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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.04.2005
Aktenzeichen: I-18 U 206/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 2 Satz 1
BGB § 286 Abs. 1 Satz 2
HGB § 435
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.07.2004 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg - 23 O 22/03 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 426.288,14 € nebst 5 % Zinsen seit dem 28.02.2005 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin hatte von der H. B. V. mit Sitz in Amsterdam (im Folgenden: H.) den Auftrag erhalten, eine Partie Computerteile von Duisburg nach Leicester in England zu befördern, wobei Ablieferung im Lager der Klägerin in Leicester am Montag, 02.09.2002, um 9.00 Uhr vereinbart wurde. Sie beauftragte ihrerseits die Beklagte und die Beklagte weiter ihre Tochtergesellschaft V. Deren Fahrer parkte den LKW am Samstag, 31.08.2002, in Birmingham an einer öffentlichen Straße. Am nächsten Tag wurde dort entdeckt, dass die Verschnürung der Plane aufgeschnitten worden war und ein Teil der Ladung fehlte. Von dem hierfür von H. gegen die Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch hat diese von der Beklagten Freistellung begehrt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gewechselten Anträge der Parteien wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat in der zeitlich früher erhobenen Feststellungsklage u.a. der hiesigen Beklagten gegen u.a. die hiesige Klägerin zur Arondissementsrechtsbank Amsterdam dahingehend, dass die hiesige Beklagte für den Verlustschaden nicht, hilfsweise nur beschränkt, hafte, kein Hindernis für eine Sachentscheidung gesehen.

Es hat die Beklagte antragsgemäß dazu verurteilt, die Klägerin von Schadensersatzansprüchen in Höhe von 385.231,09 € nebst 5 % Zinsen seit dem 29.10.2003 freizustellen, die gegen sie von H. aufgrund des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 20.04.2004 - 24 O 123/03 - wegen des Diebstahlschadens an der Partie Computerteile geltend gemacht werden. Die Beklagte hafte unbeschränkt nach Art. 29 CMR, da der Standort des LKW in Birmingham ersichtlich ungeeignet gewesen sei. Mit Einwendungen gegen den in dem Verfahren 24 O 123/03 des LG Duisburg angenommenen Wert des abhanden gekommenen Guts sei die Beklagte, die jenem Rechtsstreit nach wirksamer Streitverkündung beigetreten sei, ausgeschlossen.

Die weitergehende Klage auf Freistellung von Kostenerstattungsansprüchen der H. aus dem Verfahren 24 O 123/03 LG Duisburg sowie auf Zahlung von 5.304,-- € nebst Verzugszinsen für die eigenen Anwaltskosten der Klägerin in jenem Verfahren hat das Landgericht zurückgewiesen, denn die Klägerin habe ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verletzt, indem sie die Forderung der H. nicht sogleich außergerichtlich anerkannte und erforderlichenfalls erfüllte.

Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens beglich die Klägerin per 10.01.2005 die Hauptforderung der H. zuzüglich Zinsen sowie deren zwischenzeitlich auf 12.822 € festgesetzte Kostenerstattungsansprüche und ihre eigenen Anwaltskosten.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, dass die deutschen Gerichte international nicht zuständig seien und das Verfahren wegen ihrer in Amsterdam anhängigen Feststellungsklage nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO ausgesetzt werden müsse. Außerdem seien weder die objektiven noch die subjektiven Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung gegeben. Zumindest treffe die Klägerin ein Mitverschulden wegen der Auftragserteilung über das Wochenende und mangels Mitteilung des Werts der Ladung.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Gericht erster Instanz, Kammer für Handelssachen, zurück zu verweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Beklagte insgesamt unter Neufassung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin 426.288,14 € nebst 5 % Zinsen seit dem 28.02.2005 zu zahlen.

Sie meint, das Landgericht habe ihre Forderung nach Ersatz für die Kostenerstattungsansprüche von H. und für ihre eigenen Anwaltskosten aus dem Verfahren 24 O 123/03 LG Duisburg zu Unrecht an der Annahme eines Mitverschuldens scheitern lassen. Nicht sie, sondern die Beklagte habe den Schadensersatzanspruch von H. außergerichtlich befriedigen müssen, um jenen Rechtsstreit zu vermeiden. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

und verteidigt insoweit das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Von den zulässigen Berufungen ist diejenige der Klägerin begründet und diejenige der Beklagten unbegründet.

