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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.03.2007
Aktenzeichen: I-17 U 11/06
Rechtsgebiete: ProduktsicherheitsG, BGB, ProdHaftG


Vorschriften:

ProduktsicherheitsG § 2 Abs. 1
BGB § 247
BGB § 426
BGB § 812
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 840
ProdHaftG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 06.12.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2. als Gesamtschuldner zu 1 %, im übrigen trägt sie die Klägerin allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2. wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe:

I.

Die Klägerin und die Beklagte als Nachfolgerin der ehemaligen Firma D. R.-Ölfabrik B. und Co. standen in langjährigen Geschäftsbeziehungen zueinander. Die Klägerin stellt Gartendünger (O.-Animalin) her. Die Beklagte stellt Rizinusschrot her. Seit 1978 bezieht die Klägerin ausschließlich von der Beklagten Rizinusschrot als Beimischung zum Gartendünger.

Der Rizinusschrot wird wie folgt gewonnen:

Die Beklagte presst Rizinusbohnen und gewinnt daraus Rizinusöl erster Wahl. Zurück bleibt ein ölhaltiger sogenannter Rizinuskuchen. Aus ihm wird durch Extraktion noch einmal Öl gewonnen, Rizinusöl zweiter Wahl. Der dann entölte Rizinuskuchen enthält Rizin, ein Eiweißgift. Dieses Rizin kann durch Erhitzen inaktiviert werden. Dieses Erhitzen geschieht bei der Beklagten gleichzeitig mit der Gewinnung des Öls zweiter Wahl. Der von der Beklagten bezogene Rizinusschrot wurde dem von der Klägerin hergestellten Endprodukt mit 200 - 450 g pro kg beigemischt.

Ab August 2000 ereigneten sich Fälle von Hundevergiftungen. Nach Auskunft ihrer Besitzer hatten die Hunde zuvor von dem Dünger der Klägerin gefressen. Bis August 2001 ereigneten sich 45 Fälle, in denen die Hunde nach der Aufnahme des Düngers verendeten.

Im August 2000 unterrichtete die Klägerin die Beklagte von den Vorfällen. Sie äußerte den Verdacht, dass der Rizinusschrot hochgiftiges Rizin enthalte. Die Beklagte wies diesen Vorwurf zurück.

Am 29.06.2001 verfügte die Klägerin einen vorläufigen Verkaufstopp und gab begleitend Presseinformationen heraus. Auch die Beklagte reagierte mit Presseerklärungen, in denen sie darauf hinwies, dass ihr Schrot nach gesetzlichen Vorschriften weder giftig noch gesundheitsschädlich sei.

Am 13.07.2001 waren Vertreter beider Parteien zu einem Gespräch im Ministerium für Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen geladen. Es wurde die Frage erörtert, ob die Todesfälle bei den Hunden auf nicht ausreichend denaturiertes Rizin zurückzuführen seien. Am 20.07.2001 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass sie eine Rückrufaktion vornehmen wolle, und forderte die Beklagte auf, sich an den Kosten zu beteiligen. Die Beklagte wies dies zurück und stellte das Erfordernis für eine Rückrufaktion in Abrede.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Kosten der Rückrufaktion mit 5.907.748,00 € veranschlagt. Sie geht davon aus, dass auch zukünftige weitere Schäden nicht auszuschließen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.907.748,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2002 und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 4.482.950,46 € für die Zeit vom 21.12.2001 bis zum 17.07.2002,

2. festzustellen, dass die Beklagte ihr für alle weiteren künftigen Schäden haftet, die ihr infolge des Präventivtausches der Düngemittel im Zusammenhang mit dem von der Beklagten bezogenen Rizinusschrot entstehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

widerklagend

die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2. als deren persönlich haftende Gesellschafterin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 52.966,41 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.10.2004.

