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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 07.09.2009
Aktenzeichen: I-16 U 62/08
Rechtsgebiete: BGB, GWG, HGB


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 305 ff
BGB § 306 Abs. 3
BGB § 308
BGB § 309
BGB § 310 Abs. 1 S. 1
BGB § 307
GWB § 20
HGB § 89
HGB § 89b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe für ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14.03.2008 zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, so dass ihr Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen ist.

Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Feststellungsklage ist die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis richtig. Der zwischen den Parteien unter dem 6.06./12.07.2005 geschlossene Franchisevertrag ist unter keinem Gesichtspunkt unwirksam.

a) Zu Recht - und von der Berufung auch nicht angegriffen - hat das Landgericht erkannt, dass aus der vertraglichen Bezugsbindung keine Nichtigkeit aus § 134 BGB in Verbindung mit wettbewerbsrechtlichen Vorschriften folgt. Selbst eine - hier noch nicht erreichte - 100%ige Alleinbezugsverpflichtung eines Franchisenehmers der Beklagten wäre weder als Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (Art. 81 EGVertr.) noch als unbillige Behinderung i.S.d. § 20 GWB anzusehen (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 11.11.2008 - KVR 17/08, NJW 2009, 1753-1756, "Bau und Hobby").

b) Franchise- und Untermietvertrag sind auch nicht wegen sittenwidriger Knebelung (§ 138 Abs. 1 BGB, unten aa)) oder wegen Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB, unten bb)) nichtig.

aa) Eine sittenwidrige Knebelung wird bei Franchiseverträgen insbesondere dann bejaht, wenn der Franchisenehmer annähernd vollkommen dem Willen des Franchisegebers unterworfen und faktisch zum Angestellten im eigenen Betrieb wird; weiter wird auf eine einseitige Risikoverteilung abgestellt (vgl. etwa OLG Hamm, Urt. v. 13.03.2000 - 8 U 113/99, NZG 2000, 1169, 1170 f., OLG München, Urt. v. 26.06.2002 - 7 U 5730/01, BB 2002, 2521ff). Indiz dafür können Weisungs- und Zustimmungsrechte des Franchisegebers sowie deren Umfang sein. Weiter kann eine Anzahl einseitig belastender Klauseln im Vertragswerk, die einer Inhaltskontrolle nach dem AGBG bzw. den §§ 305 ff BGB nicht standhalten, den Franchisevertrag bei der gebotenen Gesamtschau als sittenwidrig erscheinen lassen. Allerdings ist bei der anlässlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 138 ZPO stets vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, dass gewisse Weisungsrechte und Kontrollbefugnisse für ein Franchiseverhältnis typisch und notwendig sind, um auch im Interesse des Franchisenehmers die Einhaltung der systemtypischen Qualitätsstandards zu gewährleisten und die korrekte Anwendung des vom Franchisegeber zur Verfügung gestellten Know-How sicherzustellen (OLG Oldenburg, Urt. v. 10.05.2007 - 8 U 206/06, OLGR Oldenburg 2008, 24-27 = - juris - m.w.N.).

Die unter dieser Prämisse vorgenommene Gesamtschau führt zu der Feststellung, dass zunächst eine auffällige Vielzahl einseitig belastender Klauseln, die den Anforderungen der Inhaltskontrolle nicht standhielten, nicht erkennbar ist (1). Wohl erscheinen die der Beklagten eingeräumten Weisungs- und Zustimmungsrechte, Eingriffs- und Kontrollbefugnisse weitgehend und engen den dem Franchisenehmer bzw. hier der Klägerin noch verbleibenden unternehmerischen Spielraum sehr stark ein (2), andererseits sind die aus dem Vertrag herzuleitenden Verpflichtungen der Beklagten aber ebenfalls von einigem Gewicht, belassen dementsprechend auch bei dieser ein unternehmerisches Risiko (3), was unter Berücksichtigung der Franchise-typischen Interessenlage beider Vertragspartner und beiderseitiger Risiken und Chancen vorliegend die Bewertung rechtfertigt, dass von einer zur Nichtigkeit führenden Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht die Rede sein kann (4).

(1) Die vertraglichen Bestimmungen sind jedenfalls in den wesentlichen Regelungspunkten nicht solcher Natur, dass sie den Anforderungen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305ff. BGB nicht standhielten. Eine Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB steht damit nicht in Rede.

