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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.02.2005
Aktenzeichen: I-18 U 137/04
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 67
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. April 2004 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (32 O 86/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von ihr vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma F. (Europe) GmbH in W. (im folgenden F-GmbH genannt). Diese Firma handelt mit verschiedenen hochwertigen optischen Geräten. Sie unterhält ihr Auslieferungslager bei der Firma K. W. E. (Deutschland) GmbH in D. (im folgenden K-GmbH genannt). Darüber hinaus bedient sich die F-GmbH der K-GmbH als Empfangsspediteur.

Am 17. August 2001 kaufte die F-GmbH von der F. P. O. Co. Ltd. in J. verschiedene Geräte, darunter auch ein Endoskop und ein TV-Objektiv.

Über den Transport dieser Warensendung von J. nach D. verhält sich der H. A. W. vom 17. August 2001, Bl. 19 GA. Aussteller dieses HAWB ist die Firma K. W. E. Inc. in J., die sich auch als Luftfrachtführerin eingetragen hat. Als Empfänger ist die K-GmbH eingetragen. Absender ist die F. P. O. Co. Ltd. in J. In der Rubrik "Handling/Information" ist die F-GmbH eingetragen. Ausweislich des HAWB bestand die Warensendung aus insgesamt 32 Kolli.

Die Firma K. W. E. Inc. übernahm die 32 Kolli und fügte der Warensendung weitere drei Kartons hinzu. Sodann beauftragte sie die Beklagte mit der Beförderung der nunmehr 35 Kolli von T. nach D. Über diesen Frachtvertrag verhält sich der M. A. W. Bl. 69 GA. Als Absender und Agent des Luftfrachtführers ist in diesem MAWB die K. W. E. Inc. eingetragen. Die Anzahl der Frachtstücke ist mit 35 eingetragen. Die Warensendung wird im MAWB als "CONSOLIDATED SHIPMENT AS PER ATTACHED MANIFEST" angegeben.

Als die Warensendung am Flughafen am 23. August 2001 in D. eintraf, stellte die Flughafen D. C. GmbH eine Beschädigung der Sendung fest und versah den MAWB mit dem Stempelaufdruck "Tatbestand des Schadens aufgenommen". Als die K-GmbH die Warensendung am 24. August 2001 bei der Flughafen D. C. GmbH abholte, vermerkte auch sie auf ihrem eigenen Lieferschein "Kt. 5 BK beschädigt; Schaden wurde am Flughafen durch KWE aufgenommen".

Nach Empfangnahme der Warensendung stellte sich heraus, dass an dem Endoskop und dem Objektiv ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten war. Der Karton, in dem sich das Endoskop befand, war geknickt worden; beim Objektiv waren der Tragegriff und die darin befindliche Antriebseinheit zerbrochen und das Gehäuse war verzogen. Der Schaden am Endoskop beläuft sich auf 1.930,- €; der Schaden am Objektiv beträgt 10.701,60 €.

Diese Schadenssumme zuzüglich Gutachterkosten in Höhe von 425,60 € ist Gegenstand der Klage. Die Klägerin stützt ihre Klage zum einen auf einen Forderungsübergang gemäß § 67 VVG; zum anderen auf Abtretungserklärungen der Firmen F-GmbH und K-GmbH.

Die Klägerin hat behauptet:

Diese Schäden seien während der von der Beklagten durchgeführten Luftbeförderung eingetreten; sie seien durch unsachgemäße Behandlung (raues Handling) verursacht worden.

In Höhe der entstandenen Schäden habe sie, die Klägerin, die F-GmbH entschädigt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 13.057,20 € nebst 5 % hierauf für den Zeitraum vom 31. Juli 2002 bis zum 30. August 2002 sowie 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet:

Der Schaden sei nicht in ihrem Gewahrsam eingetreten. Aus dem MAWB ergebe sich, dass die Fracht bereits vom Absender gemäß dem International Consolidation Manifest zusammengestellt worden sei; darunter habe sich die aus 32 Colli bestehende im HAWB genannte Warensendung befunden. Sie habe diese aus insgesamt 35 Kolli bestehende konsolidierte Fracht von T. über M. nach D. befördert. Die Stauchung der Pakete könne daher bereits bei der Zusammenstellung der Warensendung durch den Absender geschehen sein.