I.

Die von Amts wegen zu beachtenden Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.

1.

Es fehlt nicht an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Dabei kann offen bleiben, ob die vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.05.2004 von der Beklagten erhobene Rüge der "Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg" (Bl. 155 GA) in dem Sinne aufzufassen ist, dass damit auch eine mangelnde internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte umfasst sein sollte. Diese internationale Zuständigkeit ist jedenfalls gegeben, ohne dass es auf eine rügelose Einlassung der Beklagten gemäß Art. 24 EuGVVO ankommt.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR. Der Ort der Übernahme des Guts war Duisburg. Hieran ändert es nichts, dass die EuGVVO keine entsprechende Zuständigkeitsnorm enthält. Vielmehr bestimmt Art. 71 Abs. 1 EuGVVO, dass Zuständigkeitsregelungen in Übereinkommen für besondere Rechtsgebiete unberührt bleiben. Das gilt auch dann, wenn der Beklagte sich nicht oder nicht rügelos auf das Verfahren eingelassen hat. Bei der in diesem Fall gemäß Art. 71 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 i.V.m. Art. 26 EuGVVO vorzunehmenden Amtsprüfung der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sind die Zuständigkeiten nach den in Art. 71 Abs. 1 EuGVVO benannten Übereinkommen (hier: Art. 31 Abs. 1 CMR) ebenso zu berücksichtigen wie die in der EuGVVO selbst enthaltenen Anknüpfungen (zu den gleichlautenden Bestimmungen des EuGVÜ grundlegend BGH 27.02.2003, TranspR 2003, 302, 303; jetzt auch EuGH, Urteil vom 28.10.2004, RS C-148/03).

2.

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht gemäß Art. 31 Abs. 2 CMR die in den Niederlanden anhängige negative Feststellungsklage entgegen.

Insoweit folgt der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der eine früher erhobene (negative) Feststellungsklage und eine Leistungsklage nicht "dieselbe Sache" i.S.d. Art. 31 Abs. 2 CMR sind (Urteile vom 20.11.2003, I ZR 102/02 und 294/02). Eine unabdingbare Wahlmöglichkeit von Gerichtsständen wie in Art. 31 Abs. 1 CMR dient in erster Linie dem Interesse desjenigen, der Ansprüche durchsetzen will bzw. muss und nicht gleichwertig dem Interesse des anderen Teils, Ansprüche in einem Gerichtsstand seiner Wahl abzuwehren. Die beiden Vertragsseiten werden dabei ausgewogen behandelt, denn Art. 31 CMR gilt für alle Arten von Ansprüchen aus dem Beförderungsvertrag, sowohl für solche, bei denen typischerweise der Frachtführer Anspruchsteller ist (Frachtlohn), als auch für diejenigen, die typischerweise von der Auftraggeberseite geltend gemacht werden (Schadensersatz).

Die Einwände der Beklagten gegen diese BGH-Rechtsprechung vermögen nicht zu überzeugen. Der BGH hat seine und des EuGH Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs "derselbe Anspruch" in Art. 21 EuGVÜ entsprechend Art. 27 EuGVVO nicht unbeachtet gelassen. Er erwähnt sie vielmehr ausdrücklich, hält sie aber im Ergebnis nicht für übertragbar auf Art. 31 Abs. 2 CMR. Er verkennt auch nicht, dass der Regelungszweck, divergierende Entscheidungen zu vermeiden, für einen Vorrang auch der negativen Feststellungsklage spricht, lässt ihn aber nach Abwägung hinter dem konkurrierenden Regelungszweck zurücktreten, dem Anspruchsteller die Wahl zwischen bestimmten sachnahen Gerichtsständen zu erhalten und ihn nicht auf den vom Anspruchsgegner gewählten Gerichtsstand festzulegen.

3.