Die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2. haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Mit der Widerklage macht die Beklagte den Kaufpreis für gelieferten Rizinusschrot aus der Zeit ab Juni 2001 geltend.

Im übrigen hat sie die Auffassung vertreten, dass der von ihr gelieferte Rizinusschrot fehlerfrei gewesen sei, weil er den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Wegen des weiteren Sachverhaltes wird auf die Feststellungen im angefochtenen landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Grad der Toxizität des gelieferten Rizinusschrotes. Hierzu sind Proben aus den bei der Beklagten erfolgten Rückstellungen aus der Produktion 2000 und 2001 genommen worden. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 18.07.2004 Bezug genommen, sowie auf das Ergebnis der mündlichen Anhörung des Sachverständigen in der Sitzung vom 12. Juli 2005 (Bl. 856 ff. d.A.).

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage zum überwiegenden Teil stattgegeben.

Das Landgericht hat den Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach verneint, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte nicht verkehrsfähigen Rizinusschrot geliefert habe.

Hiergegen haben die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2. form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat die Klageforderung zu einem Teil zurückgenommen. Im übrigen verfolgt sie ihren Schadensersatzanspruch weiter.

Die Klägerin macht geltend, es liege ein Produktfehler des Rizinusschrotes vor, ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte die einschlägigen technischen Normen eingehalten habe. Denn es seien zahlreiche Hunde durch das Aufnehmen des Düngers verletzt bzw. gestorben, was auf den zu hohen Giftgehalt des von der Beklagten gelieferten Rizinusschrotes zurückzuführen sei. Darüber hinaus habe auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Produktsicherheitsgesetz vorgelegen.

Auch wenn das Produkt der Beklagten als im Sinne der Vorschriften giftfrei angesehen werden könne, bedeute dies nicht, dass es im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB fehlerfrei gewesen sei. Denn Verkehrssicherungspflichten könnten über Sicherungsvorschriften hinaus gehen.

Darüber hinaus kritisiert die Klägerin das Ergebnis der Beweisaufnahme und die Durchführung der Art und Weise der Beweisaufnahme. Sie vertritt die Auffassung, es hätten Tierversuche nicht an lebenden Ratten, sondern an Hunden vorgenommen werden müssen, um die Frage der Fehlerhaftigkeit des Produktes der Beklagten zu klären. Darüber hinaus erhebt sie fachliche Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens.

Die Widerklage ist von beiden Parteien in der Berufung übereinstimmend für erledigt erklärt worden, nachdem die Klägerin den ausgeurteilten Betrag der Widerklage an die Beklagte gezahlt hat.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.135.423,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 21.12.2001 bis zum 17.07.2002 und nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 18.07.2002 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrages in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrundlagen für den Ersatz der von ihr für die Rückholaktion in Juli 2001 aufgewendeten Kosten aus § 812 BGB, Geschäftsführung ohne Auftrag, Gesamtschuldnerausgleich gemäß §§ 840, 426 BGB setzen sämtlich voraus, dass die Beklagte ihrerseits den Endkunden der Klägerin auf Schadensersatz oder auf Rückholung der Produkte verpflichtet gewesen wäre. Das kann indessen nicht festgestellt werden. Vertragliche Ansprüche zwischen den Endabnehmern der Düngemittelprodukte und der Beklagten bestanden und bestehen nicht.

Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag stehen der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil die Klägerin zu 1) mit der Rückrufaktion ein eigenes Geschäft geführt hat, in dem sie ein von ihr hergestelltes und in Verkehr gebrachtes Produkt, dessen Mischungsverhältnis - einschließlich Beimischungen, die einen Anreiz für die Aufnahme durch Tiere darstellten - sie selbst bestimmt hatte, zurückgerufen hat.

Auch deliktische Haftungsansprüche der Endkunden gegen die Beklagte sind nicht feststellbar.