Es sei - wie auf einigen Frachtdokumenten vermerkt - auch nur ein Karton beschädigt worden.

Schließlich hat die Beklagte sich darauf berufen, der Absender hätte die Warensendung im MAWB als "zerbrechliche Ware" kennzeichnen müssen. Dann hätte sie die Warensendung nämlich vorsichtiger umgeschlagen; insbesondere wäre die Warensendung mit Gurten festgezurrt worden.

In Erwiderung hierzu hat die Klägerin das Cargo Manifest der Beklagten Bl. 70 GA vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Beklagte beim Warenumschlag in M. der Warensendung zwei weitere Kolli hinzugefügt hat.

Es hätten sich auch Aufkleber mit dem Zeichen für "nicht mehr als zwei Kartons übereinander", "vor Nässe schützen" und das Hinweiszeichen für "zerbrechlich" mit dem schriftlichen Zusatz "Do not drop" auf den Kartons befunden. Ein weiterer Aufkleber habe wie folgt gelautet: "Precision instruments. Handle with care".

Der Beklagten seien in Tokio 32 einzelne Kartons zum Versand übergeben worden; diese Kartons seien erst vom Ladepersonal der Beklagten am Flughafen in T. "konsolidiert", also zu drei Ladungseinheiten zusammengefasst worden.

Das Landgericht hat der Klägerin nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin H.) nur den bei beschränkter Haftung nach dem WA vorgesehenen Haftungshöchstbetrag zugesprochen und somit die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie den Anspruch auf vollen Schadensersatz weiterverfolgt.

Die Klägerin legt nunmehr die vom Havariekommissar gefertigten Fotografien von der beschädigten Warensendung vor und erklärt, dass diese zuvor noch nicht vorgelegt werden konnten, weil die Klägerin von deren Existenz nichts gewusst habe. Unter Bezugnahme auf die Fotos behauptet die Klägerin, die Beklagte habe die Beschädigungen an den beiden Kartons mit Klebeband repariert. Daher hätte die Beklagte Anlass gehabt, zeitnah den Schadenshergang aufzuklären. Dass dies nicht geschehen sei, belege, dass ihr Kontrollsystem lückenhaft sei. Hieraus ergebe sich, dass nach den Grundsätzen der Einlassungsobliegenheit von einer leichtfertig verursachten Beschädigung ausgegangen werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, weitere 12.988,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % für die Zeit vom 31. Juli bis zum 30. August 2002 sowie 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht sich den Inhalt des landgerichtlichen Urteils zu eigen und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte wegen der hier in Rede stehenden Schäden an dem Endoskop und dem TV Objektiv selbst dann keine Schadensersatzansprüche zu, wenn feststünde, dass die Beklagte diese Beschädigungen leichtfertig verursacht hätte.

Die Klägerin leitet ihre Schadensersatzansprüche aus übergegangenem und abgetretenem Recht der F-GmbH sowie aus abgetretenem Recht der K-GmbH her. Beiden Firmen stehen jedoch keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.

I.

Die F-GmbH war nicht Vertragspartner der Beklagten. Sie war auch nicht Empfängerin der hier in Rede stehenden Warensendung. Mithin können ihr keine frachtvertraglichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen.

Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass der F-GmbH deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zustehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

II.

Die K-GmbH war zwar gemäß dem von der Beklagten ausgestellten MAWB fracht-briefmäßige Empfängerin der Warensendung. Gleichwohl standen ihr gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus Art. 18 und 13 WA zu.

Die Beklagte war hinsichtlich des hier in Rede stehenden Transports lediglich ausführende Luftfrachtführerin und damit Unterfrachtführer. Wie der von der Klägerin vorgelegte HAWB belegt, war die Firma K. W. E. Inc. aus T. vertragliche Luftfrachtführerin, beauftragt durch die Absenderin, die Firma F. P. O. Co. Ltd. aus J. Ausweislich des HAWB war die K-GmbH Empfängerin dieses Luftfrachtvertrages.