Schließlich kam es nicht in Betracht, das Verfahren gemäß Art. 27 Abs. 1 EuGVVO auszusetzen, bis die niederländischen Gerichte rechtskräftig über ihre internationale Zuständigkeit für die dortige negative Feststellungsklage entschieden haben. Das Vorliegen und die Folgen einer anderweitigen Rechtshängigkeit bestimmen sich in diesem Verfahren nicht nach Art. 27 EuGVVO, sondern eben nach Art. 31 Abs. 2 CMR. Insofern war auch keine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 234 Abs. 2 EG erforderlich. Vor dem Hintergrund seines Urteils vom 28.10.2004 - RS C 148/03 - begegnet es keinem vernünftigen Zweifel, dass eine nach Art. 31 Abs. 1 CMR grundsätzlich gegebene und nicht durch die spezielle Regelung anderweitiger Rechtshängigkeit in Art. 31 Abs. 2 CMR wieder ausgeschlossene Zuständigkeit von der allgemeinen Regelung anderweitiger Rechtshängigkeit in Art. 27 EuGVVO nicht berührt wird (Art. 71 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a Satz 1 EuGVVO).

II.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur vollen Freistellung der Klägerin von dem Schadensersatzanspruch der H. verurteilt. Nachdem die Klägerin diesen Schadensersatzanspruch zwischenzeitlich befriedigt hat, kann sie gemäß ihrem sachdienlicherweise geänderten Antrag in der Berufungsinstanz nunmehr Zahlung von der Beklagten verlangen.

1.

Die Einwendungen der Beklagten gegen ihre vom Landgericht angenommene unbeschränkte Haftung nach Art. 29 CMR i.V.m. § 435 HGB greifen nicht durch.

a)

Es war objektiv leichtfertig, den LKW, dessen diebstahlgefährdete Fracht nur mit einer Plane abgedeckt war, über die Samstagnacht an einer zu dieser Zeit wenig frequentierten, an der einen Seite von Buschwerk bestandenen Straße stehen zu lassen, und zwar auch dann, wenn die andere Seite des so geparkten LKWs gemäß der Behauptung der Beklagten im Blickfeld der Kamera und des Pförtners eines fremden Betriebs gelegen haben sollte. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden.

An dieser Bewertung ändert sich nichts, wenn der Fahrer sein Fahrzeug mit Ladung in früheren Fällen an der selben Stelle abgestellt haben sollte, ohne dass etwas passierte, selbst wenn es sich - was der Behauptung der Beklagten nicht zu entnehmen ist - damals um ein ebenso schwach gesichertes Fahrzeug mit ebenso wertvoller Ladung gehandelt haben sollte. Eine Handlungsweise ist nicht erst dann leichtfertig i.S.d. § 435 HGB, wenn sie mit Sicherheit jedes Mal zu einem Schaden führt.

b)

Das Landgericht ist zu Recht ohne Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass auf Seiten der Beklagten das Bewusstsein vorlag, ein Schaden werde mit Wahrscheinlichkeit eintreten. Es bestand kein Anlass, den Fahrer als Zeugen dazu zu vernehmen, dass die Mitarbeiter der Einsatzplanung ihm - nach einiger interner Diskussion - gesagt hätten, der aktuelle Standplatz erscheine sicher, und dass der Fahrer selbst - ungeachtet seiner anfänglichen Bedenken - nun doch von einer relativen Sicherheit durch die behauptete Bewachung des angrenzenden Betriebsgeländes ausgegangen sei.

Für die subjektive Seite des § 435 HGB ist es nicht erforderlich, dass dem Fahrer und den Dispositionsmitarbeitern in ihrer Situation an dem fraglichen Samstag persönlich ein Vorwurf gemacht werden kann. Vielmehr existierte offenkundig keinerlei vorausschauende Planung, wo der LKW mit seiner wertvollen Ladung über das Wochenende sicher abgestellt werden sollte, so dass die Mitarbeiter vor Ort keine andere Handlungsmöglichkeit sahen. Dieser Organisationsmangel im Hause der Beklagten ist aber seinerseits als objektiv grob unangemessen und in der Folge auch subjektiv leichtfertig zu bewerten. Es kommt insoweit auf den Maßstab eines ordentlichen Frachtführers an, ohne dass eine möglicherweise zuversichtlichere subjektive Einstellung der bei der Beklagten für die vorherige Planung zuständigen Personen sie entlasten könnte. Im übrigen war sich die Beklagte des Risikos durchaus bewusst, wie ihre sowohl vorprozessual als auch in diesem Verfahren erfolgte Mitteilung belegt, dass man über Auftragserteilungen über das Wochenende "nicht glücklich" sei.