(a) Hier dürfte bereits die Auffassung des Landgerichts zur Unwirksamkeit des Preisänderungsvorbehalts in § 4 Ziffer 2 des Vertrages unzutreffend sein. Die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung betrifft sämtlich Fallgestaltungen, in denen solche Klauseln gegenüber Verbrauchern verwendet werden; da die Klägerin aber zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung im Jahre 2005 als selbständige Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB in Ausübung ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit handelte und daher auch - neben der Nichtgeltung der §§ 308 und 309 BGB gem. § 310 Abs. 1 S.1 BGB - der Maßstab der Klauselkontrolle danach auszurichten ist, können die dort skizzierten Grundsätze nicht ohne weiteres übertragen werden. Vielmehr können im Handelsverkehr Preiserhöhungsklauseln auch dann zulässig sein, wenn die Erhöhungskriterien nicht angegeben sind und dem Kunden für den Fall einer erheblichen Preissteigerung kein Lösungsrecht eingeräumt ist, sofern seine Interessen in anderer Weise ausreichend gewahrt werden (BGH Urt. v. 27.09.1984 - X ZR 12/84, BGHZ 92, 203; Urt. v. 16.01.1985 - VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 256ff.). Für die Zulässigkeit einer solchen Klausel kann z.B. sprechen, dass die Parteien im Wesentlichen gleichgerichtete Interessen vertreten (BGHZ 93, 259). So aber liegt der Fall hier - es muss nach wie vor unterstellt werden, dass die Beklagte als Franchisegeberin auch den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Franchisenehmer anstrebt, anderenfalls binnen kurzem auch ihr Geschäft am Boden liegen würde. Daher sind willkürliche und unangemessene Preiserhöhungen nicht zu befürchten. Weiterhin ist zu beachten, dass die Klausel in § 4 Ziffer 2 ohnehin bereits einen dynamischen Bezug mit der Verweisung auf die "jeweils aktuelle" Preisliste aufweist, so dass es auch - wiederum in Abgrenzung zu einigen der vom Landgericht vergleichsweise herangezogenen Fallkonstellationen bzw. Entscheidungen - kein anfängliches "Vertrauen" in einen bestimmten Preis gibt, welches eine spätere Änderung enttäuschen könnte. Auf der anderen Seite ist bei diesem Dauerlieferungsvertrag eine Anpassungsklausel für den Lieferanten bereits aus der Natur der Sache heraus vonnöten. Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt im Ergebnis also nicht vor, da eine unangemessene Benachteiligung weder festzustellen noch zu befürchten ist.

(b) Die weitgehende Bezugsverpflichtung, die für fast das ganze Sortiment eine Alleinbezugsverpflichtung ist, ist für das Franchising nahezu charakteristisch, sie stellt weder eine wettbewerbsrechtlich noch sonst unbillige Regelung dar (vgl. etwa oben zu a), BGH, Beschl. v. 11.11.2008 - KVR 17/08, NJW 2009, 1753-1756, "Bau und Hobby".) Dies gilt auch bei gleichzeitigem Ausschluss der Erstattung ggf. erhaltener Rückvergütung, wie sie in § 2 Ziffer 4 des Vertrages festgeschrieben ist (BGH a.a.O.)

(c) Die auch von der Klägerin angesprochene Kündigungsregelung in § 18 des Vertrages ist ebenfalls nicht gem. § 307 BGB unwirksam. Die Regelung zur Bestimmung der ordentlichen Kündigungsfristen in § 18 Ziffer 3 stellt keine unangemessene Benachteiligung dar. Zunächst gibt es kein gesetzliches Leitbild speziell für den Franchisevertrag, bedingt vergleichbar ist aber die Handelsvertretertätigkeit und dafür § 89 HGB, der so auch für den Fall umfassender Eingliederung des Franchisenehmers in den Vertrieb des Franchisegebers entsprechend herangezogen wird (Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 581, Rz. 28, BGH NJW-RR 2002, 1554). § 18 Ziffer 3 des Vertrages ist demgegenüber sogar großzügiger. Weil die Klägerin für den Geschäftsbetrieb hier infolge der Gestellung von Ladenlokal, Einrichtung und Lieferlogistik keine größeren selbstständigen Investitionen tätigen musste, ist auch nicht im Hinblick darauf eine längere Kündigungsfrist geboten, wie sie etwa bei Vertragshändlern in Betracht kommt (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 21.02.1995 - KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260: 1 Jahr.)

