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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: I-18 U 17/06
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
VVG § 154 Abs. 1
VVG § 156
VVG § 156 Abs. 1
VVG § 157
VVG § 157 Abs. 1
ZPO § 256
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Dezember 2005 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (35 O 169/04) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

In den Jahren 1999 und 2000 war die Klägerin führender Transportversicherer der Firmen M. in B. und der H. mit Sitz in D.. Die Klägerin berühmt sich, sie habe wegen zweier Schadensfälle Regressansprüche gegen die Firma R. in B., deren Verkehrshaftungsversicherer die Beklagte ist.

Diesen Schadensersatzansprüchen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.

Am 31. März 1999 beauftragte die M. die Firma R. mit dem Transport diverser Dekorpapiere und Folien zur Firma Z. in M. Der LKW-Transport wurde beraubt. Die Klägerin beziffert den entstandenen Schaden mit 192.867,63 DM.

Diesen von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch wies die O. mit Schreiben vom 9. April 1999 zurück. Daraufhin erhob die Klägerin gegenüber der R. Klage vor dem Landgericht Berlin. Das Landgericht Berlin wies die Klage durch Urteil vom 15. November 2000 ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein.

2.

Am 12. Juli 2000 beauftragte die H. die R. mit der Beförderung von 94 Fireliteformatoren zur Firma T. in W./USA. Dort wurden beide Kisten beschädigt abgeliefert. Die Klägerin spezifiziert den eingetretenen Warenschaden mit 35.697,17 DM.

Die angefallenen Gutachterkosten belaufen sich auf 1.136,- $. Nach längerer Verhandlung wies die O. für die R. die geltend gemachten Schadensersatzansprüche mit Schreiben vom 26. April 2001 zurück. Daraufhin erhob die Klägerin am 2. September 2002 Klage.

Zur Zustellung dieser Klage kam es nicht mehr, weil bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2. Oktober 2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. eröffnet worden war. Hierdurch wurde auch das Berufungsverfahren, mit dem die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche aus dem ersten Schadensfall weiterverfolgt hatte, unterbrochen.

In der Folgezeit nahm der Insolvenzverwalter das Berufungsverfahren nicht auf. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 gab der Insolvenzverwalter der R. zugunsten der Klägerin den Deckungsanspruch der Gemeinschuldnerin aus dem ersten Schadensfall gegen die Beklagte frei. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 gab er auch hinsichtlich des Schadensfalls 2 eine entsprechende Erklärung zugunsten der Klägerin ab.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 100.565,82 € nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 16. Juli 1999 bis zum 10. Januar 2005 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2005 zu zahlen.

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 18.251,67 € sowie 1.136,50 $ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. April 2001 zu zahlen.

Hilfsweise hat die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der R. gegenüber im Rahmen der bei ihr abgeschlossenen Verkehrshaftungspolice bedingungsgemäß Deckung anlässlich folgender Schadensfälle zu gewähren:

a)

Schadensereignis vom 31. März 1999, Schadens-Nr.: O. B. 0........., Schadensbetrag 196.967,63 DM (100.656,82 €). Versicherungsnehmer: M., B.,

b)

Schadensereignis vom 12. Juli 2000, Schadens-Nr.: O. B. 0........., Schadensbetrag 18.251,67 € sowie 1.136,50 $, Versicherungsnehmer: H., Dortmund.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien unbegründet; der Klägerin stünde wegen beider Schadensfälle kein Anspruch auf Zahlung der Versicherungsleistung zu, weil die Schadensersatzansprüche, derer sich die Klägerin gegenüber der R. berühme, nicht gemäß § 154 Abs. 1 VVG festgestellt seien. Daher seien etwaige Versicherungsleistungen, die sie, die Beklagte, gegenüber der R. Spedition wegen dieser Schadensfälle erbringen müsse, nicht fällig.

Die Beklagte meint, der Klägerin stünden wegen dieser beiden Schadensereignisse auch keine Schadensersatzansprüche gegenüber der R. Spedition GmbH zu. Deswegen habe sie, die Beklagte, der R. Spedition GmbH Deckungsschutz gewährt, indem sie sich dafür entschieden habe, Rechtsschutz zu gewähren, um die unberechtigt erhobenen Ansprüche abzuwehren.

