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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.03.2007
Aktenzeichen: I-17 U 114/06
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 21 Abs. 2 2. Altern.
InsO § 55
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 2 Satz 1
BGB § 270
BGB § 697
BGB § 700
BGB § 700 Abs. 1 Satz 3
BGB § 812
BGB § 812 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 11. April 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger wurde mit Beschluss vom 05.03.2004 des Amtsgerichts Duisburg zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. C. GmbH gemäß § 21 Abs. 2 2. Altern. InsO bestellt. In dem Beschluss wurde der Kläger ermächtigt, das Bankguthaben der Insolvenzschuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegen zu nehmen. Am 01.05.2004 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger hat bei der E. Bank AG, Filiale Duisburg, ein Anderkonto unter der Bezeichnung "Rechtsanwalt B., Anderkonto C. GmbH" mit der Kontonummer 02099470-29 eingerichtet.

Die Insolvenzschuldnerin hatte bei der Beklagten ein Geschäftskonto als Girokonto eingerichtet.

Mit Fax vom 08.03.2004 forderte der Kläger die Beklagte auf, ein etwaiges Guthaben dieses Girokontos auf sein Anderkonto bei der E. Bank zu überweisen.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger in diesem Aufforderungsschreiben die letzte Ziffer des Anderkontos richtig angegeben hat. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Kontonummer mit 02099470-28 bezeichnet.

Das vom Kläger vorgelegte Aufforderungsschreiben, welches der Beklagten jedoch nur als Fax zugegangen ist, enthält demgegenüber die richtige Kontonummer mit der Endziffer 29. Die von der Beklagten vorgelegten Kopien des Fax sind schwer zu entziffern.

Die Beklagte hat unstreitig aufgrund dieser Aufforderung einen Betrag von 3.653,94 € am 25.03.2004 unter der Bezeichnung "Rechtsanwalt B. Anderkonto C. GmbH" auf das Konto mit der Endnummer 470-28 überwiesen. Mit Schreiben vom 24.03.2004 hat die Beklagte den Kläger darüber unterrichtet, dass sie diesen Betrag auf sein Anderkonto übertragen habe. Dabei hat sie als Kontonummer das Anderkonto mit der Endnummer 479-28 angegeben.

Unter dieser Kontonummer unterhielt der Kläger ein weiteres Anderkonto als Insolvenzverwalter über die Insolvenzmasse einer Firma D. GbR. Für diese war er ebenfalls als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Fax des Klägers vom 14.04.2004 wurde die Beklagte abermals aufgefordert, ein etwaiges Guthaben auf das Anderkonto des Klägers über das Vermögen der Fa. C. GmbH zu überweisen.

Die Beklagte überwies dann einen weiteren Betrag i.H.v. 3.261,58 € auf das Anderkonto des Klägers mit der Endnummer 470-28. Während die erste Überweisung der Beklagten mittels eines Überweisungsbeleges erfolgte, erfolgte diese zweite Überweisung ohne Beleg. Die Beklagte trägt hierzu vor, man habe bei der zweiten Überweisung dieselben Angaben verwendet wie bei der ersten Überweisung.

Am 28.04.2004 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass er auf dem Konto 470-29 keinen Eingang feststellen könne und die Beklagte irrtümlicherweise auf das Konto einer anderen Insolvenzschuldnerin überwiesen habe.

Der Kläger vertritt die Auffassung, eine Umbuchung von dem einen Anderkonto auf das andere Anderkonto habe er nicht vornehmen dürfen, weil er einmal vereinnahmte Beträge nur nach Geltendmachung durch die Beklagte hätte auskehren dürfen. Die Beklagte habe einen Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB gegen die Insolvenzmasse der Fa. D. GbR. Dabei handle es sich jedoch nur um eine einfache Insolvenzforderung, weil diese Bereicherungsforderung der Beklagten vor der Insolvenzeröffnung in Sachen D. GbR entstanden sei und deshalb keine Masseforderung gemäß § 55 InsO sei.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie habe nicht an die Insolvenzmasse D. GbR geleistet, sondern an den Kläger persönlich. Bei einem Anderkonto werde der Kontoinhaber persönlich berechtigt und verpflichtet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist der Auffassung, dass eine Erfüllungswirkung bei einer Banküberweisung erst mit Gutschrift auf dem Konto des Empfängers eintrete. Auf dem Anderkonto des Klägers für die C. GmbH sei keine Gutschrift erfolgt. Einen Bereicherungsanspruch gegen den Kläger, mit welchem sie aufrechnen könne, habe die Beklagte nicht, weil das Geld nicht in das Vermögen des Klägers gelangt sei.

