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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: I-18 U 195/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
BGB § 287
HGB § 426
HGB § 427 Abs. 1 Nr. 2
HGB § 431
HGB § 435
HGB § 439 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.11.2006 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (31 O 30/05) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gründe:

I.

Die Beklagte wendet sich zu Unrecht gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 2.772,27 € als Schadensersatz für den Fall 1.

1.

Es ist davon auszugehen, dass im Obhutsgewahrsam der Beklagten ein Server im Wert von 2.772,27 € total beschädigt wurde. Die Berufung zeigt keine konkreten Anhaltspunkte i.S.d. § 529 Abs. 1 ZPO gegen die Richtigkeit dieser Feststellung des Landgerichts auf.

a)

Es trifft nicht zu, dass das Landgericht zum Inhalt des fraglichen Pakets bei seiner Übergabe durch den Absender, eine T. K. Serverversand GmbH, an die Beklagte keine Feststellungen getroffen hätte. Vielmehr ist im dritten Absatz seiner Entscheidungsgründe ausgeführt, dass die Kammer aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen D. davon überzeugt sei, dass die Sendung der Beklagten unbeschädigt mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt übergeben wurde. Der von der Klägerin behauptete Inhalt war eben ein - intakter - Server mit den aus der Rechnung (Anl. K 2/1) ersichtlichen Merkmalen.

Es spricht auch nichts gegen die Richtigkeit dieser Feststellung.

b)

Ebenso wenig spricht gegen die Richtigkeit der auf die Aussage des Zeugen R. gestützten Feststellung, dass Paket und Inhalt bei der Ablieferung beschädigt waren. Die von der Berufung aufgegriffene Formulierung dieses Zeugen, "dass damals ein Computer bei uns beschädigt angekommen ist", macht im Zusammenhang mit dem das Versanddatum nennenden Beweisthema deutlich genug, dass der Zeuge den hier interessierenden Fall meinte und keinen anderen.

Das Landgericht konnte den Schaden schließlich jedenfalls gem. § 287 BGB als Totalschaden einschätzen, nachdem der Zeuge R., von Beruf Kommunikationselektroniker, eine deformierte Gehäuseecke und generell einen Zustand wie nach einem Sturz aus größerer Höhe beschrieben hatte, den er aus seiner fachlichen Sicht als Totalschaden bezeichnete und dabei insbesondere von einer beschädigten Festplatte ausging.

2.

Die Beklagte ist nicht nach § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB haftungsfrei. Der Server war nicht mangelhaft verpackt.

Die Berufung wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Landgericht von einer Verpackung ausgegangen ist, wie sie der Sachverständige L. nach Befragung eines Herrn S. sowie unter Zuhilfenahme von Fotos neuer Serververpackungen des Absenders und des dort üblichen Verpackungsablaufs begutachtet hat, nämlich einem Karton aus starker Wellpappe, der nicht nur auf dem unteren Boden mit Styroporecken sowie zusätzlichen Styroporstücken an den Längsseiten versehen war, sondern innerhalb dessen der Server von oben mit einem ebenso gepolsterten Styroporstück abgedeckt und der Server dadurch nach allen Richtungen fest verkeilt war. In diesem Zusammenhang ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Herrn S. nicht als Zeugen vernahm. Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Befragung im Einverständnis mit Kläger- und Beklagtenvertreter durchgeführt wurde, und die Beklagte hat dem nicht widersprochen. Der Zeuge D. hat nicht nur mitgeteilt, dass in dem Karton oben und unten Schaumstoff vorhanden war, sondern ausweislich des Protokolls seiner Vernehmung am 26.10.2006 auf den Vorhalt der Fotos im Gutachten des Sachverständigen L. ausdrücklich bestätigt, dass die fragliche Sendung ebenso verpackt war.

3.

Die Beklagte haftet unbeschränkt. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Schaden durch ihr bzw. eines ihrer Mitarbeiter qualifiziertes Verschulden i.S.d. § 435 HGB entstanden ist.

