber eines Pflegeheims aufgrund des Heimvertrags und der tatsächlichen Übernahme der Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Heimbewohner die Pflicht, diese vor vermeidbaren - auch durch eigenes Verhalten der Pflegebedürftigen verursachten - Gefahren zu schützen, die diesen aufgrund der ihre Pflegebedürftigkeit begründenden körperlichen oder geistigen Einschränkungen drohen (vgl. BGH, Urteil v. 20.6.2000 , VI ZR 377/99 jurisweb S. 2 = NJW 2000, 3425 zur Verkehrssicherungspflicht in einem psychiatrischen Krankenhaus; BGH, Urteil v. 8.4.2003, VI ZR 265/02 jurisweb S. 3 = NJW 2003, 2309 zur Überwachungspflicht bezüglich eines bei einer ambulanten Behandlung sedierten Patienten; jeweils m. w. Nachw.). Denn die Aufnahme zur vollstationären Pflege bezweckt unter anderem, die Gefahren, die aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen des Betroffenen von diesem selbst nicht mehr beherrscht werden, durch eine entsprechende Einrichtung und Organisation der Pflegeeinrichtung abzuwenden. Entsprechend der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BGH ist diese Pflicht auf das Erforderliche und das für den Heimbetreiber und den Pflegebedürftigen Zumutbare beschränkt. Das Sicherheitsgebot ist zum einen abzuwägen gegen andere schutzwürdige Belange der Heimbewohner, insbesondere diese nicht stärker als erforderlich in ihrer Fortbewegungsfreiheit zu beeinträchtigen oder in ihrer Privat- und Intimsphäre zu stören (vgl. OLG Hamm VersR 2003, 73, 74; OLG Koblenz , Urteil vom 21.3.2002, 5 U 1648/01, jurisweb S. 2 = NJW-RR 2002, 867). Als weiterer Gesichtspunkt ist die allgemeine - auch wirtschaftliche - Leistungsfähigkeit der Heimpflege zu berücksichtigen. Die zu fordernden Sicherheitsvorkehrungen dürfen nicht ein Maß erreichen, das mit einem vertretbaren (bezahlbaren) Personalaufwand nicht mehr erbracht werden kann. Für Patienten einer offenen Abteilung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat der BGH im Urteil v. 8.4.2003 (jurisweb S. 4) in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß eine lückenlose Überwachung und Sicherung , die jede noch so fernliegende Gefahrenquelle ausschalten könne, im allgemeinen nicht möglich sei. Diese Überlegung knüpft zugleich an die Erforderlichkeit der in Betracht kommenden Sicherungsmaßnahmen an, wobei insbesondere die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens von Bedeutung ist. Die Begründung und der Umfang Überwachungs- und Beaufsichtigungspflichten im Einzelfall sind davon abhängig, inwieweit ein konkreter Grund oder eine Veranlassung hierzu besteht (OLG Hamm VersR 2003, 74 zu der Pflicht zur Beaufsichtigung des Toilettenbesuchs eines Heimbewohners ; OLG Koblenz a.a.O., S. 3 zur Notwendigkeit der Fixierung einer Heimbewohnerin im Rollstuhl). Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beklagte verpflichtet, Frau J. vor den Gefahren zu schützen, die ihr infolge ihrer Demenzerkrankung in Verbindung mit den körperlichen Beeinträchtigungen auch durch ihr eigenes Verhalten drohten. Der Grund für die Aufnahme Frau J. in die vollstationäre Pflegeeinrichtung war, wie die Beklagte in der Berufungserwiderung zutreffend ausführt, in erster Linie die Demenzerkrankung Frau J.. Damit einher ging aber ausweislich des Pflegegutachtens, dessen Inhalt die Beklagte nicht bestritten hat, eine zunehmende Unsicherheit beim Gehen, eine Sturzneigung und eine Gefährdung durch Gangunsicherheit und Schwankschwindel. Diese körperlichen Beeinträchtigungen, die wahrscheinlich auch durch die Demenzerkrankung bedingt waren, sind bei der Beurteilung, welche Schutzpflichten zugunsten von Frau J. bestanden, zu berücksichtigen. Unter den zwischen den Parteien