Das Recht zur außerordentlichen bzw. fristlosen Kündigung wird gem. § 18 Ziffer 4 ausdrücklich an das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach Maßgabe der § 314 und § 313 Abs. 3 BGB geknüpft und entspricht damit dem gesetzlichen Regelfall.

(d) Die in § 14 des Vertrages teilweise, insbesondere in Ziffer 3 vorgenommene Haftungsbeschränkung des Franchisegebers auf Fälle vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung begegnet keinen Bedenken; die - nicht abdingbare (Palandt-Grüneberg § 309 Rz. 48, zuletzt BGH, Urt. v. 19.09.2007 - VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774 m.w.N.) - Haftung für einfache Fahrlässigkeit in Fällen der Verletzung von "Kardinalpflichten" wird ausdrücklich eingeräumt. Soweit am Ende der Ziffer 3 weitere Ausschlüsse vorgenommen werden (keine Haftung für Fahrlässigkeit bei nicht vertragswesentlichen Pflichten, kein Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn), treten diese zurück hinter dem zuvor ausdrücklich erklärten Vorrang der erklärten Haftung im ersten Absatz der Ziffer 3 ("Der Franchisegeber haftet unberührt von den nachfolgenden Haftungsbeschränkungen nach den gesetzlichen Vorschriften....").

(e) Bedenken könnten sich noch etwa in Ansehung der Abschlagszahlungsregelung per Lastschriftverfahren ergeben, weil dadurch die Klägerin ggf. zur Kreditierung tatsächlich nicht vereinnahmter Erlöse "gezwungen" werden könnte. Indes dürfte dies wegen der kurzen Abrechnungsintervalle (Dekaden) nicht zu nennenswerten Beeinträchtigungen führen. Insofern liegt der Fall hier anders als der vom BGH, Urt. v. 08.11.2005 - KZR 18/04, NJW-RR 2006, 339, zur Abbuchung von Verkaufserlösen, die der Tankstellenpächter noch nicht vereinnahmt hat, entschiedene; hier spielten insbesondere die Möglichkeit auch größerer Beträge und längerer Kreditierungszeiträume infolge eines geübten "Stationskredits" und möglicher Wegfahrdiebstähle die entscheidende Rolle bei der Annahme der Unwirksamkeit einer solchen Klausel.

(f) Die Regelungen über Vertragsstrafe (§ 17) sowie über Geheimhaltungsverpflichtung (§ 15) und Wettbewerbsverbot während der Vertragsdauer (§ 16) begegnen im unternehmerischen Verkehr keinen Bedenken.

(g) Gleiches gilt für die Bestimmung der Pflichten bei Beendigung des Vertrages, § 19 des Vertrages. Auch der in Ziffer 3 vorgesehene pauschalierte Schadensersatz für die nicht rechtzeitige Rückgabe des Backshops in Höhe von 500,- € pro Tag dürfte angesichts einer vereinbarten Pachtgebühr von 11.127 € netto noch nicht als unbillig angesehen werden.

(h) Ein - ggf. unbilliger - Ausschluss eines - bei der konkreten Gestaltung des Vertragsverhältnisses durchaus nach § 89b HGB analog denkbaren - Ausgleichsanspruchs findet sich in den Klauseln nicht.

(i) Die weiteren vertraglichen Abreden sind, soweit sie wesentliche Punkte betreffen, bereits Gegenstand der originären "Preis-Leistungs-Vereinbarung", stellen keine Abweichungen oder Ergänzung von vorgegebenen Rechtsvorschriften dar und unterfallen daher der Inhaltskontrolle nur mit Blick auf das Transparenzgebot, § 307 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 2 BGB. Verstöße hiergegen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist dem Landgericht beizutreten, soweit es die Bestimmungen über die Zahlungsverpflichtungen in § 4, sorgfältiges Studium des Textes vorausgesetzt, für verständlich und nachvollziehbar ansieht. Ebenso sind überraschende Klauseln i.S.d. § 305c BGB nicht vorhanden.