2.

Der Anspruch der Klägerin ist durch kein Mitverschulden ihrerseits gemindert. Dabei kann offen bleiben, inwieweit unter den hier gegebenen Voraussetzungen des Art. 29 CMR ein Mitverschulden des Absenders überhaupt von Bedeutung ist, bestimmt doch Art. 29 CMR, dass die Haftungsausschlüsse und -beschränkungen des IV. Kapitels der CMR entfallen, d.h. auch diejenige wegen Mitverschuldens nach Art. 17 Abs. 2 CMR. Ein etwaiger ergänzender Rückgriff auf nationales Recht hätte hier das deutsche Recht zugrunde zu legen, welches die Parteien spätestens im Rechtsstreit konkludent vereinbart haben, indem sie beide auf seiner Grundlage argumentieren. Die Voraussetzungen einer Schadensteilung nach § 254 BGB sind jedoch nicht gegeben.

a)

Ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin kann nicht darin gesehen werden, dass sie überhaupt einen Transportauftrag erteilte, bei dem die Abholung in Duisburg freitags und die Anlieferung in Leicester montags vorgesehen war. Das waren essenzialia des abzuschließenden Vertrages. Wenn die Beklagte hiergegen Bedenken hatte, weil sie sich zu einer sicheren Unterbringung des Gutes am Wochenende außer Stande sah, dann hätte sie den Auftrag ablehnen müssen. Dagegen ist es nicht möglich, in dem eigentlichen Vertragsinhalt ein Mitverschulden der Auftraggeberseite zu sehen.

b)

Der Klägerin ist auch nicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB anzulasten, dass sie der Beklagten nicht den genauen Handelswert der Ladung nannte.

Der Beklagten musste in Anbetracht der insoweit unstreitigen Rahmenvereinbarung der Parteien über den Transport von Ware der H. klar sein, dass es sich um Computerware handelte. Zusätzlich war auch auf dem Frachtdokument (K.-Anl. 1, Bl. 7 GA) vermerkt: "Computers" sowie ein Gewicht von 8,2 Tonnen. Dass ein Trailer voller Computer einen hohen finanziellen Wert hat, liegt aber auf der Hand. Der genaue Betrag hätte in diesem Zusammenhang keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht.

III.

Die Beklagte hat der Klägerin auch diejenigen Kosten zu ersetzen, die ihr durch die erfolglose Führung des Rechtsstreits 24 O 123/03 LG Duisburg entstanden sind.

1.

Es handelt sich der Sache nach um einen Verzugsschaden, der in der CMR nicht geregelt ist (s. Art. 27 Abs. 1 CMR). Ein solcher ist unabhängig vom Vorliegen eines groben Verschuldens i.S.d. Art. 29 CMR nach Maßgabe des ergänzend anwendbaren nationalen Rechts zu ersetzen (BGH 24.05.2000, VersR 2001, 397, 398); im Übrigen ist grobes Verschulden hier gegeben (s.o. I 1). Das ergänzend anwendbare nationale Recht ist wiederum infolge stillschweigender Rechtswahl das deutsche, mit dessen Bestimmungen beide Parteien argumentieren. Seine Anspruchsvoraussetzungen (§ 286 BGB) sind erfüllt.

1.

Als der Klägerin die fraglichen Prozesskosten erwuchsen, befand sich die Beklagte mit der Erfüllung des Freistellungsanspruchs hinsichtlich der Forderung von H. nach § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB im Verzug. Das Verfahren 24 O 123/03 LG Duisburg begann mit der Klageschrift vom 28.08.2003. Die Klageschrift in diesem Verfahren war der Beklagten bereits am 09.07.2003 zugestellt worden (Bl. 57R GA).

