Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.04.2008
Aktenzeichen: I-16 U 41/07
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 89b
HGB § 89b Abs. 1
HGB § 89b Abs. 1 Nr. 1
HGB § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
HGB § 89b Abs. 3 Nr. 2
HGB § 353
BGB § 121
BGB § 286
BGB § 288
ZPO § 287 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 8. März 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.957,35 € nebst 5 % Zinsen hieraus vom 26. Juni 2001 bis zum 22. Juli 2002 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 23.Juli 2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 12% und die Beklagte zu 88 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 6% und die Beklagte zu 94 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger war in der Zeit von November 1997 bis Ende Juni 2001 Pächter einer Selbstbedienungstankstelle der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin in ... . Nach Beendigung des Pachtvertrages macht der Kläger einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB geltend.

Wegen des weiteren Sachverhaltes, insbesondere des am 27./31. Oktober 1997 geschlossenen Tankstellen-Verwalter- und Pachtvertrag ( vgl. Anlage K 1 ) wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Den gesamten Zahlungsverkehr aus der Geschäftsbeziehung wickelten die Parteien über ein zu diesem Zweck errichtetes Sonderkonto des Klägers ab. Von diesem Konto buchte die Beklagte per Lastschrift nicht nur die vom Kläger einzuzahlenden Einnahmen aus dem Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen ( sog. Agenturgelder ) ab, sondern auch weitere aus der Geschäftsbeziehung resultierende Verpflichtungen des Klägers wie die Kassenmiete und die monatliche Pacht. Der Kläger zahlte auf das Konto nicht nur die vereinnahmten Agenturgelder, sondern sämtliche in der Tankstelle eingenommenen Barmittel ein.

Über die Errichtung des Kontos und über die Berechtigung zum Bankeinzug schlossen die Parteien die als Anlage C 11 ( Bl. 325 ff) zu den Akten gereichte Vereinbarung, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Bis zum Februar des Jahres 2000 erfolgte der Einzug der sog. Agenturgelder mit einem durchschnittlichen Zahlungsziel zwischen zwei und drei Tagen ( vgl. Schreiben K 43). In der Folgezeit kam es zu Rücklastschriften, weil die Bareinzahlungen die von der Beklagten vorgenommenen Abbuchungen nicht deckten und der Kläger nicht in entsprechend hohem Umfang durch weitere Liquiditätszuschüsse für eine Deckung des Kontos sorgte. Nach weiteren Rücklastschriften mahnte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 31.01.,8.02 und 15.5.2001, für eine ausreichende Deckung des Sonderkontos Sorge zu tragen. Sie forderte den Kläger zur täglichen Einzahlung der Agenturgelder in Höhe der an diesem Tag vorgenommenen Verkäufe auf.

Mit Schreiben vom 15.05.2001 ( Bl. 217 GA) wies die Beklagte den Kläger zudem darauf hin, dass er auch für die Deckung des Sonderkontos im Hinblick auf die im Banklastverfahren eingezogene monatliche Pacht in Höhe von 5.720 DM zzgl MwSt Sorge zu tragen habe, der für den Monat April 2001 veranlasste Bankeinzug nicht eingelöst worden sei und deshalb am 21.05.2001 erneut eingezogen werde.

Am 29.05.2001 führte die Beklagte beim Kläger eine Finanzkontrolle durch, die sich auf den Zeitraum vom 22. bis zum 27.05. 2001 bezog. Dabei stellte sie fest, dass der Kläger die Agenturgelder teilweise nicht täglich und nicht in Höhe der jeweiligen Tageseinnahmen auf das Sonderkonto eingezahlt hatte. So hatte der Kläger weder am 23.05.2001 und am 24.05.2001 ( Feiertag ) Einzahlungen vorgenommen, noch am 26.05.2001 und 27.05.2001 ( Wochenende). Für den in Rede stehenden Zeitraum vom 22.05.2001 bis 27.05.2001 ermittelte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 12.726,37 DM, dem keine entsprechenden Einzahlungen gegenüberstanden. Hiervon entfielen 3.926,52 DM auf kreditierte Umsätze des Klägers mit " Kartenzahlern". Hintergrund war, dass die Beklagte die Verkaufserlöse für die an sog. Stationskreditkunden gelieferten Treibstoffabgaben bereits mit Abgabe der Ware an die Kunden und nicht erst bei Eingang des Geldes beim Kläger - in der Regel nach einem Monat - abbuchte.

