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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: I-16 W 76/05
Rechtsgebiete: GmbHG, EGBGB


Vorschriften:

GmbHG § 19 Abs. 6
EGBGB Art. 229 § 12
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4
1. Die in der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB vorgesehene Rückwirkung ist auf den 1. Januar 2002 begrenzt, so dass die am 15. Dezember 2004 in Kraft getretene 10-jährige Verjährungsfrist für Einlageforderungen erst ab diesem Zeitpunkt läuft.

2. Läuft die 30-jährigeVerjährungsfrist nach §§ 195, 198 BGB a.F. vor der am 1. Januar 2002 in Lauf gesetzten 10-Jahresfrist ab, so führt die entsprechende Anwendung des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB dazu, dass die Verjährung hiermit beendet ist.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 9. September 2005 abgeändert:

Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Sch aus Solingen beigeordnet.

Gründe:

Die gemäss §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 567, 569 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

1. Die beabsichtigte Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1.1. Zu Recht wendet sich der Antragsteller gegen die Annahme des Landgerichts, die streitgegenständliche Einlageforderung sei nach dem am 15. Dezember 2004 in Kraft getretenen § 19 Abs. 6 GmbHG verjährt, so dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung mit Blick auf die vom Antragsgegner erhobene Einrede der Verjährung keine Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO habe. Das Landgericht hat insoweit verkannt, dass die in der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 12 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehene Rückwirkung auf den 1. Januar 2002 begrenzt ist.

1.1.1. Nach dem Verjährungsanpassungsgesetz verjähren Ansprüche gegen Gesellschafter auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in 10 Jahren ab ihrer Entstehung. Durch diese Regelung, die am 15. Dezember 2004 in Kraft getreten ist, wollte der Gesetzgeber den Wertungswiderspruch beheben, der durch die Umstellung der Regelverjährung von 30 Jahren auf drei Jahre im Zuge der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 gegenüber dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung entstanden war (vgl. nur BT-DRs. 15/3653, S. 11, 16 r.Sp. unten).

Art. 229 § 12 EGBGB sieht insoweit vor, dass noch nicht verjährte Ansprüche, deren Verjährung sich nach Massgabe des bis zum 14. Dezember 2004 geltenden Rechts nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB bestimmt hat und für die durch das Gesetz zur Anpassung der Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts längere Verjährungsfristen bestimmt werden, nach den durch dieses Gesetz eingeführten Vorschriften verjähren. Für am 14. Dezember 2004 noch nicht verjährte Einlageforderungen bedeutet dies gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 letzter HS. EGBGB, dass für sie nicht mehr die drei-, sondern die 10-jährige Verjährungsfrist gilt. Insoweit handelt es sich um eine Ausnahme zu Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB, nach dem im Falle des Inkrafttretens einer längeren Verjährungsfrist die Verjährung grundsätzlich mit dem Ablauf der kürzeren Frist vollendet sein soll.

Art. 229 § 12 Abs. 2 Satz 2 EGBGB sieht allerdings ergänzend vor, dass der vor dem 15. Dezember 2004 abgelaufene Zeitraum in die Verjährungsfrist mit einzurechnen ist. Dabei ist indessen zu berücksichtigen, dass die Verjährung vor diesem Datum nach dem bis dahin geltenden Recht lief. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB galt die kurze Regelverjährung (§§ 195, 199 BGB) in den Fällen, in denen die alte 30-Jahresfrist (§ 195 BGB a.F.) am 1. Januar 2002 noch nicht abgelaufen war und auch bis zum 31. Dezember 2004 nicht abgelaufen wäre. Diese Dreijahresfrist wurde frühestens ab dem 1. Januar 2002 berechnet und lief dementsprechend frühestens am 31. Dezember 2004 ab. Schon von daher kann dann auch die 10-Jahresfrist erst ab dem 1. Januar 2002 berechnet werden. Dem entspricht auch der Wille des Gesetzgebers, der die - zu kurze - Verjährungsfrist des Anspruchsinhabers auf das erwünschte Gesamtmaß verlängern und in der Sache damit die Anpassung vornehmen wollte, wie sie schon bei der Einführung des neuen Verjährungsrechts hätte erfolgen können (BT-DRs. 15/3653, a.a.O.; ebenso Thiessen NJW 2005, 2120; im Ergebnis ebenso: Wagner ZIP 2005, 558, 560; Sontheimer DStR 2005, 834, 837 f.). Jedes andere Verständnis würde auf einen vom Gesetzgeber nicht gewollten rückwirkenden Verjährungseintritt für all die Ansprüche hinauslaufen, in denen der vor dem 15. Dezember 2004 verstrichene Zeitraum zehn oder mehr Jahre beträgt.