Da der Anspruch auf Rechtsschutz zur Abwehr unberechtigter Ansprüche und der Anspruch auf Befreiung von begründeten Ansprüchen nur Ausgestaltungen eines einzigen, einheitlichen Deckungsanspruchs seien, sei sie, die Beklagte, daher in beiden Schadensfällen ihrer Verpflichtung gegenüber der R. Spedition GmbH, Deckungsschutz zu gewähren, nachgekommen. Wegen der beiden Schadensfälle habe sie auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber der R. Spedition GmbH versicherungsrechtliche Einwände gegen die Deckungsansprüche erhoben. Deshalb sei der Feststellungsantrag wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.

Das Landgericht hat - unter Abweisung im Übrigen - dem Feststellungsantrag stattgegeben. Für die Feststellung bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers oder wie hier - des Insolvenzverwalters - die Gefahr bestehe, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren gehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, für die von der Klägerin begehrte Feststellung fehle ein rechtliches Interesse, weil sie, die Beklagte, den der R. Spedition GmbH zustehenden Deckungsanspruch erfüllt habe. Daher drohe im vorliegenden Fall keine Verjährung des Deckungsanspruchs. Auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 VVG seien nicht gegeben, da sie zu keinem Zeitpunkt den Versicherungsschutz abgelehnt habe.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin macht sich die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zu eigen und wiederholt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Ihr rechtliches Interesse an der Feststellung sei bereits deswegen gegeben, weil die Beklagte zu keinem Zeitpunkt erklärt habe, im Falle der jeweiligen Verurteilung der R. Spedition GmbH vertragsgemäß in jedem Schadensfall Deckung zu gewähren.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

A.

Im Ergebnis richtig und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dahin entschieden, dass die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO zulässig ist, weil die Voraussetzungen dieser Norm gegeben sind.

I.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht wegen der Bestimmung des § 157 VVG ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO.

Zwar hat der Geschädigte normalerweise keinen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers. Eine Ausnahme hierzu besteht nur bei der Kfz-Haftpflichtversicherung. Deswegen muss der Geschädigte, nachdem er gegen den Schädiger ein Urteil erstritten hat, den Anspruch des Schädigers gegen dessen Haftpflichtversicherung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, wenn er auf den Anspruch aus der Haftpflichtversicherung Zugriff nehmen will.

Im Fall der Insolvenz des Schädigers gibt § 157 VVG dem Geschädigten wegen seines Schadens jedoch einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag. Dieser Anspruch bewirkt im Ergebnis, dass der Geschädigte im Insolvenzfall keinen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mehr benötigt, um auf den Haftpflichtversicherungsanspruch zuzugreifen.

Der Insolvenzverwalter hat auch in beiden Fällen das durch § 157 VVG begründete Pfandrecht der Klägerin an den Versicherungsansprüchen anerkannt und demgemäss diese Ansprüche an die Klägerin zum Zweck der abgesonderten Befriedigung abgetreten, so dass die Klägerin Pfandgläubigerin der hier in Rede stehenden versicherungsrechtlichen Ansprüche der R. Spedition GmbH geworden ist, wodurch sie in die Rechtsposition der R. Spedition GmbH aus dem Versicherungsvertrag eingerückt ist.

II.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Das Tatbestandsmerkmal des § 256 ZPO des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist weit auszulegen. Deswegen besteht ein Feststellungsinteresse bereits dann, wenn dem Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte ein Recht der Klägerin ernstlich bestreitet oder die Beklagte sich eines Rechts gegen die Klägerin berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Außerdem besteht stets ein Feststellungsinteresse zum Zweck der Hemmung der Verjährung.

Für die hier in Rede stehende Fallgestaltung der vorweggenommenen Deckungsklage hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15. November 2000 (VersR 2001, 90 ff) unter Bezugnahme auf frühere Urteile (VersR 1991, 414; VersR 1975, 655 sowie VersR 1964, 156) das Feststellungsinteresse bejaht, wenn der Versicherer aus versicherungsrechtlichen Gründen die Leistung verweigere und eine Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG setze, aber auch dann, wenn der Streit zwischen Versicherungsnehmer, Versicherer und Haftpflichtgläubiger im Wesentlichen um Fragen der Deckungspflicht gehe, oder wenn der Versicherungsnehmer selbst zur Erfüllung des Haftpflichtanspruchs nicht in der Lage sei. Das Feststellungsinteresse des Geschädigten bestehe schließlich dann, wenn wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers die Gefahr bestehe, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren gehe.

