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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: I-16 W 109/06
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff.
HGB § 84 Abs. 1
HGB § 92a
HGB § 92a Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 3
ArbGG § 5 Abs. 3 Satz 1
GVG § 17a Abs. 3
GVG § 17a Abs. 4 Satz 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
ZPO § 571
ZPO § 572
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-16 W 109/06

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R..., den Richter am Oberlandesgericht F... und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. P... am 19.12.2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 7.700,-- € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin befasst sich mit der Beratung über Versicherungen, Vermögensanlagen und Finanzierungen aller Art sowie deren Vermittlung. Der Beklagte war für sie in der Zeit vom 1. Januar bis 23. November 2003 als Handelsvertreter tätig.

Grundlage der Tätigkeit des Beklagten für die Klägerin war zunächst ein am 4. Dezember 2001 mit Wirkung zum 1. Januar 2002 geschlossener so genannter Mitarbeitervertrag. Dieser wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2002 durch einen am 30. Januar 2002 geschlossenen so genannten Consultant-Vertrag ersetzt. Nach § 1 dieses Vertrages sollte der Beklagte als selbständiger Gewerbetreibender im Sinne von §§ 84 ff. HGB tätig sein und die Kunden der Klägerin beraten und ihnen MLP-Dienstleistungentungen sowie Finanzprodukte vermitteln. Dabei durfte er gemäß § 2 des Vertrages hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein und nur deren Dienstleistungen und von ihr freigegebene Finanzprodukte vermitteln. Für seine Tätigkeit sollte der Beklagte gemäß § 6 des Vertrages Provisionen und Honorare erhalten. Nach § 6 Ziffer 5 des Vertrages stellte die Klägerin dem Beklagten längstens drei Jahre einen monatlichen pauschalen Vorschuss auf die zu verdienenden Provisionen als zunächst zinsloses Darlehen zur Verfügung, um ihn bei der Existenzgründung finanziell zu unterstützen. Die Höhe des Vorschusses ist in dem "Consultant-Vertrag" - wie in dem ursprünglichen "Mitarbeitervertrag" - mit 2.800,-- € angegeben. Bei Vertragsabschluss war übersehen worden, dass der ursprüngliche "Mitarbeitervertrag" durch Vereinbarung vom 4. Dezember 2001 abgeändert und der bereits nach dem "Mitarbeitervertrag" zu zahlende monatliche Provisionsvorschuss mit Wirkung zum 1. Januar 2002 auf 3.600,-- € erhöht worden war. Letztere Vereinbarung sollte auch unter der Geltung des neuen Vertrages ihre Gültigkeit behalten. Die Rückführung des Darlehens sollte gemäß § 6 Ziffer 7 des "Consultant-Vertrages" durch Verrechnung mit den tatsächlich verdienten Provisionen erfolgen. Nach § 6 Ziffer 10 des Vertrages sollte der Beklagte im Falle seines Ausscheidens verpflichtet sein, 50 % eines noch bestehenden Provisionsvorschusssaldos zurückzuzahlen, während ihm die weiteren 50 % erlassen waren. Als Gegenleistung für diesen Erlass verzichtete der Beklagte nach § 6 Ziffer 11 des Vertrages auf 50 % seiner nach seinem Ausscheiden noch verdienten Provisionen. Wegen der weiteren Einzelheiten des so genannten Consultant-Vertrages wird auf die als Anlage K 2 zu den Akten gereichte Vertragsablichtung verwiesen.

Im Oktober 2002 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis zum 23. November 2002.

Der Beklagte erhielt für die Monate Januar bis September 2002 Provisionsvorschüsse in Höhe von insgesamt 32.400,-- €. Einen weiteren Vorschuss in Höhe von 3.600,-- € erhielt er im Oktober 2002. Außerdem erhielt der Beklagte noch von der Klägerin im Monat November 2002 3.591,49 €, im Monat Dezember 2002 3.539,04 € und im Monat Januar 2003 3.512,70 € ausgezahlt. Im Zeitraum Januar bis November 2002 verdiente der Beklagte nach den Angaben der Klägerin Provisionen in Höhe von insgesamt 11.039,60 €. In den letzten Monaten des Vertragsverhältnisses der Parteien verdiente er hierbei folgende Provisionen:

 Mai 2002 1.070,22 €
Juni 2002 1.005,42 €
Juli 2002 72,47 €
August 2002 533,80 €
September 2002 6.615,54 €
Oktober 2002 - 206,36 €.