Gegen das Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

1. Der Kläger hat keinen Erfüllungsanspruch mehr gegen die Beklagte auf Herausgabe/Auszahlung des Guthabens auf dem Girokonto der Insolvenzschuldnerin C. GmbH. Denn die Beklagte hat diesen Herausgabeanspruch erfüllt.

Das Giroverhältnis zwischen der Bank und einem Kunden ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist. Zur Pflicht der Bank gehört es, für den Kunden ein Girokonto zu führen, in das dessen Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der Bank eingestellt und regelmäßig saldiert werden. Ein Haben-Saldo des Kunden stellt eine Forderung aus unregelmäßiger Verwahrung nach § 700 BGB dar (BGH WM 1993, 1585 f.; BGHZ 131, 60 ff.; Palandt-Sprau BGB, 66. Aufl., § 676 f., Rdnr. 8;).

Nach § 700 Abs. 1 Satz 3 BGB bestimmen sich Zeit und Ort der Rückgabe des aus der Verwahrung Erlangten im Zweifel nach den Vorschriften über den Verwahrungsvertrag. Nach § 697 BGB hat die Rückgabe der hinterlegten Sachen an dem Ort zu erfolgen, an welchem die Sache aufzubewahren war. Hauptanwendungsfall dieser Vorschrift ist u.a. die Herausgabe eines Guthabens auf einem Girokonto (vgl. Palandt-Sprau, a.a.O., § 700 Rdnr. 1;). Die Herausgabe des Guthabens auf dem Girokonto von der kontoführenden Bank an den Kunden ist daher abweichend von § 270 BGB eine Holschuld des Kunden (vgl. Palandt-Sprau a.a.O., § 697, Rdnr. 1; Kümpel, BankR, 3. Aufl., Rdnr. 4.86;).

Bei der Holschuld fallen der Ort der Leistungshandlung und der Ort der Erfüllung am Ort des Wohnsitzes oder der Niederlassung des Schuldners zusammen. Bei der Herausgabe eines Guthabens aus einem Girokonto hat die Bank daher zur Erfüllung lediglich die Leistung zur Abholung durch den Gläubiger bereit zu halten.

Diese Verpflichtung hat die Beklagte erfüllt, indem sie sogar weitergehend auf Weisung des Klägers als des damals vorläufigen Insolvenzverwalters die beiden Guthabenbeträge von dem bei ihr geführten Konto der späteren Gemeinschuldnerin C. GmbH an die E. Bank überwiesen und der E. Bank entsprechende Deckung zur Verfügung gestellt hat.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. Klageforderung aus einer Schlechterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Überweisungsvertrages. Auch diesen Vertrag hat die Beklagte erfüllt, indem sie die beiden Guthabenbeträge weisungsgemäß an die E. Bank überwiesen und der E. Bank entsprechende Deckung zur Verfügung gestellt hat.

Dass sie bei der Überweisung - im ersten Fall möglicherweise - die falsche Konto-Nr. (28 statt 29) angegeben hat, stellt zwar eine vorwerfbare Pflichtverletzung dar, die ursächlich dafür war, dass die Guthabenbeträge einem vom Kläger nicht beabsichtigten Zielkonto gutgeschrieben wurden, und verpflichtet die Beklagte zum Ersatz eines dem Girokunden hierdurch entstandenen Schadens. Sie hätte demnach die Überweisungsbeträge dem Konto der C. GmbH wieder gutzuschreiben.

Dem Kläger steht aber im Ergebnis ein hierauf gerichteter Schadensersatzanspruch nicht zu.

Denn der Kläger hätte den Schaden durch Zurückweisen der Gutschrift leicht verhindern können und hat, weil er dies unterlassen hat, zum überwiegenden Teil die Entstehung des Schadens für die Insolvenzmasse C. GmbH verschuldet, so dass sein Ersatzanspruch gemäß § 254 Abs. 2 BGB entfällt.

