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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 04.08.2005
Aktenzeichen: I-15 W 15/05
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 39 Abs. 1
GKG § 48 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 5
ZPO § 6
ZPO § 769
Wird ein unzulässigerweise mit einer allgemeinen Leistungsklage verbundener Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auf einen völlig anderen Lebenssachverhalt gestützt, als er der Klageforderung zu Grunde liegt, ist der Streitwert hinzuzurechnen. Der Streitwert des Antrages auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist in einem solchen Fall mit 1/5 der zu vollstreckenden Hauptforderung zu bemessen.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 8. Dezember 2004 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 1. September 2004 auf 49.516,59 EUR und zwar für den Zahlungsantrag auf 7.590,64 EUR und für den Antrag aus einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in den Zwangsversteigerungsverfahren AG G K /03, K /03 und K /03 auf 41.925,95 EUR sowie für die Zeit ab dem 2. September 2004 auf 7.590,64 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Der Kläger war Kunde der Beklagten. Mit seiner am 10. August 2004 bei Gericht eingegangenen Klage verlangte er von der Beklagten die Auszahlung der Schecksumme eines Schecks, den er der Beklagten zur Einziehung übergeben hatte. Diese hatte den Scheckbetrag einem bei ihr geführten Konto seines Sohnes gut geschrieben. Darüber hinaus bestand nach den Angaben in der Klageschrift zwischen den Parteien Streit über ein Darlehen von 136.000,00 DM, von dem der Kläger meinte, es sei getilgt worden. Der Kläger hat als Hauptantrag angekündigt zu beantragen, die Beklagte zur Zahlung von 7.590,64 EUR nebst Zinsen an ihn zu verurteilen. Ferner hat er beantragt, die Zwangsvollstreckung in den von der Beklagten aufgrund der im Grundbuch von W im AG G, Blatt X in Abt. II unter den laufenden Nummern 1 (81.806,76 EUR), 10 (51.129,19 EUR) und 11 (76.693,78 EUR) eingetragenen Grundschulden betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren AG Geldern K /03, K /03 und K /03 unter Aufrechterhaltung der bestehenden Sicherungsmaßnahmen bis zur rechtkräftigen Entscheidung des Rechtsstreites einstweilen einzustellen. Zur Begründung dieses Antrages hat der Kläger vorgetragen, die Abbuchungen und Gutschriften der Kreditverträge seien von der Beklagten immer undurchsichtiger gestaltet worden. Ein Kredit von 136.000,00 DM sei ihm im Rahmen einer Umschuldung berechnet worden, obwohl dieser durch den Verkaufserlös von Ackerland bereits getilgt gewesen sei. Die Beklagte habe auch einen Lebensversicherungsvertrag gekündigt, was ihm schweren Schaden zugefügt habe. Sodann heißt es in der Klageschrift wörtlich (S. 6, Bl. 6 GA): "Stellt sich nämlich heraus, dass die Beklagte wie der Kläger es erwartet zur Zahlung in diesem Verfahren verurteilt wird, muss die Beklagte auch die Belange bzgl. des Ackerlandkredites über 136.000 DM ausführlich und nachvollziehbar aufklären und eine Gutschrift zugunsten des Klägers auf den Gesamtkredit in dieser Höhe gewähren. Dies würde dazu führen, dass die gesamte Zwangsversteigerung zulasten des Klägers völlig überflüssig war und ihm einzig und allein erheblichen Schaden zugefügt hat. Dieser Schaden wäre durch ordnungsgemäßes Vorgehen der Beklagten, zutreffende Buchungen und Gutschriften auf erfolgte Zahlungen vermieden worden." (Hervorhebung durch den Senat). Nach vorangegangenem Hinweis und Anhörung der Beklagten hat die Kammer mit Beschluss vom 1. September 2004 den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keine Klage nach §§ 767, 768 ZPO sondern eine Zahlungsklage erhoben. Der Einstellungsantrag betreffe einen völlig anderen Sachverhalt. Die Einzelrichterin der Kammer, auf die der Rechtsstreit übertragen worden ist, hat die Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2004 abgewiesen und in einem mit dem Urteil