Im November 2002 erwirtschaftete der Beklagte keine Provisionen.

Mit ihrer vor dem Landgericht Düsseldorf erhobenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten u a. die Rückzahlung der Provisionsvorschüsse, soweit diese nicht durch Verrechnung mit vom Beklagten verdienten Provisionen abgegolten oder von dem Erlass gemäß § 6 Ziffer 11 des Vertrages erfasst sind. Wegen der genauen Berechnung und Zusammensetzung der Klageforderung wird auf die Klageschrift vom 18. November 2005 (Bl. 5 ff GA) verwiesen.

Der Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit gerügt und geltend gemacht, er sei nicht selbständiger Handelsvertreter, sondern Arbeitnehmer der Klägerin gewesen. Jedenfalls sei aber nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.

Die Klägerin hingegen ist der Ansicht gewesen, dass der Beklagte selbständiger Handelsvertreter gewesen sei und auch eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nicht gegeben sei. Die Bezugsgrenze des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG sei überschritten, da der Beklagte während der letzten sechs Monate seiner Tätigkeit für sie durchschnittlich mehr als 1.000,-- € an Provisionen erwirtschaftet habe. In der Zeit von Mai bis Oktober 2002 habe der Kläger Provisionen in Höhe von insgesamt 9.091,09 € erwirtschaftet. Der Monatsdurchschnitt belaufe sich damit auf 1.515,18 €.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Zu Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte selbständiger Handelsvertreter und nicht Arbeitnehmer der Klägerin gewesen sei. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergebe sich auch nicht aus § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Nach dem Vortrag der Klägerin habe der Beklagte in den letzten sechs Monaten seiner Handelsvertretertätigkeit für die Klägerin Provisionen in Höhe von 9.091,09 € erwirtschaftet, was einem Monatsdurchschnitt von 1.515,18 € entspreche. Der Beklagte habe daher monatlich mehr als 1.000,-- € bezogen. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Beklagten diese Provisionen wegen der Verrechnung mit den Provisionsvorschüssen und anderen Forderungen nicht ausgezahlt worden seien. Entscheidend seien die unbedingt entstandenen Provisionsansprüche. Das gelte jedenfalls dann, wenn es nur deswegen nicht zur Auszahlung gekommen sei, weil gegen die Provisionsansprüche mit Gegenforderungen aufgerechnet worden sei. Entstandene Aufwendungen seien nicht in Abzug zu bringen, da es nicht darauf ankomme, was dem Handelsvertreter nach Abzug seiner Kosten und Aufwendungen als Gewinn verbleibe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

Der Beklagte meint weiterhin, dass sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte jedenfalls aus § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ergebe, und trägt hierzu vor:

Er habe innerhalb der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses durchschnittlich im Monat nicht mehr als 1.000,-- € bezogen. Das Tatbestandsmerkmal "bezogen" sei nach Wortlaut und Schutzzweck der Norm dahingehend auszulegen, dass von einem Vergütungsbezug nur dann gesprochen werden könne, wenn ein erworbener Provisionsanspruch auch tatsächlich durch Auszahlung erfüllt werde. Werde der Provisionsanspruch hingegen lediglich mit einem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schuldsaldo verrechnet und nicht tatsächlich zur Auszahlung gebracht, könne von einem Bezug nicht mehr gesprochen werden. Er habe bei der Klägerin bis zum 23. November 2002 gearbeitet. Zu berücksichtigen sei damit der Zeitraum von Juni bis November 2002. In diesem Zeitraum bezogene Vergütung sei nur der in der Auszahlung enthaltene Provisionsanteil. In Ansatz zu bringen seien für Juni 2002 1.005,42 €, für Juli 2002 72,47 €, für August 2002 533,80 € und für September 2002 3.541,43 €. Für den Monat September sei nur letzterer Betrag zu berücksichtigen, weil nur dieser niedrigere Betrag tatsächlich zur Auszahlung gekommen sei. Der überschießende Rest sei mit dem Vorschussaldo verrechnet worden. Für den Monat Oktober 2002 ergebe sich sogar ein Minusbetrag in Höhe von 206,36 €. Im November 2002 habe er keine Provisionen erwirtschaftet. Insgesamt ergebe sich für die letzten sechs Monate damit ein Betrag von 4.946,76 €, so dass monatlich nur von 824,46 € auszugehen sei.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 567 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, §§ 569 Abs. 1 und Abs. 2, 571, 572 ZPO. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht Wuppertal hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht den von der Klägerin zu den ordentlichen Gerichten beschrittenen Rechtsweg gemäß § 17 a Abs. 3 GVG für zulässig erklärt. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist nicht gegeben. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