Dabei geht der Senat zugunsten der Klägerin davon aus, dass die aufgeführten Todesfälle bei Hunden in den Jahren 2000 bis 2002 auf das im von der Beklagten gelieferten Rizinusschrot enthaltene Rizin, ein Eiweißgift, zurückzuführen sind. Damit wäre grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch der geschädigten Endkunden gegen die Beklagte denkbar, denn auch der Zulieferer von Zusatzstoffen bringt diese in Verkehr und haftet damit auch den Endkunden des vom Hersteller geschaffenen Produkts auf Fehlerfreiheit (vgl. BGH DAR 68, 17;). Dies gilt allerdings nur dann, wenn beim Endkunden das Integritätsinteresse verletzt ist. Wird lediglich das Äquivalenz- oder Nutzungsinteresse beeinträchtigt, kommt ein deliktischer Schadensausgleich hingegen nicht in Betracht (BGH NJW 1983, 812 f.; BGHZ 77, 215 ff.;). Eine Verletzung des Äquivalenzinteresses besteht dann, wenn sich der beim Endabnehmer eingetretene Schaden mit dem Unwert der Sache deckt, welcher ihr schon beim Erwerb anhaftete. Die Verletzung oder Tötung von Hunden durch Giftstoffe im Dünger verwirklicht jedoch nicht den Minderwert des Produktes Dünger, sondern ist erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände entstanden, wie Ausbringen des Düngers oder Nichtverschließen der Düngertüte und Fressen des Düngers durch die betreffenden Hunde. Die Verletzung und Tötung der Hunde stellt sich dabei rechtlich als Verletzung des Eigentums der jeweiligen Hundehalter dar, die dadurch in ihrem Integritätsinteresse beschädigt worden sind. Ersatzansprüche gehen aber nicht nur auf Ersatz eines eingetretenen Schadens, sie umfassen auch den Anspruch der Endabnehmer auf Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schadensfälle, wie etwa eine Rückholung bereits ausgelieferter fehlerhafter Produkte (vgl. BGHZ 32, 280 ff.; Oberlandesgericht Karlsruhe VersR 1986, 1125 ff; Oberlandesgericht München VersR 1992, 1135 f.;). Damit ist es auch denkbar, dass die Beklagte zur Rückholung der fehlerhaften Produkte oder zur Beteiligung an den Rückholkosten verpflichtet war. Weitere Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht des Herstellers ist indessen, dass er ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr gebracht hat (Palandt- Sprau, BGB, 65 Aufl. § 823, Rn 166 ff;). Die Definition dessen, was ein Fehler des Produktes ist, kann der Gesetzesdefinition in § 3 Produkthaftungsgesetz entnommen werden, weil sich die Produkthaftung aus unerlaubter Handlung in der Anspruchsentstehung - nicht jedoch im Haftungsumfang, der weiter ist - von der Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz nur durch das Erfordernis des Verschuldens unterscheidet (vgl. Oberlandesgericht Koblenz, NJW-RR 2006, 169 ff;). Danach hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Maßstab dessen, welchen Sicherheitsanforderungen das Produkt entsprechen muss, sind daher die berechtigten Erwartungen, die die Allgemeinheit, insbesondere die an der Herstellung, dem Verkauf und dem Gebrauch beteiligten Verkehrskreise haben. Die Erwartungen müssen berechtigt sein, denn die Allgemeinheit kann nicht von jedem Produkt in jeder Situation totale Sicherheit erwarten (vgl. Palandt-Sprau, BGB a.a.O., § ProdHaftG, Rn 3;). Eine weitere Richtlinie für den anzuwendenden Maßstab ist der Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, wobei aber auch eine über die Zweckbestimmung hinausgehende und nicht ganz fernliegende Fehlanwendung zu berücksichtigen ist (BGHZ 116, 60 ff; Palandt-Sprau a.a.O.;). Bei Anwendung und Berücksichtigung dieser Maßstäbe und Grundsätze ist eine Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten hergestellten und der Klägerin gelieferten Rizinusschrotes und damit zugleich ein rechtsnichtiges Verhalten der Beklagten nicht feststellbar. Der von der Beklagten gelieferte und hergestellte Rizinusschrot musste nicht völlig frei von Rückständen des Giftes Rizin sein. Eine solche Vorstellung war und ist weder bei den gewerblich mit der Herstellung und Vertreibung des Rizinusschrotes befassten Kreisen noch bei dem Endverbraucher vorhanden.