(2) Neben der Verpflichtung zur Zahlung von Pacht- und sonstigen Gebühren weist der Vertrag vielfältige die Klägerin bindende Regelungen auf, die tatsächlich nur einen geringen unternehmerischen Rest-Spielraum erkennen lassen. Insbesondere das eigentliche Kernelement einer auf Gewinnerzielung gerichteten Backshop-Bewirtschaftung, nämlich der selbständige und tatsächliche Verkauf, kann nur in engem Rahmen von der Klägerin selbst bestimmt werden. So ist das mögliche Angebots-Sortiment nahezu vollständig vorgeschrieben; die Ausnahmen des in § 3 des Vertrages niedergelegten Snack-Konzeptes (Wahlmöglichkeit aus dem 8 Variationen umfassenden Wahlsortiment, die Möglichkeit zur Schaffung zweier Eigenkreationen bzw. "Partner-Ideen" bei belegten Brötchen) können hier durchaus als unbeachtlich angesehen werden. Gleiches gilt für den nicht vorab reglementierten Verkauf nichtalkoholischer Kaltgetränke, der ebenso wenig unternehmerischen Spielraum verheißt. Zu weiteren Angeboten, etwa die Erweiterung des Sortiments auf andere Handelswaren (Süßigkeiten/Zeitungen), ist die Klägerin nicht berechtigt, außer im Falle der schriftlichen Einwilligung der Beklagten, § 2 Ziffer 1. Dieses festgeschriebene Sortiment geht einher mit einer nahezu umfassenden und vor allem preisgebundenen (§ 2 Ziffer 1, § 4 Ziffer 2) Bezugsverpflichtung, die sich nicht nur auf die Backwaren selbst, sondern ebenso auf weitere zur Weiterverarbeitung ("Veredelung"= Herstellung von belegten Brötchen) benötigte Rohstoffe sowie annähernd sämtliche Verbrauchs- und Verpackungsmaterialien (§ 2 Ziffer 1 und 2) und Gebrauchsartikel wie etwa Geschirr (§ 10 Ziffer 5) bezieht. Auch die noch formal der Klägerin verbliebene freigestellte Preisgestaltung (sogar noch mit Ausnahme der Möglichkeit der Festsetzung von Höchstverkaufspreisen durch die Beklagte, § 12 Ziffer 2!) gewährt dieser keinen nennenswerten gestalterischen Spielraum. Die für die Klägerin maßgeblichen Einkaufspreise für die allein von der Beklagten zu beziehenden Waren machen bereits einen bestimmten und nicht zu geringen Anteil der von der Beklagten vorgegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen aus und bieten daher faktisch nur sehr beschränkte Möglichkeiten der Preisgestaltung.

Der Verkauf kann sodann auch nicht durch eigenes Marketing der Klägerin beeinflusst werden, dies hat sich die Beklagte vorbehalten (§ 12 Ziffer 1). Ebenso sind die Öffnungszeiten mindestens während der ortsüblichen- und branchenspezifischen Öffnungszeiten vorgeschrieben, § 8 Ziffer 1.

Was der Klägerin als Franchisenehmerin beim eigentlichen Kerngeschäft hier an Gestaltungsfreiheit verbleibt, beschränkt sich letztlich im Wesentlichen auf die Bestimmung der jeweiligen Bestellmengen. Dies ist in der Tat kein Merkmal selbstständiger Verkaufstätigkeit, sondern könnte ebenso gut in fester Anstellung erfolgen.

Als weiterer Kernbereich selbstständigen unternehmerischen Handelns unterliegen nach dem Vertrag selbst Buchhaltung, Kassenführung und Zahlungsverkehr einigen Reglementierungen durch die Beklagte. Nach § 8 Ziffer 6-8 des Vertrages ist die Beklagte an die Vorgaben der Beklagten zur betriebswirtschaftlichen Auswertung gebunden und hat dieser auf Anforderung die aktuelle BWA sowie die Summen- und Saldenlisten vorzulegen. Durch die Regelung in § 6 Ziffern 4 und 5, in dem zunächst Abschlagszahlungen des Franchisenehmers auf die Dekaden- und Monatsabrechnungen vereinbart sind und insbesondere der Franchisegeber eigenständig "zu Lasten des Kontos des Franchisenehmers monatlich bis zu neun à-conto-Bankabrufe veranlassen" kann, büßt der Franchisenehmer teilweise die Herrschaft über seinen Zahlungsverkehr ein.