verbundenen Beschluss den Streitwert auf bis 8.000,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung des Streitwertbeschlusses hat die Kammer ausgeführt, der Einstellungsantrag führe nicht zu einer Streitwerterhöhung, da er an das Hauptsacheverfahren gekoppelt sei. Lediglich in dieser Höhe wäre auch eine Einstellung in Betracht gekommen, weshalb lediglich der Hauptsachestreitwert zu berücksichtigen sei. Gegen diesen Streitwertbeschluss hat die Beklagte Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, wegen Gesamtforderungen von 335.469,43 EUR die Zwangsvollstreckung betrieben zu haben und ist der Ansicht, dieser Betrag sei dem Streitwert hinzuzusetzen. Der Antragsteller eines unzulässigerweise nicht mit einer entsprechenden Klage verbundenen Einstellungsantrages könne nicht in den Genuss einer kostenlosen Bescheidung kommen. Dem Einstellungsantrag liege hier ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde. Die Beklagte beantragt, den Streitwert auf 343.060,07 EUR festzusetzen. Der Kläger ist der Streitwertbeschwerde entgegen getreten. II. Die Beschwerde der Beklagten ist nach § 68 Abs.. 1 GKG statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde hat auch zumindest teilweise Erfolg. Bei der Streitwertbemessung ist der Einstellungsantrag ausnahmsweise zu berücksichtigen (dazu unten (1)), allerdings nicht mit der vollen Höhe der zu vollstreckenden Forderung (dazu unten (2)). (1) Nach § 39 Absatz 1 GKG sind die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammen zu rechnen. Der Sache nach nichts anderes ergibt sich auch aus § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO, wonach mehrere Ansprüche grundsätzlich zusammen gerechnet werden. Da eine Ausnahmevorschrift nicht ersichtlich ist, hängt die Beantwortung der Frage, ob der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung einen eigenständigen, dem Streitwert hinzuzurechnenden Wert hat, davon ab, ob im Sinne des § 39 Abs. 1 GKG bzw. § 5 ZPO mehrere Streitgegenstände vorliegen. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der mit einer Vollstreckungsabwehrklage verbundene Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht streitwerterhöhend wirkt, da beide Anträge auf das selbe Interesse ausgerichtet sind und der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegenüber der Vollstreckungsabwehrklage lediglich ein Minus darstellt. In einem derartigen Fall liegt wirtschaftliche Identität vor, so dass die Ansprüche nicht zusammenzurechnen sind (KG Berlin, Beschl. v. 18. November 2002, 8 W 219/02, www.jurisweb.de Rn. 5 m.w.N. = KGR Berlin 2003, 111). Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt hier aber keine wirtschaftliche Identität vor, vielmehr ist der Streitgegenstand des Einstellungsantrages, wie die Kammer zutreffend im Beschluss vom 1. September 2004 festgestellt hat, ein anderer. Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführt, der Einstellungsantrag sei an das Hauptsacheverfahren gekoppelt und lediglich in dieser Höhe wäre eine Einstellung in Betracht gekommen, kommt es für die Entscheidung der Frage, ob der gleiche Streitgegenstand vorliegt bzw. ob die Anträge wirtschaftlich identische Ziele verfolgen hierauf nicht an. Maßgeblich ist nämlich nicht, was in Betracht gekommen wäre, denn in Betracht gekommen ist eine Einstellung hier überhaupt nicht. Der Streitgegenstand wird vielmehr bestimmt durch den Antrag des Klägers und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt (Musielak, ZPO, 4. Aufl., Einl. Rn. 69). Schon der Einstellungsantrag des Klägers ist hier nicht auf einen Betrag in Höhe der klageweise geltend gemachten Hauptforderung beschränkt; vielmehr begehrt der Kläger nach dem Wortlaut seines Antrages die vollständige Einstellung der betriebenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus den in seinem Antrag aufgeführten Grundschuldbestellungen. Eine Beschränkung dieses Einstellungsbegehrens lässt sich auch nicht aus dem hierzu vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten. Wie die Kammer bei Bescheidung des Einstellungsantrages zutreffend festgestellt hat, stützt der Kläger den Einstellungsantrag auf einen völlig anderen Sachverhalt. Gegenstand der Zahlungsklage ist die Gutschrift eines der Beklagten zur Einziehung eingereichten Schecks. Gegen die Zwangsvollstreckung wehrt sich der Kläger aber nicht mit der Begründung, die Beklagte müsse ihm den Scheckbetrag gutschreiben, sondern mit der Begründung, die Gesamtforderung sei unrichtig berechnet; ein nicht mehr valutierendes Darlehen von 136.000,00 DM, das in keinerlei Zusammenhang mit der Scheckeinreichung steht, sei ihm belastet worden und die Beklagte habe ihn geschädigt, in dem sie seine Lebensversicherung gekündigt habe. Der Einstellungsantrag gründet sich also auf völlig andere tatsächliche Umstände, wie die Klage. Der einzige Zusammenhang zwischen dem Klageantrag in der Hauptsache und dem Einstellungsantrag ist derjenige, dass die Parteien die selben sind. Der Sache nach liegt damit ein Fall der Klagehäufung vor. Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass die Sachlage in einem solchen Fall, in dem der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung mit einer auf einen völlig anderen Lebenssachverhalt gestützten Leistungsklage verbunden wird, gebührenrechtlich nicht anders beurteilt werden kann, als wenn der Einstellungsantrag isoliert gestellt würde, was ebenfalls unzulässig wäre. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind daher hier die Werte der Zahlungsklage und des Einstellungsantrages nach §§ 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 5 ZPO zusammen zu rechnen. (2) Der Einstellungsantrag ist danach mit einem Wert von 41.925,95 EUR in Ansatz zu bringen und nicht mit 335.469,43 EUR, wie die Beklagte meint. Der Streitwert ist nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO zu schätzen, und zwar mit einem Bruchteil der Hauptforderung, aus der die Vollstreckung betrieben wird. § 6 ZPO, wonach es auf den vollen Wert der Hauptforderung ankommen würde, ist auf die Bewertung eines Antrages auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht anzuwenden, weil der Streit nicht die konkrete Sicherstellung der Forderung, sondern deren Vollstreckbarkeit als Voraussetzung für Maßnahmen der Zwangsvollstreckung betrifft. Eine entsprechende Anwendung entfällt wegen der zeitlich eng begrenzten Wirkung einer einstweiligen Einstellung: § 6 ZPO setzt, indem er auf den vollen Wert der Forderung oder des Pfandes abstellt, endgültige Maßnahmen voraus. Wegen der zeitlich begrenzten Wirkung einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung kann der Wert in der Regel auf 1/5 des Hauptsachewertes geschätzt werden (BGH, Urt. v. 28. Mai 1991, IX ZR 181/90, NJW 1991, 2280, 2282). Der Hauptsachewert in diesem Sinne ist aber - wie bereits ausgeführt - hier nicht der mit der Klage geltend gemachte Betrag, weil hinsichtlich des Einstellungsantrages eine Hauptsache gar nicht anhängig ist. Es muss daher ein hypothetischer Hauptsachewert ermittelt werden. Die Beklagte betreibt gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung aus drei Grundschuldurkunden über insgesamt 209.629,73 EUR und der Kläger vertritt die Ansicht, diese Vollstreckung sei insgesamt unzulässig. Dieser Wert ist also der Wertberechnung für den Einstellungsantrag zugrunde zu legen, denn die hypothetische Vollstreckungsgegenklage wäre ebenfalls mit diesem Wert zu bemessen. Soweit die Beklagte auf ihre höhere Gesamtforderung verweist, enthält diese Zinsen und Kosten, die aber bei der Wertberechnung nicht zu berücksichtigen sind (Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort: "Vollstreckungsabwehrklage"). Hiervon 1/5 ergibt den Betrag von 41.925,95 EUR. (3) Das Beschwerdeverfahren ist nach § 68 Abs. 3 GKG gerichtsgebührenfrei; nach § 68 Abs. 3 S. 2 GKG werden Kosten nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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