Mit Schreiben vom 7.06.2001 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis unter Berufung auf das Ergebnis der Finanzkontrolle wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die vertragliche Pflicht zur täglichen Einzahlung der Agenturgelder mit Wirkung zum 20.06.2001 fristlos ( K 11 Bl. 54 GA). Der Kläger wiedersprach der fristlosen Kündigung und übergab die Tankstelle am 25.06.2001.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Handelsvertreterausgleich in Anspruch und ist der Auffassung, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Unter Einbeziehung der weiteren zwei Werktage, des 28. und 29. Mai 2001 habe er schließlich unstreitig dem Konto im gesamten Zeitraum vom 22. bis zum 29. Mai 2001 insgesamt 12.078,28 DM mehr gutgebracht als den Soll-Einzahlungen aus Agentureinnahmen für diesen Zeitraum entsprochen habe. Hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruches hat er unter Berufung auf die sog. MAFO - Studie vertreten, dass ein Stammkundenanteil von 58,4 % zu Grunde zu legen sei. Eine individuellere Schätzung sei ihm nicht möglich oder jedenfalls nicht zumutbar. Die Auswertung der Kassenbelege über die Umsätze mit Kartenkunden sei nicht möglich. Die Daten lägen ihm - unstreitig - nicht in elektronisch gespeicherter Form vor. Die während der Vertragslaufzeit vorhandenen Kassen hätten eine solche elektronische Erfassung - unstreitig - auch nicht ermöglicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 35.061,01 € nebst Zinsen stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch zu. Dieser sei nicht ausgeschlossen, da die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses ungerechtfertigt gewesen sei. Der zur Rechtfertigung herangezogene Kündigungsgrund eines schwerwiegenden Treuebruches wegen nicht täglicher Einzahlung der von dem Kläger treuhänderisch zu verwahrender Agentureinnahmen auf das Sonderkonto sei nicht gegeben, da bereits eine dahingehende Verpflichtung des Klägers nicht bestanden habe. Hinsichtlich der Beträge, die die Beklagte aus Umsätzen des Klägers mit Kartenkunden errechnet habe, könne sie sich bereits deshalb nicht auf deren unterbliebene tägliche Einzahlung stützen, da die entsprechende Klausel der Vertragsvereinbarung, die den Kläger nicht nur zur Vorfinanzierung zwinge, sondern ihm auch noch das Forderungsausfallrisiko aufbürde, unwirksam sei.

Soweit er nach dem Vertrag die "sofortige" Einzahlung der tatsächlich eingenommenen Agenturgelder schulde, bedeute "sofortig" nicht "täglich", sondern nur "unverzüglich", d.h. eine Verpflichtung zur Einzahlung ohne schuldhaftes Zögern. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Konto-Vereinbarung der Parteien, die zwar eine tägliche Einzahlung der Treib- und Schmierstofferlöse vorsehe, was aber nicht bedeute, dass die tägliche Einzahlung die Einnahmen des gleichen Tages zum Gegenstand haben müsse. Im Lichte der zwischen den Parteien getroffenen Vertragsvereinbarung habe der Kläger die Regelung vielmehr dahingehend verstehen dürfen, dass er die Einzahlung des Bargeldes so schnell wie möglich vorzunehmen habe, so dass es auch ausreichend gewesen sei, dies nach einem Feiertag oder Wochenende zu tun, wie dies in dem von der Beklagten beanstandeten Zeitraum drei Mal der Fall gewesen sei. Der Kläger sei auch mit der Einzahlung nicht in Verzug geraten. Da die Beklagte es selber zu vertreten gehabt habe, dass alle die Station betreffenden Zahlungsvorgänge über das einzige Konto abgewickelt worden und daher neben den Agentureinnahmen auch weitere Zahlungen auf das Konto eingegangen seien, ließe sich ein die fristlose Kündigung rechtfertigenden Verstoß gegen die treuhänderische Verpflichtungen im Umgang mit den Bareinnahmen jedenfalls dann nicht begründen, wenn - wie unstreitig sei - der Kläger im betroffenen Zeitraum insgesamt mehr auf das Konto eingezahlt habe oder habe gutschreiben lassen, als er an Bareinnahmen habe einzahlen müssen.

Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs sei die letzte Jahresprovision des Klägers zugrunde zu legen, die unstreitig 67.482,86 DM betragen habe. Die Festprovision sei zu berücksichtigen, weil mangels gegenteiligen Vortrages davon auszugehen sei, dass sie ihm als Entgelt für werbende Tätigkeit gezahlt worden sei. Hiervon sei nur der Teil zu berücksichtigen, den der Kläger mit von ihm geworbenen Stammkunden erhalten habe, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89b I Nr. 1 HGB bestanden habe. Der Anteil der vom Kläger geworbenen Stammkunden an dessen Gesamtumsatz sei unter Zugrundelegung des Ergebnisses der sog. MaFo-Studie auf 58,40 % der Provision des letzten Vertragsjahres zu schätzen. Umstände für eine individuellere Schätzung lägen nicht vor. Eine elektronische Auswertung der Belege über die durch Kartenzahlung beglichenen Treibstoffverkäufe käme nicht in Betracht, da eine elektronische Datenerfassung dem Kläger nicht zur Verfügung stünde. Die vorhandenen Belege müssten hierzu zunächst aufwendig nacherfasst werden, was dem Kläger im Hinblick auf den ohnehin zweifelhaften Aussagewert nicht zumutbar sei. Ein Abschlag für übernommene Altkunden sei ebensowenig zu machen wie ein solcher für vermittlungsfremde Tätigkeiten. Es sei jedoch ein Abschlag von 10% für die sog. "Sogwirkung" der Marke vorzunehmen. Der Abwanderungsverlust sei mit jährlich 20% des Ausgangsbetrages anzunehmen, so dass ein Gesamtprovisionsverlust in vier Jahren von 200 % resultiere. Der sich ergebende Ausgleichsbetrag sei letztlich unter Zugrundelegung der Hoffmannschen Formel mit 5% abzuzinsen, so dass sich zuzüglich MwSt der ausgeurteilte Betrag ergebe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Sie habe bereits in erster Instanz dargelegt, dass der Kläger vereinnahmte Agenturgelder in zu geringer Höhe eingezahlt habe. Die Pflichtverletzung des Klägers beim Umgang mit tatsächlich vereinnahmten - in ihrem Eigentum stehenden - Kundengeldern habe die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie habe ihre fristlose Kündigung nicht auf das Unterbleiben einer täglichen Einzahlung der Beträge gestützt, die aus Umsätzen des Klägers mit Kartenkunden gestammt hätten, sondern ausdrücklich hervorgehoben, dass auch ohne Berücksichtigung dieser Beträge, vereinnahmte Beträge nicht auf das Sonderkonto eingezahlt worden seien. Der Kläger sei zur täglichen Einzahlung verpflichtet gewesen, eine Regelung, die keine unangemessene Benachteiligung des Pächters darstelle. Die Beträge seien jedenfalls auch nicht ohne schuldhaftes Zögern eingezahlt worden. Denn nach der Darlegung des Landgerichtes hätte der Kläger die vereinnahmten Gelder jedenfalls an drei Tagen einzahlen können und müssen. Dies habe er aber selbst in den Folgetagen nach der Finanzkontrolle nicht getan. Die dann eingezahlten Gelder seien Zahlungen auf andere Verpflichtungen gewesen. Nachdem der Kläger die vereinnahmten Erlöse für mehrere Tage nicht abgeführt habe, sei sie berechtigt gewesen, fristlos zu kündigen, da ihr ein Festhalten am Vertrag nicht mehr hätte zugemutet werden können. Auch sei keinesfalls unschädlich, dass die eingezahlten Beträge von den Summen der einzuzahlenden Einnahmen abgewichen seien, nur weil letztlich am 29.05.2001 auf dem Konto ein höherer als der einzuzahlende Betrag zur Verfügung gestanden habe. Denn auf das Konto seien schließlich auch die Pacht und andere Verpflichtungen geleistet worden. Nicht sie habe zu vertreten, dass die gesamte Geschäftsabwicklung unterschiedslos über das Sonderkonto abgewickelt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 08.03.2007 die Klage abzuweisen.

Der Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung im Einzelnen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger nach Erörterung erklärt, sich 6% seiner Nettoprovision als Kosten für vermitttlungsfremde Tätigkeiten anrechnen zu lassen.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur geringen Erfolg.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs gem. § 89 b Abs.1 HBG in Höhe von 32.957,35 €.

1.