Dass die Einrichtung des Ladenlokals vorgegeben ist und Änderungen wie Reparaturen u.ä. auch grundsätzlich der Beklagten vorbehalten sind, § 10 des Vertrages, ist demgegenüber nicht als so gravierender Einschnitt in die selbstständige Tätigkeit zu bewerten, folgt dies doch zu einem großen Teil fast notwendig aus der Stellung des Franchisenehmers als Untermieter der Beklagten.

Der der Klägerin verbleibende unternehmerische Spielraum besteht daneben aber sicher noch in der sonstigen Wahrnehmung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen; neben dem mindestens zu beschäftigenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer konnte sie insbesondere weitere Kräfte nach eigenem Ermessen einstellen und einsetzen, auch konnte sie etwa frei disponieren, wie viele Fahrzeuge etc. pp. sie betrieblich einsetzen wollte.

(3) Dieser straffen Einbindung der Klägerin, die in der Praxis aber grundsätzlich regelmäßiges Kennzeichen eines Franchiseverhältnisses ist (vgl. Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 581 Rz. 23), stehen jedoch Verpflichtungen der Beklagten von bedeutendem Gewicht gegenüber, die der Klägerin zu Gute kommen. Insbesondere stellen sie insofern einen Ausgleich für die hinzunehmenden Beschränkungen der unternehmerischen Handlungsfreiheit dar, als sie dem Franchisenehmer nicht unbeträchtliche organisatorische Schwierigkeiten beim Betrieb und finanzielle Belastungen abnehmen bzw. ersparen.

Dies beginnt mit der Zurverfügungstellung eines komplett eingerichteten Geschäftslokals (§ 1 Ziffer 2). Die Kosten für Erhaltung, Erneuerung und den Unterhalt der Ladeneinrichtung trägt die Beklagte ebenso wie die Miete und die gesamten Energiekosten, § 10 Ziffer 3. Mit Wirkung zugunsten des Franchisenehmers hat die Beklagte auch eine Sach- und Betriebsunterbrechungs- sowie eine Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung abgeschlossen, § 14 Ziffer 7. Es kommen hinzu die systemtypischen Leistungen, also die Einräumung der Nutzung an Marke, Namen und Logo (§ 12 Ziffer 1), das "Know-How" (§ 11 Ziffer 1) samt fortlaufender Beratung (§ 13 Ziffer 1). Ebenso notwendig die sich spiegelbildlich aus der Quasi-Alleinbezugsverpflichtung ergebende Belieferungspflicht mit Sortimentsgarantie, die aber zudem für jeden verkaufsoffenen Werktag gilt (§ 2 Ziffer 6). Für den Geschäftsbetrieb des Franchisenehmers ebenso ein nicht unwichtiger Punkt ist die Retourenmöglichkeit für nicht verkaufte Ware mit Freibeträgen und ansonsten nur anteiliger Rückvergütungspflicht (§ 5).

Zu Recht hat das Landgericht daher auch auf Seiten der Beklagten ein unternehmerisches Risiko angenommen. Die Beklagte hat nicht nur wegen der Investitionen in das Ladenlokal und die Einrichtung, der übernommenen laufenden Kosten, der Kosten für die zugesagte Beratung, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die zu gewährleistende Lieferlogistik ein beträchtliches, insbesondere fortlaufendes Amortisationsrisiko. Dabei muss hier nicht einmal Berücksichtigung finden, dass auch die überwiegend eigene Herstellung der Produkte durch die Beklagte nicht unwesentlich durch den Verkauf an die und also auch in den Shops finanziert werden muss. Hier wird bereits, ohne dass ein umfänglicheres Rechenwerk vonnöten wäre, erkennbar, dass die von der Klägerin zu zahlenden Pacht- und Systemgebühren nicht ausreichen können, um die Beklagte finanziell risikolos zu stellen. Dies mag allein noch für die von der Beklagten selbst zu zahlende Pacht (Bl. 265: anfänglich netto 14.477,72 €) zutreffen, die durch den in Ziffer 4 des Vertrages vorgesehenen Mindestbetrag (netto 11.127,- €) zuzüglich der Franchisegebühr von 5% und der Gebühr auf sonstige Umsätze in Höhe von 10% regelmäßig abgedeckt werden dürfte; die sonstigen Investitions- und (Groß-)betriebskosten, wie dargestellt, können sich erst bei zusätzlich florierendem Ladengeschäft rechnen. Es ist fast müßig, solches festzustellen - wenn die Backshops nicht laufen, die Franchisenehmer den Betrieb aufgeben müssen, bedeutet das auch das Ende des Geschäftsmodells der Beklagten, ihrer Einnahmequellen und damit den Verlust.