unstreitigen besonderen Umständen in der Nacht des Unfalls hat sich die allgemeine Schutzpflicht des von der Beklagten eingesetzten Pflegepersonals dahin konkretisiert, Frau J. durch geeignete Maßnahmen - sei es durch eine unmittelbare Beaufsichtigung (Nachtwache), sei es durch eine tatsächlich wirksame medikamentöse Sedierung oder eine mechanische Fixierung - davon abzuhalten, ihr Bett ein weiteres Mal zu verlassen und sich unbeaufsichtigt außerhalb der geschlossenen Station, die sie nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bewohnte, durch das Heim zu bewegen. Aufgrund der offensichtlich durch die Demenzerkrankung hervorgerufenen außergewöhnlichen nächtlichen Unruhe war Frau J. in der fraglichen Nacht für das Pflegepersonal der Beklagten erkennbar besonderen Gefahren ausgesetzt. Auch wenn ihre körperlichen Einschränkungen, wie die Beklagte ausführt, nicht der Hauptanlass für die vollstationäre Aufnahme Frau J. in die Pflegeeinrichtung gewesen sein mögen, durften diese bei der Gefahrenprognose nicht außer Acht bleiben. Bei einer unter ausgeprägter Demenz leidenden Patientin, die eine Sehschwäche hat und generell zu Gangunsicherheit und Schwankschwindel neigt, ist in einer Nacht, in der sich die Demenzerkrankung durch ein ohne äußeren Anlaß begründetes fünfundzwanzigmaliges Verlassen des Bettes und Umherirren im Heimgebäude akut zeigt, die aufgrund ihrer Beeinträchtigungen ohnehin stets vorhandene Gefahr eines Sturzes nochmals deutlich erhöht. Im Hinblick auf die Verhaltensauffälligkeiten Frau J., welche die anwesenden Pflegekräfte in dem Berichteblatt dieser Nacht dokumentiert haben, mußten diese damit rechnen, daß Frau J. erneut aufstehen, die Orientierung im Heimgebäude verlieren, möglicherweise dadurch in Panik geraten würde (auch diese Veranlagung Frau J. ist in dem Pflegegutachten erwähnt) und infolge ihrer Gangunsicherheit oder ihrer Neigung zu Schwankschwindel zu Fall kommen könnte. Der Ansicht der Beklagten, das Pflegepersonal habe sich darauf verlassen dürfen, dass das zur Beruhigung verabreichte Medikament wirken würde, vermag der Senat nicht zu folgen. Hierauf hätte sich die Beklagte nur dann mit Erfolg berufen können, wenn die Reaktion Frau J. auf dieses Medikament - um welches es sich handelte, hat die Beklagte nicht dargelegt - aufgrund entsprechender Erfahrungen bekannt gewesen wäre. Die Beklagte hat aber nicht konkret vorgetragen, daß Frau J. in einer vergleichbaren Situation bereits zuvor einmal auf das Medikament angesprochen hat. Selbst wenn das Medikament in anderen Fällen erfolgreich eingesetzt worden sein mag, hätte das Pflegepersonal kontrollieren müssen, ob gerade auch Frau J. hierdurch tatsächlich zur Ruhe kommen würde . Entgegen der Auffassung, welche die Beklagte in der Berufungserwiderung vertritt, hält der Senat die Erfüllung einer solchen Schutzpflicht nicht für aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich oder aus Kostengründen unzumutbar. Wenn ein Heimträger Pflegebedürftige aufnimmt, deren Demenzerkrankung ein Ausmaß erreicht, wie es bei Frau J. vorlag, muss er die erforderlichen personellen und organisatorischen Vorkehrungen treffen, um die Bewohner auch vor den Folgen ihres eigenen, von ihnen selbst nicht mehr sicher beherrschbaren Verhaltens wirksam zu schützen. Hierfür muss zumindest gewährleistet sein, dass sich eine wegen ihrer schlechten geistigen und körperlichen Verfassung auf einer geschlossenen Station untergebrachte Bewohnerin, die sich in einem akuten Verwirrtheitszustand befindet, nicht unbeaufsichtigt aus diesem - wie die Beklagte selbst hervorhebt - besonders geschützten Bereich entfernen kann. Wie dies in der jeweiligen Pflegeeinrichtung