Die Klägerin wusste spätestens seit 1998, als sie die Frage der Gifthaltigkeit des Rizinusschrotes mit der Beklagten erörterte, aufgrund eines ihr von der Beklagten in diesem Zusammenhang übersandten Berichtes von 1996, dass der Rizinusschrot in seinem Giftgehalt nach Auffassung der Beklagten unter Schwelle der Gesundheitsschädlichkeit liegt, was anhand von Laboruntersuchungen ermittelt wurde, wonach die Toxizitätsprüfungen LD 50 Werte von über 15 g/ kg Lebendgewicht bei Ratten ergeben hatten. Dies bedeutet, dass erst ab einer Dosis von über 15 g/ kg 50 % der Versuchstiere sterben. Daraus folgt aber zugleich, dass eine völlige Abwesenheit von Giftbestandteilen nicht gegeben war. Die Klägerin hat darauf auch im Jahr 1998 reagiert und ihren Verpackungen die Aufschrift zugefügt " Kein Futtermittel - von Tieren fernhalten". Eine solche Warnung wäre nicht erklärlich, wenn die Klägerin nicht von Giftbestandteilen im Rizinusschrot ausgegangen wäre. Darüber hinaus war unter den an der Herstellung und dem Vertrieb von Düngemitteln beteiligten Fachunternehmen aufgrund der 1998 bis 2002 vorhandenen Rechtslage nach der DüngemittelVO, der GefahrstoffVO und dem Chemikaliengesetz die unterschiedliche Definition der verschiedenen Gefahrstufen bei chemischen Stoffen wie "sehr giftig", "giftig", "mindergiftig" und "gesundheitsschädlich" bekannt und auch, dass die verschiedenen Stufen des sogenannten oralen LD 50 Wertes (das ist die letale Dosis, bei der 50 % der Versuchstiere sterben) beim Tierversuch an Lebendratten ermittelt wurden. Diese Vorschriften stimmen nach der vom Landgericht getroffenen und von den Parteien nicht angegriffenen Feststellung darin überein, dass Stoffe, deren LD 50 Wert erst oberhalb von 2000 mg/ kg Lebendgewicht der Ratte liegt, als nicht gesundheitsschädlich einzustufen sind. Gleichwohl sind diese Stoffe nicht völlig frei von Gift.

Hinzu kommt wesentlich, dass ein Produkt, welches den genannten Grenzwert einhält, selbst den Anforderungen der späteren DüngemittelVO aus dem Jahre 2003 genügt. Berücksichtigt man die allgemeine Erfahrung, dass die Anforderungen an den Gesundheitsschutz und die Produktsicherheit sich in den zurückliegenden Jahren ständig erhöht haben, so ist es nicht zu beanstanden, wenn in den Jahren vor 2003 ein Produkt in den Verkehr gebracht wurde, das selbst den Anforderungen für 2003 und die Folgejahre genügt hätte.

Aber auch beim Endverbraucher, also demjenigen, der den Dünger kauft und ausbringt, herrscht nicht die Vorstellung vor, dass der von der Klägerin vertriebene Naturdünger völlig frei von Gift ist. Das erhellt sich schon aus den verschiedenen Aussagen der geschädigten Hundebesitzer, die zu den Akten gereicht worden sind, wonach sie ihren Hund nach dem Ausbringen des Düngers zunächst nicht in den Garten gelassen haben und z.B. erst die Bewässerung abgewartet haben. Eine solche Vorsichtsmaßnahme lässt die Schlussfolgerung zu, dass im allgemeinen dem Käufer eines solchen Düngers die Gefahr der Giftigkeit des Düngers für Haustiere, wenn sie ihn aufnehmen, bewusst ist. Auch dem Endverbraucher ist bewusst, dass selbst die Einstufung eines Produkts als "Naturdünger" nicht mit Giftfreiheit gleichzusetzen ist.