2.

Das Entstehen der fraglichen Prozesskosten war durch den Verzug der Beklagten adäquat kausal verursacht. Hätte die Beklagte ihre Verpflichtung gegenüber der Klägerin erfüllt und H. befriedigt, dann hätte letztere nicht mehr die Klägerin mit Erfolg gerichtlich in Anspruch genommen.

Der Zurechnungszusammenhang wurde auch nicht dadurch unterbrochen, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, freiwillig an H. zu leisten und erst anschließend die Beklagte in Regress zu nehmen.

Insofern liegt es anders als in den von der Beklagten angeführten Fällen der Mietwagenkosten nach Autounfällen. Jene Entscheidungen beruhen darauf, dass die Verpflichtung des Geschädigten zur Zahlung der Miete für das Ersatzfahrzeug und sein Anspruch gegen den Schädiger bzw. dessen Versicherer als unabhängig angesehen wurden; der Schädiger schuldete danach die Miete in der jeweils vereinbarten Höhe, während der Geschädigte nur zum Ersatz eines - niedrigeren - angemessenen Betrages als verpflichtet angesehen wurde. Im Unterschied dazu besteht hier der Schaden der Klägerin gerade in ihrer eigenen Ersatzpflicht gegenüber H. in in der Hauptsache identischer Höhe. Solange die Beklagte nicht freiwillig leistete oder wenigstens anerkannte, musste die Klägerin jenen Prozess führen, um nicht beim Regress gegenüber der Beklagten den Einwand zu riskieren, sie habe an H. unnötigerweise gezahlt.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob der Interventionseffekt aus dem Verfahren 24 O 123/03 LG Duisburg auch in der Weise hätte herbeigeführt werden können, dass die Klägerin an H. außergerichtlich unter Vorbehalt zahlte und ihr in diesem Regressprozess den Streit verkündete. Auf ein solches Vorgehen brauchte die Klägerin sich jedenfalls nicht verweisen zu lassen. Sie war überhaupt nicht gehalten, mit einer Zahlung in Vorlage zu treten (vgl. § 257 Satz 1 BGB). Vielmehr hatte sie alles getan, was erforderlich war, damit die Beklagte ihre Freistellungsverpflichtung rechtzeitig erfüllen und so eine Klage von H. vermeiden konnte. Unter diesen Umständen lag es in der Hand des Beklagten, ob sie ihrer Verpflichtung zur Befriedigung von H. rechtzeitig nachkam, oder ob sie es auf das Verfahren 24 O 123/03 LG Duisburg ankommen ließ, in welchem sie auf Seiten der hiesigen Klägerin beitrat und den Anspruch von H. mit ihr zusammen in vollem Umfang bekämpfte (vgl. BGH 24.05.2000, VersR 2001, 397, 398).

3.

Da die Klägerin zur Vorleistung an H. nicht verpflichtet war, trifft sie auch kein Mitverschulden.

IV.

Die an H. beglichene Hauptforderung betrug 385.231,09 €. Hinzu kommen 23.052,30 € Zinsen (5 % p.a. vom 29.10.2003 bis zum 09.01.2005). Zusammen mit den zugunsten von H. festgesetzen Kosten in Höhe von 12.822 € und den eigenen Anwaltskosten der Klägerin von unstreitig 5.304 € ergeben sich in der Summe 426.409,39 €, von denen jedoch nur 426.288,14 € geltend gemacht werden.

Der Zinsanspruch auf diese 426.288,14 € seit dem 28.02.2005, dem Tag der endgültigen Antragstellung vor dem Senat, rechtfertigt sich aus Verzugsgesichtspunkten.

V.

Die Kostenentscheidung folgt für die erste Instanz aus § 91 ZPO, für die Berufung aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Streitwert für die Berufungsinstanz:

- bis zum 27.02.2005 403.357,09 € (davon Berufung der Beklagten 385.231,09 €, Berufung der Klägerin 18.126,-- €)

- ab dem 28.02.2005 426.288,14 € (davon Berufung der Beklagten 385.231,09 €, Berufung der Klägerin 41.057,05 €)

Ende der Entscheidung

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