konkret umzusetzen ist, muß dem Heimträger überlassen bleiben. In Betracht kommt etwa die Beaufsichtigung einer solchen Station - ggf. mit der Hilfe von Überwachungskameras - durch Pflegekräfte oder ein akustisches Warnsystem. Wenn der Heimträger derartige Vorkehrungen organisatorisch nicht zur Verfügung stellt, muß er zumindest durch entsprechende Anweisungen dafür sorgen, daß das Pflegepersonal mit den erforderlichen Maßnahmen auf einen Notfall, wie er hier vorlag, reagiert. Wenn eine Heimbewohnerin mit nicht oder nur geringfügig freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wie etwa beruhigendem Zureden durch die Pflegekräfte oder Verabreichen eines leicht sedierend wirkenden Medikaments nicht von selbstgefährdenden Verhaltensweisen abzuhalten ist und während der Nacht nicht genügend Pflegekräfte für eine unmittelbare Beaufsichtigung zur Verfügung stehen, kommt als Notstandsmaßnahme auch eine mechanische Fixierung, die mit den heute zur Verfügung stehenden Pflegehilfsmitteln (etwa einem Fixiertuch) auch bei massiver Unruhe der Patienten in der Regel ohne die Gefahr äußerer Verletzungen möglich ist, in Betracht. Ist eine solche Sicherungsmaßnahme aufgrund ärztlicher Empfehlung - in Zweifelsfällen ist ein (Not-)Arzt hinzuzuziehen - oder persönlichen Augenscheins des Pflegepersonals zwingend geboten, um von einem Heimbewohner Gefahr für Leib oder Leben abzuwenden, ist die Sicherung zunächst auch ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig und geboten, wenn hierfür ein vorübergehender Bedarf besteht. Unter den dann vorliegenden Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) ist das Pflegepersonal auch ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu derartigen Schutzmaßnahmen berechtigt. Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß diese Maßnahmen regelmäßig oder für eine unbestimmte Zeitspanne anzuwenden sind, hat der Heimträger den Betreuer und das Vormundschaftsgericht hiervon zu unterrichten, und es ist nötigenfalls gemäß § 1906 Abs. 4 BGB um eine Genehmigung nachzusuchen. Das Pflegepersonal der Beklagten hat die hier erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht ergriffen. Anderenfalls hätte Frau J. nicht unbemerkt von der geschlossenen Station bis in das Kellergeschoss gelangen und dort zu Fall kommen können. Diese Schutzpflichtverletzung ist für den Sturz und die hierbei von Frau J. erlittenen Verletzungen ursächlich geworden. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat sich in dem Sturz nicht das "allgemeine Lebensrisiko" älterer, gebrechlicher Menschen verwirklicht, sondern eine Gefahr, der die Beklagte aufgrund der ihr obliegenden Schutzpflicht gerade entgegenzuwirken hatte. Zwar hat die Klägerin nicht konkret vorgetragen, ob Frau J. in der Nacht des Unfalls infolge ihres - die erhöhte Beaufsichtigungspflicht begründenden - akuten Erregungs - und Verwirrtheitszustands zu Fall gekommen ist, etwa weil sie im Kellergeschoss wegen ihrer räumlichen Desorientiertheit in Panik geraten ist oder einen Schwindelanfall erlitten hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß sich die mangelnde Beaufsichtigung Frau J. bei dem Unfall nicht ausgewirkt hat, trägt indessen die Beklagte. Von dem Grundsatz, dass den Geschädigten die Beweislast für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden trifft, gibt es Ausnahmen bei solchen Pflichten, die gerade auf die Bewahrung einzelner Personen vor Gefahren für Körper und Gesundheit gerichtet sind. Der Schuldner hat die Beweislast für die fehlende Kausalität seiner Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden, wenn er den seiner Obhut Anvertrauten in eine Gefahrenlage gebracht hat, die