Im Rahmen der CMR entspricht es der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, dass einem Empfänger gegen den Unterfrachtfrachtführer, der nicht nachfolgender Frachtführer im Sinne des Art. 34 CMR ist, wegen Beschädigung oder Verlust des Gutes keine Schadensersatzansprüche aus Art. 17 CMR zustehen (vgl. BGH VersR 1992, 640 mit weiteren Nachweisen). Dies folgt daraus, dass der Empfänger seine Rechte aus der vertraglichen Rechtsposition des Absenders herleitet und ihm deshalb letztendlich nicht mehr Rechte als dem Absender zustehen können, von dessen Stellung er seine Anspruchsberechtigung ableitet. Stehen daher dem Absender des Hauptfrachtvertrages keine Schadensersatzansprüche gegen den Unterfrachtführer zu, weil die Voraussetzungen des Art. 34 CMR nicht gegeben sind, kann auch der Empfänger den Unterfrachtführer nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Der Unterfrachtführer ist lediglich Hilfsperson und Erfüllungsgehilfe des Hauptfrachtführers bei der Ausführung der Beförderung und ist in dieser Funktion vergleichbar mit einem Arbeitnehmer des Hauptfrachtführers, gegen den ebenfalls keine frachtvertraglichen Ansprüche des Absenders oder Empfängers bestehen.

Für das hier in Rede stehende Unterfrachtführerverhältnis zwischen der Beklagten und der K. W. E. Inc. aus J. kann insoweit nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten.

Der BGH hat dieses Ergebnis bei der CMR maßgeblich aus der Bestimmung des Art. 34 CMR hergeleitet, aus der sich ergibt, dass der Unterfrachtführer nur unter den dort genannten engen Voraussetzungen Vertragspartner des Absenders des Hauptfrachtvertrages wird. Das WA enthält in Art. 30 WA eine mit Art. 34 CMR inhaltlich übereinstimmende Regelung.

Da dem Empfänger der Hauptfrachtvertrages nicht mehr Rechte zustehen sollen als dem Absender des Hauptfrachtvertrages, finden diese Grundsätze immer dann Anwendung, wenn der Empfänger des Hauptfrachtvertrages zugleich auch Empfänger des Unterfrachtvertrages ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Hieran ändert der Umstand nichts, dass im HAWB die Anschrift der K-GmbH in der W. Straße eingetragen ist, im MAWB hingegen das D. A. O. der K-GmbH.

Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte gemäß Art. 30 WA Vertragspartnerin der F. P. O. Co. Ltd. geworden sein könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

III.

Abweichend von diesen Grundsätzen wäre jedoch ein Schadensersatzanspruch der K-GmbH gegenüber der Beklagten gegeben, wenn im vorliegenden Fall die Bestimmung des Art. II ZAG anwendbar wäre. Dies ist indessen nicht der Fall.

Das ZAG findet nur dann Anwendung, wenn sowohl der Staat, in dem der Abflugort liegt, als auch das Land, in dem das Gut vereinbarungsgemäß abgeliefert werden soll, dieses internationale Abkommen ratifiziert haben. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Abflugort war im vorliegenden Fall T. und J. gehört nicht zu den Vertragsstaaten dieses Abkommens.

Der Auffassung der Klägerin, das ZAG sei abweichend von diesen Grundsätzen immer dann anwendbar, wenn das Land, dessen Recht auf den Luftverkehrsvertrag anwendbar ist, das Abkommen ratifiziert hat, entspricht nicht der herrschenden Meinung. Letztendlich kann diese Frage jedoch auf sich beruhen.

Der Hauptfrachtvertrag unterliegt gemäß Art. 28 EGBGB japanischem Recht, da beide Vertragspartner ihren Firmensitz in Japan haben und der Hauptfrachtführer das Transportgut in T. übernehmen sollte. Für den hier in Rede stehenden Unterfrachtvertrag gilt nichts anderes. Auch hier hat eine japanische Firma der Beklagten in J. den Transportauftrag erteilt und die Beklagte hat das Transportgut in T. übernommen.

Da J. das ZAG nicht ratifiziert hat, ergibt sich somit auch nach der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung zum Anwendungsbereich des ZAG kein anderes Ergebnis.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Mit Rücksicht darauf, dass der BGH bislang noch nicht entschieden hat, ob die zur CMR entwickelten Grundsätze über die Inanspruchnahme des Unterfrachtfrachtführers durch den Empfänger bei der Luftbeförderung nach dem WA entsprechend gelten, wird zu Gunsten der Klägerin die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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