Die Beklagte schuldet dem Kläger nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Handelsvertreterausgleich, den der Kläger auch rechtszeitig geltend gemacht hat.

2.

Dieser Anspruch ist nicht gem. § 89b Abs.3 Nr.2 HGB wegen fristloser Kündigung des Vertragsverhältnisses ausgeschlossenen, weil ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund nicht gegeben war. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf die - anlässlich der Finanzkontrolle festgestellte - nicht tägliche Einzahlung der Agenturgelder, d.h. der im Eigentum der Beklagten stehenden, vom Kläger treuhänderisch zu verwahrenden Einnahmen aus Agenturgeschäften, gestützt hat, stellt das monierte Verhalten des Klägers keine zur fristlosen Kündigung berechtigende Verletzung vertraglicher Treuepflichten dar.

Zwar ist unstreitig, dass der Kläger in einem von der Beklagten - willkürlich gewählten - Zeitraum vom 22.05 (genauer 23.05) bis zum 27.05.2001 deutlich weniger auf das Sonderkonto eingezahlt hat, als er in genau diesem Zeitraum an Agenturgeldern eingenommen hat. Dies gilt auch dann, wenn man die Stationskartenumsätze außen vor lässt, so dass letztlich dahinstehen kann, ob die Klausel im Vertrag, die den Kläger zur Vorfinanzierung dieser Geschäfte verpflichtete wirksam ist, was jedoch aus den vom Landgericht zutreffend ausgeführten Gründen nicht der Fall sein dürfte. Eine zur außerordentlichen Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung ("wegen einer Unregelmäßigkeit bei der Abführung von vereinnahmten Agenturgeldern") stellt dieses Verhalten jedoch nur dann dar, wenn der Kläger vertraglich überhaupt zur täglichen Einzahlung exakt der Beträge verpflichtet war, die er für die Beklagte an eben diesem Tag als Agenturerlöse auch eingenommen hatte. Diese Verpflichtung lässt sich jedoch weder den Vertragsvereinbarungen der Parteien entnehmen, noch entsprach sie der einvernehmlichen Handhabung während der Vertragslaufzeit. Abschnitt V Nr. 3 des Pachtvertrages sieht hinsichtlich der mit dem Empfang des Verwalters in das Eigentum von ... übergehenden Verkaufserlöse vor, dass diese gesondert zu verwahren und "sofort" auf ein gesondertes Agenturbankkonto des Verwalters einzuzahlen seien. Dafür, dass "sofort" - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - , nicht täglich, sondern unverzüglich im Sinne des § 121 BGB bedeutet, spricht bereits Abschnitt V Nr. 4 des Vertrages, der - unbeschadet der Verpflichtung aus Nr. 3 die Beklagte berechtigt, für bereits vom Verwalter vereinnahmte aber noch nicht abgeführte Erlöse Abschlagszahlungen zu fordern und diese täglich einzuziehen. Diese Regelung aber macht nur Sinn, wenn der Verwalter eben nicht zur täglichen Abführung der erzielten Erlöse verpflichtet ist. Erst am Ende des Monats soll dann eine Abrechnung erteilt und ausgeglichen werden ( vgl. Nr. 4 letzter Satz).

Nichts anderes ergibt sich aus der Vereinbarung über die Errichtung eines Sonderkontos ( K 44 ). Soweit in dieser dreiseitigen Vereinbarung mit der Bank geregelt ist, dass der Verwalter "tägliche Einzahlungen der ... Treib- und Schmierstofferlöse" vornehmen werde, verpflichtet auch diese Regelung den Verwalter nicht zur tagtäglichen Einzahlung in Höhe des an diesem Tag erzielten Erlöses. Zum einen ist die auch gegenüber der Bank gewählte Formulierung "täglich" im Sinne von "werktäglich" zu verstehen, da die Banken bekanntlich an Samstagen, Sonn- und Feiertagen geschlossen haben und Bareinzahlungen nicht entgegennehmen. Zum anderen ist diese "Klausel" aus der Sicht des Verwalters in Übereinstimmung mit der pachtvertraglichen Regelung dahingehend zu verstehen, dass eine regelmäßige möglichst zeitnahe Einzahlung zur Deckung der Ansprüche von ... aus dem Verkauf der ... Produkte im Namen und für Rechnung der ... gemeint ist.