geeignet ist, den tatsächlich eingetretenen Schaden herbeizuführen. (vgl. Münchener Kommentar- Ernst, BGB, 4.Aufl. 2003, § 280, Rdnr. 143). Wird wie hier eine Schutzpflicht verletzt, die wie ein Schutzgesetz, eine Unfallverhütungsvorschrift oder eine Din-Norm durch genaue Verhaltensanweisungen typischen Gefährdungen entgegenwirken soll, und verwirklicht sich in dem Schadensereignis gerade diejenige Gefahr, der durch die Auferlegung der Verkehrspflicht begegnet werden soll, spricht ein Anscheinsbeweis für die Kausalität zwischen objektiver Pflichtverletzung und eingetretener Rechsgutsverletzung. Der Verkehrspflichtige muß zu seiner Entlastung darlegen und beweisen, daß die geforderten Sicherungsmaßnahmen fruchtlos gewesen wären und den Schaden nicht verhindert hätten (vgl. BGH NJW 1991, 2021; 1994, 945, 946; Bamberger-Roth, BGB,1. Aufl. 2003, § 823, Rdnr. 280). Die Beklagte hatte die Pflicht, Frau J. vor den aus ihrem akuten Erregungs- und Verwirrtheitszustand resultierenden besonderen Gefahren, zu denen auch diejenige eines Sturzes gehörte, zu schützen. Die Aufnahme Frau J. in die stationäre Heimpflege hatte unter anderem den Zweck, sie davor zu bewahren, infolge ihrer Demenzerkrankung in ihr unbekannte Situationen zu geraten, in denen sie ausweislich des Pflegegutachtens hilflos reagierte und leicht in Panik geriet, und hierbei zu Schaden zu kommen. Daher hätte die Beklagte darlegen müssen, dass sich die unzureichende Erfüllung dieser Schutzpflicht bei dem Sturz Frau J. nicht ausgewirkt hat. Infolge der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen Frau J. sind der Klägerin die geltend gemachten Krankentransport- und Heilbehandlungskosten entstanden. Soweit die Beklagte pauschal mit Nichtwissen bestreitet, dass die Kosten, deren Ersatz die Klägerin begehrt, allein auf die bei dem Sturz erlittenen Verletzungen zurückzuführen sind, ist dies mangels substantiierten Sachvortrags unbeachtlich. Die Beklagte hat - auch nach dem entsprechenden Hinweis des Senats im Verhandlungstermin - hierzu nur vorgetragen, es sei auch die nicht unerhebliche Grunderkrankung der Frau J. zu berücksichtigen. Worin diese konkret besteht und inwieweit hierdurch zusätzliche kostenverursachende Behandlungsmaßnahmen veranlasst worden sein könnten, hat sie nicht dargelegt. Da Frau J. aber sowohl vor ihrem Sturz als auch unmittelbar im Anschluss an ihren Krankenhausaufenthalt in der Pflegeeinrichtung der Beklagten betreut wurde und eine etwaige wegen einer Grunderkrankung dauerhaft erforderliche Therapie auch dort hätte durchgeführt werden müssen, wären der Beklagten hierzu konkrete Angaben möglich gewesen. Es sind bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass neben der Behandlung der Hämatome, die sich Frau J. unstreitig bei dem Sturz zugezogen hat, weitere Arzt- und Therapiekosten entstanden sind. Der ärztliche Entlassungsbericht des Klinikums R. vom 25.6.2000 beschreibt unter der Überschrift "Therapie" sowie "Anamnese und Verlauf" ausschließlich Heilbehandlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Hämatomen. Wenn die Vorerkrankung Frau J. dazu geführt haben sollte, daß die bei dem Sturz erlittenen Verletzungen weniger schnell heilten als bei einem gesunden Meschen, vermag das die Beklagte nicht zu entlasten. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus §§ 284 Abs. 3 (in der Fassung vom 30.3.2000), 288 Abs. 1 BGB begründet. Die Beklagte ist 30 Tage nach Zugang der Zahlungsaufforderung der Klägerin an die insoweit als ihre Empfangsbevollmächtigte anzusehende Haftpflichtversicherung in Verzug gekommen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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