Diese verbleibenden finanziellen Risiken können daher auch nicht mit der Erwägung der Klägerin negiert werden, dass die Beklagte deshalb kein Risiko hätte, weil sie immer sofort einen Nachfolger für einen gescheiterten Franchisenehmer finden würde; unabhängig von dem dargestellten Umstand, dass allein der bloße Ladenbetrieb nicht bereits durch die Mindestpacht sämtliche Risiken der Beklagten aufzufangen vermag, wird auch ein Nachfolger spätestens dann nicht mehr ohne weiteres zu finden sein, wenn ein Laden (oder gar die Marke) erst einmal heruntergewirtschaftet ist.

(4) Die Annahme einer Sittenwidrigkeit ist vor diesem Hintergrund fernliegend. Es liegt eine nahezu klassische, straffe Franchisekonstellation vor, die allerdings nicht einer Knebelung gleichkommt. Die kaufmännischen Selbstbestimmungsrechte des Franchisenehmers sind zwar in hohem Maße beschnitten, er hat aber diesen unternehmerischen Spielraum aufgegeben, um auch sein eigenes unternehmerisches Risiko begrenzt zu halten. Ohne nennenswerte Anfangsinvestitionen kann der Franchisenehmer ggf. einen bereits eingeführten Betrieb übernehmen, muss sich weder um Sortiment noch Organisation des Einkaufs, Anlieferung pp. Gedanken machen. Eine einseitige Übervorteilung des Franchisenehmers ist schon vom Grundansatz her weder zu konstatieren noch zu befürchten; die Umsatzbeteiligung des Franchisegebers und dessen Interesse an dem Fortbestand seiner Marke und damit seines Geschäftsmodells führen notwendigerweise dazu, dass die Interessen beider Vertragsparteien gleichgerichtet auf den Erfolg des jeweiligen Shops zielen. Auf der anderen Seite ist die enge Anbindung des Franchisenehmers in den meisten Punkten notwendig für die Idee des Franchising selbst, nämlich den weitgehenden Wiedererkennungswert der Marke, der zugleich mit der Vorstellung eines bestimmten Qualitätsniveaus und einer jedenfalls ähnlichen Atmosphäre in den verschiedenen Läden einhergeht. Dies gilt ganz deutlich für die Bezugsverpflichtung, die Sortimentvorgabe, die einheitliche Ausgestaltung der Ladenlokale, der Mitarbeiter, des Geschirrs, der Verbrauchsmaterialien. Auch ein ähnliches Preisniveau ist mehr oder weniger vonnöten, so dass die Vorgabe von UVPs sowie ggf. die Befugnis von Höchstverkaufspreisen gerechtfertigt ist. Die Vorgaben für die Ausgestaltung der Buchhaltung wären dafür hingegen nicht notwendig; sie werden in der Tat begründet durch das Interesse der Beklagten an einer möglichst effizienten Abwicklung der Abrechnungen in ihrem Gesamtsystem. Aber auch das ist schließlich ein legitimes - jedenfalls kann dieser Aspekt nicht dazu führen, dass der Vertrag im Ganzen als nichtig anzusehen wäre.

bb) Nach alledem liegen auch die Voraussetzungen eines ebenfalls zur Nichtigkeit führenden wucherähnlichen Geschäfts i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB ebenso wenig vor. Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und zudem der erforderliche subjektive Tatbestand sind nicht zu erkennen.