Zudem hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass während der gesamten Vertragslaufzeit nicht der genaue Betrag der am Tag vereinnahmten Agenturgelder, sondern gerundete Beträge aller eingenommenen Barbeträge des Tages bzw Vortages - d.h. sowohl die treuhänderisch zu verwahrenden Einnahmen der Beklagten als auch die Eigeneinnahmen - eingezahlt worden seien, was die Beklagte nie beanstandet habe ( solange nur insgesamt genug Geld auf dem Sonderkonto war ) und was auch in der Branche so üblich sei.

Besteht demnach keine vertragliche Verpflichtung des Klägers die Agentureinnahmen des Tages an diesem Tag einzuzahlen, sondern erlaubt der Vertrag vielmehr - insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit Feiertagen und Wochenenden - eine nachträgliche Einzahlung von Agenturgeldern, stellen die damit verbundenen "Unregelmäßigkeiten" keinen schwerwiegenden Vertragsverstoß dar. Soweit die Beklagte geltend macht, das Landgericht selber habe festgestellt, dass der Kläger zumindest an drei Tagen die Agenturgelder hätte einzahlen können und müssen, missversteht sie die Ausführungen des Landgerichtes, welches festgestellt hat, dass an drei von vier Tagen, an denen der Kläger unstreitig nichts eingezahlt hat, entweder ein Feiertag (24.05.2001) oder ein Wochenende ( 26. und 27.05.2001) war, so dass der Kläger nach der zutreffend ausgelegten Regelung des Pachtvertrages an diesen Tagen nicht zur Einzahlung verpflichtet war. Zu Unrecht rügt die Beklagte, dass der Kläger die vereinnahmten Agenturgelder auch in den Folgetagen nicht eingezahlt habe. Denn ausweislich der vom Kläger überreichten Kontoauszüge hat der Kläger nicht nur am 22.05.2001, d.h. unmittelbar vor dem von der Beklagten gewählten Betrachtungszeitraum, sondern auch am 29.05.2001 Einzahlungen getätigt, die jedenfalls die Soll-Beträge aus den Agenturgeschäften insgesamt überstiegen. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, bei diesen Einzahlungen handele es sich nicht um Agenturerlöse, diese Einzahlungen seien vielmehr auf andere Verpflichtungen des Klägers, wie Pachtzahlungen etc. geleistet worden. Denn eine solche Tilgungsbestimmung hat der Kläger nicht getroffen und ist auch der Höhe der Beträge nicht zu entnehmen. Auf die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte vertraglich berechtigt war, vom Sonderkonto auch die vom Kläger zu zahlende Pacht abzubuchen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Haben die Parteien das Sonderkonto also wie vorliegend einvernehmlich in Form eines Kontokorrentkontos geführt, auf das sowohl Agenturgelder der Beklagten als auch Pachtzahlungen des Klägers flossen und bestand auch weder die vertragliche Verpflichtung noch die übliche Handhabung darin, täglich exakt die Beträge einzuzahlen, die nach ihrer Einnahme als Agenturgelder treuhänderisch für die Beklagte verwahrt wurden, reicht allein die Darlegung, dass in einem eng abgegrenzten und willkürlich gewählten Zeitraum von 6 Tagen - welcher zudem zwei Wochenendtage und einen Feiertag mitumfassten - höhere Einnahmen als Einzahlungen erfolgt sind, nicht aus, um hierauf eine fristlose Kündigung wegen zu vertretender Unregelmäßigkeiten bei der Abführung von Agenturerlösen zu stützen. Da - wie dargelegt - davon auszugehen ist, dass für eine unverzügliche Einzahlung im Sinne der Vertragsvereinbarungen auch die Einzahlung nach einem Wochenende oder Feiertag ausreicht, kann man dem Kläger höchstens hinsichtlich eines Tages, nämlich hinsichtlich des 23.05.2001 vorwerfen, keine Einzahlung getätigt zu haben. Vor dem Hintergrund der von den Parteien bis dahin gehandhabten Einzahlungspraxis rechtfertigt dies jedoch nicht die Annahme eines nicht hinnehmbaren Treuebruches.

II.

Der Berechnung des Ausgleichsanspruch ist nach § 89b HGB die letzte Jahresprovision im Kraftstoff- und Schmierstoffgeschäft zugrunde zu legen und davon nur der Teil zu berücksichtigen, den der Kläger als Tankstellenhalter für Umsätze mit von ihm geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht (vgl. zuletzt BGH, Urt. vom 12.09.2007, VIII ZR 194/06, juris Rz. 21).