Ein Recht, die Gutschrift zurückzuweisen, hat der Begünstigte, wenn sie auf einer rechtsgrundlosen Fehlüberweisung beruht, also eine aufgedrängte Bereicherung vorliegt mit der Folge, dass der Begünstigte wegen des Fehlens eines Valutaverhältnisses Rückzahlungsansprüchen des Überweisenden aus § 812 BGB ausgesetzt würde (vgl. Nobbe, a.a.O., S. 17 f.;).

Die Zurückweisung der Gutschrift stellt dann die Nichtannahme des in der Gutschrift liegenden Schuldversprechens der Bank dar, die ex tunc wirkt, so dass eine Vermögensvermehrung des Empfängers nicht eintritt (vgl. Nobbe a.a.O.;).

Auf den ersten Überweisungsauftrag des Klägers vom 08.03.2004 erfolgte am 25.03.2004 die beleggebundene Überweisung. Bereits am 24.03.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Überweisungsbetrag auf sein Konto mit der Endziffer -28 übertragen habe. Dadurch und durch die zu unterstellende Gutschrifterteilung der E. Bank an den Kläger hat dieser von der Fehlüberweisung der Beklagten zeitnah zum Überweisungsvorgang erfahren und hätte daher die Möglichkeit gehabt, unverzüglich der Gutschrift mit ex tunc Wirkung zu widersprechen, so dass der Betrag nicht in das Vermögen der Insolvenzmasse der Fa. D. GbR geraten wäre.

Dasselbe gilt auch für die zweite Überweisung. Den Auftrag zur zweiten Überweisung hat der Kläger mit Fax vom 14.04.2004 erteilt. Bereits am 28.04.2004 hat der Kläger die Beklagte darauf hingewiesen, dass er auf dem Konto mit der Endziffer 29 keinen Eingang feststellen könne und die Beklagte irrtümlicherweise auf das Konto einer anderen Insolvenzschuldnerin überwiesen habe. Damit steht fest, dass der Kläger auch von der zweiten Fehlüberweisung zeitnah Kenntnis hatte und diese hätte zurückweisen können.

Das Unterlassen der ihm ohne weiteres möglichen Zurückweisung der Gutschrift führt gemäß § 254 Abs. 2 BGB dazu, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers, vorausgesetzt, die Beklagte trifft eine schuldhafte Pflichtverletzung bei der Ausführung des Überweisungsauftrages, entfällt. Denn nach dieser Vorschrift hängt der Umfang des Schadensersatzes davon ab, inwieweit der Schaden von dem Geschädigten dadurch verursacht worden ist, dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden. Ein Mitverschulden i.S.v. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist immer dann gegeben, wenn der Geschädigte die Maßnahme unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung ergreifen würde (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 254, Rdnr. 36 m.w.N.;).

Der Kläger war gehalten, die erkennbare und von ihm auch erkannte Fehlüberweisung zurückzuweisen. Er war als Treuhänder der Insolvenzmasse C. GmbH verpflichtet, einen Schaden für diese Insolvenzmasse zu vermeiden. Darüber hinaus trifft den Kläger als Gläubiger eine Mitwirkungspflicht zur Erreichung des Auftragszweckes aus Treu und Glauben (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 242, Rdnr. 32;).

Das Verschulden des Klägers ist dabei überwiegend, so dass ein Schadensersatzanspruch entfällt. Denn die Zurückweisung wäre ihm ohne weiteres und leicht möglich gewesen. Auf der anderen Seite stellt sich ein mögliches Fehlverhalten der Mitarbeiter der Beklagten, welches sich diese zurechnen lassen müsste, allenfalls als leichte Fahrlässigkeit dar, weil die Fehlbezeichnung der Endziffer einer mehrziffrigen Kontonummer ein Flüchtigkeitsfehler ist, der leicht unterläuft.

Wenn man den vorstehenden Ausführungen zu § 254 Abs. 2 BGB nicht in allen Punkten folgen wollte, so wäre es jedenfalls treuwidrig (§ 242 BGB), dass der Kläger von der Beklagten verlangt, die Guthabenbeträge ein zweites Mal zu zahlen, nachdem er von der Möglichkeit zur Zurückweisung der erkennbar nicht für die D. GbR bestimmten Beträge keinen Gebrauch gemacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO besteht kein gerechtfertigter Anlass.

Der Streitwert der Berufung und die Beschwer des Klägers betragen 6.915,25 €.

Ende der Entscheidung

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