Wenn Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden zurückzuführen ist - z.B. Art und Ausmaß der Beschädigung des Gutes -, dann hat der Frachtführer mitzuteilen, welche Kenntnisse er über den konkreten Schadensverlauf hat und welche Schadensursachen er ermitteln konnte. Ihn trifft mithin eine Recherchepflicht. Nur wenn er trotz angemessener Nachforschungen keine Angaben zur Schadensentstehung machen kann (oder wenn sich positiv eine nicht als qualifiziert schuldhaft anzusehende Schadensursache herausstellt), bleibt der Ersatzberechtigte für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens des Transporteurs oder seiner Leute gegebenenfalls beweisfällig (BGH 29.06.2006, TranspR 2006, 390, 393). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Zunächst lassen Art und Ausmaß der Beschädigung des Servers darauf schließen, dass der Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden bei der Beklagten zurückzuführen ist. Der Zeuge R. hat eine Beschädigung einer Ecke des Computergehäuses beschrieben, also eines stabilen Metallgegenstandes, welche für ihn nach einem Sturz des Paketes aus größerer Höhe aussah. Eine entsprechende Schlussfolgerung zog im übrigen der Sachverständige L.. Ein Paket aus größerer Höhe auf eine Ecke fallen zu lassen oder in anderer Weise eine solche Kraft darauf einwirken zu lassen, ist aber eine grobe und unangemessene Behandlung anvertrauten Transportgutes, die die Annahme eines qualifiziert schuldhaften Handelns als Hintergrund nahe legt.

Ihre hierdurch begründete Recherchepflicht hat die Beklagte nicht erfüllt. Sie hat innerhalb der erbetenen, ihr gewährten und noch einmal verlängerten Frist keine Nachforschungen angestellt und keine Angaben zur Schadensentstehung gemacht. Eine weitere Fristverlängerung kam nicht in Betracht; insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss vom 11.06.2007 Bezug genommen.

4.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht durch ein ihr zuzurechnendes Mitverschulden des Absenders deshalb vermindert, weil der Absender die Sendung in Standard- und nicht in Wertpaketen auf den Weg brachte.

Ein solches Mitverschulden könnte nur dann zu dem Schaden beigetragen haben, wenn die Beklagte Wertpakete unter zusätzlichen, das Beschädigungsrisiko verringernden Vorkehrungen befördern würde. Hierzu ist nichts in prozessual beachtlicher Weise mitgeteilt.

Zum einen hat die Beklagte in erster Instanz zum Thema einer besonderen Wertpaketbehandlung nichts vorgetragen. Unter diesen Umständen hatte das Landgericht entgegen der Auffassung der Berufung keinen Anlass, eine solche Behandlung dennoch anzunehmen, weil sie gerichtskundig gewesen wäre. Gerichtskundigkeit vermag einen Beweis entbehrlich zu machen, aber nicht schon die entsprechende Darlegung. Das gilt jedenfalls in einem Fall wie diesem, in dem nicht zwingend ist, dass die aus anderen Prozessen bekannte Vorgehensweise (Wertpaketbehandlung) auch hier geltend gemacht werden sollte, sondern nicht auszuschließen war, dass die Beklagte hiervon bewusst absah, weil jene Behandlung zu dem konkreten Zeitpunkt auf der konkreten Strecke aus irgendwelchen Gründen (z.B. Einarbeitung, Systemwechsel o.ä.) nicht durchgeführt wurde. Der erstmaligen Erwähnung in der Berufungsinstanz steht § 531 Abs. 2 ZPO entgegen.

Zum anderen wird nicht deutlich, inwiefern die in anderen Prozessen von der Beklagten geschilderte Wertpaketbehandlung (insbesondere gesonderte Ablieferung durch den Abholfahrer im Eingangscenter, ggfls. Abgleich mit dem Frachtbrief, Origin-Scan, Pre-sheet-Verfahren) Beschädigungen (und nicht nur Verlusten) entgegenwirken soll.

5.

Angesichts des der Beklagten anzulastenden qualifizierten Verschuldens (s.o. 3.) bleibt es schließlich bei dem Ausspruch des Landgerichts, dass der Anspruch nicht verjährt ist.