1. Dass der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB für die Klägerin tätig war, weshalb er im Verhältnis zur Klägerin kein Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist, hat das Landgericht zutreffend entschieden (vgl. hierzu auch Hinweisbeschluss des Senats v. 19.10.2005 - I-16 U 54/05 und Beschluss v. 29.09.2006 - I-16 W 46/06). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen, die mit der Beschwerde nicht angegriffen werden. Der Beklagte kommt in der Beschwerdebegründung auf seinen diesbezüglichen Vortrag nicht mehr zurück und erwähnt diese Frage auch nicht.

2. Das Landgericht hat auch zu Recht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG verneint. Der Beklagte gilt nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 92a HGB als Arbeitnehmer.

Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gelten selbständige Handelsvertreter (ausnahmsweise) als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistung des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Dauer während dieser, im Durchschnitt nicht mehr als 1.000,-- € auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB kann die untere Grenze der vertraglichen Leistungen festgesetzt werden für das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters, der vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden darf oder dem dies nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich ist. Voraussetzung für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist hiernach zum einen, dass der Handelsvertreter so genannter Einfirmenvertreter im Sinne des § 92a HGB war, und zum anderen, dass er in den letzten sechs Monaten das Vertragsverhältnisses im Durchschnitt nicht mehr als 1.000,-- € an Vergütung bezogen hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Der Beklagte war zwar Einfirmenvertreter im Sinne des § 92a HGB. Seine gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG zu berücksichtigende monatliche Durchschnittsvergütung in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses betrug jedoch mehr als 1.000,-- €.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

a)

In zeitlicher Hinsicht ist im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG auf die dem Vertragende vorausgehenden letzten sechs Monate abzustellen. Vorliegend endete das Handelsvertretervertragsverhältnis der Parteien unstreitig zum 23. November 2002. Maßgebend ist damit grundsätzlich der Zeitraum von Juni bis November 2002. Dass das Handelsvertretervertragsverhältnis nicht zum 30. November, sondern bereits am 23. November endete, kann hier vernachlässigt werden.

Der Beklagte hat in der Zeit von Juni bis einschließlich November 2002 insgesamt 8.020,87 € an Provisionen verdient. Nach dem für die Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Landgerichts und damit die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs maßgeblichen Vorbringen der Klägerin (vgl. dazu Senat, v. 01.06.2005 - I-16 W 24/05, OLGR 2005, 540, 541 f. m.w.N.) ist von folgenden Provisionen auszugehen:

Juni 2002| 1.005,42 € Juli 2002 72,47 € August 2002| 533,80 € September 2002| 6.615,54 € Oktober 2002| - 206,36 € November 2002| 0,00 € insgesamt:| 8.020,87 €.