(1) Nach den obigen Ausführungen liegt schon gar kein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor, erst recht kein "auffälliges" im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB. Den sicher nicht gering zu bezeichnenden monatlichen Gebühren - die allerdings auch zu einem großen Teil die Pacht für das 180m² große Ladenlokal abgalten - stand der Nutzen des eingeführten und erprobten "Systems" gegenüber, welcher der Klägerin insbesondere die Rahmenbedingungen einer selbständigen Tätigkeit ohne beträchtliche Anfangs- und auch laufende Investition ermöglichte. Die festgeschriebene Umsatzbeteiligung der Beklagten bedeutete zwar für diese eine von der Gewinnerzielung durch die Klägerin unabhängige Einnahmequelle, war allerdings auch für deren Investitionsamortisation notwendig.

Durch die notwendigerweise gleichgerichtet auf Umsatzerhöhung gerichteten Interessen der Vertragsparteien ist der Vertrag im Ganzen auf den Erfolg beider angelegt; mit der Umsatzbeteiligung steigen die Einnahmen des Franchisegebers, bei normalem Geschäftsablauf und entsprechend vernünftiger wirtschaftlicher Gestaltung, etwa bei Personal und sonstigem Aufwand (Fahrzeuge), notwendigerweise auch der des Franchisenehmers. Die systemumsatzbezogenen Gebühren erreichen mit zusammen 22,49% des Systemumsatzes zwar bereits eine gewisse Höhe, aber bei weitem noch nicht die sich aus der Differenz von Bezugs- und Verkaufspreis - vgl. hierzu etwa Anlage K 7 - der Backwaren ergebenden Spanne von im Durchschnitt sicher etwa 50%. Berücksichtigt man, dass mit den Gebühren bereits Pacht-, Einrichtungs-, Versicherungs- und Energiekosten abgegolten sind, erscheint bei erster Betrachtung trotz weiterer daraus zu entrichtender Aufwendungen (etwa für Personalkosten) ein Spielraum für Gewinnerzielung zu verbleiben. Dies gilt ersichtlich noch in höherem Maße für den sonstigen Umsatz, der sich ja unter anderem durch den Ausschank von Kaffee usw. bestimmt und eine weitaus höhere Gewinnspanne belassen dürfte, die die von der Beklagten hier vereinnahmten 10% an Umsatzgebühren jedenfalls hinreichend deutlich übertrifft.

Soweit die Klägerin im Kern vorträgt, dass bei den Konditionen des Vertrages eine hinreichende Gewinnerzielung gar nicht möglich gewesen sei (dies würde in der Tat ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründen können, ohne dass daraus allerdings bereits eine entsprechende Kenntnis der Beklagten folgte), wird dies jedenfalls durch die vorgelegten Erlösrechnungen nicht hinreichend substanziiert. Diese weisen zunächst lediglich die Verhältnisse unter der konkreten Betriebsführung der Klägerin aus und enthalten zudem deutliche Schwankungen in Einzelpositionen, insbesondere bei den Kosten, aber keine objektivierbaren Merkmale für eine zwingende Unrentabilität des Betriebs. Die Modellrechnung der Klägerin über den Verkauf von Rosinenbrötchen kann hierzu auch nicht dienen. Eine substanziierte Darlegung der maßgeblichen Umstände am konkreten Standort und der weiteren konkreten Bedingungen, die - soweit überhaupt erheblich - hinreichende Grundlage für die Einholung eines Sachverständigengutachten über diese Frage bieten würden, liegt nicht vor.

(2) Ob seitens der Beklagten hinsichtlich der Vertragsänderung im Jahre 2005 eine Zwangslage der Klägerin ausgenutzt wurde, wie diese sie nach wie vor geltend macht, kommt es demnach schon nicht mehr an. Die Behauptungen der Klägerin können nicht zu der Annahme der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führen, welches sich ansonsten nicht als auffällig benachteiligend darstellt.

c) Soweit die Klägerin mit der Berufung geltend macht, dass das Landgericht einzelne Beweisangebote übergangen habe, dringt sie ebenfalls nicht durch. Diese betreffen sämtlich Umstände der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Solche können sich zwar durchaus als vertragswidrig darstellen, aber nicht Grundlage der Nichtigkeitsprüfung sein, die sich hier an dem im Vertrag festgelegten Austauschverhältnis orientieren muss.



Ende der Entscheidung

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