Der Grund dafür, dem Haftpflichtgläubiger ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung des Deckungsschutzes zuzubilligen, ergebe sich aus der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung, wie sie in den §§ 156 Abs. 1, 157 Abs. 1 VVG zum Ausdruck gekommen sei. Diese Bestimmungen bezweckten den Schutz des Geschädigten, weil sie sicherstellen, dass die Versicherungsentschädigung ihm zugute kommt.

Dieser Rechtsauffassung des BGH hat sich inzwischen auch der 4. Senat des OLG Düsseldorf angeschlossen (vgl. NVersRZ 2002, 135). Der erkennende Senat teilt ebenfalls die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist im vorliegenden Fall ein Feststellungsinteresse der Klägerin gegeben.

Der Senat verkennt nicht, dass in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Versicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer erklärt hatte, keine Deckung gewähren zu wollen, so dass für den Geschädigten wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers die konkrete Gefahr bestanden hat, dass ihm der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren ging, während im vorliegenden Fall unklar ist, ob und gegebenenfalls wie die Beklagte sich gegenüber der Firma R. GmbH hinsichtlich der Frage erklärt hat, ob sie, die Beklagte, die Versicherungsleistung erbringen wird, falls der Haftpflichtanspruch rechtskräftig tituliert wird.

Dieser sachliche Unterschied zwischen dem vom BGH entschiedenen und dem hier zur Entscheidung stehenden Fall rechtfertigt jedoch kein anderes Ergebnis hinsichtlich der Frage, ob ein Feststellungsinteresse der Klägerin gegeben ist. Denn ein Feststellungsinteresse der Klägerin ist nicht nur dann gegeben, wenn das Gericht sicher feststellen kann, dass die konkrete Gefahr besteht, dass der Anspruch wegen Untätigkeit der R. Spedition GmbH beziehungsweise des Insolvenzverwalters tatsächlich verloren zu gehen droht. Vielmehr reicht es aus, dass diese Gefahr jedenfalls aus Sicht der Klägerin nicht ausgeschlossen erscheint, weil sie im Unklaren ist, ob den beiden Versicherungsansprüchen der R. Spedition GmbH tatsächlich Einwände entgegen stehen, die alsbald zum Verlust der Versicherungsansprüche führen könnten, und die Beklagte diese Unsicherheit aufrecht erhält, indem sie sich weigert, sich verbindlich dazu zu erklären, ob sie nach Titulierung der Haftpflichtansprüche die Versicherungsleistungen erbringen will.

Denn bei dieser Fallgestaltung besteht aus Sicht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit für ihre Ansprüche, die die Besorgnis begründet, es könnten Umstände vorliegen, die zum Verlust der erhobenen Ansprüche führen würden, wenn diese Ansprüche nicht alsbald rechtskräftig festgestellt werden. Diese Unsicherheit muss wegen der vom Gesetzgeber in §§ 156, 157 VVG normierten Sozialbindung der Haftpflichtversicherung genügen, um ein Feststellungsinteresse zu begründen, wenn die Klägerin auf anderem Weg keine Klarheit darüber gewinnen kann, ob für die beiden hier in Rede stehenden Schadensfälle, von denen sie betroffen ist, ein Anspruch auf die Versicherungsleistung besteht oder nicht.

Die Klägerin ist im vorliegenden Fall im Unklaren, ob die Beklagte die Versicherungsleistungen zahlen will, sobald die Haftpflichtansprüche tituliert sind.

Die Beklagte hat vorprozessual zwar den von der Klägerin erhobenen Zahlungsanspruch zurückgewiesen, dies jedoch im Hinblick auf die Bestimmung des § 154 Abs. 1 VVG zu Recht. Dass die Beklagte bei dieser Zurückweisung Einwände hinsichtlich des bestehenden Versicherungsschutzes erhoben hätte oder umgekehrt die Zahlung der Versicherungssummen in Aussicht gestellt hätte, sobald die Haftpflichtansprüche tituliert sind, behaupten beide Parteien nicht.