Im übrigen würde in Abwesenheit eines qualifizierten Verschuldens nichts anderes gelten. Wann das beschädigte Paket zugestellt wurde, ist nicht bekannt; Übernahmedatum war der 05.01.2004. Bereits mit Schreiben vom 09.02.2004 (Anl. K 5/1) hielt die T. K. Serverversand GmbH die Beklagte haftbar (Anl. K 5/1). Für eine schriftliche Ablehnung i.S.d. § 439 Abs. 3 Satz 1 HGB wird von der Bekl. nichts vorgetragen und ist auch nichts ersichtlich.

6.

Der Hilfsantrag der Beklagten, sie nur Zug um Zug gegen Herausgabe des beschädigten Servers zu verurteilen, ist unbegründet.

Die "Herausgabe" (eigentlich Übereignung) einer total beschädigten Sache an den Schädiger setzt u.a. voraus, dass ein Restwert vorhanden ist (BGH 14.06.1983, NJW 1983, 2694; s. auch KG 26.05.1986, NJW-RR 1987, 16, 17). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

II.

Im Fall 2 bleibt es ebenfalls bei den vom Landgericht zugesprochenen 2.118 €.

1.

Die von der Berufung vermisste Beziehung zwischen dem fraglichen Paket und der Rechnung (Anl. K 2/2) sowie dem Lieferschein (Anl. K 3/2) ergibt sich jedenfalls daraus, dass sich die Lieferschein-Nr. 80050632 in dem "UPS Manifest - Detail Section" unter "Reference #2" wiederfindet (Anl. K 1/2, S. 2). Der Lieferschein seinerseits ist mit der Rechnung nicht nur durch die Identität von Adressat und Waren verbunden, sondern auch durch dieselbe Auftragsnummer (88267 vom 24.03.2004).

2.

Die Haftung der Beklagten ist nicht nach § 426 HGB ausgeschlossen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Verlust (so die Klägerin) bzw. die Beschädigung mit anschließender Vernichtung durch die Beklagte (so ihre "Benachrichtigung über Ersatzanspruchsbearbeitung", Anl. K 5/2, S. 2) im Zuge eines von der Beklagten nicht zu verhindernden Diebstahls entstand.

Das Landgericht hat richtigerweise keinen Beweis darüber erhoben, ob sich das fragliche Paket in einem der vier Container befand, die nach Behauptung der Beklagten zwischen dem 08. und dem 10.04.2004 in ihrem Center R. von einem Einbruchdiebstahl betroffen waren. Die Beklagte hatte sich hierfür zunächst ohne nähere Erläuterung auf das Zeugnis ihres Security-Supervisors C. berufen. Nachdem das Landgericht sie darauf hinwies, dass nicht ersichtlich war, warum dieser Zeuge Angaben zu dem konkreten Vorfall machen könne, hat sie sich lediglich zusätzlich auf das Zeugnis des Security Supervisors W. berufen und dazu mitgeteilt, dass Herr W. für das Center R. zuständig und demnach Sachbearbeiter des konkreten Vorfalls sei. Das ließ ebenso wenig erkennen, auf welcher konkreten Grundlage dieser Zeuge die behauptete Tatsache sollte bekunden können. Das Landgericht hat die Beklagte hierauf sogar - wie im angefochtenen Urteil, von ihr nicht widersprochen, festgehalten ist - nochmals hingewiesen. Im übrigen bringt die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nur vor, dass der Zeuge "anhand der ihm vorliegenden Listen" darlegen könne, welche Pakete sich in dem "bestohlenen Container" befanden, legt diese Listen aber nicht vor und erläutert auch nicht ihr Zustandekommen. Eine Zeugenvernehmung auf dieser Basis wäre nach wie vor eine unzulässige Ausforschung.

Hinzu kommt, dass die sehr knappe Beschreibung der Sicherung ihres R. Centers durch die Beklagte ohnehin keinen Schluss auf Unvermeidbarkeit oder auch nur auf die Abwesenheit von qualifiziertem Verschulden erlaubt.

3.

Unter diesen Umständen ist die Haftung der Beklagten auch nicht beschränkt gem. § 431 HGB. Die bloße Behauptung eines Diebstahls trotz ordnungsgemäßer Sicherung ist keine Erfüllung der Darlegungsobliegenheit des Frachtführers.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 4.890,27 €

Ende der Entscheidung

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