Allerdings darf der Gläubiger hierdurch nicht günstiger stehen, als er ursprünglich auf Grund der Verjährung nach §§ 195, 198 BGB a.F. stand. Daher muss in analoger Anwendung des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB ein Vergleich des Verjährungseintritts nach der am 1. Januar 2002 in Lauf gesetzten 10-Jahresfrist mit dem nach §§ 195, 198 BGB a.F. vorgenommen werden (s. a. Wagner ZIP 2005, 558, 561; Thiessen NJW 2005, 2120 f.; Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 321, 328). Läuft die 30-Jahresfrist früher ab, so ist hiermit die Verjährung beendet.

1.1.2. Unter Anwendung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes: Gemäß § 195 BGB a.F. wären die streitgegenständlichen Einlageansprüche in Höhe von 20.000 DM mit Ablauf des Jahres 2005 und in Höhe der weiteren 30.000 DM mit Ablauf des Jahres 2011 verjährt. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB i.V.m. §§ 195, 199 BGB wurde die Drei-Jahresfrist ab dem 1. Januar 2002 berechnet. Durch das Verjährungsanpassungsgesetz wurde mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 diese Verjährungsfrist durch die längere Verjährungsfrist von 10 Jahren ersetzt, wobei der seit dem 1. Januar 2002 bereits abgelaufene Zeitraum mit einzurechnen ist, so dass die 10-Jahresfrist mit dem 31. Dezember 2011 endet (Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB). Durch den am 11. April 2005 eingereichten Prozesskostenhilfeantrag ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB seit diesem Zeitpunkt - und damit auch vor dem frühestmöglichen Zeitpunkt des Ablaufs der 30-jährigen Verjährung - gehemmt, weil die Bekanntgabe an den Antragsgegner demnächst erfolgt ist und sie daher entsprechend § 167 ZPO auf die Einreichung zurückwirkt (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. A., Rdnr. 32 zu § 204).

1. 2. Kann sich der Antragsgegner mithin nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen, so kommt es darauf an, ob die streitgegenständlichen Einlageverpflichtungen gemäß § 19 Abs. 1 GmbHG erfüllt sind. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Gesellschafter, und zwar auch dann, wenn - wie hier - die Zahlungsvorgänge sehr lange Zeit zurückliegen (vgl. nur: BGH DStR 2004, 2112; DStR 2005, 297; jew. mit Anm. Goette). Es ist allerdings eine Frage des von dem Tatrichter zu bestimmenden Beweismaßes, wie viele Umstände dargelegt und nachgewiesen werden müssen, wobei dem Gesellschafter durchaus die Grundsätze über die sekundäre Behauptungslast zu Gute kommen können. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner in diesem Zusammenhang darauf, dass die Bilanzen ein voll eingezahltes Stammkapital ausweisen. Der bloße Ausweis in der Jahresbilanz, dass die Gesellschafter ihre Einlageschulden erbracht haben, ist noch nicht geeignet, den von dem Gesellschafter zu führenden Beweis als erbracht anzusehen; es bedarf vielmehr des Nachweises, dass der Prüfer, der den Abschlussvermerk angebracht hat, sämtliche Geschäftsvorfälle des betreffenden Jahres anhand der Bücher der Gesellschaft und der zugehörigen Unterlagen geprüft hat (BGH a.a.O.).

2. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor. Eine Partei kraft Amtes erhält Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zugemutet werden kann, die Kosten aufzubringen. Wirtschaftlich beteiligt sind die Insolvenzgläubiger, deren Befriedigungsaussichten sich bei einem Obsiegen des Insolvenzverwalters verbessern. Ihnen ist die Kostenaufbringung allerdings dann nicht zuzumuten, wenn sie nur mit einer ganz geringen Quote rechnen können, ihnen nur eine Minimalforderung zusteht oder der Insolvenzverwalter ihre Forderungen bestreitet (Zöller/Philippi, ZPO, 25. A., Rdnr. 7 zu § 116). Dabei hat der Insolvenzverwalter die Forderungen der Gläubiger nach Art und Höhe vorzutragen, um dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob ihnen die Aufbringung der Kosten zuzumuten ist (Zöller/Philippi, Rdnr. 7 a zu § 116).

Nach dem Vorbringen des Antragstellers können die Kosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden, weil Barmittel und ein kurzfristig verwertbares Vermögen nicht vorhanden sind und die streitgegenständliche Forderung das einzige Vermögen darstellen soll. Den Gläubigern, deren Forderungen der Antragsteller nicht bestritten hat, kann die Kostenaufbringung nicht zugemutet werden, weil die Klageforderung seinem Vorbringen zufolge benötigt wird, um die Gerichtskasse, die Verwaltervergütung und die echten Massekosten zu bezahlen. Ebenso wenig ist es ihm als Insolvenzverwalter zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, denn es ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren, ihn mit der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe zu betreuen, ohne ihm ein angemessenes Honorar zu gewähren (vgl. nur: Zöller/Philippi, Rdnr. 10 a zu § 116 m.w.N.).

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