Soweit das Landgericht hingegen - mit der Klägerin - von erwirtschafteten Provisionen in Höhe von insgesamt 9.091,09 € ausgegangen ist, beruht dies darauf, dass es die im Monat Mai 2002 vom Beklagten verdienten Provisionen in Höhe von 1.070,22 € mit berücksichtigt hat. Da die dem Vertragsende (hier: 23.11.2002) vorausgehenden letzten sechs Monaten maßgebend sind, können die im Mai 2002 verdienten Provisionen jedoch nicht - jedenfalls nicht voll - berücksichtigt werden. Dass der Beklagte entgegen seinem Vorbringen in der Zeit vom 1. bis 23. November 2003 noch Provisionen verdient hat, trägt die Klägerin nicht vor.

b)

Damit ist davon auszugehen, dass der Beklagte in den dem Vertragsende vorausgehenden letzten sechs Monaten Provisionen in Höhe von jedenfalls 8.020,87 € verdient hat, d. h. dass er nach dem Handelsvertretervertrag diesen Betrag als Provision zu beanspruchen hatte. Das ist im Übrigen auch unstreitig. Der Beklagte geht in der Beschwerdebegründung für den Zeitraum von Juni bis November 2002 von denselben Provisionsbeträgen aus. Er ist lediglich der Auffassung, dass bei der Berechnung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG, obwohl sich für September 2002 unstreitig Provisionen in Höhe von 6.615,54 € ergeben, für diesen Monat lediglich von einem Betrag in Höhe von 3.541,43 € auszugehen sei, weil nur dieser niedrigere Betrag tatsächlich zur Auszahlung gekommen und der überschießende Rest mit dem Vorschusssaldo verrechnet worden sei. Dem kann jedoch nicht beigetreten werden. Entscheidend ist, dass der Beklagte insoweit einen unbedingten Provisionsanspruch in Höhe von 6.615,54 € hatte. Die erfolgte Verrechnung mit der Summe der offenen - darlehenshalber und zinslos - geleisteten Vorschüsse ändert nichts daran, dass der Beklagte den Provisionsbetrag insgesamt erhalten hat.

aa)

Soweit § 5 Abs. 3 ArbGG auf die zuletzt bezogene Vergütung abstellt, ist nach zutreffender, vom Senat geteilter Auffassung der Betrag entscheidend, welchen der Handelsvertreter für die dem Vertragsende vorausgehenden letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses als Provision zu beanspruchen hatte; unerheblich ist hingegen, was er tatsächlich erhalten hat (vgl. Senat, v. 11.4.2000 - 16 W 15/00, OLGR 2000, 454; v. 01.06.2005 - I-16 W 24/05, OLGR 2005, 540, 541; v. 29.09.2006 - I-16 W 46/06; OLG Köln, v. 23.12.2005 - 19 W 54/05, überreicht mit Anlagekonvolut K 16; OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 84 Rdnr. 46; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 92a Rdnr. 6; Brüggemann in: Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 92a Rdnr. 9; Küstner in: Röhricht/von Westphalen, HGB, 2. Aufl., § 92a Rdnr. 6). Hiervon geht der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung aus und an dieser Rechtsprechung hält er auch nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich fest.

Zwar wird diese Frage nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es auf die tatsächlich zugeflossenen Beträge ankomme (vgl. LAG Hessen, NZA 1995, 1070, 1071; Küstner, Handbuch des gesamten Außendienstrechts Band I, 3. Aufl., Rdnr. 233; Koch in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 5 ArbGG Rdnr. 12). Hieraus entnimmt der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt (v. 01.11.2005 - 4 W 46/05, Bl. 49 ff [53/54] GA), dass die Verrechnung von Provisionen mit dem Provisionsvorschusssaldo zur Nichtberücksichtigung dieser Beträge führe, weil durch die vorweg genommene Verrechnung die Provisionsvergütung entfallen sei. Auch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (v. 20.07.2006 - 16 W 53/06) geht davon aus, dass es auf die zur Auszahlung gelangte Summe abzüglich solcher Beträge ankomme, die dem Handelsvertreter - wie z.B. nicht verdiente Vorschüsse - nicht verblieben. Ansprüche, die in dem Sechsmonatszeitraum verdient, aber nicht zugeflossen seien, seien bei der Berechnung außer Betracht zu lassen.

Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden (vgl. a. OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803). Andernfalls könnte nämlich durch Minder- oder Überzahlungen der Status des Handelsvertreters und die zuständige Gerichtsbarkeit willkürlich verändert werden (vgl. Senat, v. 11.4.2000 - 16 W 15/00, OLGR 2000, 454; v. 29.09.2006 - I-16 W 46/06; OLG Köln, v. 23.12.2005 - 19 W 54/05, überreicht mit Anlagekonvolut K 16; OLG Frankfurt, v. 30.12.2004 - 17 W 74/04; OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803, 804; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 92a Rdnr. 6; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 84 Rdnr. 46). Durch Vorenthaltung ihm zustehender Vergütungsleistungen kann für den Handelsvertreter jedoch nicht die Eigenschaft als arbeitnehmerähnliche Person begründet werden, noch kann er dem Anwendungsbereich der Norm dadurch entzogen werden, dass der Unternehmer ihm unberechtigterweise überhöhte Zahlungen zukommen lässt, welche er nicht auf Dauer behalten darf (vgl. Senat, v. 11.4.2000 - 16 W 15/00, OLGR 2000, 454; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 92a Rdnr. 6). Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof (NJW 1964, 457) als Vergütung i. S. v. § 5 Abs. 3 ArbGG die unbedingt entstandenen Provisionsansprüche für maßgebend gehalten. Dem ist zu entnehmen, dass - auch wenn sich diese Entscheidung in erster Linie mit der Frage der Bedeutung gezahlter Vorschüsse für den Verdienst befasst - für die Zuständigkeit nicht maßgeblich sein kann, ob die Ansprüche auch erfüllt sind. Die gegenteilige Auffassung führt zu Zufälligkeiten, von der die Zuständigkeit der Gerichte nicht abhängig sein darf (OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803, 804).

Es trifft auch nicht zu, dass es der Zweck der in Rede stehenden Vorschrift ist, den verstärkten Schutz des Arbeitnehmers nur demjenigen Vertreter zukommen zu lassen, dem für seinen Lebensunterhalt tatsächlich allein die ausgezahlten Beträge zur Verfügung gestanden haben (so aber LAG Hessen, NZA 1995, 1070, 1071 m.w.N.). Bei der Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 3 ArbGG geht es nicht um die konkrete einzelfallbezogene Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters, sondern um die Gleichstellung wirtschaftlich unselbstständiger Handelsvertreter mit einem Arbeitnehmer (OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803, 804). Der Gesetzgeber wollte ersichtlich den sozialschwächeren Handelsvertreter einem Arbeitnehmer gleichstellen, da er ihn als besonders schutzbedürftig angesehen hat. Dies ist aber nur bei einem Handelsvertreter anzunehmen, der durchschnittlich weniger als 1.000,-- € an Provisionsansprüchen erworben hat. Die Frage, ob das ihm zustehende Geld tatsächlich an ihn ausgezahlt wurde, tangiert nicht die Qualifizierung im Sinne des Gesetzes, ob der Handelsvertreter angesichts eines eher geringen Verdienstes als sozialschwach und damit schutzbedürftig anzusehen ist (vgl. Senat, v. 29.09.2006 - I-16 W 46/06). Wollte man hingegen die tatsächliche Zahlung als maßgebend ansehen, widerspräche dies bei Gleichwertigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten und zu den Gerichten für Arbeitssachen auch dem Grundsatz, dass es hier vor allem darum geht, durch die Anwendung der Vorschrift den gesetzlichen Richter zu bestimmen (vgl. hierzu BAG, NJW 2005, 1146, 1147). Dieser muss aber eindeutig und ohne Abhängigkeit von Zufälligkeiten feststehen und festgestellt werden können (OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803, 804).

Der Wortlaut der steht dem nicht entgegen. Aus der Verwendung des Wortes "bezogen" ergibt sich keineswegs, dass "ein tatsächlich stattfindendes Geschehen" umschrieben wird und "das bloße Innehaben oder Entstehen eines Anspruchs" insoweit nicht ausreichen soll (so aber Schleswig-Holsteinisches OLG, v. 20.07.2006 - 16 W 53/06). Auch der Beamte, der seine Dienstbezüge einklagt, macht den Anspruch auf das noch nicht Ausgezahlte geltend (Brüggemann in: Großkommentar zum HGB, a.a.O., § 92a Rdnr. 9).