Unter diesen Voraussetzungen war das Produkt der Beklagten nur dann fehlerhaft, wenn die Giftrückstände im Rizinusschrot so hoch waren, dass der oben genannte Grenzwert (LD 50-Oralwert größer als 2.000 mg je kg Körpergewicht bei Ratten) nicht eingehalten war und dass schon aus diesem Grunde bei Aufnahme auch von geringen Mengen des normal und vorschriftsmäßig aufgebrachten Düngers eine gravierende Schädigung eines Hundes eintreten musste. Die Beweisaufnahme des Landgerichts hat indessen ergeben, dass dies nicht der Fall war. Der gerichtliche Sachverständige kommt nach seiner Untersuchung des Rizinusschrotes der Beklagten aus der Zeit der vermehrten Hundetodesfälle zu dem Ergebnis das der orale LD 50 Wert höher als 5000 mg/kg Lebendgewicht der Ratte war, der Schrot mithin nach den damaligen Vorschriften und der heutigen DüngemittelVO als nicht gesundheitsschädlich einzustufen ist. Die Angriffe der Klägerin gegen die Ergebnisse und das Verfahren des Sachverständigen greifen nicht durch. Der Sachverständige und das von ihm beauftragte Institut Harlan Bioservice haben dargelegt, das sich die Untersuchungsmethode nach der OECD - Richtlinie für die Prüfung der akuten Toxizität nach oraler Gabe gerichtet hat und damit dem internationalen Standard entsprach. Dies ist nicht zu beanstanden.

Auch das Verlangen nach einer speziellen Untersuchung der Toxizität durch Einsatz von Hunden als Versuchstiere ist vom Landgericht zu Recht abgelehnt worden. Die Beurteilung der Toxizität von chemischen und giftigen Stoffen muss allgemein gültigen Regeln folgen und kann nicht für jede Tierart gesondert festgestellt werden. Zudem hat der Sachverständige hierzu ausdrücklich festgestellt, dass die Giftigkeit des Rizin unter der Giftigkeitsschwelle nach der DüngelmittelVO auch bei Hunden nicht zu einer wesentlich anderen Reaktion führt als bei Ratten.

Im übrigen ist nicht bekannt, wie viel Dünger die geschädigten oder verstorbenen Hunde aufgenommen haben. Der Umstand , dass zwar 45 Hunde in einem Jahr verstorben sind, deutet nicht zwangsläufig auf eine hochgradige Giftigkeit des Düngers für Hunde hin, denn immerhin ist für den Verlauf eines ganzen Jahres davon auszugehen, dass mehr als 45 oder 109 Hunde mit dem Dünger in Kontakt kamen und ihn aufgenommen haben. Auch gibt es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wie der jeweilige Dünger aufgebracht worden ist.

Eine vorhandene Restgiftigkeit des Düngers ist im Rahmen der Bewertung, was berechtigte Sicherheitserwartungen sind, hinzunehmen. Der Warnaufdruck auf den Düngemittelverpackungen fordert den Hundebesitzer auf, den Hund von Düngemittel fernzuhalten. Bei Befolgen dieser Warnung sind Verletzungen des Hundes oder Todesfälle ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 91 a ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO besteht kein gerechtfertigter Anlass.

Der Streitwert der Berufung beträgt bis zum 06.07.2006 4.175.790,55 €, danach 4.135.423,60 €.

Die Beschwer der Klägerin liegt über 20.000 €.

Ende der Entscheidung

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