Im laufenden Prozess hat die Beklagte sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, sie habe ihrer Versicherungsnehmerin in beiden Schadensfällen Deckungsschutz gewährt, weil sie die R. Spedition GmbH bei der Abwehr der von der Klägerin erhobenen Schadenersatzansprüche unterstützt habe; hinsichtlich der Frage, ob sie nach Titulierung der Haftpflichtansprüche leisten wird, müsse sie sich gegenüber der Klägerin nicht erklären. Mithin hat die Beklagte im laufenden Prozess Auskünfte über das Bestehen des Haftpflichtversicherungsschutzes verweigert, denn aus ihren Ausführungen lässt sich weder ableiten, dass sie ernstlich bestritten hätte, dass die R. Spedition GmbH in beiden Schadensfällen die Versicherungsleistung beanspruchen kann, noch, dass sie die Versicherungsleistung nach Titulierung der Haftpflichtansprüche tatsächlich erbringen wird.

Die Erklärung der Beklagten, sie habe tatsächlich Deckungsschutz in Form der Abwehrhilfe gewährt, enthält nämlich nicht zugleich auch die konkludente Erklärung, dass sie Deckungsschutz durch Zahlung der Versicherungssumme erbringen wird, sofern die frachtvertraglichen Schadensersatzansprüche tatsächlich bestehen. Zwar sind der Anspruch auf Erbringung der versicherungsvertraglichen Leistung und der Anspruch auf Abwehr unberechtigter Ansprüche Teil des einheitlichen versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs. Das ändert aber nichts daran, dass ein Versicherer einerseits Versicherungsschutz durch Zahlung der Versicherungssumme ablehnen, andererseits aber gleichwohl Hilfe bei der Abwehr der erhobenen Ansprüche gewähren kann. Dieses Verhalten kann darauf beruhen, dass der Versicherer die Abwehrhilfe aus Kulanz leistet, aber auch darauf, dass er sich selbst nicht sicher ist, ob die Gründe, aus denen er sein Leistungsverweigerungsrecht herleitet, hinreichend stichhaltig sind, so dass er trotz Versagung des Versicherungsschutzes selbst noch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Abwehr der erhobenen Haftpflichtansprüche hat. Genau dieser Sachverhalt lag der Entscheidung VersR 1964, 156 zugrunde. Mithin ist die Gewährung von Abwehrhilfe kein Indiz, aus dem sich zwingend ableiten lässt, dass der Versicherungsnehmer tatsächlich Anspruch auf Deckungsschutz hat. Erst recht stellt eine tatsächlich erbrachte Abwehrhilfe kein Anerkenntnis des einheitlichen Deckungsanspruchs dar.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer vom Haftpflichtversicherer grundsätzlich nicht Befriedigung des Haftpflichtgläubigers verlangen kann, weil es dem Haftpflichtversicherer grundsätzlich freisteht, ob er den geltend gemachten Haftpflichtanspruch erfüllen oder den Versuch einer Abwehr dieser Ansprüche machen will (vgl. BGHZ 79, 76) und der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich nicht mehr Rechte zustehen können als der R. Spedition GmbH. Denn mit der bloßen Feststellung hinsichtlich des Umfangs des bestehenden Versicherungsschutzes hat die Klägerin keinen Anspruch auf Befriedigung ihrer Haftpflichtansprüche erhoben und auch keine versicherungsvertraglichen Ansprüche geltend gemacht, die über das hinausgehen, was die R. Spedition GmbH aus dem Versicherungsvertrag zu beanspruchen hat.

Schließlich ist es auch unerheblich, ob die R. Spedition GmbH, wenn sie Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits wäre, ein Feststellungsinteresse hätte, was die Beklagte mit guten Gründen verneint.

Denn es ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass für eine Deckungsklage des Versicherungsnehmers im Regelfall kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn der Versicherer bereits Deckungszusage in Form der Abwehr unbegründeter Ansprüche zugesagt hat (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2003). Dies dürfte auch dann gelten, wenn die Beklagte sich auf eine Anfrage der R. Spedition GmbH, ob der Schaden gegebenenfalls reguliert wird, ebenso wie gegenüber der Klägerin dahin erklärt hätte, sie gewähre zunächst Deckungsschutz durch Abwehr der erhobenen Ansprüche, sie also - wie im vorliegenden Fall gegenüber der Klägerin - die Frage nach dem etwaigen Ausgleich des Schadens bewusst unbeantwortet gelassen hätte, um diese Frage offen zu halten. Denn solange einerseits noch ungeklärt ist, ob die Haftpflichtansprüche bestehen, und andererseits die Versicherung noch nicht erklärt hat, sie werde für den entstandenen Schaden nicht eintreten, besteht für den Versicherungsnehmer im Regelfall kein Rechtsschutzbedürfnis, die von der Versicherung noch unbeantwortet gelassene Frage vorab gerichtlich klären zu lassen.

Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer den Inhalt des Versicherungsvertrages kennt und er zum Beispiel auch weiß, ob er eine Obliegenheitsverletzung begangen hat, aus der die Versicherung eine Leistungsfreiheit herleiten könnte. Mit anderen Worten: Der Versicherungsnehmer ist jederzeit in der Lage - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme juristischer Beratung - die Frage, ob ihm ein Anspruch auf die Versicherungssumme zusteht, selbst verlässlich zu beantworten. Deswegen hat er kein dahingehendes Feststellungsinteresse, solange die Versicherung ihm gegenüber nicht zum Ausdruck bringt, dass und warum sie für den Schaden nicht eintreten wird.

Die Situation der Klägerin stellt sich demgegenüber ganz anders dar. Sie kennt den Inhalt des Versicherungsvertrages nicht, sie weiß nicht, ob der Versicherungsnehmer eine Vertragsverletzung begangen hat, die den Deckungsanspruch gefährden oder ausschließen könnte, ja sie weiß nicht einmal, ob die Versicherung sich schon gegenüber dem Versicherungsnehmer dazu erklärt hat, ob sie gegebenenfalls für den Schaden eintreten will oder nicht.

Der hiergegen von der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25. September 2006 erhobene Einwand, die Klägerin könne vom Insolvenzverwalter Auskunft über das Versicherungsverhältnis erlangen, verfängt nicht. Der Insolvenzverwalter kann der Klägerin zum einen nur insoweit Auskunft geben, wie er selbst informiert ist. Damit beschränkt sich seine Auskunftsmöglichkeit auf Mitteilung der ihm schriftlich vorliegenden Informationen sowie der ihm vom Insolvenzschuldner erteilten Auskünfte. Damit bietet diese Informationsquelle der Klägerin schon keine Gewähr auf vollständige Information. Der Insolvenzverwalter hat darüber hinaus keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob die vom Insolvenzschuldner stammenden Informationen in der Sache zutreffend sind, so dass die Klägerin auch keine Gewähr hat, vom Insolvenzverwalter richtig informiert zu werden. Weil die Klägerin nur von der Beklagten vollständig und richtig informiert werden kann, hat das OLG Düsseldorf (a.a.O.) zu Recht angenommen, dass der Geschädigte gegenüber der Haftpflichtversicherung einen Auskunftsanspruch über den Gegenstand und den Umfang des Versicherungsschutzes hat, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 157 VVG vorliegen und der Insolvenzverwalter den Deckungsanspruch aus der Versicherung an den Geschädigten abgetreten hat.

Der Umstand, dass die Klägerin bei der hier gegebenen Fallkonstellation ein Feststellungsinteresse hat, das die Versicherungsnehmerin nicht hätte, bedeutet jedoch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht, dass der Klägerin insoweit mehr Rechte aus dem Versicherungsvertrag zuerkannt würden als der R. Spedition GmbH, denn hierdurch verändern sich die materiellrechtlichen Ansprüche, die der R. Spedition GmbH aus dem Vertrag zustehen, nicht. Bei der Frage, ob ein Feststellungsinteresse gegeben ist, geht es lediglich um die prozessuale Frage, ob ein Interesse gegeben ist, das Bestehen dieser materiellrechtlichen Ansprüche gerichtlich feststellen zu lassen. Nur diese rein prozessuale Frage ist - wie die obigen Ausführungen zeigen - unterschiedlich zu beantworten, je nachdem, ob die Klägerin diese gerichtliche Feststellung begehrt oder die R. Spedition GmbH die gerichtliche Feststellung begehren würde, nachdem die Beklagte die Antwort auf die Frage, ob sie nach Titulierung der Haftpflichtansprüche die Versicherungsleistung erbringen wird, bewusst unbeantwortet lässt.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ein Anlass, zugunsten der Beklagten die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 60.000,- €.

Ende der Entscheidung

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