Im Übrigen ist hier durch die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung der verdienten Provisionen der Provisionsanspruch des Beklagten aber auch erfüllt. Entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien führte die Verrechnung zu einer entsprechenden Rückführung der Darlehensverbindlichkeit des Beklagten. Jedenfalls durch diese einverständliche, im Vertrag ausdrücklich vorgesehene Verrechnung sind dem Beklagten wie bei einer einseitigen Aufrechnung die entsprechenden Beträge zugeflossen, seine Ansprüche erfüllt und die Vergütung nach § 5 Abs. 3 ArbGG "bezogen" (vgl. a. OLG Hamburg, v. 08.03.2000 - 13 AR 41/99, Anlage K 13; OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 803). Die erfolgte Verrechnung mit der Summe der offenen - darlehenshalber und zinslos - geleisteten Vorschüsse ändert - woran nach Auffassung des Senats kein Zweifel bestehen kann - nichts daran, dass die Beklagte diese Beträge insgesamt erhalten und wenigstens deshalb i. S. v. § 5 Abs. 3 ArbGG auch bezogen hat.

bb)

Damit ist davon auszugehen, dass der Beklagte in den dem Vertragsende vorausgehenden letzten sechs Monaten Provisionen in Höhe von 8.020,87 € verdient hat. Hieraus errechnet sich eine monatliche Durchschnittsvergütung in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses in Höhe von 1.336,81 €.

cc)

Dahinstehen kann, ob bei der Berechnung der Vergütungsgrenze des § 5 Abs. 3 ArbGG dem Handelsvertreter entstandene, aber nicht ersetzte Kosten/Aufwendungen abzuziehen sind, was das Landgericht verneint hat (vgl. a. Schleswig-Holsteinisches OLG, v. 03.05.2005 - 16 W 119/04, Anlage K 14; OLG Köln, v. 23.12.2005 - 19 W 54/05, überreicht mit Anlagekonvolut K 16). Für die Auffassung des Landgerichts spricht, dass es im Rahmen von § 5 Abs. 3 ArbGG grundsätzlich unerheblich ist, was dem Handelsvertreter nach Abzug seiner Kosten und Aufwendungen an Gewinn verblieben ist (Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 92a Rdnr. 6). Diese Frage muss hier aber nicht abschließend entschieden werden. Selbst wenn man annimmt, dass die in der Klageschrift angegebenen Telefonkosten für Juli bis Oktober 2002 in Höhe von 148,26 € (Bl. 6 und 7 GA) sowie der Versicherungsbeitrag für das Notebook in Höhe von 8,51 € (Bl. 6 und 7 GA), insgesamt mithin 156,77 €, abzusetzen sind, hat der Beklagte hin den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt immer noch mehr als 1.000,-- € an Provision auf Grund des Vertragsverhältnisses bezogen. Dass weitere Aufwendungen vom Durchschnittsverdienst abzusetzen seien, zeigt die Beschwerde nicht auf.

dd)

Bei dieser Sach- und Rechtslage muss hier auch nicht entschieden, ob die dem Beklagten verbleibende und nicht zurück zu zahlende Hälfte des Darlehenssaldos die Höhe des Verdienstes beeinflusst (ablehnend OLG Hamm, v. 04.07.2005 - 18 W 25/05, Bl. 40 ff GA; OLG Frankfurt, v. 01.11.2005 - 4 W 46/05, Bl. 49 ff GA).

3. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Den Beschwerdewert hat der Senat mit rund 1/3 des Hauptsachestreitwerts bemessen.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zu. Die Frage, wie der Begriff der bezogenen Vergütung in § 5 Abs. 3 ArbGG zu verstehen ist, hat wegen der hierzu vertretenen unterschiedlichen Rechtsansichten grundsätzliche Bedeutung. Zwar ist derzeit bereits eine diese Streitfrage betreffende Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof anhängig. Über diese hat der Bundesgerichtshof allerdings noch nicht entschieden, so dass die Streitfrage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die bei ihm bereits anhängige Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 148 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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