1.

Jedenfalls im konkreten Fall ist dem Landgericht darin zu folgen, dass der auf Stammkunden entfallende Umsatzanteil auf der Grundlage der Ergebnisse der sog. MAfO- Studie nach § 287 Abs. 2 ZPO auf 58,40% der Provision des letzten Vertragsjahres geschätzt werden kann. Wegen der für den Tankstellenpächter schwierigen Ausgangssituation hat der Bundesgerichtshof eine Schätzung des Stammkundenumsatzanteils einer Selbstbedienungs-Tankstelle bereits wiederholt für zulässig erachtet (vgl. NJW-RR 2003, 1340, 1341 mwN). Zudem hat er die Schätzung des Stammkundenumsatzanteils dadurch erleichtert, dass er hierfür auch die Verwendung statistischen Materials gebilligt hat, wozu auch die Ergebnisse der MafO-Studie gehören. Inwieweit für die Zukunft wegen der fortschreitenden elektronischen Erfassung der Zahlungsvorgänge die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine fallbezogene Schätzung des Stammkundenanteils an der bestimmten Tankstelle zu fordern ist, kann dahinstehen, da es vorliegend um die Beurteilung eines bereits im Jahre 2001 abgeschlossenen Zeitraumes geht und eine elektronische Erfassung der Daten vorliegend unstreitig nicht stattgefunden hat.

2.

Die Parteien haben keine Vereinbarung darüber getroffen, mit welchem Anteil der dem Kläger gezahlten Provision "werbende" Tätigkeiten des Kläger einerseits und darüber hinausgehende, nicht-werbende ("verwaltende") Tätigkeiten andererseits vergütet werden. Entsprechend dem Vorbringen des Klägers im Senatstermin ist seine mit Stammkunden erzielte Jahresprovision um 6 % für in ihr enthaltene handelsvertreteruntypische Verwaltungskosten zu kürzen. Für einen höheren Kürzungsbetrag hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte nichts dargetan. Die Behauptung der Beklagten, es würden grundsätzlich 10% als Abzug zugrunde gelegt, trifft in dieser Allgemeinheit jedenfalls nicht zu. In der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes ( WM 2003,499,503) ist lediglich ausgeführt, mehr als die vom Pächter zugestandenen 10% seien mangels konkreterer Darlegung der Gegenseite nicht in Abzug zu bringen.

3.

Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass unter Billigkeitsgesichtspunkten ein Abschlag in Höhe von geschätzten 10% für die sogenannte "Sogwirkung der Marke" vorzunehmen ist.

4.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die von der Beklagten nicht angegriffene und auf Erfahrungswerten basierende Annahme einer Abwanderungsquote von 20% bei einem Prognosezeitraum von 4 Jahren, woraus sich ein Gesamtprovisionsverlust von 200 % (80% +60% + 40% + 20%) ergibt.

5.

Die erforderliche Abzinsung nimmt auch der Senat in ständiger Rechtsprechung nach der so genannten Hoffmann'schen Formel (BGH NJW 1991, 3274, 3275) vor. Danach errechnet sich der Abzinsungsbetrag wie folgt:

Abzinsungsbetrag = 100 x Ausgleichsbetrag

100 + (Zinssatz x Abzinsungszeitraum)

Dabei ist von einem Abzinsungszeitraum von vier Jahren und einem Anlagezins von 5 % auszugehen.

Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich für den dem Kläger zustehenden Ausgleich folgende Berechnung:

Letzte Nettojahresprovision: 67.482,86 DM

- 6 % Verwaltungsanteil

= 63.433,89 DM davon 58,4 % Stammkundenprovisionsanteil

= 37.045,39 DM x 200 % Verlustprognose

= 74.090,78 DM

abzüglich 10% Abschlag Sogwirkung

= 66.681,70 DM abgezinst über 4 Jahre mit 5 % nach der Hoffmannschen Formel

= 55.568,08 DM

= 28.411,51 € zzgl. 16 % MwSt

= 32.957,35 €

Gründe für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen sind nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.

II.

Der zuerkannte Zinsanspruch resultiert aus § 353 HGB in Höhe von 5% seit dem 26. Juni 2001 und der darüberhinausgehende Zinsanspruch aus §§ 288, 286 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.

Ende der Entscheidung

Zurück